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Georginas Nerven liegen blank. Ihre kleine Schwester Henrietta ist auf der Flucht nach Gretna Green, um sich mit einem schäbigen Soldaten zu verheiraten! Kurz entschlossen überredet sie deren trotteligen Verehrer Baron Halifax dazu, den Ausreißern zu folgen. Die Rettungsmission steht jedoch unter keinem guten Stern. Erst bricht ihnen ein Rad, dann ist nur noch ein Platz in der Postkutsche frei und zu guter letzt beunruhigt Georgina auch noch ein gewisser Gentleman. Mr Peregrine kommt ihr nicht nur aufgrund der beengten Platzverhältnisse mit jeder Stunde, die vergeht näher!
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Leseempfehlung
Leseprobe
Per
Postkutsche
ins Glück
love shot 13
Katherine Collins
Impressum
Made with l♥veAlle Rechte vorbehalten
Per Postkutsche ins Glück
2te Auflage Juni 2020
Texte:© 2019 Katherine Collins
Umschlag:© Copyright by Katherine Collins unter Verwendung von
Abbildungen von © von Pixaby, Fotalia und © VJ Dunraven Productions/periodimages.com
Lektorat:Jessika Weber
Satz:Katherine Collins
Verlag:K. Reinke
Türkenort 11
45711 Datteln
Kings and Queens
Miss Georgina Glenwood stapfte über die schlecht befestigte Straße und strauchelte, als ihr feiner Damenschuh im Morast versank.
»Georgie!«, rief ihre Begleitung, der ehrbare Lord Nathaniel Hampton, 5. Baron Halifax, ihr nach. Er holte sie ein und verstellte ihr schwer atmend den Weg. Die Hände erhoben, bat er um einen Moment. Georgina stemmte ungeduldig die Hände in die Hüften. Sie wusste, welch inakzeptablen Eindruck sie machte, scherte sich aber nicht weiter darum.
»Georgie, so nimm doch Vernunft an«, brachte Nathaniel hervor, noch immer tiefrot im Gesicht durch die Anstrengung, hinter ihr herzulaufen.
»Es ist vernünftig.«
Ihr Widerspruch wurde auf der Stelle durch ein kräftiges Schütteln des Kopfes negiert.
»Wir sollten warten.« Der Baron keuchte, stemmte eine Hand in die Seite, mit der anderen wedelte er sich Luft zu.
Georgina reichte ihm ihren Fächer, den sie nur seinetwegen mit sich führte. Nathaniel klagte häufig über Atemprobleme.»Es wird jemand Hilfe schicken.« Bei jedem gezwungenen Atemzug knarzte es, ebenso bei jeder Bewegung, weil Nathaniel glaubte, seinen Leibesumfang mit Hilfe eines Korsetts in Zaum halten zu können.»Und wer sollte Hilfe schicken?« Georgina bedachte ihn mit einem kritischen Blick, denn obwohl der Baron gerade einmal fünf Jahre älter war als sie selbst, war ihre Konstitution nicht zu vergleichen. Auf seinen Wangen lag auch ohne Anstrengung ein roter Hauch, und die maßgeschneiderte Kleidung verbarg seine Bemühung, schlank zu erscheinen, nicht. Dabei war Halifax nicht unansehnlich zu nennen, nur stand er bedauerlicherweise nicht zu seinen Unzulänglichkeiten. Sprich, seiner Neigung zur Fülle und seiner Abneigung zur körperlichen Ertüchtigung.
Georgina erwartete keine Antwort auf ihre rhetorische Frage. »Nein, ich werde nicht in der Kälte sitzen und warten. Das Dorf kann nicht weit entfernt liegen und dein Kutscher hatte Anweisung, das nächste Gasthaus anzusteuern.« Sie streckte die Hand aus und deutete auf die Weggabelung, an der ein Schild auf das Kings and Queens verwies. »Dort ist es warm, wir können unser Morgenmahl einnehmen und wir finden sicherlich jemanden, der nach deiner Kutsche sehen kann.« Da alles Nötige gesagt und Nathaniel auch wieder zu Atem gekommen war, stapfte Georgina weiter.
»Aber unsere Schuhe«, klagte ihr Begleiter, als er sie erneut einholte. »Sie sind ruiniert!«
»Papperlapapp«, beschied sie, wobei sie nicht einmal einen Blick auf besagte Kleidungsstücke warf. Lediglich ihre Röcke hob sie ein Stückchen höher, damit der Saum nicht über den schlammigen Boden schabte.
»Eine Dame sollte zu jeder Zeit ein Paradebeispiel an Eleganz und Schicklichkeit …«
Georgina beschleunigte ihren Schritt, wodurch sie Nathaniel einmal mehr abhängte. Zumindest vergeudete er keinen Atem mehr an Vorhaltungen, bis sie sich dem ausgeschilderten Gasthaus näherten.
»Georgie, so halte ein«, bat er, wobei er nach ihrem Ellenbogen fischte. Sein Japsen klang erschreckend kurzatmig.
Georgina gab nach, um das Ungemach nicht zu vergrößern, indem sie Nathaniel die Besinnung kostete. Sicherlich wäre sein Aufheben immens, wenn nicht nur seine Seidenschuhe, sondern gleich sein gesamter Aufzug schlammverkrustet wäre.
»Herrje, Georgie, du bist wahrlich kein gewöhnliches Weibsbild.« Nathaniel sank gegen die Holzwand, stemmte sich aber sogleich wieder ab, um seinen Mantel nicht zu verdrecken. Der Fächer tanzte wie die Flügel eines Kolibris vor seinem Gesicht herum, und trotz der frischen Temperaturen perlte Schweiß über seine Stirn. Georgina wühlte in ihrem Reisetäschchen nach einem Taschentuch, das sie ihm mit einem Seufzen hinhielt.
»Hab Dank, Georgie.«
»Nathaniel, wir müssen unsere nächsten Schritte planen.« Mit wir war nicht gemeint, dass Georgina sich tatsächlich mit ihm absprechen musste, schließlich war der Herr alles andere als entschlussfreudig. »Ich wage nicht, mir zu viel Zeit zu lassen.«
»Aber die Kutsche …«, begann er. »Es wird Zeit …«
»Wir haben keine Zeit«, unterbrach sie ihn heftig. Sie stampfte mit dem Fuß auf und fasste ihn scharf ins Auge. »Henrietta steht kurz davor, den Fehler ihres Lebens zu begehen!«
Nathaniels Röte schwand, als er daran erinnert wurde, was tatsächlich auf dem Spiel stand.
»Sie wird diesen Hallodri ehelichen.« Georgina ballte die Hände. Sie fokussierte sich, um sich nicht in ihrer Angst zu verlieren. »Dieser schäbige Leutnant Killian …« Sie suchte in ihrem Gedächtnis nach dem Nachnamen besagten Mannes, ohne ihn auf die Schnelle finden zu können, also verwarf sie die Suche vollends mit einem Schnalzen. »Verflixt, er liegt mir auf der Zunge. Ach, es ist bedeutungslos, wie er nun heißt.« Sie richtete ihren Blick wieder auf ihr Gegenüber und fuhr ungebrochen sicher fort: »Nathaniel, wie kannst du da nicht getrieben sein, sie mit allen Mitteln aufzuhalten?« Dabei brannte dieses Begehr seit dem Augenblick in ihr, in dem sie die Schwester in die Kutsche des Leutnants hatte steigen sehen.
»Oh, dieser Halunke«, ereiferte sich nun Nathaniel. Seine Wangen begannen zu leuchten. »Dieser nichtsnutzige, dahergelaufene …«
»Sie haben bereits eine Stunde Vorsprung, und nun vergeuden wir hier kostbare Minuten, die ihnen nur noch mehr Zeit geben, diese Dummheit zu begehen!« Georgina griff nach seinen weiß behandschuhten Fingern und drückte sie fest. Die Streben ihres Fächers knackten, aber sie ignorierte es. »Wir dürfen nicht säumen!« Und koste es auch noch den Rest der Bequemlichkeit dieser Reise, die ohnehin maximal unentspannt war.
Georgina wickelte sich enger in ihren Umhang, der für die Witterungsverhältnisse nicht ausreichte, um bei längeren Reisen warmzuhalten. Schon gar nicht, wenn man darunter kein Ensemble trug, sondern ein Ballkleid mit langen Handschuhen.
»Die Kutsche …« Halifax seufzte bedauernd.
»Besorge einen Ersatz«, forderte Georgina streng. Nathaniel hatte seine guten Seiten, aber nicht selten kostete er sie einiges an Nerven. »Kommt die Postkutsche hier nicht durch?«
Der Vorschlag entsetzte ihn. Sein Mund klappte auf, seine Wangen waberten, als er ansetzte, etwas zu sagen, was schließlich in einem erstickten Schnaufen ihres Namens resultierte.
»Dieser Aufschneider wird meine Schwester nicht ins Unglück stürzen«, beschied sie hart. »Und koste es zehn Paar Schuhe und all meine guten Kleider obendrein!«
Nathaniel konnte nur weiter den Mund auf- und zuklappen.
»Ich werde hier nicht stranden, Nathaniel! Ich werde mich nicht aufhalten lassen, meine Schwester vor diesem … Abschaum zu beschützen.« Sie stampfte auf, schwang herum, dass sich ihr Umhang nur so aufplusterte, und stürmte ins Gasthaus, um sich selbst um die Fortsetzung ihrer Reise zu kümmern.
Peregrine Arthuros Gilroy Cuthbert Beaufleurs behielt die Dame im Auge, die soeben erst vor dem offenen Fenster zum privaten Salon des Gasthauses Kings and Queens, in dem er eine schnelle Tasse heißen Tees hatte einnehmen wollen, schäbig über einen ihm nur zu bekannten Leutnant hergezogen hatte. Sie diskutierte mit dem Wirt, lehnte sich dabei über den Tresen. Ihre behandschuhten Finger krümmten sich, während ihr Kinn sich vorschob. An ihrem Gelenk baumelte ein Täschchen aus zarter Seide, das mit Blümchen bestickt war.
»Mein Herr, das ist inakzeptabel.«
Obwohl ihre Verhandlung alles andere als erfolgreich verlief, hielt sie sich hervorragend. Anders als zuvor hob sie weder ihre Stimme noch stellte sie anders ihre Determination zur Schau. Erst, als ihre Begleitung zögerlich einschritt, verlor sie ihre Beherrschung.
»Herrgott, Nathaniel«, fuhr sie ihn leise an. »Dafür ist keine Zeit!«
»Gewiss, meine Liebe, aber …« Der Herr war ebenso unpraktisch gewandet wie die Dame, trug zumindest jedoch einen wärmenden Mantel und einen Zylinder nebst Gehstock.
»Ich nehme die Kutsche«, beschied sie. Ihre grünen Augen warnten den feisten Mann an ihrer Seite, zu widersprechen. Sie hob das Kinn. Eine vorwitzige Locke fiel ihr in die Stirn, und sie blies sie davon. »Regle dies!«
Sie ließ ihn stehen und kam auf Peregrine zugestampft, ohne ihn zu gewahren. Was sich erst änderte, als sie im dunklen Gang zusammenstießen.
»Oh!« Ihre Augen weiteten sich, als sie sich auf ihn richteten. Selbst in der Dunkelheit funkelten sie in einem kräftigen Smaragdgrün.
Peregrine zog die Hände fort. Er hatte die Dame an den Ellenbogen zurückgeschoben und schnell gemustert. Unter ihrem Umhang, der aus der Nähe betrachtet noch ungeeigneter für eine längere Reise im Februar erschien, blitzte ein weißes Abendkleid hervor. Perlenohrringe baumelten von ihren kleinen Ohren, die halb von roten Haaren versteckt wurden. Natürlichen Locken, auch wenn der Hauptteil ihrer Haare, die unter der Kapuze gerade noch zu sehen waren, mit einem Brenneisen in Engellöckchen gedreht worden war. Eine klassische Debütantinnen-Ausstattung, komplettiert mit einem weißen Säckchen, dem Retikül, und den feinen Seidenschühchen, die allerdings zurzeit in einem denkbar schlechten Zustand waren.
Sie starrte ihn immer noch an, das Oh auf den Lippen und lediglich blinzelnd, ohne weitere Regung.
Peregrine senkte andeutungsweise den Kopf. »Miss.«
Erneut schlossen sich ihre Lider, ihre langen, rötlichen Wimpern legten sich auf ihre sahneweißen Wangen, und als sie sich hoben, schimmerte Verwirrung in ihren Augen.
»Sir?« Ihre Stimme bebte leicht. »Verzeihung.«
»Georgie!« Ihre Begleitung trampelte heran und zog die junge Frau beschützend hinter sich. »Sir! Was belästigen Sie die Dame?« Er plusterte sich auf. Auch der Herr war eher für einen Ball gekleidet als für eine Reise. Seine ehedem glänzend schwarzen Schuhe, die altmodischen Pantalons kombiniert mit den ebenso verdreckten wadenlangen Socken, sprachen sehr dafür, auch wenn sein Mantel zumindest pelzverbrämt war.
»Die Lady lief in mich hinein, Sir. Ich habe lediglich verhindert, dass sie fällt.« Peregrine warf einen schnellen Blick zu besagter Dame, die sich noch immer nicht gefangen hatte. Sie schüttelte sacht den Kopf und murmelte etwas zu sich selbst.
»Wenn Sie mich nun entschuldigen?« Peregrine nickte dem Gentleman zu, der schnell zwischen ihn und die Dame getreten war und sie nun zurückschob, um ihm Platz zu machen.
Obwohl Peregrine zur Bar ging, hörte er ihr Gespräch.
»Georgie, bist du wohlauf?«
»Ich …«, wisperte das Mädchen.
Ein Blick zurück bezeugte, dass sie ebenso durcheinander war, wie sie klang.
»Ja. Es ist wohl die Anstrengung …« Ihre Stimme verklang.
»Du solltest auf mich hören, meine Liebe, wir sollten rasten, bis die Kutsche repariert ist.«
»Darf es noch etwas sein, Mylord?«, sprach der Wirt Peregrine an.
»Die Rechnung.« Für gewöhnlich ließ er seinen Kutscher dergleichen erledigen, aber er wollte hören, was das Paar vorhatte.
»Nein«, murmelte das Mädchen. Sie holte tief Atem, sah zu ihrem Begleiter auf und erhielt ihre Festigkeit zurück. Ihre Lippen verkniffen sich, und die Sanftheit, die auf ihren Zügen gelegen hatte, als sie mit ihm zusammengestoßen war, wich. »Hast du Karten für die Postkutsche erstanden?« Sie trat zurück. »Wann fährt sie?«
»Sie kommt zwar jeden Moment, aber gewöhnlich nimmt sie hier keine Passagiere auf.«
»Das ist inakzeptabel, Nathaniel.« Sie wickelte ihren Umhang um sich und streckte die Schultern. »Du erstehst besser Fahrkarten, andernfalls haben wir ein riesiges Problem!«
Der Wirt nannte Peregrine die ausstehende Summe, die er großzügig beglich.
»Bedenke, was deine Braut im Begriff steht zu tun«, flüsterte das Mädchen drängend. Sie trat auf den Gentleman zu und legte ihm kurz die Hand auf die Brust. »Die Konsequenzen, die es nach sich ziehen wird!«
»Wenn Henrietta ihre Wahl getroffen hat …« Die Schultern des Gentlemans sackten herab, während seine Worte zu leise wurden, als dass Peregrine sie verstehen konnte.
»Nathaniel«, beschwerte sich die Dame mit einem deutlichen Quietschen in der Stimme und machte einen Satz zurück. »Nein!«
»Ich bin kein schneidiger Leutnant, Georgie, wie soll ich Henriettas Herz erobern?«, jammerte der Berg von einem Mann, einem Häufchen Elend gleich. Die Dame rang die Hände. Ihr Blick flog umher, als suche sie fieberhaft nach den passenden Worten.
»Du bist äußerst beständig und durchaus liebenswert«, stieß sie hervor. »Und sie schätzt dich, das weiß ich genau!«
Ein Schwall eisiger Luft lenkte Peregrine ab, als die Tür geöffnet wurde. Pferde wieherten und einige Leute drängten in die Gaststätte.
»Dieser Scharlatan hat ihr das Blaue vom Himmel herunter versprochen, um sie zu überreden, mit ihm durchzubrennen«, flüsterte die junge Frau mit dem Jungennamen. »Du wirst sie erretten und sie wird dir auf ewig dankbar sein. Aber wir müssen uns eilen!«
Peregrine gab seinen Horchposten auf. Er wich den Passagieren der Postkutsche aus und trat aus der Gaststätte, nicht sicher, was ihm das Gespräch des Pärchens sagte. Offensichtlich waren die beiden mitten in der Nacht von einem Ball aufgebrochen. Man hätte auf ein verliebtes Paar kommen können, das nach Gretna Green durchbrannte, um sich gegen den Wunsch der Eltern trauen zu lassen, wenn es gewisse Hinweise nicht gäbe. Die Bezugnahme auf den Leutnant und Henrietta zum Beispiel. Wie es so wollte, hatte dies sein Interesse geweckt.
Der Kutscher der Postkutsche scheuchte seinen Reitknecht herum, damit er die Pferde verpflegte. Er spuckte aus, murmelte etwas von faulen Burschen und stapfte auf Peregrine zu.
»Verzeihung«, sprach er ihn an. »Ich bin mit der Kutsche verunglückt und muss dringend in den Norden. Wäre es möglich, noch zuzusteigen?«
Der Kutscher kratzte sich am Schädel. »Aye. Wir fahrn hoch nach Carlisle, Sir.«
»Sehr gut. Wie viele Plätze haben Sie noch frei?«
»Den einen.« Wieder kratzte er sich, bevor er die Kappe aufzog. »Kostn Schilling.«
»Ein Paar wird Sie ansprechen, sie brauchen ebenfalls eine Mitfahrgelegenheit. Es wäre äußerst wichtig, dass die Dame zusteigen kann.« Zwar wusste Peregrine noch nicht mit Sicherheit, ob seine Vermutung zutraf, aber womöglich gab es eine Verbindung zwischen dem Paar und ihm.
»Sir, der Wagen is voll.«
»Die Dame muss mitfahren. Ich gebe Ihnen zusätzliche zehn Schilling, wenn Sie das ermöglichen.« Peregrine sammelte die Münzen zusammen und drückte sie dem schwankenden Mann in die Hand. »Wann fahren Sie weiter?«
»In zehn Minuten, Sir. Danke, Sir.« Er verbeugte sich geflissentlich vor Peregrine, bevor er in der Gaststätte verschwand
Eine schweigsame Lady
Georgina schubste Nathaniel sacht an, damit er den Kutscher endlich ansprach.
»Werter Herr?«, plapperte er. »Wir sind auf Ihre Hilfe angewiesen.« Nathaniel räusperte sich und trat von einem Bein auf das andere. »Sie müssen uns mitnehmen.«
Da Georgina befürchtete, Nathaniel ruiniere noch ihre einzige Chance, nach Schottland zu kommen, schritt sie ein. Mit einem Lächeln trat sie vor.
»Verzeihen Sie. Unsere Kutsche verlor ein Rad und wir müssen eilig hoch nach Gretna Green. Ich bitte Sie inständig, uns mitzunehmen. Selbstverständlich bezahlen wir für unseren Platz.« Furcht verkrampfte ihre Eingeweide, denn sollte dieser Mann Nathaniel und sie nicht zusteigen lassen, war ihre Verfolgung gescheitert. Ihre Lippen zuckten vor Anstrengung.
»Es is nur ein Platz frei«, erklärte der Kutscher eifrig nickend. »Für die Lady.«
Ein Stein fiel ihr vom Herzen und sie schickte ein schnelles Dankesgebet gen Himmel.
»Auf keinem Fall«, beschied Nathaniel ungewohnt fest. »Du wirst nicht allein weiterreisen.« Er riss Georgina zurück und baute sich vor ihr auf. »Ich werde weiterfahren und du bleibst hier.« Er räusperte sich und drehte sich wieder dem Kutscher zu. »Ich nehme den Platz. Geben Sie mir Zeit, für die Bequemlichkeit der Dame zu sorgen.«
»Nathaniel«, zischte Georgina, nachdem sie sich ein Stück mitschleifen lassen hatte. »Ich werde nicht tatenlos hier herumsitzen, während meine Schwester den Fehler ihres Lebens begeht!« Sie befreite ihren Arm aus seiner Umklammerung. »Verhandle mit ihm. Vielleicht lässt sich noch ein Platz finden.«
»Du hast ihn gehört, Georgie. Es ist ohnehin kein Ort für eine Dame.« Er räusperte sich. »Mein Kutscher kümmert sich um die Reparatur und wird dich dann zurück nach London bringen.« Wieder räusperte er sich. »Ich kümmere mich um … meine Braut.«
Nicht einmal, wenn er es überzeugend vorgebracht hätte, ließe Georgina das Wohl der Schwester in den Händen eines Mannes. »Nathaniel, du kannst unmöglich allein mit ihr reisen.« Natürlich war ihr die Ironie bewusst, schließlich reiste auch sie allein mit einem Gentleman, mit dem sie nicht verwandt oder verheiratet war. »Ebenso wenig kann ich allein in deiner Kutsche zurückkehren!«
Nathaniel suchte sichtlich nach Worten, ohne sie zu finden. Georgina seufzte leise.
»Bedenke, wie schutzlos ich hier bin.« Sie sah sich um, als befürchte sie, tatsächlich angegriffen zu werden. »Versuch irgendetwas auszuhandeln.« Sie tätschelte seinen Arm. »Du schaffst das, dessen bin ich mir gewiss.« Ihr Lächeln bewirkte eine Auflockerung des Gentlemans. »Für eine gemeinsame Zukunft von Nathaniel und Henrietta.«
»Dein Wort in Gottes Ohr«, brummte der Baron, alles andere als überzeugt.
»Jawohl, Mylord.« Sterling, Peregrines getreuer Kutscher, tippte sich an die Kappe. Wenn ihm die Order, der Postkutsche mit etwas Abstand zu folgen, merkwürdig vorkam, so ließ er es sich nicht anmerken. Der Knecht hingegen gaffte ihn mit offenem Mund an, bis Sterling ihn anstieß.
»Geh, bring seiner Lordschaft seine Reisetasche.«
Der Bursche trollte sich, stieg auf die Achse und zerrte an der Verschnürung des Gepäcksacks, der am hinteren Ende der Barouche befestigt war, direkt neben dem Sitz, auf dem der Knecht mitfuhr.
Es dauerte, was Peregrine unruhig werden ließ. Die Postkutsche wartete sicher nicht auf ihn. Kurzerhand half er nach. Von der anderen Seite des Gepäckhalters, dem Sitz des Burschen, war es ein Kinderspiel, die Klappe zu öffnen und die kleinere der beiden Taschen herauszuziehen. Er sparte sich den Rüffel, sprang von der Sprosse und stapfte davon.
Die Postkutsche stand noch vor der Gaststätte, aber die Fahrgäste sammelten sich bereits darum. Das Paar war ebenfalls anwesend. Der Gentleman sprach auf einen anderen der Passagiere ein, der beständig den Kopf schüttelte. Als Peregrine näher kam, hörte er, worum es bei dem Gespräch ging.
»… nicht allein lassen.« Der ältere Herr in gediegenem Tweed verweigerte noch immer seine Zustimmung. »Meine Schwester braucht meinen Schutz, werter Herr.«
»Nay, Sir, ich kann Ihnen meinen Platz nicht überlassen.« Er hob abwehrend die Hände. »Dringen Sie nicht weiter in mich!« Er schlängelte sich, so schnell er konnte, durch die Menge, um als Erster in die Kutsche zu steigen.
Der Blick des Gentlemans huschte mit deutlicher Verzweiflung über Peregrine. Offenbar gingen ihm die Optionen aus. Drei weitere Herren bestiegen das Gefährt, wobei sie dem händeringenden Gentleman auswichen.
Peregrine erwartete, ebenfalls angesprochen zu werden, als er dem Kutscher seine Tasche reichte. Auf dem Dach saßen bereits zwei Frauen und drei Männer in einfacher Kleidung. So voll wie behauptet war die Kutsche demnach gar nicht.
»Sir«, haspelte der Gentleman, brach aber ab, nachdem Peregrine sich zu ihm umgewendet hatte. Er räusperte sich. »Haben Sie den Platz am Fenster?«
Peregrine hob die Brauen als wortlose Frage.
»Es wäre überaus freundlich von Ihnen, überließen Sie ihn der Dame.« Er nahm den Zylinder ab und drehte ihn vor seinem Bauch im Kreis. »Ich erbitte diesen Dienst als Gentleman von einem Gentleman.«
Die junge Frau trat vor, ebenso nervös wie ihr Begleiter. Sie konnte ihn nicht einmal ansehen, als sie wisperte: »Bitte.«
Peregrine ließ sich Zeit mit seiner Antwort, auch wenn sein Entschluss längst schon gefallen war. Als einzige Frau an Bord, als Dame obendrein, war die bloße Fahrt in einer Postkutsche bereits eine unfassbare Tortur. Diese auch noch eingequetscht zwischen Mannsbildern erdulden zu müssen, bescherte ihr sicherlich Alpträume.
»Selbstredend.« Peregrine reichte dem Mädchen die Hand, um ihm beim Einsteigen behilflich zu sein, bevor er folgte. Ihr Begleiter bedankte sich, obwohl er überaus unglücklich dreinsah.
Die Dame rutschte so weit wie nur möglich an das Fenster und sah hinaus. Ihre Finger flatterten leicht auf ihrem Schoß, aber sie ließ den Kopf hoch erhoben. Stoisch sah sie hinaus, selbst noch, als ihr Begleiter längst auf das Dach gestiegen war und die Kutsche losrumpelte. Ihr Rücken berührte die Polster ebenso wenig wie ihre Schulter die Seitenwand. Nur durch das Rütteln stieß sie an, auch gegen ihn.
»Verzeihung«, murmelte sie, ohne ihn anzusehen. Eine leichte Röte schoss in ihre Wangen und sie versuchte, sich noch kleiner zu machen.
»Wir werden eine Weile unterwegs sein, Miss. Gewöhnen Sie sich daran, anzuecken.«
Ein scheuer Blick traf ihn. Sie biss sich sekundenlang auf die Unterlippe, dann sah sie fort. »Ich weiß. Bitte nehmen Sie meine Entschuldigung für all die Male an, die ich Sie vermutlich noch anstoßen werde.« Sie räusperte sich leise. »Sir.«
»Natürlich.«
Eine Weile blieb sie starr und bemüht, jedem Kontakt vorzubeugen, schließlich gab sie es auf. Die Federung der Postkutsche war mehr als kläglich und selbst bedacht, wie die junge Dame war, konnte man nicht jedem Ruckeln ausweichen.
»Ihre erste Reise mit der Postkutsche, Miss?«
Ihr erschrockener Blick sagte alles, aber ihm war es wesentlich wichtiger, hinter ihr Geheimnis zu kommen, als der Etikette zu huldigen. Eine junge Dame anzusprechen, die einem weder bekannt war noch in irgendeiner Form mit einem verwandt, war unangebracht. Die Dame musste ihn ignorieren, aber Peregrine hatte vor, sie aus der Reserve zu locken, bevor der nächste Stopp anstand. Sollte seine Vermutung, sie habe tatsächlich von einem ihm sehr bekannten Leutnant gesprochen, bewahrheiten, konnte sie ihm eine unschätzbare Hilfe sein. Allerdings war er nicht bereit, für eine vage Vermutung den Rest der Reise in einer Postkutsche zu verbringen.
»Verzeihen Sie mir die Anmaßung, aber die Reise wird nur noch länger, wenn man sie schweigend verbringen muss.« Er lächelte betont locker, in der Hoffnung, sie möge Vertrauen zu ihm schöpfen.