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Hallo, ich bin Pfeffer und bin gerade in die Schule gekommen. Meine Freunde Paula und Olli sind auch bei mir in der Klasse und wir haben die beste Lehrerin der Welt: die Minze. Wir haben schon ein paar Buchstaben gelernt und das ist echt gut, denn das Schulgespenst hat uns Briefe geschickt und wir konnten zurückschreiben! Aber das Gespenst ist selbst total faul und lässt jetzt die Minze die ganze Arbeit machen – deshalb haben wir uns ein paar Briefe geborgt und helfen ihr jetzt beim Antworten. Dabei haben wir etwas echt Spannendes herausgefunden und das möchte ich euch jetzt erzählen. Die ehemalige Grundschullehrerin Irmgard Kramer erzählt lustig, liebevoll und lebensnah aus dem Schulalltag von Kindern in der ersten Klasse. Dabei behandelt sie alle für Schüler und auch Eltern wichtigen Themen wie Freunde finden, Angst vor Unbekanntem sowie Mutigsein. Mit den vielen farbigen Illustrationen eignet sich die Reihe hervorragend zum Vorlesen für die ganze Familie.
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Seitenzahl: 60
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1. Der Brief an der Tafel
Pfeffer hatte keine Angst. Vor nichts.
Aber als an jenem Morgen ein Brief von einem Gespenst an der Tafel hing, kam ihm das schon ein bisschen unheimlich vor. Pfeffer war der Erste aus seiner Klasse, der den Brief sah. Und das kam so.
Er wollte der Minze, seiner Lehrerin, eine Freude machen. Die Minze war nämlich auch ganz neu und erst seit drei Wochen in der Schule. Wie Pfeffer. Wegen der Freude war er früher gekommen. Ganz allein diesmal. Seine Freunde hatten nämlich zu tun. Paula musste ihr Holzpferd Rocki füttern und Olli musste noch schlafen.
Der Schulhof war fast leer. Nur Martin und Robert saßen auf der Treppe und tauschten Sticker, drei große Kinder beugten ihre Köpfe über ein Handy und der fiese Jasper kickte eine Bierdose vor sich her. Noch war die Schule abgesperrt. Pfeffer wollte trotzdem hinein. Er drückte sich am Gebüsch vorbei zum Lehrerparkplatz. Da standen ein Moped, drei Fahrräder und ein grünes Auto. Pfeffer wollte sich durch den Lehrereingang hineinschleichen, als der Schulwart mit einer Schachtel voll Papier herauskam. Der Schulwart bekam einen Mund so schmal wie ein Strich.
„Weißt du, was das ist?“, fragte der Schulwart scharf und zeigte auf die Tür hinter sich.
Pfeffer nickte.
„Das ist der Lehrereingang“, erklärte der Schulwart noch schärfer, obwohl Pfeffer das bereits wusste.
„Was glaubst du wohl, warum der so heißt?“, fragte der Schulwart am schärfsten.
„Weil Lehrer da reingehen?“ Pfeffer kratzte sich am Auge. „Aber wenn du rauskommst, müsste die Tür eigentlich Schulwartausgang heißen.“ Pfeffer zog seinen Kopf zwischen die Schultern, weil er sah, dass sich der Schulwart aufblies wie ein Kugelfisch.
„Sieh zu, dass du auf den Schulhof kommst, wo du hingehörst“, schnaubte der Kugelfisch und kippte das Papier in die Tonne. Pfeffer versteckte sich hinter dem grünen Auto und kurz bevor die Tür wieder zufiel, rannte er dem Kugelfisch nach. Er musste einfach rein. Für die Minze.
Der Kugelfisch merkte nicht, dass Pfeffer hinter ihm war, und verschwand am Ende des Flurs hinter einer Ecke zum Turnsaal. Pfeffer blieb vor seinem Klassenzimmer stehen. Er wollte rein. Aber die Tür war abgesperrt. Jetzt saß er in der Tinte.
Der Lehrereingang hinter ihm öffnete sich erneut. Es stöhnte und keuchte, schnaubte und ächzte. Ein Wäschekorb mit einem Turm aus Heften und Büchern und Ordnern kam durch die Tür. Der Turm war so hoch, dass er dahinter kein Gesicht sah. Unter der Wäscheschüssel stampften schwarze Schuhe mit dicken, haarigen Beinen herein. Die gehörten der Boxerin. Um jede Schulter trug sie mehrere Taschen. Sie keuchte zwei Stufen herauf.
„Ufff“, sagte sie.
Pfeffer rannte zu ihr und nahm ihr zwei Taschen ab. Die waren vielleicht schwer. Er folgte der Boxerin ins erste Stockwerk. Sie war echt stark. Kein Wunder, denn sie war Box-Weltmeisterin. Das behauptete zumindest Olli.
Pfeffer folgte ihr ins Klassenzimmer und gab ihr die Taschen. Sie lud den ganzen Berg auf ihrem Schreibtisch ab.
„Danke, wie lieb von dir“, sagte sie. Obwohl sie lächelte, zeigten ihre Mundwinkel nach unten. Nur Schleim kam keiner raus wie bei einem Boxer-Hund. Sie wischte sich mit einem Taschentuch über die Stirn und Pfeffer beschloss, ihr die Wahrheit zu sagen. Er sagte, dass er der Minze eine Überraschung machen wollte, aber dass sein Klassenzimmer abgeschlossen sei und dass sich der Schulwart wie ein Kugelfisch aufblies, wenn er ein Kind sah.
„Ach, Herzchen“, sagte die Boxerin und strich Pfeffer über den Kopf. „Wie lieb du bist.“ Sie gab ihm einen Schlüsselbund, der so groß und schwer war, dass Pfeffer ihn kaum heben konnte. Wahrscheinlich trainierte sie mit diesem Schlüsselbund ihre dicken Muskeln. Er schleppte ihn die Treppe hinunter und behielt den mit dem roten Ring fest in seiner Faust. Damit konnte er sein Klassenzimmer aufsperren.
Eine Maschine surrte. Das war die Kehrmaschine vom Kugelfisch, der sich vom Turnsaal herüber in den Flur arbeitete. Gleich würde er hier sein. Schnell sperrte Pfeffer auf und huschte in sein Klassenzimmer. Jetzt hatte er es eilig.
Er schüttete seine Schultasche aus. Ein Haufen bunter Plastikblumen purzelte heraus. In aller Schönheit. Das reinste Blumenparadies. Wegwerfen hatte seine Mama die Blumen wollen. Manchmal war ihr echt nicht zu helfen. Dabei welkten die niemals und sie blühten auch im Winter. Er zupfte die schönste Rose heraus, bog sie zurecht und legte sie der Minze aufs Pult. Mit den anderen Blumen, Blüten und Blättern fabrizierte er einen Kranz rund um das Pult. Dafür musste er Hefte neu stapeln und verschieben, aber das machte nichts. Wunderschön sah das aus. Einfach zauberhaft. Pfeffer betrachtete seine große Kunst und war sehr zufrieden. Die Tür ging auf und die Boxerin streckte ihren Kopf herein. „Hast du meinen Schlüsselbund noch?“, fragte sie und erblickte seine Kunst. „Wie schön du das gemacht hast. Da wird sich Frau Kaminzki freuen.“
Pfeffer kriegte ein schlechtes Gewissen. Die Boxerin konnte ja nichts dafür, dass sie nicht so schön und so jung war wie die Minze und ihre Schüler ihr deswegen keine Blumenkunst schenkten. Er zupfte eine Rose aus seinem Kunstwerk und überreichte sie der Boxerin mitsamt dem Schlüsselbund.
„Ach, Herzchen“, sagte sie und ging. Das brachte Pfeffer auf eine Idee. Er wollte der Minze noch ein Herz auf die Tafel zeichnen. Dazu öffnete er die Tafel.
Und da hing er.
Der unheimliche Brief. An den Rändern war er verkohlt und Spinnweben hingen dran. Ein Totenkopf saß in einer Ecke, ein Bild von einem Gespenst war zu sehen und die wackeligen Buchstaben, von denen es heruntertropfte, sahen aus wie mit Blut geschrieben. Pfeffer beschloss, den Brief nicht anzufassen.
Vielleicht waren Fingerabdrücke drauf. Er kratzte sich an der Nase. Den Geraderauf-Schrägrunter-Geraderauf-Buchstaben kannte er. Das war ein N. Pfeffer hieß mit ganzem Namen Nino Pfefferkorn. Den halben Bauch mit ganzem Strich kannte er auch. Es war das P von Pfeffer. Aber viel weiter half ihm das nicht. Er musste unbedingt wissen, was außer N und P noch in dem Brief stand.
Er schaute aus dem Fenster und suchte Olli und Paula. Sie standen unter den Lindenbäumen. Olli mampfte sein doppelt belegtes Pausenbrot und Paula zeigte ihm ihr neues T-Shirt, auf dem ein Pferd abgebildet war. Olli musste lachen und aus seinem Mund sprühte es Wurst. Paula sprang zur Seite und überprüfte, ob das Pferd auf ihrem T-Shirt noch sauber war.
Pfeffer schob das Fenster auf, beugte sich hinaus und fuchtelte wie verrückt mit den Armen. „Paula! Olli! … Ich muss euch was zeigen, schnell!“
Sie sahen ihn und kamen näher.
Paula war eine gute Kletterin, wegen Rocki. Über das Gebüsch schaffte sie es mühelos durchs Fenster ins Klassenzimmer.
„Ich hab ein neues T-Shirt“, sagte sie und streckte ihren Bauch heraus. „Tausche Bruder gegen Pferd. Steht da.“
„Schönes Pferd“, sagte Pfeffer. „Ich hab auch eine Überraschung.“ Er beugte sich aus dem Fenster. „Mensch, Olli. Komm endlich!“
Olli rülpste und blickte die Hauswand hoch. „Wie bist’n du da reingekommen?“, fragte er.
„Mit dem Schlüssel von der Boxerin“, sagte Pfeffer. Da drehte sich Olli weg, rannte davon und kam einen Augenblick später durch die Tür. Er hatte auch den Lehrereingang genommen. Olli stopfte den Rest seines Brotes in den Mund und verschluckte sich fast, als ihnen Pfeffer den unheimlichen Brief an der Tafel zeigte.
„Was ist das?“, fragte Olli.
„Ein Mörder-Brief“, sagte Pfeffer. „Mit Totenkopf und Blut.“