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Der Leprechaun Gwydd ap Olwuun wurde auf Kasoun vorerst dazu verurteilt, auf den Todesring der siebten Sonne gebracht zu werden. Die Richter wollen Gwydd unter allen Umständen zum Reden bringen, ihm das Gedächtnis wiedergeben, das er verlor - haben sie doch allen Grund dazu, sich vor der Rache des Sternenbarons, den Gwydd so verehrt, zu fürchten. Doch der hat seinen eigenen Plan entwickelt ...
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Seitenzahl: 134
Cover
Impressum
Der Jahrtausendplan
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Timo Wuerz
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-8387-5821-3
www.bastei-entertainment.de
Der Jahrtausendplan
von Manfred H. Rückert
Der kleinwüchsige Mann hielt die Augen geschlossen und lehnte sich im Polster des Konturensessels zurück. Er presste die Lippen zusammen und versuchte krampfhaft, ein Stöhnen zu unterdrücken. Zu sehr nahm ihn das Geschehen in seinem Albtraum mit.
Seine Welt bestand fast ausschließlich aus blauen Farbtönen. Sogar der Boden und der Hintergrund der Zentrale schimmerten in der Farbe, die allen Blauen Städten gemein war.
Gwydd ap Olwuun verband damit nur noch grenzenlose Hoffnungslosigkeit. Nach allem was er in der Vergangenheit hatte durchstehen müssen, war blau für ihn die Farbe des Todes …
»Es gibt eine Menge Menschen, aber noch viel mehr Gesichter, denn jeder hat mehrere.«
Rainer Maria Rilke, deutscher Lyriker (1875 – 1926)
Präambel
Fackelschein geisterte über die Wände. Feuchte, modrige Kälte hing in der Luft, ebenso wie der Geruch nach Leder, rostigem Eisen und nassem Gestein. Dicht vor dem Gesicht des Mannes loderte eine Pechfackel, beleuchtete seine schweißnasse Stirn, die zuckenden Lippen, die verzerrten Züge. Der kleine dürre Mann lag ausgestreckt auf einer Holzpritsche, die Arme über den Kopf gehoben. Breite Lederriemen fesselten seine Hand- und Fußgelenke, ein dickes Tau lief von den Fesseln über eine altmodische Winde, und das Seil war straff gespannt. Der Mann keuchte. Den breitschultrigen, muskulösen Hünen, der die Winde bediente, konnte er nicht sehen. Aber er hatte das Schaben gehört, das nervenzerfetzende Quietschen, und in seinem gemarterten Schädel schien sich das Geräusch fortzupflanzen, bis es sich wie ein glühender Nagel in sein Gehirn bohrte.
»Nein«, stöhnte der Gefangene. Es handelte sich um einen Leprechaun, ein menschenähnliches Wesen mit roten Haaren, die er als Dreadlocks trug. »Nein, nein … Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen. Ich …«
Der Mann mit der Fackel lächelte. Seine dünnen, grausamen Lippen krümmten sich, in dem schmalen Gesicht glühten die Augen. »Ich spreche vom Sternenbaron«, sagte er mit tödlicher Sanftheit. »Du bist Gwydd ap Olwuun. Du bist Kurodaan von Tranboons letzter Vertrauter, und du allein kennst das Geheimnis seines Verstecks.«
Er richtete sich auf, hob die flackernde Pechfackel ein Stück höher. Ein fanatisches Brennen trat in seine jettschwarzen Augen. »Ich werde den Sternenbaron zur Strecke bringen«, flüsterte er. »Ich werde der stärkste Mann des Triumvirats sein. Ich, Fürst Llyanor!«
Gwydd ap Olwuun schloss die Augen und zitterte. »Nein!«, ächzte er. »Nein, nein …«
Fürst Llyanor hob die Hand zu einer knappen Geste. Die Winde quietschte. Wieder straffte sich das Seil, zerrte erbarmungslos an den Gliedern des Opfers. Ein markerschütternder Schrei brach über die Lippen des Gemarterten. Erneut hob Llyanor die Hand. Der Hüne, der ihm im Aussehen glich, hörte auf, an der Winde zu drehen. Scheinbar mühelos hielt er den Hebel in seiner Stellung, und der Schrei, der von den Wänden widerhallte, erstarb in einem qualvollen Wimmern. Der Mann mit dem schmalen, grausamen Gesicht hielt die Fackel dicht vor die Augen seines Opfers.
»Du bist ein Narr, Gwydd ap Olwuun«, sagte er leise. »Du müsstest diese Folterkammer doch am besten kennen. Sie gehört zu deinem Versteck – also weißt du, was man mit den hübschen Geräten anstellen kann …«
»Du verfluchter Dämon!«, keuchte der Leprechaun. »Verdammte Bestie!«
»Gesdon«, kam Llyanors leise, ausdruckslose Stimme. Die Winde quietschte. Diesmal klangen die Schreie des Opfers so grauenvoll, dass selbst in den leeren Augen des Hünen so etwas wie eine Regung erschien. Der Körper des Gemarterten zuckte, versuchte sich aufzubäumen. Ap Olwuuns Gesicht verzerrte sich zur Grimasse, verfärbte sich, die Augen traten aus den Höhlen, und er hörte nicht auf zu schreien, als das misstönende Quietschen verstummte.
»Lass ab, Gesdon«, sagte Llyanor nach ein paar Sekunden. Der Hüne ließ den Hebel los. Rasselnd drehte sich die Winde zurück. Aber es dauerte Minuten, bis die grässlichen Schreie erstarben.
»Nun?«, fragte Llyanor eisig. »Ist dir eingefallen, wo sich der Feigling Kurodaan versteckt hat? Oder soll ich dir Chandor auf den Hals schicken?«
Gwydd ap Olwuun schloss die Augen. Sein Gehirn schien nur noch aus einer feurigen Lohe zu bestehen, sein Körper aus Schmerzen. Er hatte das Gefühl, als habe man ihm mit einem Beil Arme und Beine abgehackt. Keuchend lag er da, unfähig, auch nur einen Finger zu rühren, und nur noch der eine verzweifelte Gedanke hatte Platz in ihm, dass er diese Tortur nicht noch einmal ertragen konnte. Reden? Dieser Bestie in Almothergestalt geben, was sie verlangte? Das war sein sicherer Tod, er wusste es. Aber er wusste auch, dass er keine andere Wahl hatte. Dass es besser war, zu sterben, als noch einmal die Wirkung dieses grauenvollen Streckbettes zu spüren oder …
Seine Gedanken stockten. Ganz tief in seinem gemarterten Hirn schien es etwas wie eine winzige Explosion zu geben. Der Ausweg!
Gwydd ap Olwuun wusste plötzlich, was er zu tun hatte, und es war so einfach, dass er sich fragte, warum er nicht eher darauf gekommen war. Llyanor wollte Kurodaans Versteck finden. Er sollte es versuchen. Er sollte der Angst begegnen und …
»Nun?«, drang Llyanors Stimme in sein Bewusstsein. »Bist du bereit?«
»Nein«, stöhnte ap Olwuun. »Ja! Ich … ich werde reden …«
»Dann rede! Ich warte nicht lange.«
Der Leprechaun fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen, spürte den salzig-bitteren Geschmack von seinem Schweiß. Seine Stimme gehorchte ihm kaum, und jedes Wort kostete ihn Mühe. »Die Tür mit dem Wappen«, flüsterte er. »Am Ende des Ganges … gibt es eine Treppe. – Zwölf Stufen. – Sie führen zu der Tür mit dem Wappen von Kurodaans Clan. Dahinter …«
Llyanor sah zufrieden aus, er nickte. »Weiter«, drängte er.
»Zuerst öffnen«, stöhnte ap Olwuun. »Dann aktivieren … Von dort aus gibt es eine Transmitter-Verbindung zu Kurodaans Versteck …«
Von dort würde Llyanor in die Unendlichkeit hinweggezogen werden. Er war genauso verloren wie Gwydd ap Olwuun.
Kapitel 1 Die unsichtbare Grenze
Gwydd ap Olwuun knurrte unzufrieden und atmete schwer. Er ballte die Hände mehrmals zu Fäusten und öffnete sie wieder. Er zitterte wie Laub im Herbstwind. Der Schweiß rann ihm in Strömen über das Gesicht. Ihm schien, als hätte er gerade die größte körperliche Anstrengung hinter sich. Der Leprechaun öffnete mühsam die Augen und benötigte mehrere Augenblicke, um zu realisieren, dass er sich halb zusammengesunken in einem Konturensessel befand.
Auf einem blauen Sessel, der in einem blauen Raum steht, dachte er niedergeschlagen. Und der zählt wiederum zu einer Blauen Stadt. Er beachtete die Bilder nicht, die der Panoramabildschirm zeigte. Er war immer noch in dem Albtraum gefangen, den er eben durchstanden hatte. Einen der Albträume, die er täglich erlebte.
Der Leprechaun rutschte mühsam vom Sessel, der zu hoch für ihn war, und streckte seine Glieder aus. Er gähnte und fühlte sich wie erschlagen, gerade so, als hätte er die größten Anstrengungen und Entbehrungen hinter sich. Und irgendwie war es auch so. Die Albträume strengten ihn mehr an als jede körperliche Schufterei.
»Ich glaube es nicht!«, schimpfte er in unterdrücktem Tonfall. »Jetzt bin ich doch schon wieder eingeschlafen.«
Gwydds Gereiztheit war verständlich. Während seiner Arbeit im Todesring der siebten Sonne war er oft in eine tiefe Bewusstlosigkeit gefallen, aus der er wahrscheinlich nicht erwacht wäre, wenn etwas in ihm nicht immer neue Kräfte aktiviert hätte.
Woher diese unbekannten Energien stammten, konnte der Leprechaun nicht sagen. Er nahm an, dass es ein Geschenk war, mit dem Kurodaan von Tranboon ihm für seine Treue und Zuverlässigkeit danken wollte.
Als Gwydd 243 Jahre alt war, wurde er von dem Sternenbaron verpflichtet, ihm zu dienen. An diesem Tag hatte sein Alterungsprozess für eine gewisse Zeit ausgesetzt. Erst vor einem Jahr, seit er von der verfluchten Stadt Zandhar floh, war die natürliche Alterung wieder eingesetzt.
Seit er als vorläufige Strafe für die Hilfe, die er dem angeblichen Verräter von Tranboon zukommen ließ, in den Todesring verbannt worden war, schien die Alterung seltsamerweise wieder gestoppt zu sein.
»Das Leben ist ein Kreis. Du kannst ihn nie verlassen. Auch nicht mit deinem Sterben. Denn Sterben ist auch Leben«, murmelte ap Olwuun die uralten Pido-Schriften aus dem Glaktian von Okan.
Er zuckte hilflos die Schultern. Sein ganzes Leben lang hatten ihm die uralten Weisheiten Trost, Zuversicht und Hoffnung gespendet. Die Gefahr konnte noch so groß erscheinen, Gwydd konnte sich darauf verlassen, einer Meditation über die weisen Worte ging er gestärkt hervor. Das war nicht mehr der Fall, seit er in diese ebenso entlegene wie gefährliche Randregion der großen Sterneninsel, wie sein Volk die Milchstraße nannte, zur Strafe gebracht worden war.
Gwydd setzte sich wieder und beobachtete die Darstellung auf dem Panoramabildschirm. Er befand sich im Zentrum des Todesrings der siebten Sonne, auf einer Kreisbahn um den Mond Frosttod, und war dort zu Überprüfungsarbeiten eingeteilt.
»Überprüfungsarbeiten in der Zentralstadt. Was für ein Hohn«, murmelte er erbost. Diese Aufgabe war unglaublich hart, weshalb sie in fast allen anderen Fällen – außer seinem – von Robotern gelöst wurde.
Es gab einen weiteren Grund, warum Maschinen eingesetzt wurden. Bei der Aktivierung des Todesrings wurde Strahlung in tödlicher Konzentration ausgesandt. Und dies war sogar erwünscht, damit der große Plan in seine entscheidende Phase treten konnte. Gwydd selbst würde langsam verseucht werden.
Er wusste genau, was das bedeuten sollte. Wenn er nicht beitragen konnte, den Baron zu finden, hatte er nach Meinung des Rates von Kasooun das Leben nicht verdient.
Der große Plan ist angelaufen, dachte er, und alles in ihm verkrampfte sich. Alles Leben in diesem Bereich wird ausgelöscht.
Auch sein Leben. Und das schätzte er mindestens genauso hoch ein wie das anderer Wesen.
Selbst nach annähernd 60.000 Jahren wollte er sich nicht mit dem Gedanken ans Sterben vertraut machen. Es gab noch so viel zu erleben und zu entdecken. Doch so wie es aussah, würde er hier nicht mehr herauskommen.
Deswegen konnten ihm die Pido-Schriften nicht mehr den gleichen Trost und die Zuversicht bieten wie früher. Und die Hoffnung hatte Gwydd ap Olwuun sowieso verloren. Dazu brauchte er keine Albträume. Sein derzeitiges Leben war schließlich ein einziger böser Traum.
***
Kurz zuvor
Das Gefühl von unzähligen Augen beobachtet zu werden, war vom ersten Augenblick an präsent. Den drei Almothern, die gerade aus dem Weltentor traten, machte das nichts aus. Aufgrund ihrer Position waren sie es gewohnt, angestarrt zu werden. Sie hätten es sogar als ungewöhnlich und extrem beleidigend empfunden, wenn ihnen die ihrer Meinung nach zustehende Aufmerksamkeit nicht zuteilwürde.
Schließlich bildeten sie das Triumvirat des Sternenreichs Almoth, den sogenannten Rat. Wenn sie nicht mit allen Ehren empfangen wurden, wer dann? Nur mussten sie sich in diesem Fall mit einigen Drois als Empfangskomitee zufriedengeben, humanoiden Halbandroiden, deren Sehkraft, Muskeln und Knochen mit technischen Mitteln verstärkt wurden. Sie besaßen zwei Gehirne, ihr ursprüngliches organisches sowie ein künstliches auf Tronikbasis. Die haarlosen, weißhäutigen Drois mit den silbernen Uniformen besaßen eine Standardgröße von einem Meter neunzig. Es handelte sich ausschließlich um Androiden der L-Klasse, was bedeutete, dass sie überdurchschnittlich gut ausgebildete Leibwächter und Einzelkämpfer waren. Sozusagen die Elite der Elite.
Sie würden bedenkenlos die eigene Existenz geben, um die Mitglieder des Triumvirats zu schützen. Das war ihr einziger Lebenszweck. Und den erfüllten sie besser als jedes andere Wesen des Sternenreichs.
Die Mitglieder des Triumvirats zeigten nicht, ob sie die Drois überhaupt wahrnahmen. Ihre Blicke trafen auf einen Mann, der fast zwei Köpfe kleiner war als die Leibwächter; dafür besaß er den weitaus größeren Bauchumfang. Der menschenähnliche Koryde trug eine schmucklose schwarze Uniform. Die Falten seines Gesichts wirkten rissig und aufgesprungen, als wären sie ein ausgetrocknetes Flussbett. Er wirkte teilnahmslos, als ginge ihn die Ankunft der drei obersten Almother nichts an. Aber das hatte nichts zu bedeuten. Der Botschafter sah immer so aus. Es war eine Eigenart des korydischen Volkes, stoisch und abweisend zugleich auszusehen.
»Ich heiße die Erhabenen willkommen im Zentrum des Todes«, begrüßte er seine Besucher, als das Weltentor zerfaserte und verschwand. »Und dem Mittelpunkt der Hoffnung.«
Die Räte blickten sich kurz an und hoben die Augenbrauen. Das war das einzige Zeichen dafür, dass sie die Begrüßung als ungewöhnlich empfanden.
»Danke, Botschafter Kiddring«, antwortete der vorneweg gehende Fürst Llyanor und deutete ein Nicken an. Seine Begleiter, die ebenfalls Fürstenstatus besaßen, schauten den Botschafter abschätzend an.
Kiddring hatte erst vor Kurzem die Geschäfte des auf dem Planeten Falun getöteten Botschafters Lathossar übernommen. Dessen Hauptarbeit drehte sich darum, die Blauen Städte in das Almothische Reich zurückzuholen und in den Todesring der siebten Sonne zu integrieren. Kurz bevor Lathossar mit dem gefangenen Leprechaun zurückkehren konnte, hatte ein Pfeil ihn mitten in die Stirn getroffen.
Es war eine Ironie des Schicksals, dass ihm der letzte Triumph nicht vergönnt war, den Einsatz der Blauen Städte gegen den alten Feind zu erleben. Eine Arbeit, die sich über Jahrtausende hinweg gezogen hatte, stand so kurz vor dem Abschluss, dass es Kiddring körperlich schmerzte, durfte Lathossar die Früchte seiner Arbeit doch nicht mehr ernten.
»Darf ich Euch bitten, mir zu folgen?«, fragte der Koryde pro forma. Natürlich würden ihm die Fürsten Llyanor, Chandor und Gesdon folgen und sich ansehen, was er ihnen zeigen wollte. Das war schließlich der Anlass ihres Besuches. Ohne triftigen Grund würden sie Kasooun, die Hauptwelt des Almothischen Reiches, nicht verlassen. Und die Besichtigung der Zentralstadt kurz vor Inkrafttreten des großen Plans war der wichtigste Grund, den sich Kiddring vorstellen konnte.
Er drehte sich nicht um, als er, von Drois begleitet, zum Beobachtungsraum ging. Er hielt weder an noch verlangsamte er seinen Schritt, er wusste auch so, dass ihm das Triumvirat nachkommen würde. Die Tatsache, dass alle Mitglieder der Herrscherschicht angekommen waren, unterstrich nur die Dringlichkeit des Besuchs.
Schon nach kurzer Zeit erreichten sie den Beobachtungsraum, einen zweckmäßig eingerichteten Saal, in dem locker 20 Personen Platz fanden. Es war kaum möglich, sich hier wohlzufühlen, dazu wirkte alles zu steril. Dennoch zeigten weder Kiddring noch die Räte eine Regung des Missfallens.
Dazu hätte zumindest der Botschafter allen Grund gehabt. Der Überprüfungsbesuch der Fürsten war erst wenige Minuten vor der Entstehung des Weltentors angekündigt worden. Kiddring hatte keine Zeit gehabt, etwas zur Ankunft vorzubereiten.
Doch das war die Absicht des Triumvirats gewesen. Sie wollten den Gefangenen so sehen, wie er in diesem Augenblick war. Dabei handelte es sich um eine allgemeine Vorsichtsmaßnahme, nicht etwa um ein Misstrauen, das gegen den Botschafter gerichtet war. Kiddring galt als eines der integersten Mitglieder im Almothischen Reich. Er war unbestechlich, sein Handeln war allein auf die Erhaltung und gleichzeitige Expansion des Reiches gerichtet. Das hatte er schon seit vielen Jahren bewiesen.
Wenn der Gefangene in guten Händen war, dann in denen des Koryden. Wobei in »guten Händen« nicht etwa hieß, dass er gut behandelt wurde, sondern, dass der größtmögliche Nutzen aus ihm herausgepresst wurde.
Und dieser Nutzen war das Wissen um den Aufenthaltsort von Kurodaan von Tranboon, jenes Mannes, der einst die Hoffnung der Allianz genannt und aus unbekannten Gründen zum meistgesuchten Verbrecher geworden war, den das Almothische Reich je gehabt hatte.
Seit Jahrtausenden war der Sternenbaron unauffindbar. Es gab nur zwei Spuren, die aber bisher ins Nichts führten. Und obwohl den drei Fürsten des Triumvirats klar war, dass Gwydd ap Olwuun den Aufenthaltsort nicht kannte, ließen sie ihn immer wieder quälen, getragen von der leichten Hoffnung, dass der Leprechaun sie doch auf eine Spur bringen konnte.
»Ich konnte bislang noch nichts herausfinden«, begann Kiddring seinen Bericht. Er aktivierte die Bildverbindung zu dem Raum, in dem sich der Gefangene aufhielt und gerade in einem Konturensessel schlief. »Wir haben alles Mögliche versucht, aber er scheint wirklich nicht zu wissen, wo sich unser Feind aufhält.«
»Ich gehe davon aus, dass Hypnose eingesetzt wurde, um seine Zunge zu erleichtern«, sagte Chandor, das jüngste Mitglied des Rates. Es handelte sich um eine Feststellung, keine Frage. Er studierte den Gefangenen und tauschte einen kurzen Blick mit seinen Gefährten aus.
»Er ist bis zu einem gewissen Grad dagegen immun«, berichtete Kiddring und zeigte auf den Bildschirm. »Wenn wir diese Grenze überschreiten, droht er wahnsinnig zu werden.«
»So wäre er uns bestimmt nicht von Nutzen«, stimmte Fürst Gesdon zu. Er galt als der Ruhigste und sorgte stets für den Ausgleich zwischen seinen Partnern. »Wir brauchen ihn mit vollem Verstand. Nur so besitzen wir ein Druckmittel gegen Kurodaan.«