Party, Strand – und Mord - Dana Kilborne - E-Book

Party, Strand – und Mord E-Book

DANA KILBORNE

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Beschreibung

Willkommen zum großen Finale auf der Todesinsel!
Um mit den schrecklichen Ereignissen im Tropicana Beach Club fertig zu werden, rät ihr Psychologe Tori, in den Ferienclub zurückzukehren. Doch kaum dass sie dort angekommen ist, geht der Horror weiter: Charlene stürzt von den Klippen, Toris Bungalow wird verwüstet, und bei den Vorbereitungen zur großen Sommerabschlussparty gibt es einen Toten! Tori hat nur einen Gedanken: Sie muss weg von hier. Weg von der Insel des Todes! Doch ehe sie die Flucht ergreifen kann, kommt ein Sturm auf und schneidet sie alle von der Außenwelt ab. Und dann zeigt der Mörder sein wahres Gesicht ...

Thriller für Jugendliche und Junggebliebene. Zweiter und letzter Teil. Teil 1: Sommer, Meer - und Tod! Beide Teile sind auch einzeln und unabhängig voneinander lesbar. Empfohlen wird dennoch die richtige Reihenfolge. Ist einfach spannender ;-)

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Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

Epilog

Leseprobe „Sonne, Meer – und Tod“

Impressum

Prolog

Das schreckliche Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, holte sie aus ihrer tiefen Bewusstlosigkeit. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Verzweifelt versuchte sie, ihre Lunge zu füllen, aber ihr gelang nicht einmal der kleinste Atemzug.

Sie schlug die Augen auf, doch alles um sie herum drehte sich. Es war, als würde sie in einem dieser altmodischen Karussells auf dem Jahrmarkt sitzen, das erst ganz langsam anfuhr und dann immer schneller und schneller wurde, bis die Welt nur noch ein Schemen war, bei dem man keine Einzelheiten mehr erkennen konnte.

So ähnlich fühlte es sich auch jetzt, in diesem Augenblick, an. Nur ungefähr eine Million Mal schlimmer.

Sie blinzelte angestrengt, und langsam begann sich das Bild vor ihren Augen zu klären. Um sie herum herrschte dämmriges Zwielicht, doch sie konnte Wände aus unbehandeltem Kiefernholz und eine Bank erkennen, die den rückwärtigen Teil des Raumes einnahm.

Sie wusste weder, wo sie sich befand, noch wie sie hierhergekommen war. Das schmerzhafte Pochen in ihrem Schädel machte das Denken so gut wie unmöglich.

Und dann, plötzlich, spürte sie diese schreckliche Hitze.

Es war nicht wie die sanfte Wärme der Sommersonne, die ihre Haut streichelte. Auch nicht wie das herrliche Gefühl, nach einem langen Wintertag ein entspannendes Bad zu nehmen.

Nein, diese Hitze war anders.

Sengend.

Mörderisch.

Sie drang in jeden Winkel ihres Körpers und setzte ihre Nervenenden in Flammen. Der kalte Schweiß trat ihr auf die Stirn, und ihr Herz hämmerte wie ein kleiner Vogel, der sich verzweifelt bemühte, aus seinem Käfig zu entfliehen.

Doch es gab keinen Ausweg für ihn – ebenso wenig wie für sie.

Mühsam rappelte sie sich auf. Mit jeder Bewegung schossen glühende Pfeile aus Schmerz durch ihre Glieder, ihr war schwindelig und übel, doch irgendwie gelang es ihr, bis zur Tür des kleinen Raumes zu gelangen.

Sie drehte den Knauf, und ein Stöhnen entrang sich ihrer Kehle.

Oh nein! Nein, bitte nicht!

Es war abgeschlossen.

Panik stieg in ihr auf. Mit einem Mal schienen die Wände auf sie zuzukommen, und die Hitze wurde unerträglich.

Ihr ganzer Körper schien in Flammen zu stehen, und sie konnte nicht mehr atmen, weil die vor Hitze flirrende Luft wie Feuer in ihrer Lunge brannte.

Lange würde sie diese mörderischen Temperaturen nicht mehr aushalten, das spürte sie deutlich. Schon jetzt wurde ihr immer wieder schwarz vor Augen, und ihre Kräfte verließen sie langsam.

Wenn sie nicht bald hier herauskam, würde dieser schäbige Holzverschlag zu ihrem Sarg werden.

»Hilfe!«, stieß sie heiser hervor und sank kraftlos zu Boden. »Bitte, so helft mir doch!«

Doch niemand hörte ihr verzweifeltes Flehen.

Entsetzt riss Tori die Augen auf und fuhr hoch.

»Nein! Ich will nicht sterben!«

Ihr Atem ging gepresst und stoßweise. Es dauerte einen Moment, bis sie erkannte, dass sie sich nicht mehr in der erdrückenden Enge des Holzverschlags befand, sondern im geräumigen Arbeitszimmer ihres Psychologen.

Dr. Matthews saß ihr gegenüber im Halbdunkeln in einem eleganten Ledersessel und betrachtete sie mit einer Mischung aus Mitleid und professioneller Neugier. »Erzählen Sie mir von Ihrem Traum«, forderte er sie auf. »Was genau passiert darin?«

»Das wissen Sie doch ganz genau!« Mit einer zittrigen Handbewegung fuhr Tori sich durch ihr schulterlanges schwarzes Haar. »Ich habe es Ihnen schon mindestens eine Million Mal erzählt, Doc. Es ist, als würde ich immer und immer wieder jene Nacht durchleben, in der mich Sam beinahe getötet hätte.«

Der Psychologe nickte langsam. »Er hat Sie in eine finnische Sauna eingesperrt und die Temperaturregelung zerstört, so viel weiß ich aus Ihren bisherigen Berichten. Worüber ich aber noch nicht viel von Ihnen erfahren habe, ist die Beziehung, die Sie zu Sam Prescott hatten.«

»Wir haben zusammengearbeitet«, erwiderte Tori und versuchte, während sie über ihn redete, nicht an Sam zu denken. »Er war, wie ich auch, Animateur im Tropicana Beach Club auf der Karibikinsel Trinidad. Ich …« Sie holte tief Luft. »Ich habe ihn für einen guten Freund halten, aber das war ganz offensichtlich ein Irrtum!«

»Soweit ich den Ermittlungsakten entnehmen konnte, hat er kurz vor seinem Tod als Motiv für seine Taten traumatische Kindheits- und Jugenderlebnisse genannt, richtig? Er hat die Anschläge auf das Ferienresort, in dem Sie beide gearbeitet haben, unternommen, um sich für etwas zu rächen, das während eines Aufenthalts in demselben Club viele Jahre zuvor stattgefunden hat?«

»Ja.« Tori lachte bitter auf. Sie erinnerte sich noch daran, als wäre es erst gestern passiert. Zuerst waren da diese eher harmlosen, aber doch irgendwie merkwürdigen Zwischenfälle gewesen, zum Beispiel eine Krötenplage auf dem Gelände des Ferienclubs oder urplötzlich auftretender Ungezieferbefall in einigen Bungalows.

Aber kurz nach dem Tod ihres Ex-Freundes Ted – die Polizei ging zunächst von Selbstmord aus, doch am Ende stellte sich heraus, dass Sam ihn umgebracht hatte – überstürzten sich dann die Ereignisse. Es gab einen Giftanschlag auf die Bar des Clubs, und wenig später wurde sie, Tori, angegriffen und um ein Haar getötet. Später im Krankenhaus versuchte Sam noch ein weiteres Mal, sie zum Schweigen zu bringen, doch sie kam wie durch ein Wunder erneut mit dem Leben davon. Es war eine grauenhafte Zeit gewesen, doch für Tori war sie längst nicht vorbei, denn die Ereignisse verfolgten sie seitdem Nacht für Nacht.

»Können Sie sich das vorstellen?«, fragte sie heiser. »Nach allem, was er getan hatte, rechtfertigte sich dieser Mistkerl noch damit, dass ihm als Junge mal übel mitgespielt worden war!«

Für einen Moment herrschte Schweigen, dann räusperte Dr. Matthews sich. »Ist der Ablauf des Traumes immer derselbe?«

Tori atmete tief durch, dann barg sie aufseufzend das Gesicht in den Händen. »Ja, es ist immer noch alles genau gleich. Wie oft wollen Sie mich das denn noch fragen?« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, ob das überhaupt Sinn hat. Ich komme jetzt schon seit über einem Monat regelmäßig zu Ihnen, aber das mit meinen Träumen ist kein bisschen besser geworden. Das bringt doch alles nichts!«

»Sie haben ein traumatisches Erlebnis hinter sich. Mitunter kann es Jahre dauern, bis das Bewusstsein eine solche Erfahrung verarbeitet hat.«

»Jahre?« Tori schluckte. »Tut mir leid, Doc, aber so lange halte ich das bestimmt nicht mehr aus. Wenn das so weitergeht, verliere ich noch den Verstand!«

Der Psychologe fuhr sich mit einer Hand durch sein graumeliertes Haar, das an den Schläfen bereits auszugehen begann, und zuckte mit den Achseln. »Es gäbe da natürlich eine Möglichkeit«, sagte er, verstummte dann aber.

»Nun reden Sie schon!«, drängte Tori. »Ich würde so gut wie alles tun, um diese Sache endlich hinter mir zu lassen.«

»Nun, wenn das so ist …« Nachdenklich legte Dr. Matthews die Fingerspitzen aneinander, ehe er schließlich weitersprach: »Dann sollten Sie sich den Geistern Ihrer Vergangenheit stellen. Kehren Sie zurück an den Ort, an dem ihre Albträume begonnen haben.«

1.

Drei Wochen später.

Charlene Debbenham gehörte keineswegs zu diesen überängstlichen Mädchen, die beim kleinsten Geräusch zusammenschraken und in jedem Schatten einen potenziellen Angreifer witterten. Doch heute Abend war die Zweiundzwanzigjährige ungewöhnlich nervös.

Zum x-ten Mal, seit sie vor ein paar Minuten die Cafeteria des Tropicana Beach Clubs verlassen hatte, blickte sie über ihre Schulter zurück, weil sie glaubte, ein Geräusch gehört zu haben.

Doch immer wenn sie sich umdrehte, lag der nur schummrig beleuchtete Weg verlassen da, und das einzige Geräusch, das sie hörte, war das leise Rascheln der Baumkronen im Wind.

Du machst dich ja bloß selbst verrückt!, rief sie sich zur Ordnung. Aber obwohl sie wusste, dass ihr vermutlich nur ihre überreizten Nerven einen Streich spielten, kam ihr die Strecke bis zu ihrem Bungalow, den sie sich mit einer Mitbewohnerin teilte, heute ganz besonders lang vor.

Charlene atmete tief durch und ging eilig weiter.

Sie hatte heute Abend noch eine wichtige Verabredung. Es ging um etwas, das ihr mit ein wenig Glück innerhalb kürzester Zeit einen riesigen Batzen Geld einbringen konnte.

Wenn alles so klappte, wie sie es sich vorstellte, würde sie schon bald nicht mehr als Animateurin für den Inhaber dieses Clubs arbeiten müssen.

Ein gieriges Lächeln legte sich auf ihre Lippen, und sie schüttelte den Kopf. Was war sie nur für ein Glückskind, dass ihr eine solche Chance geradewegs in den Schoß fiel? Aber wahrscheinlich stimmte ganz einfach, was ihre Mutter immer sagte: Das Glück ist mit denen, die es sich zu nehmen wissen. Wenn sie eine Lebensphilosophie von Rena Debbenham, die ansonsten als arbeitslose Alkoholikerin kein besonders gutes Beispiel für ihre Tochter abgab, verinnerlicht hatte, dann diese.

Und Charlene war bereit, zuzugreifen.

Oh ja, und ob ich dazu bereit bin!

Endlich hatte sie ihren Bungalow erreicht, stieg die Stufen zur Veranda hinauf und steckte den Schlüssel ins Schlüsselloch. Sie runzelte die Stirn, als sie merkte, dass die Tür offen war. Scheinbar hatte ihre Zimmergenossin Kimberley, die Spätschicht in der Cafeteria schob, mal wieder vergessen, abzuschließen.

Diese kleine Mistkröte ist aber auch wirklich zu gar nichts …

Zuerst kapierte Charlene gar nicht, was passierte, als ihr der Schlüsselbund plötzlich aus der Hand gerissen wurde, weil die Tür nach innen aufschwang.

»Hey, was …?«

Eine schwarz gekleidete Gestalt erschien im dunklen Rechteck der Tür, griff nach ihrem Unterarm und zog sie brutal ins Innere des Bungalows.

Charlene öffnete den Mund, um zu schreien, doch in diesem Moment zuckte ein schrecklicher Schmerz durch ihren Körper, und alles, was ihre Kehle verließ, war ein heiseres Krächzen.

Die Welt verschwamm vor ihren Augen, und Charlene sackte zu Boden.

Das Letzte, was sie wahrnahm, ehe sie das Bewusstsein verlor, war, dass jemand sie an ihren Armen ins Zimmer schleifte. Dann wurde die Tür geschlossen, und es wurde dunkel um sie herum.

Die Luft im Inneren der kleinen Hütte war so heiß und stickig, dass man kaum atmen konnte. Dem dunkelhäutigen Mann, der mit geschlossenen Augen an der Feuerstelle stand, trat der Schweiß auf die Stirn, doch er spürte es nicht einmal.

Er war in tiefe Trance versunken und wiegte sich leise summend vor und zurück. Dann verzog sich sein Gesicht zu einer Maske des Grauens. Er atmete scharf ein und schlug abrupt die Augen auf.

Minutenlang stand er nun völlig regungslos da, ohne auch nur einen Muskel zu rühren.

Die Geister hatten zu ihm gesprochen, und was sie sagten, gefiel ihm nicht.

Unheil drohte.

Großes Unheil!

Er hatte es ja immer schon gewusst. Er hatte sie oft genug gewarnt, doch sie wollten einfach nicht hören.

Schon bald würden sie ihre Ignoranz bitter bereuen …

Zwei Tage später.

TROPICANA BEACH CLUB – The Place where Dreams come true!

Trotz der schweißtreibenden Temperaturen erschauderte Tori, als sie unter dem Transparent entlangging. Es spannte sich über den Weg, der zu dem Urlaubsresort hinunterführte, in dem sie noch vor etwas mehr als sechs Monaten gearbeitet hatte. Bis zu jenem Tag, als …

Sie schluckte hart und zwang sich, nicht an die schrecklichen Ereignisse zu denken, die sich damals zugetragen und ihr Leben in einen einzigen endlosen Albtraum verwandelt hatten. War das wirklich erst ein halbes Jahr her? Obwohl die Erlebnisse jener Nacht sie seitdem immer und immer wieder in ihren Träumen heimsuchten, kam es ihr vor, als sei seither schon eine kleine Ewigkeit vergangen.

Und jetzt war sie wieder hier. An dem Ort, an dem das Grauen damals seinen Lauf genommen hatte.

Doch dieses Mal würde sie erst wieder gehen, wenn sie mit diesem düsteren Kapitel ihrer Vergangenheit abgeschlossen hatte. Wie lange auch immer das dauern mochte.

Sie hatte sich auf den letzten Drücker entschieden, der Einladung zu folgen, die traditionell sämtliche Mitarbeiter – auch die Ehemaligen – zur großen Abschlussparty am Ende der Saison bekamen. Nach der Feier würde der Tropicana Beach Club für anderthalb Monate seine Tore schließen – eine Zeit, die vor allem für Renovierungen und Reparaturen genutzt wurde. Die meisten Angestellten kehrten währenddessen zurück nach Hause zu ihren Familien, wo immer das auch sein mochte, um das Weihnachtsfest zu begehen. Vorher würden sie es aber alle zusammen noch einmal so richtig krachen lassen.

Die Abschlussparty war der große Höhepunkt jeder Saison, und in den vergangenen Jahren hatte Tori es sich nie nehmen lassen, mit ihren Freunden und Kollegen zu feiern.

In diesem Jahr aber war alles anders.

Eigentlich hatte sie gar nicht kommen wollen, aber Doc Matthews Worte waren ihr einfach nicht aus dem Kopf gegangen. Vielleicht war dies ja wirklich ihre Chance, endlich die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Noch zweifelte sie zwar daran, doch sie musste es wenigstens versuchen. Das war sie vor allem sich selbst schuldig.

Und somit stellte dieses Wochenende für sie nicht wie früher ein reines Vergnügen dar, sondern vor allem ihre fürs Erste letzte Chance, sich den zurückliegenden Ereignissen zu stellen.

Entschlossen straffte sie die Schultern, nahm die Reisetasche auf, die neben ihr auf dem Asphalt stand, und setzte ihren Weg fort. Unterwegs dachte sie an ihre Zeit im Tropicana Beach Club zurück. Nicht alles war schlecht gewesen. Ganz im Gegenteil sogar. Sommer, Sonne, Palmen – das Leben war eine niemals endende Party gewesen.

Natürlich hatte sie auch arbeiten müssen, und zwar nicht zu knapp. Doch ihr Job als Animateurin machte ihr Spaß, und sie lernte Woche für Woche interessante junge Leute kennen. Für lange Zeit war dieser Ort für sie so etwas wie der Himmel auf Erden gewesen. Vor allem, nachdem sie mit Milo, ihrem absoluten Traumtypen, zusammengekommen war. Er arbeitete ebenfalls als Animateur im Tropicana Beach Club. Hier hatten sie sich kennen und lieben gelernt, doch ihre Beziehung fand zunächst nur im Verborgenen statt, da Milo es einfach nicht fertigbrachte, seiner damaligen Freundin Bella reinen Wein einzuschenken. Am Ende kam die Sache dann zwar heraus, doch die Ereignisse überschlugen sich, und sie, Tori, fiel fast einem heimtückischen Anschlag auf ihr Leben zum Opfer.

Als sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, konnte sie nicht einfach wieder zurück in ihr altes Leben. Sie beschloss, zunächst eine Auszeit zu nehmen und für eine Weile nach Hause zu ihren Eltern zu fahren. Milo dagegen blieb.

Das war jetzt sechs Monate her – eine verdammt lange Zeit, wenn man gerade frisch verliebt war.

»Tori?« Erst jetzt hörte sie das Geräusch eines Wagens, der sich ihr näherte. Dann quietschten Bremsen, eine Tür wurde geöffnet, und kurz darauf legte sich ihr eine Hand von hinten auf die Schulter. »Verdammt, du bist es ja wirklich! Warum hast du denn nicht Bescheid gesagt, dass du kommst? Pete und ich hätten dich doch vom Flughafen abholen können!«

Als Tori sich umdrehte und in das fröhlich lächelnde Gesicht des dunkelhaarigen Mädchens blickte, ließ ihre innere Anspannung zum ersten Mal seit ihrer Ankunft auf Trinidad ein kleines bisschen nach. »Hey, Jamie.« Sie rang sich ebenfalls ein Lächeln ab und ließ es zu, dass das andere Mädchen sie kurz umarmte. »Schön, dich zu sehen.«

Jamie arbeitete als Animateurin und Tanzlehrerin im Tropicana Beach Club, und Tori hatte ihr einiges zu verdanken.

Unter anderem, dass sie heute noch am Leben war.

Jamie hatte sie damals gefunden, nachdem Sam Prescott sie niedergeschlagen und in die voll aufgeheizte Sauna des Ferienresorts gesperrt hatte.

»Nun sag schon, wie geht’s dir? Hast du …« Jamie zögerte kurz. Nervös strich sie ihr glattes dunkles Haar zurück. »Na ja, du weißt schon, hast du dich gut von all dem erholt?«

Um ein Haar hätte Tori laut aufgelacht. Ob sie sich gut erholt hatte? Sollte das etwa ein Scherz sein? Doch dann wurde ihr plötzlich klar, dass es wahrscheinlich ganz natürlich war, dass Jamie und all die anderen annahmen, sie habe das Grauen der Vergangenheit längst hinter sich gelassen. Immerhin lagen die schrecklichen Ereignisse, in die sie und die anderen hineingezogen worden waren, schon mehr als sechs Monate zurück.

Irgendwie schien es Jamie ja auch geschafft zu haben, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Wenn Tori recht darüber nachdachte, hatte es ihre Freundin viel härter getroffen als sie selbst.

Sam hatte ihren Bruder Ted umgebracht, um sein düsteres Geheimnis zu wahren, und seinen Tod dann als Selbstmord dargestellt. Da Jamie nicht an diese Erklärung glauben konnte, reiste sie unter falschem Namen nach Trinidad, um herauszufinden, was wirklich geschehen war. Zunächst verdächtigte sie Papa Lome, den unheimlichen Voodoopriester, der schon seit Jahren unbedingt eine Schließung des Clubs erreichen wollte, für die Anschläge gegen das Resort verantwortlich zu sein. Doch damit lag sie falsch, und im Nachhinein betrachtet erschien es wie Ironie des Schicksals, dass sie sich ausgerechnet in Sam, den Mörder ihres Bruders, verliebte.

Als am Ende die Wahrheit ans Licht kam, musste es ein Schlag ins Gesicht für Jamie gewesen sein. Zu ihrem Glück hatte sie Pete, der ihr dabei half, diese schreckliche Zeit zu überstehen. Die beiden waren inzwischen ein Paar, und Jamie wirkte glücklich und zufrieden.

Wie schaffte sie das bloß, nach allem, was passiert war? Tori schüttelte den Kopf. Sie selbst konnte nicht einmal an Sam denken, ohne dass ihr gleich ein eisiger Schauer den Rücken hinunterlief. Ihm hatte sie es zu verdanken, dass sie keine Nacht mehr ruhig durchschlafen konnte. Und das Schlimmste daran war, dass er sich nicht einmal für seine Taten hatte verantworten müssen.

Für Sam war die Gelegenheit inzwischen ausgestanden, denn er war tot. Und das Motiv für seine Verbrechen – eine schwierige Kindheit, in der er viel gehänselt und gemobbt worden war – erschien Tori noch immer wie blanker Hohn.

Sie kam einfach nicht mit all dem klar. Und niemand hatte wirklich Verständnis für ihre Situation. Nicht einmal ihre Eltern oder Milo. Komplette Fehlanzeige! Das Leben geht weiter – diese hohle Phrase hörte sie ständig von allen möglichen Seiten. Aber die Leute, die so etwas sagten, hatten nicht die leiseste Ahnung, wie es in ihr drin aussah. Man erwartete einfach von ihr, dass sie die Erinnerungen abschüttelte und an der Stelle dort weitermachte, wo sie vor jener grauenhaften Nacht gestanden hatte.

Vielleicht hatten ja sogar alle recht, und irgendetwas stimmte nicht mit ihr, aber sie konnte nicht einfach vergessen, was vor einem halben Jahr hier im Tropicana Beach Club geschehen war. Sie versuchte es mit aller Macht, doch es wollte ihr nicht gelingen.

Hastig blinzelte sie die Tränen fort, die ihr in die Augen traten. »Ich bin okay«, log sie. »Es geht mir gut.«

»Wirklich?« Jamie musterte sie forschend. »Tut mir leid, ich will dir nicht zu nahe treten oder so, aber du siehst immer noch ziemlich fertig aus. Und nach der Sache damals … Na ja, Sam hat dich immerhin niedergeschlagen und in die Sauna eingesperrt. Und später im Krankenhaus hat er auch noch versucht, dich endgültig zum Schweigen zu bringen. Es ist also nur normal, wenn du noch etwas Zeit brauchst, um damit klarzukommen. Ich bin sicher, jeder hätte Verständnis dafür und …«

»Ich bin in Ordnung, wirklich«, unterbrach Tori sie weit energischer als beabsichtigt. »Ende der Diskussion!«

Natürlich wusste sie, dass Jamie es nur gut meinte. Doch die freundlich gemeinten Worte streuten nur Salz in Wunden, die einfach nicht verheilen wollten.

Mit einem Kopfnicken deutete sie auf den Pick-up, der mit offener Fahrertür am Straßenrand stand, und bemühte sich um einen möglichst unbeschwerten Gesichtsausdruck. »Was ist? Nimmst du mich das letzte Stück mit?«

Jamie strahlte. »Klar, steig ein! Mein Gott, die anderen werden total ausflippen, dich zu sehen! Es ist ja schon so lange her, und …«

Den Rest bekam Tori kaum noch mit. Hatte Jamie recht mit dem, was sie sagte? Würden sich die anderen wirklich freuen? Zumindest bei einer Person war Tori sich da gar nicht so sicher.

Sie hatte Milo nichts von ihren Plänen erzählt. Nach einem heftigen Streit am Telefon vor ein paar Tagen lag ihre Beziehung praktisch auf Eis. Am Anfang war er noch wirklich lieb und süß zu ihr gewesen, hatte sie jeden Tag angerufen und ihr gesagt, wie sehr er sie vermisste. Doch nach anderthalb Monaten fing er an, sie zu drängen, endlich zu ihm nach Trinidad zurückzukehren. Er kapierte einfach nicht, dass sie das da noch nicht konnte. Sie brauchte noch Zeit.

Irgendwann waren seine Anrufe und E-Mails seltener und immer kürzer geworden, und er hörte auf, ständig zu fragen, wann sie wiederkommen würde. Bei ihrem letzten Telefonat hatte Tori dann all ihren Mut zusammengenommen und ihn gefragt, ob er überhaupt noch mit ihr zusammen sein wollte. Milo war ziemlich sauer geworden. Von zusammen sein könne ja keine Rede sein, solange sie Hunderte Kilometer entfernt in den Staaten sei, hatte er geschimpft und dann das Gespräch beendet.

Dieser Streit war dann der zweite, ausschlaggebende Grund für sie gewesen, den Rat ihres Psychologen zu befolgen, nach Trinidad zurückzukehren: Sie wollte versuchen, zu retten, was zu retten war. Aber ob ihr das gelingen konnte?

Der Tropicana Beach Club lag in einer geschützten Bucht, die von steilen Klippen umgeben war. Hohe Kokospalmen säumten den blütenweißen Sandstrand, und das Wasser schimmerte im Sonnenlicht in einem fast schon unwirklichen Türkisblau.

Ein gewundener Weg führte hinauf zur Verwaltung des Clubs, einem riesigen, schilfgedeckten Gebäude, das von einer breiten, überdachten Veranda umgeben war, von der aus man über separate Eingangstüren zu den Büros und Trainingsräumen gelangte. Auch die Cafeteria und die Bar, in der für die ausschließlich jugendlichen Besucher des Urlaubsresorts alkoholfreie Cocktails angeboten wurden, befanden sich hier.

Auf einem der beiden Tennisplätze spielte gerade ein gemischtes Doppel, und im Pool wurde ein Wasserballturnier veranstaltet. Außerdem gab es noch eine kleine Minigolfanlage und ein ständig wechselndes Unterhaltungsprogramm, das von den verschiedenen Animateuren für die Gäste gestaltet wurde.

Dies war ein Ort, der Spaß und Erholung versprach. Nichts deutete mehr auf die grauenhaften Ereignisse hin, die vor sechs Monaten hier stattgefunden hatten, doch aus irgendeinem Grund verspürte Tori bei dieser Erkenntnis keinerlei Erleichterung.

»Es muss komisch für dich sein, wieder hierher zurückzukommen«, durchbrach Jamie, die hinter dem Steuer des Wagens saß, die Stille. »Ich weiß, dass Bill im Auftrag des Clubbesitzers jeden Mitarbeiter – ehemalige mit inbegriffen – zur großen Party zum Saisonende eingeladen hat.

---ENDE DER LESEPROBE---