Pinocchio, ein freimaurerisches Ideal - Werner J. Kraftsik - E-Book

Pinocchio, ein freimaurerisches Ideal E-Book

Werner J. Kraftsik

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Beschreibung

Wer die Geschichte von Pinocchio liest, erinnert sich vor allen Dingen an die durch die Lügen immer größer werdende Nase der Marionette. Bis heute wird der Name Pinocchio häufig als Synonym für einen falschen und verlogenen Menschen verwendet. Dabei wird übersehen, dass in dieser Geschichte viel mehr steckt, als die Entlarvung eines Lügners. Es ist eine Parabel über die Suche eines Menschen, der zu einem Idealbild finden möchte. Folgen Sie dem Weg Pinocchios - und erfahren Sie neue Einsichten.

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Pinocchio – Darstellung von Enrico Mazzanti (1852-1910) Gemeinfrei

Sokrates hielt es für unmöglich, glücklich zu werden, wenn man gegen seine Überzeugung handelt.

Deshalb wird jemand, der weiß, was richtig ist, auch das Richtige tun, denn kein Mensch möchte unglücklich sein!

Deshalb widme ich dieses Buch allen, die glücklich sein wollen.

Werner J. Kraftsik

Carlo Collodi, eigentlich Carlo Lorenzini (* 24. November 1826 in Florenz; † 26. Oktober 1890) war ein italienischer Schriftsteller und Journalist.

Er ist der Autor des weltberühmten Romans „Die Abenteuer des Pinocchio.“ Sein Nachnamens-Pseudonym leitet sich vom Dorf Collodi ab. Dort, zwischen Lucca und Pistoia gelegen, wurde seine Mutter, Angela Orzali, geboren. Auch Collodi selbst verbrachte einen großen Teil seiner Kindheit dort. Neben seiner Tätigkeit als Schriftsteller arbeitete er auch als Journalist und Präfekturangestellter.

Er engagierte sich für die Unabhängigkeitsbewegung Italiens und blieb unverheiratet.

Der große Erfolg seines Romans Die Abenteuer des Pinocchio stellte sich erst nach seinem Tode ein. Die erste Geschichte über Pinocchio erschien am 7. Juli 1881 in der neuen Kinderzeitschrift Giornale per i bambini in Rom. Erst im 20. Jahrhundert wurde der literarische Wert des Werkes auch von der Fachöffentlichkeit vollständig anerkannt. Entscheidenden Einfluss hatte sein Werk aufgrund seiner großen Verbreitung auch auf die Entwicklung der italienischen Sprache.

Die Zugehörigkeit Carlo Collodis zur Freimaurerei wird allgemein anerkannt und es gibt viele Hinweise in diesem Sinn, wiewohl sie nirgendwo von offiziellen Dokumenten bestätigt wird. Aldo Mola, der, obwohl selbst kein Freimaurer, als Geschichtschreiber der italienischen Freimaurerei bezeichnet wird, hält die Mitgliedschaft Collodis in der masonischen Familie für gesichert. Einige biografische Fakten unterstützen diese These: die Gründung der liberalen Zeitschrift "Der Lampion" 1848, die, wie Lorenzini sagte "dem Licht spenden sollte, der in der Finsternis umherirre", dazu seine Teilnahme an den beiden Unabhängigkeitskriegen; unter den toskanischen Freiwilligen 1848 und als Freiwilliger im piemontesischen Heer 1859 und seine extreme ideologische Nähe zu Mazzini, aufgrund derer er sich selbst als "feiger Mazzinianer" bezeichnete.

Carlo Collodi starb im Alter von 63 Jahren.

Er wurde in seiner Heimatstadt auf dem Cimitero delle Porte Sante begraben.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Carlo_Collodi, https://freimaurer-wiki.de/index.php/Pinocchio,_mein_Bruder

INHALTSVERZEICHNIS

Widmung

Carlo Collodi

Vorwort

Geht es um Holz oder doch um Stein?

Versuch einer Interpretation

Alternativen zum Tischbein als Existenzsicherung

Versuch einer Interpretation

Pinocchio entsteht und erwacht zum Leben

Versuch einer Interpretation

Ein Intermezzo zum Nachdenken

Versuch einer Interpretation

Hunger

Versuch einer Interpretation

Eine Nacht mit Wasser und Feuer

Versuch einer Interpretation

Sicher und zufrieden: zu Hause

Versuch einer Interpretation

Liebesgaben

Versuch einer Interpretation

Der Geist ist willig….

Versuch einer Interpretation

Mitgegangen, mitgefangen

Versuch einer Interpretation

Trau, schau wem….

Versuch einer Interpretation

gestörte Träume und das Gewissen

Versuch einer Interpretation

Wer nicht hören will…

Versuch einer Interpretation

Wundersame Kräfte…

Versuch einer Interepretation

Die Bitternis des Lebens und

Versuch einer Interpretation

Nimmer wieder falsche Freunde…

Versuch einer Interpretation

wer nicht hören will…

Versuch einer Interpretation

Neue Freiheit…

Versuch einer Interpretation

Fallen und…..

Versuch einer Interpretation

Rehabilitation…..

Versuch einer Interpretation

Unerwartete Ergebnisse und…..

Versuch einer Interpretation

Ohne Fleiß, kein Preis

Versuch einer Interpretation

Zusagen und Verpflichtungen

Versuch einer Interpretation

Lernen oder nicht lernen….

Versuch einer Interpretation

Provokationen

Versuch einer Interpretation

Gegenseitige Hilfe

Versuch einer Interpretation

immer wenn Du denkst es geht nicht mehr

Versuch einer Interpretation

kurz vor dem Ziel

Versuch einer Interpretation

Im Schlaraffenland

Versuch einer Interpretation

Ein(böses)Erwachen

Versuch einer Interpretation

Tierische Erlebnisse

Versuch einer Interpretation

vom Meer verschlungen

Versuch einer Interpretation

Der Weg aus der Dunkelheit

Versuch einer Interpretation

Metamorphose

Versuch einer Interpretation

Fazit, oder was noch zu sagen ist

Quellennachweis

weitere Werke

Anmerkungen zum Urheberrecht

Vorwort:

Es war an einem der Sonntage, an dem man, nachdem man ausgeschlafen hatte, etwas unternehmen wollte.

Das Wetter schien gut zu werden, morgendlich strahlender Sonnenschein und ich bereitete den Kaffee gewissenhaft vor, den ich meiner Frau, wenn sie dann aufgestanden war, am gedeckten Frühstückstisch servieren wollte.

Die erste Tasse Kaffee genoss ich, wie an jedem Sonntag, alleine im Wohnzimmer, wo ich, auf der Suche nach den neuesten Nachrichten „durch die TV-Kanäle zappte“.

Die werktäglich übliche Stunde „Morgenmagazin“ entfiel, sonntags werden in dieser Zeit Kindersendungen, Märchen oder Dokumentationen ausgestrahlt.

„1, 2 oder 3“, Kinderkram, die „Sendung mit der Maus“ waren schon vorüber und die Folge „Terra X“ kannte ich schon.

Ich arbeitete mich tapfer durch die öffentlich-rechtlichen Programme und ehe ich die Speicherplätze der „Privaten“ erreichte, blickte ich auf das Gesicht des Schauspielers Mario Adorf, in der Rolle eines alten Mannes, eines Handwerkers, der gerade eine offensichtlich von ihm geschnitzte Holzpuppe zusammengebaut hatte, die zu richtigem Leben erwachte – es war Pinocchio.

Als Kind hatte ich die Geschichte vom „hölzernen Bengel“ gelesen, sie dann als Puppenspiel gesehen und mir später einige, teils gute, teils weniger gute, Trickfilme dieser Geschichte der Marionette angeschaut.

Eine Version mit „richtigen Menschen“ kannte ich noch nicht. Also blieb ich sitzen, trank meinen Kaffee und schaute aufmerksam den Film an.

Je länger ich schaute, umso mehr verstärkte sich mein Eindruck, nicht nur die Geschichte zu kennen, sondern das, was der Erfinder dieser Märchenfigur dem Zuschauer sagen wollte, erstmals wirklich zu verstehen.

Wer war der Autor, dieser Carlo Collodi?

Einfach ein Schriftsteller, ein Märchenerzähler oder war da mehr? Erst einmal „googeln“ – Volltreffer!

Carlo Collodi war Freimaurer, ein Bruder und das was er erzählte, ist für mich die fabelhafte Geschichte eines Suchenden. Diesem widerfährt so einiges, bis er ein wirklicher Mensch wird, ein vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft der Menschen.

Ich hoffe, es gelingt mir an Hand der Originaltexte nach der autorisierten deutschen Bearbeitung durch P.A. Eugen Andrae, in der Ausgabe des Anaconda Verlages Köln, von 2011, mit meiner Bearbeitung des Textes und den Versuchen der Interpretation den – freimaurerischen – Weg des Pinocchio nachzuzeichnen. Vielleicht ist es damit möglich, Freimaurern und Nichtfreimaurern die Bedeutung dessen, was schon damals Freimaurerei beinhaltete und bis heute in ihr unverändert bewahrt ist, näher zu bringen?

Im 21. Jahrhundert erscheint mir das nötiger denn je!

Folgen wir gemeinsam dem Weg des Pinocchio – vom groben Klotz bis zu seiner Metamorphose zum „richtigen Junge“, der ein wahrer Mensch ist.

Cover der Ausgabe des Anacondaverlag, Köln

Werner J. Kraftsik Oktober 2018

Geht es um Holz, oder doch um Stein?

Wie die meisten Märchen, beginnt auch diese Geschichte Es war einmal…und doch geht es anders, als man das bei Märchen gewohnt ist, weiter.

Die Geschichte beginnt nicht mit einer Person oder einer Gruppe von Menschen, sondern es geht um einen Holzklotz. Ein alter Tischler, Meister Antonio, fand in seiner Werkstatt einen bisher wenig beachteten Holzklotz vor und auf Grund seiner Form beabsichtigte er daraus etwas nützliches, praktisch verwendbares, ein Tischbein herzustellen.

Carlo Chiostri, gemeinfrei

Seine Versuche den Holzscheit zu bearbeiten schlugen fehl, weil dieser auf seine Hiebe mit einem Beil jammernd reagierte und als er ihn auch nicht glatthobeln konnte, weil das Holz auch dagegen protestierte, entschloss er sich dieses merkwürdige Teil seinem Freund Gepetto zu vermachen – vielleicht konnte er ja mit diesem ungewöhnlichen Material etwas gescheites anfangen.

VERSUCH EINER INTERPRETATION

Was ist das für ein seltsames Stück Holz, das sich jeder Bearbeitung zu widersetzen versucht?

Handelt es sich wirklich um Holz, ein anderes Material und ist es überhaupt etwas, das man mit einem Beil, einem Hobel oder irgendeinem anderen Werkzeug bearbeiten kann?

Carlo Collodi hätte sich als Freimaurer vielleicht eine Geschichte ausdenken können, in der Steine eine wichtige Rolle spielen, weil bei den Freimaurern die Menschen als „Steine“ bezeichnet werden, mit denen man etwas aufbauen möchte.

Er hat die Metapher „Holz“ gewählt.

Es mag sein, dass ihm Stein zu widerspenstig erschien, schwerer zu bearbeiten war. Aber weil er aus einer Gegend stammt, in der man viel mit Holz arbeitete, lag es nahe das scheinbar leichter zu bearbeitende Material als Synonym für den zu bearbeitenden Menschen zu wählen.

Menschen sind, wie wir wissen, „Kohlenstoffwesen“, bestehen also aus Materie und sind, wie diese, formbar und vergänglich.

Auf den ersten Blick mag der Holzklotz und der damit symbolisierte Mensch, geeignet erscheinen, um daraus etwas nützliches, wie zum Beispiel ein Tischbein oder ein anderes Möbel herzustellen.

Während die Materie die Verwandlung in einen besonderen Bestimmungszweck klaglos hinnimmt, handelt es sich hier aber um ein Stück Materie, das sich lautstark gegen die alltägliche und zweckgebundene Umwandlung wehrt.

Es ist nicht auszuschließen, dass Collodi damit den aus der Masse der Menschen herausragenden Menschen meinte, der den Weg zu etwas anderem, als dem Alltäglichen suchte und mit seiner Reaktion darauf aufmerksam machen wollte. Freimaurer nennen Menschen, die über das Alltägliche hinaus nach einem tieferen Sinn ihres Daseins forschen > Suchende <.

Alternativen zum Tischbein als Existenzsicherung

Der Freund Antonios, Gepetto, der ihn besuchte, dem wollte er das ungewöhnliche Stück Holz weitergeben.

Gepetto wird als ein skurriler Handwerker, mit ungewöhnlichem Aussehen, Benehmen und Plänen beschrieben.

Das Stück Holz käme ihm gerade recht, um daraus einen Hampelmann herzustellen, der allerlei verrückte Dinge treiben kann.

Er sollte tanzen, fechten und Salto Mortale machen können, und ihm mit diesen Kunststückchen seinen künftigen Lebensunterhalt sichern.

Das sprechende Holz war begeistert und stimmte Gepetto, den man wegen seiner wirren Haare hinter vorgehaltener Hand mit seinem Spitznamen Nudelkopf nannte lauthals zu. Das war eine Beleidigung von der Gepetto vermutete, dass sie von Antonio kam und er verwahrte sich bei dem überraschten und in diesem Fall schuldlosen Antonio dagegen. Als aber das Holzstück versuchte zu ihm zu springen und schmerzvoll an seinem Schienbein landete, führte dies zu einem erneuten, heftigen Disput, der in einem handgreiflichen Streit endete, weil Gepetto vermutete, dass Antonio ihn absichtlich verletzen wolle. Als beide Kontrahenten am Boden lagen, jeder des anderen Haare in Händen, mit neuen Schrammen im Gesicht und dem jeweils anderen fehlten Knöpfe an der Jacke, war mit diesem Unentschieden der Streit beendet.

Gepetto nahm sein neues, schönes Stück Holz unter den Arm, verabschiedete sich bei Meister Antonio und machte sich hinkend auf den Weg nach Hause, in seine Werkstatt, um dort mit seiner Arbeit zu beginnen.

VERSUCH EINER INTERPRETATION

Hier beschreibt der Dichter einen ungewöhnlichen Streit und Kampf zwischen zwei Menschen, die aus dem gleichen Milieu zu stammen scheinen und eigentlich keinen Grund haben uneins zu sein.

Sie ereifern sich an der Kleinigkeit eines Spitznamens und geraten wegen eines Missgeschicks derart in Rage, dass sie aufeinander losschlagen.

Es beschreibt ziemlich genau, wie es tagtäglich im Leben vor sich geht. Menschen streiten wegen Belanglosigkeiten und unterstellen oft, zu oft einem Anderen, dass ein Missgeschick nicht ein solches, sondern böse Absicht sei.

Was ist die Ursache dafür?

Es sind die ungezügelten Leidenschaften im Menschen, die, wenn sie nicht beherrscht werden, Menschen zu Handlungen treiben können, deren Folgen unabsehbar und schädlich sein können. Es sind häufig Vorurteile, die nicht überwunden wurden und deshalb zu falschen Einschätzungen führen. Nicht zuletzt ist es oft auch Unwissenheit über innere und äußere Zusammenhänge, die Reaktionen veranlassen, die sonst vermieden worden wären. Leidenschaften, Vorurteile und Unwissenheit bestimmen oft das Leben – diese zu überwinden ist eine der Aufgaben, denen sich Freimaurer stellen um nicht an den Gefahren des Lebens zu scheitern.

Pinocchio entsteht und erwacht zum Leben

Kaum in seinem bescheidenen „zu Hause“ angekommen, macht sich Gepetto an die Arbeit.

Dabei überlegte er sich einen passenden Namen, den er dem neuen Hampelmann geben will. Er kannte eine Familie, namens Pinocchio und alle in dieser Familie hatten Glück und allen ging es gut – der Reichste von ihnen bettelte. Ein gutes Omen als Namen für seinen neuen Hampelmann, weil ihm Reichtum nichts bedeutete und er das nicht als Voraussetzung für Glück im Leben hielt.

Nachdem er den Namen gefunden hatte, begann er mit seiner Arbeit und bearbeitete zügig das Holzscheit.

Er fing oben an – erst die Haare, dann Stirn und danach die Augen, die ihn sofort bei seiner weiteren Arbeit beobachteten. Obwohl ihn das ziemlich irritierte, arbeitete er zügig weiter und modellierte die Nase. Zu seinem größten Erstaunen wuchs die Nase aber, als er fertig war immer weiter. Er schnitzte nach – die Nase wuchs weiter. Je mehr er wegschnitt, umso mehr wuchs die Nase – eine länger und länger werdende, freche Nase. Er wandte sich dem Mund zu, der unmittelbar nach Fertigstellung anfing zu lachen.

Er empfand dies als Auslachen, arbeitete aber unbeeindruckt weiter und beachtete die aus dem Mund heraus schnellende Zunge ebenso wenig. Er konzentrierte sich darauf, die weiteren Körperteile, Kinn, Hals, Schultern, den Leib, Arme und Hände möglichst perfekt heraus zu arbeiten.

Womit er nicht gerechnet hatte war, dass diese perfekt geschnitzten Hände sofort nach seinen Haaren, die ja nur eine Perücke waren, griffen und sie sich selbst auf den Kopf setzten.

Sein Schimpfen nutzte nichts und insgeheim bedauerte er, dass ihm, als Erschaffer dieses Kunstwerkes, so wenig Respekt entgegen gebracht wurde – trotzdem wollte er das Werk vollenden und machte sich daran, mit dem Schnitzen der Beine den Hampelmann zu vollenden.

Schließlich war der Hampelmann, sein Pinocchio, fertig und er stellte ihn das erste Mal auf seine Füße.

Nach den ersten, ungelenken Schritten begann Pinocchio von alleine zu laufen, erst im Zimmer in dem er hergestellt wurde, dann rannte er auf die Straße und riss dem aufgeregt hinterherlaufenden Gepetto aus.

Seine Hilferufe, dass man Pinocchio doch festhalten solle, blieben unerhört und erst ein Schutzmann, der sich in den Weg stellte, konnte Pinocchio schließlich an seiner Nase fassen, festhalten und seinem „Vater“ übergeben.

Dieser war außer sich und machte seinem Erzeugnis, seinem „Sohn“, erhebliche Vorhaltungen, bemerkte aber dann, dass er die Ohren zu schnitzen vergessen hatte.

Pinocchio verhielt sich so, wie es manches Mal bockige Kinder tun. Er warf sich auf den Boden und wollte nicht mehr mit nach Hause gehen. Die Leute wurden aufmerksam und fanden, dass Gepetto sich bald wie ein Tyrann benehmen und den „armen Hampelmann“ vermutlich in Stücke schlagen würde.

Nun wollte der Schutzmann es genau wissen: „Schlägst Du dieses arme Wesen, willst Du ihn vielleicht sogar zertrümmern?“ Der darüber entsetzte Gepetto fand keine Worte, liebte er doch trotz allem sein Werk und schluckte schweigend jedes Wort. Weinend wurde er in das Gefängnis gebracht, während er sich fragte, was er falsch gemacht habe.

„Ich wollte einen braven Hampelmann schaffen und erschuf einen pflichtvergessenen Sohn.“

„Die Schuld trifft mich selbst“, gestand er sich schließlich ein.

„Ich hätte mir das früher überlegen sollen.“

VERSUCH EINER INTERPRETATION

Gibt es Parallelen zur Freimaurerei?

Nur insofern, als erklärt wird, dass ein Mensch aus Materie beschaffen ist, die trotz ihrer offensichtlichen Mangelhaftigkeit in der Lage ist, ein Eigenleben zu entwickeln. Vom ersten Augenblick des Erkennens der Umwelt wird beobachtet, wird durch Laute, die verschiedenartig interpretiert werden können, die Welt kommentiert. Lachen kann Freude, genau wie Unsicherheit aber auch Verachtung ausdrücken.

Was das entstehende Wesen Pinocchio mit seinem Lachen ausdrücken will, überlässt Collodi der Interpretation des Lesers. Das Ergreifen und Aneignen der Haare beschreibt den Prozess des „Begreifen der Welt“. Als Pinocchio schließlich in der Lage ist seine Füße zu gebrauchen, beschreibt seine Flucht aus dem Heim, der Werkstatt, den Drang nach Freiheit und Loslösung vom Erzeuger.

Spätestens jetzt muss gefragt werden wer oder was durch den Meister Gepetto in diesem Märchen dargestellt wird? Der Autor hat in seinem Werk, das im 19. Jahrhundert entstand, auffällig jeden Bezug zur Religion, ja selbst zu religiösen Figuren, vermieden. Dies ist in der Zeit und vor allem in Italien durchaus verständlich, wollte man Repressionen durch Staat und Religion vermeiden.

Gepetto hat aus Materie ein selbständig handelndes Wesen erschaffen, das sich kurz nach seiner materiellen Vollendung von seinem Erzeuger verabschiedet und selbständig seinen eigenen Weg sucht. Außer, dass es sich um einen alten Handwerker handelt, bleibt die Figur Gepettos unklar. Er wird als einfältiger, gelegentlich aufbrausender, aber im Grunde gütiger, alter Mann beschrieben, der es bereut einen Hampelmann erschaffen zu haben, der ihm weder Respekt noch Dankbarkeit zollt.

Das erinnert an ein Prinzip, das die Welt, die wir kennen, erschaffen hat, aber im Grunde in seinen Eigenschaften unklar bleibt.

Einfältig erscheint die Welt in dem Sinn, dass sie in einer ungekünstelten Einfachheit zu bestehen scheint, weil sie sich im 19. Jahrhundert als ein perfektes funktionieren aller Teile, so wie ein Kunstwerk darstellt.

Alles erfüllt seinen Zweck, alles ist natürlich ohne Überladung oder Verschnörkelungen.

Dahinter muss für die Menschen dieser Zeit ein einmaliges Genie stecken.

Ungestüm und schicksalhaft aufbrausend erscheint dem Menschen oft das Leben, doch letztlich auch immer wieder versöhnlich, zu Glück und Zufriedenheit führend.

Das ist seit ewigen Zeiten, seit Menschengedenken so. Wir erleben einen ständigen Wandel von Gut und Schlecht, Hell und Dunkel, Arm und Reich, Gesund und Krank, genauso wie das ein „alter Mann“ in einem langen Leben vielleicht selbst erfahren musste.

Gepetto ist, gemessen an seiner Handwerkskunst, vielleicht ein Genie, aber er ist aufbrausend und gleichzeitig gütig und damit eine Personifizierung eines Prinzips, das die Ursache solche Schöpfungen sein kann.

Zugegeben eine vage Behauptung, aber eine denkbare Darstellung dieses Prinzips, das Pinocchio und vielleicht auch vieles andere erschaffen hat.

Freimaurer beschäftigen sich in ihrer Arbeit mit dem Woher und dem Wohin, legen sich aber ausdrücklich nicht auf eine bestimmte Ursache fest – weil sie es nicht wissen.

Sie fordern vom Einzelnen lediglich die Anerkennung eines Grundes, einer Ursache, eines Prinzips.

Ein Intermezzo zum Nachdenken

Pinocchio genießt nur kurz seine gewonnene Freiheit und kehrt ziemlich schnell wieder in das ihm einzig bekannte Heim zurück.

Kaum dort angekommen, vernimmt er ein bisher nicht bekanntes Geräusch. Es hört sich an wie das Zirpen eines Insekts, ist aber in Wirklichkeit ein leises Stimmchen, das ihn mit seinem Namen anspricht.

Es ist eine Grille, die langsam die Wand herauf läuft und er fragt sie, wer oder was sie sei. Sie antwortet, dass sie eigentlich schon immer in diesem Haus wohnt, worauf er sie schroff mit dem Hinweis unterbricht, dass dies jetzt sein Haus und Zimmer sei, in dem sie nichts zu suchen habe und besser umgehend verschwinden soll.

Ich gehe solange nicht, bis ich dir eine große Wahrheit gesagt habe, zirpt die Grille und Pinocchio drängt sie, ziemlich genervt, sich mit ihrer Wahrheit zu beeilen.

Die Warnung der Grille lautet, dass es den Kindern schlecht ergeht, die sich gegen ihre Eltern auflehnen und ohne Erlaubnis die elterliche Wohnung verlassen. Es wird ihnen nie gut gehen und früher oder später werden sie es bitter bereuen.

Mit diesen Worten endet die Wahrheit der Grille.

Großmäulig prahlt Pinocchio mit seinem Plan am nächsten Morgen das Haus schon deshalb zu verlassen, weil er sonst sicher in irgendeiner Schule seine Zeit verplempern muss.

Stattdessen will er viel lieber seinen Interessen, seinem Spaß im Leben mit Streichen und Unfug folgen.

Die Erwiderung der Grille, dass er so ein richtiger Dummkopf bleibt und als Esel später von den anderen verspottet wird, nennt Pinocchio Geschwätz, mit dem sie aufhören soll.

Den Vorschlag wenigstens ein ordentliches Handwerk zum Broterwerb zu erlernen, lehnt er wütend ab, weil die einzige Handwerkskunst, nach der er strebt, Essen, trinken, schlafen, Vergnügungen und sich von morgens bis abends herumzutreiben, sei.

Der Hinweis, dass solche Leute fast alle entweder im Krankenhaus oder im Gefängnis enden, macht ihn schließlich so wütend, dass er, als die Grille ihm auch noch vorhielt, dass er ja nur ein Hampelmann und dies angesichts seines Holzkopfes auch bleiben wird, mit einem Holzhammer nach ihr wirft und sie damit tötet.

VERSUCH EINER INTERPRETATION

Welche Symbolik verbirgt sich hinter der „sprechenden Grille?“ Im Laufe der Geschichte wird diese Grille immer wieder einmal auftauchen, z. B. als Geist und gleichsam nicht abzuschüttelnde Mahnung dessen, was sie ihm vor ihrem Tod prophezeit hat. Auch wenn Pinocchio die Grille getötet hat, begleitet sie ihn weiter auf all seinen Wegen um immer dann mahnend aufzutauchen, wenn er nicht damit rechnet.

Im freimaurerischen Ritual gibt es eine Situation, in der Freimaurer sich auf ihrem (Lebens)Weg einem Richter stellen müssen, dem nichts verborgen bleibt, der allein ein gerechtes Urteil fällen und den richtigen Weg zeigen kann.

Es handelt sich bei diesem Richter im Ritual, wie bei der Grille, um nichts anderes, als um unser Gewissen, das uns auf das richtige Handeln hinweist und das wir wegen seiner zarten Stimme nicht immer hören und auch nicht abtöten können, obwohl es manche versuchen.

Hunger,

Zwischenzeitlich war es dunkel, es war Nacht geworden und Pinocchio spürte ein unbekanntes Gefühl in seinem Inneren.

Es rumorte und knurrte und es klang so, als hätte er Appetit auf leckeres Essen. Kinder haben vielleicht Appetit, aber der entwickelte sich im Handumdrehen in Hunger, so großen Hunger, dass man geradezu von einem Wolfshunger sprechen musste, kurzum ein Hunger, der nicht mehr auszuhalten war.

Der Hampelmann glaubte auf dem Herd einen dampfenden Topf zu sehen und rannte schnellstens hin, um zu sehen, was da so vor sich hin köchelte. Aber dort war überhaupt kein dampfender Topf, der war nur täuschend echt an die Wand gemalt. Er stand, völlig irritiert, vor dem Herd und überlegte, woher er jetzt etwas zu Essen bekommt.

Er durchsuchte das ganze Zimmer, alle Fächer nach einem Stückchen Brot, das er essen wollte, auch wenn es schon alt und hart ist. Oder einen Knochen, wie ihn die Hunde zum abknabbern bekommen, eine Fischgräte, Kirschkerne oder irgendetwas, das man essen kann. Nichts, er fand einfach nichts, mit dem er seinen Hunger hätte stillen können. Wie zum Trost fing er an zu gähnen und er gähnte so heftig, dass sein Mund so groß war, dass er bis an die Ohren reichte.

Er hatte ausgegähnt und das Gefühl, als würde sein Magen schrumpfen.

„Die Grille hatte recht“, heulte er verzweifelt, „hätte ich auf meinen Vater gehört, gäbe es jetzt etwas zu essen und ich müsste nicht den Hungertod sterben!“ Er wanderte im Zimmer herum und sein ruheloser Blick blieb an etwas Weißem hängen, das in einer Ecke des Raumes zwischen allerlei Abfall heraus schaute und wie ein Ei, ein Hühnerei, aussah. Ein Sprung in die Ecke brachte ihm die Gewissheit, dass es tatsächlich ein Ei ist und er überlegt sofort, wie er es zubereiten und essen soll?

Gekocht? Als Eierkuchen? Nein….Spiegelei ist vielleicht doch besser?!......Man sagt, dass Rühreier sehr schmackhaft sind – aber es ist ja nur ein Ei – etwas wenig für Rühreier. Soll ich es roh trinken – machen ja viele und das soll Kraft bringen.

Aber Nein, ich mache mir ein Spiegelei!“ Er hängt eine kleine Pfanne über das wirklich vorhandene, Feuer, füllt statt Butter oder Fett ein wenig Wasser ein und als das Wasser zu dampfen anfing…..Tack! klopfte er das Ei auf und wollte gerade den Inhalt in die Pfanne gießen…….als anstatt des Eidotters und des Eigelbs ein kleines sehr höfliches, Küken aus dem Ei heraus kam, das einen Knicks vor ihm machte und voll Ehrfurcht zu ihm spricht: „Tausend Dank, Herr PInocchio! Sie haben mir die Mühe erspart die Eierschale aufzubrechen! Auf Wiedersehen, leben Sie wohl und grüßen Sie zu Hause!“

Das Küken breitete seine Flügel aus und flog durch das offene Fenster davon.

Der verblüffte Hampelmann stand da, wie ein begossener Pudel und starrte mit offenem Mund und starrem Blick aus dem Fenster in die Richtung in die das Küken flog und verschwand. Als er sich von seiner Überraschung erholt hat, schaut er auf seine Hände, die immer noch die leeren Eierschalen halten und wird unglaublich wütend. So wütend, dass er anfängt zu weinen, zu schreien und mit den Füßen aufzustampfen.

Und in seinem Geheule kommt ihm die Einsicht, dass die Grille wirklich recht hatte und er, nur weil er von zu Hause ausgerissen und seinen alten Vater alleine gelassen hat, jetzt diesen unsäglichen Hunger leiden muss.

Da er in dem Haus nichts findet, beschließt er an einem anderen Ort, im nächsten Dorf, zu suchen.

Er hofft, einen barmherzigen Menschen zu finden, der ihm aus seiner Not, seinem Hunger, mit einem Stück Brot hilft.

Versuch einer Interpretation

Der Dichter beschreibt in Episoden, die sich mit den Empfindungen des hölzernen Jungen beschäftigen, was dieser empfindet.

Pinocchio verspürt Hunger, was ungewöhnlich ist, weil an keiner Stelle davon die Rede ist, dass er ein, wie auch immer geartetes, „Innenleben“ besitzt.

Es muss ein besonderer Hunger sein, der Pinocchio veranlasst die ganze Wohnung nach essbarem zu durchsuchen.

Er findet schließlich ein Ei, dass er sich braten will.

Seine Enttäuschung ist groß, als er das Ei in die Pfanne hauen will und ein Küken herauskommt, sich bei ihm namentlich bedankt und davon fliegt.

Das Ei ist in vielen Kultur ein Symbol der Entstehung der Welt. In der christlichen Kultur, in der sich Carlo Collodi bewegte, ist es ein Symbol für die Auferstehung Christi aus dem Grab, also die Überwindung des leiblichen Todes für ein neues, ein geistiges Leben.

Die Tatsache, dass das Küken daraus fortfliegt zeigt, dass seine Suche zur Befriedigung seines (geistigen) Hungers sich auf die Erfüllung materieller Bedürfnisse bezieht und sich ihm die Symbolik der Erneuerung seines Wesens noch nicht erschließt.

Eine Nacht mit Wasser und Feuer

Es ist eine stockfinstere, stürmische, geradezu eine höllische Nacht, als sich der Hampelmann auf der Suche nach etwas essbarem auf den Weg in das nächste Dorf macht.