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In Mexiko tagen die führenden Vertreter Terras, um die Zukunft der irdischen Raumfahrt zu regeln. Keiner der Teilnehmer ahnt, dass die Nachforschungen von Enders Payntor und seinem Team diesen Kongress gefährden.Nur wenig später begibt sich ein fremdes Raumschiff auf einen gefährlichen Kurs in das Zentrum des Sonnensystems. Die HTO greift ein
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Seitenzahl: 164
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Gerd Lange & Andreas ZwengelALARM IM SOLSYSTEM
In dieser Reihe bisher erschienen
5001 Christian Montillon Aufbruch
5002 Oliver Müller Sprung ins Ungewisse
5003 Vanessa Busse Dunkle Energie
5004 Vanessa Busse Angriff aus dem Nichts
5005 Oliver Müller Gefangene der Doppelsonne
5006 Achim Mehnert Das Vermächtnis der Moraner
5007 Rainer Schorm Jedermanns Feind
5008 H. W. Stein & Oliver Müller Die Sklavenwelt
5009 Achim Mehnert Todesdrohung Schwarzer Raumer
5010 Vanessa Busse Entscheidung Risiko
5011 Ben B. Black Zegastos Kinder
5012 Michael Edelbrock Fremde Seelen
5013 Achim Mehnert Böser Zwilling
5014 Achim Mehnert Sternentod
5015 Achim Mehnert Das Ende der Promet
5016 Achim Mehnert Tötet Harry T. Orell!
5017 Achim Mehnert Das galaktische Archiv
5018 H. W. Stein Der Tod und das Leben
5019 Achim Mehnert Die Delegation
5020 Achim Mehnert Das Attentat
5021 Achim Mehnert Flucht aus der Terrorstadt
5022 Achim Mehnert Die Tragödie von Gij
5023 Gerd Lange Das fremde Ich
5024 Andreas Zwengel Geheimwaffe Psychomat
5025 Andreas Zwengel Im Bann der roten Sonne
5026 Andreas Zwengel Das Schiff der S-herer
5027 Gerd Lange Das Eindenker-Tribunal
5028 Andreas Zwengel Der Bote des Todes
5029 Gerd Lange & Andreas Zwengel Alarm im Solsystem
5030 Andreas Zwengel Negor in Not
5031 Andreas Zwengel Im Reich des Orff
Gerd Lange & Andreas Zwengel
Alarm im Solsystem
RAUMSCHIFF PROMETBand 29
Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2020 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannExposé: Gerd LangeTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiLogo: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-589-0Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!
Der Funkspruch kam herein, als Ron Danton gerade mit dem Space-Police-Gleiter auf dem Raumhafen von Alpha-City landen wollte. Normalerweise genoss er beim Anflug auf die Stadt den Anblick der fünf gleichförmigen Gebäude der unbekannten Urbevölkerung im Zentrum der ehemaligen Metropole. Diese cremefarbigen Türme hatten alle exakt dieselbe Höhe von 1.278 Metern und waren das Wahrzeichen der Stadt, die sich langsam, aber stetig mit Siedlern füllte.
Das Siedlungsprogramm der Terra States (TST) war auch der Grund für Dantons Flug nach Alpha-City und für den Funkspruch, denn die als Frachtraumer eingesetzte Moran brachte heute die nächsten sechzig Siedler auf den Planeten. Es waren meist Angehörige von Männern und Frauen, die schon vorher hier gelandet waren und sich nach Ablauf der Probezeit für einen dauerhaften Verbleib auf Riddle entschieden hatten. Der Chefingenieur und Leiter der Basis II wollte gemeinsam mit Pjotr Chronnew von den TST die Neuankömmlinge begrüßen.
„Wir werden demnächst den Orbit verlassen und landen“, verkündete Dantons Gesprächspartner Captain Eric Worner von Bord der Moran. „Ist alles für die Begrüßung vorbereitet?“
„Natürlich, Eric. Das wird langsam zur Routine“, versicherte Danton. Die Männer, die beide in Diensten der HTO-Corporation standen, kannten und schätzen einander schon seit Jahren und brauchten nicht viele Worte, um ihre Aufgaben miteinander abzustimmen.
„Eine kleine Planänderung gibt es diesmal, Ron“, meldete der Kommandant des anfliegenden Raumers. „Die Moran kommt nicht allein. Wir haben zwei funkelnagelneue Space-Police-Raumer im Schlepptau. Die POL-A4 und die POL-A5. Die beiden Schiffe sollten erst mit dem nächsten Siedlertransport ausgeliefert werden, sind aber vorzeitig fertig geworden.“
Danton wunderte sich. „Wie konnte die Police so schnell die Besatzungen zusammentrommeln?“
Worner schien über die Frage amüsiert. „Du kennst doch den Alten. Harry T. Orell macht immer Druck, wenn es darum geht, Kosten und Lagerplatz zu sparen. Außerdem kann er so den Kaufpreis für die Raumer einen Monat früher einfordern. Also halte deine Abfangjäger auf Distanz und benachrichtige Ederson von der Space Police, dass er seine neuen Schiffe und deren Besatzungen in Empfang nehmen kann.“
„Nicht nötig“, meldete sich der Pilot des Gleiters. Es war Horatius Horwitz, der Assistent von Poul Ederson. „Ich habe mitgehört und werde für die Police gerne die Begrüßung übernehmen. Das wird lockerer als bei meinem Chef.“
Horwitz landete den Gleiter auf dem Rollfeld des Raumhafens neben dem inzwischen dauerhaft aufgebauten Begrüßungszelt für die Siedler.
Nun war es an Eric Worner, sich zu wundern. Er wurde sofort förmlich, wie es seine Art war, wenn es um sicherheitsrelevante Themen ging. „Wie kommt es, dass Mister Horwitz den Gleiter fliegt, Ron? Es hat sich nichts daran geändert, dass Basis II Sperrgebiet für die Space Police ist.“
Ron Danton konnte ihn beruhigen. „Keine Sorge, Eric. Horatius hatte keinen Zugang zur Defensiv-Zentrale. Wir haben uns auf einer der vorgelagerten Inseln von Alpha-Land getroffen, nicht auf Him. Ihr habt uns eine Brauerei versprochen, also suchen wir nach einem Standort. Wenn wir sie irgendwann bekommen, wollen wir außerdem in der Nähe irgendwo echten Hopfen und Malz anbauen und nicht auf synthetischen Ersatz zurückgreifen.“
„Dann sucht mal etwas schneller, denn ich habe euch heute die gesamte Brauanlage mitgebracht. Übrigens ist auch Moreen Dohr an Bord. Sie wird auf Suuk erwartet, wo wir anschließend hinfliegen“, verkündete Eric Worner. „Aber zunächst lasse ich jetzt die Leute an Bord der drei Schiffe noch zwanzig Minuten das Wunderwerk dieses Planeten aus dem Orbit bestaunen, dann landen wir. Stimmt schon mal die Riddle-Hymne an.“
Eine halbe Stunde später war die Einreisekontrolle für die neuen Bewohner des Planeten in vollem Gange. Da erreichte Pjotr Chronnew die Com-Nachricht, dass er bei der Identitätskontrolle der gelandeten Siedler benötigt wurde.
Zwei der Neuankömmlinge waren nicht in den vorab übermittelten Einreiselisten enthalten. So etwas war noch nie vorgekommen. Sie kamen mit der POL-A5 und wiesen sich durch TST-Ausweise als Bedienstete der Terra States aus. Jedoch war weder Chronnew als deren Chef auf Riddle über ihre Ankunft informiert, noch kannte er sie persönlich. Letzteres war allerdings nicht verwunderlich. Die überstaatliche Raumüberwachungsbehörde beschäftigte weltweit mehr als 2.000 Personen. Die Angelegenheit wurde allerdings durch die Space Police schnell geklärt, weil eine Hyperfunk-Anfrage in der TST-Zentrale in Mexiko Klarheit brachte. Die zwei Männer waren erst vor Abflug der Moran bei den TST eingestellt worden und hatten sich sofort freiwillig als Verstärkung für Riddle entschieden. Schließlich fand sich sogar jemand im Terra-States-Büro von Alpha City, der ebenfalls erst kürzlich übergesiedelt war. Dieser Mitarbeiter war über ihre Ankunft informiert, bestätigte formell ihre Identität und nahm die beiden freudig in Empfang.
So begann die offizielle Begrüßungsveranstaltung für die neuen Siedler mit fast einer Stunde Verspätung. Worüber diverse Neuankömmlinge im Zelt froh waren, die verschiedene Nachwirkungen der Transitionsschocks noch nicht überwunden hatten.
*
Arn Borul blickte auf den Hauptbildschirm des T-Bootes, das mit Magnettrossen an die Promet II angeflanscht war und so zwei gemeinsame Transitionen gut überstanden hatte. Jetzt hatten sie das Solsystem erreicht und er sah hinüber zum Kugelraumer, dem sie im Verbund entgegenflogen.
Bevor Peet Orell aktiv werden konnte, übernahm Arn die Kontaktaufnahme zur Basis I, während Lorn Jaci die Magnetverbindung zur Promet trennte.
„Hier spricht Arn Borul an Bord der T-1 der Promet II. Com-Zentrale Basis I, bitte melden“, gab der Moraner durch. „Die Promet benötigt den Außendockplatz zum großen Innenhangar für ausgiebige Reparaturarbeiten.“
Das Beiboot entfernte sich langsam von Peets Raumschiff und flog voraus, um möglichst schnell zur Erde transitieren zu können. Die körperlichen Beschwerden, die Junici, Lorn und Arn auf Eldo befallen hatten, waren zum Glück nicht ganz so heftig geworden, wie zunächst befürchtet.
Es dauerte einen Moment, bis sich der Basis-Commander aus der Com-Zentrale des Kugelraumers meldete. „Hier Mel Baxter, herzlich willkommen im Solsystem, Promet II. Wieso Reparaturen, was ist passiert? Und weshalb fliegt das Beiboot voraus?“
Jetzt schaltete sich Peet Orell ins Gespräch ein und erklärte, was geschehen war.
Bei ihrer letzten Reise war der Bugbereich der Promet durch einen Angriff einer uralten Zyklop-Waffe erheblich zerstört worden. Deshalb konnte das Raumschiff keinen Atmosphärenanflug auf einem Planeten mehr durchführen. Die Reibungshitze würde den Schiffskörper sofort zersprengen. Außerdem befanden sich die drei Moraner an Bord der T-1 in Quarantäne, denn Arn hatte sich als Überträger eines mutierten Bakteriums erwiesen, gegen das zwar die Moraner natürliche Abwehrkräfte besaßen, nicht jedoch die Terraner. Deshalb musste jeglicher Kontakt mit Menschen an Bord der Promet II oder in der Basis I, dem riesigen Kugelraumer auf einer elliptischen Flugbahn um die Sonne am Rande der Oort’schen Wolke, vermieden werden.
„Der Innenhangar ist zu klein für die notwendigen Reparaturen an der Promet II“, schloss Peet seine Ausführungen ab, obwohl Baxter dies wusste. Der Kugelraumer maß außen an der breitesten Stelle zwar 387 Meter, aber der Hangar im Innern war knapp dreißig Meter zu kurz für die Promet. Da war nichts zu machen.
„Wie soll die Reparatur im All durchgeführt werden? Bei den Ausmaßen der Zerstörung sind diverse Außenbordeinsätze notwendig“, gab Baxter zu bedenken, denn er sah auf der Com-Übertragung den großflächigen Schaden an der Promet. Als Ingenieur konnte er beurteilen, welchen Umfang die Instandsetzungsarbeiten technisch und zeitlich in Anspruch nehmen würden.
Da mischte sich Pino Tak aus dem Triebwerksraum in das Gespräch ein. „Darüber haben sich Rámon, Charles und ich schon Gedanken gemacht, die wir euch allen gerne erläutern werden, sobald wir angedockt haben.“
„Gut“, stimmte Commander Baxter zu. „Dann nehmt die Dockingstation vier. Eure Schleuse scheint ja intakt zu sein.“
Nachdem Peet Orell zugestimmt hatte, verabschiedete sich die Besatzung der T-1 per Bordcom von ihren Freunden, um sich anschließend auf die Reise nach Terra zu begeben. Dort warteten bereits die Ärzte der HTO-Klinik auf sie, um sie unter strengster Einhaltung der Quarantänevorschriften medizinisch zu betreuen.
*
Boris Tschecko, der Computerspezialist der Moran, war schon damals an Bord der HTO-234 als Asistroniker für die Technik des Kugelraumers zuständig gewesen, als diese Berufsbezeichnung noch gar nicht im Sprachgebrauch der Terraner existierte. Inzwischen hatte sich auch auf Riddle eine Handvoll Mitarbeiter unter der Leitung von Hal Bergson zu wahren Spezialisten auf dem Gebiet der Entschlüsselung von Fremdtechnologien entwickelt. Doch an dem Aggregat, das sie seit mehreren Wochen untersuchten, bissen sich alle die Zähne aus. Niemand war bisher hinter den Zweck der klobigen Maschine gekommen. Sie war drei Meter lang, zwei Meter hoch und vier Meter tief, netzartig durchzogen von silbrig schimmernden Linien und einigen Schiebern auf der Vorderseite. Das Ding war ein Unikat aus dem Fundus der Riddler, die vor etwa 1.350 Jahren mitsamt der Tierwelt auf mysteriöse Weise spurlos verschwunden waren. Die zwei Frauen und drei Männer aus Bergsons Team hatten, so gut es ging, in mühsamer Kleinarbeit drei Nachbauten erstellt. Aber auch das hatte keinen Aufschluss erbracht, welchem Zweck die Maschine diente.
Deshalb hatte man sich längst einem anderen Projekt zugewandt und das Originalgerät sowie die drei Nachbauten abseits in einen Abstellraum verfrachtet. Boris Tschecko hatte davon gehört und ließ es sich nicht nehmen, seinen Kollegen Bergson auf das Gerät anzusprechen.
Seit zweieinhalb Stunden brüteten die beiden Männer dort über der Maschine und Boris hatte bereits mehrere Ideen über Zweck und Nutzen verworfen, als eine schmale graue Fläche auf der Vorderseite seine Aufmerksamkeit fand. Sie schien mit dem Rest der Maschine fest verbunden zu sein. Er drückte kräftig dagegen und merkte, wie sie beim vierten Versuch einige Millimeter aus dem Gehäuse herausfederte. Mit spitzen Fingern zog er das etwa vierunddreißig Zentimeter lange Gebilde wie eine Schublade heraus. Ungefähr fünfzehn Zentimeter weit, dann verlor das brettartige Gerät den Halt und fiel fast zu Boden. Im letzten Moment bekam Boris es noch zu fassen. „Sieht aus wie eine dieser uralten Computertastaturen um die Jahrhundertwende, nur ohne Tasten. Vielleicht setzt nicht irgendein Regler oder Schalter an der Maschine etwas in Gang, sondern dieses Teil?“, überlegte der in Sankt Petersburg geborene Tronikfachmann.
„So ein Teil habe ich noch nirgendwo gesehen“, antwortete Bergson. „Das sieht aus wie ein Mobilrechner mit drei lang gezogenen schmalen Digitalanzeigen.“
„Mit einem Sensor als Einschalter.“ Tschecko deutete nicht nur auf die etwa einen Quadratzentimeter große Fläche an der linken oberen Ecke des Tableaus, sondern er presste auch gleich seinen Zeigefinger darauf. Weder das Zusatzgerät noch die große Maschine zeigten irgendeine Reaktion.
In den folgenden zwei Stunden versuchten die beiden Fachspezialisten für außerirdische Technologie alles Mögliche, um die als Sensor identifizierten Fläche zu aktivieren. Doch sie reagierte weder auf unterschiedliche Temperaturen noch auf verschieden starke Druckveränderungen. Selbst jede Art von akustischen Tonsignalen blieb erfolglos. Entmutigt von ihrem erfolglosen Experimentieren wollte Hal Bergson aufgeben. „Hm. So langsam gehen mir die Ideen aus, Boris.“
Doch der ließ nicht locker. „Wie wär’s mit verschiedenen Tonsignalen oder farbigen Lichtquellen?“
Hal Bergson schüttelte den Kopf. „Wie willst du das anstellen? Farbige Lichtquellen?“
„Warte!“ Tschecko sprang auf und stürmte zur Tür. „Ich habe auf dem Weg hierher einen Farbgenerator gesehen, wie ihn Renovierungs-Roboter verwenden, die in Alpha-City die Innenwände der Häuser streichen.“ Er verließ den Raum, kam gleich drauf wieder zurück und hielt den handgroßen, stabförmigen Farberzeuger hoch. Mit diesem simplen Handwerkszeug konnte man jede Art von Farben auf einer Anzeige generieren. Mit einer Dauerfunktion bildete der Com-große Apparat sogar hintereinander jede denkbare Farbe.
Tschecko hielt den kleinen Bildschirm des Gerätes an die Sensorfläche. Er grinste breit. „Das kann jetzt den ganzen Tag und die Nacht dauern. Menschen können ungefähr zwanzig Millionen Farben unterscheiden. Das habe ich mal für ein Programm recherchieren müssen. Mach uns mal einen Kaffee, während ich den Generator an dem Sensor festklemme.“
Es dauerte nur einunddreißig Minuten, bis das Tableau aus den Beständen der Riddler plötzlich vibrierend zum Leben erwachte. Gleichzeitig begann auch das große Aggregat hinter ihnen dumpf zu brummen. Nach wenigen Sekunden erschienen auf den schmalen Bildschirmflächen des Brettes in Boris’ Händen drei Zeilen insgesamt vierundzwanzigmal die gleichen fremden Schriftzeichen. Mit einem schnellen Griff entfernte Tschecko den Farbgenerator, stoppte den Schnelldurchlauf der Farbkombinationen und meldete triumphierend: „Eine Art Ockergelb.“ Dann betrachtete er die Anzeige und überlegte, was sie bedeuten könnten.
Auch Hal blickte auf die fremden Zeichen. Die Kaffeetasse in seiner linken Hand zitterte vor Aufregung. „Wetten, diese Zeichen sind so etwas wie ein Nullzustand?“, platzte es aus ihm heraus.
„Möglich“, antwortete Boris. „Dann bleibt die Frage, wie man die Anzeige verändert.“
Kurz entschlossen stellte Hal Bergson die Tasse beiseite und nahm seinem Kollegen das Wunderbrett aus den Händen. Sonderlich schwer war es nicht. Woher es seine Energie bezog, war nicht ersichtlich, aber als sich Hal in Richtung der Tür drehte, begannen sich die bisher starren Zeichen auf den drei Anzeigefeldern tanzend zu verändern. So, als wenn das Tableau etwas empfangen würde. Als Bergson sich weiterdrehte, fiel die Anzeige wieder zurück auf das, was er vorher als Nullzustand bezeichnet hatte. Rasch nahm Bergson wieder die Position ein, die die Anzeigen in Bewegung brachte. Die Anzeigen sprangen sofort auf verschiedene fremde Zeichen und stabilisierten sich dann. Gleichzeitig fuhren rechts und links an den schmalen Seiten zwei vorher unsichtbare ovale Druckschalter aus dem Gehäuse, einer ockergelb leuchtend und der andere dunkelgrün, aber unbeleuchtet. Ohne zu zögern, trat Boris Tschecko neben Hal und drückte den leuchtenden Schalter.
„Bist du verrückt?“, rief Hal Bergson.
Doch der Russe zuckte nur mit den Schultern. „Wollen wir herausfinden, wozu das Ding dient oder nicht?“, antwortete er mit einer Gegenfrage. Doch außer einem ockerfarbigen Balken, der sich unter den drei nun blinkenden Anzeigen langsam von rechts nach links bewegte und ein sich verstärkendes Brummen der Maschine im Hintergrund, passierte zunächst nichts. Plötzlich begannen die Silberbahnen des Aggregates in einer wirren Kaskade von dahinrasenden Lichtern zu wirbeln. Auch der farbige Balken auf dem Tableau schoss nun blitzartig nach links. Nach wenigen Sekunden hatte der Balken seinen Endpunkt erreicht. Die Anzeige hörte auf zu blinken und außer dem Brummen des Aggregats herrschte vollkommene Stille im Raum. Stattdessen leuchtete nun der dunkelgrüne Schalter. Die beiden Männer betrachteten schweigend einige Minuten lang immer abwechselnd das Tableau und das leise brummende Hauptaggregat.
Schließlich sah Hal seinen Kollegen an und fragte mit einer deutlichen Portion Ironie in der Stimme: „Jetzt sind wir aber bedeutend schlauer, was das für ein Gerät ist, nicht wahr, Boris?“
Der grinste zurück und antwortete: „Aber ich habe das Ding zum Laufen gebracht. Komm, wir schalten es aus. Ich nehme an, mit dem grünen Knopf.“ In diesem Moment summte seine Bordcom. „Ja?“, meldete er sich.
Am anderen Ende war Yoko Maru, seine Chefin auf der Moran. „Mensch, Tschecko. Wo stecken Sie denn? Wir suchen Sie überall. Unser Navigationscomputer ist zusammengebrochen, die Daten sind verschwunden, die Moran wurde mit einem Schlag flugunfähig. Sie müssen kommen!“
Hal Bergson und Boris Tschecko sahen sich kurz an. Dann fixierte Boris den dunkelgrün leuchtenden Knopf an der Seite des Tableaus. Er erhob sich, und wie magisch von dem grünen Licht angezogen, drückte er so lange, bis der Knopf in dem Gehäuse einrastete.
*
Der Innenausbau des Kugelraumers war seit seiner Entdeckung im Januar 2090 zügig vorangegangen. Große Teile der als Basis I genutzten Areale waren inzwischen zu funktionalen Räumlichkeiten umstrukturiert worden. Vorteilhaft war dabei, dass fast alle Räume zunächst leer waren und sich, abgesehen von dem Skelett-Zoo irdischer Menschen und diverser unbekannter Lebensformen, keine weiteren Unannehmlichkeiten oder Überraschungen ergeben hatten.
Das in der Außenhülle prangende große Loch hatten bereits die ersten Arbeitstrupps der HTO-Corporation mit einer elastischen Verkleidung abgedichtet, um im Innern der angrenzenden Areale eine atembare Sauerstoffatmosphäre herzustellen. Diese Abdeckung des Lecks war in den Folgemonaten beim Innenausbau des dahinterliegenden großen Hangars und der daran anschließenden Schleusenkammern sehr von Vorteil gewesen. Im Laufe der Monate wurden hinter dem Provisorium nach und nach zwei riesige Hangartore gegossen, die das begradigte Loch der Außenwand vollständig zum All hin hermetisch abschlossen. Seitdem konnten in dem Hangar kleinere Schiffe unter Atmosphärenbedingungen be- und entladen werden oder bei Bedarf auch repariert, was besonders beim Schweißen im Freien förderlich war.
Anstatt leerer Räume gab es im Laufe der Zeit immer mehr Büros, Forschungslabors, technische Arbeitsplätze, Privat- und Lagerräume, eine Großküche und diverse Konferenzsäle mit neuester Technik. Außerdem wurde der nun von vielen Bediensteten der HTO als Raumbasis genutzte Fremdraumer mit den angeflanschten DeGorm-Triebwerken auf eine Umlaufbahn um die Sonne gebracht, um weiterhin unentdeckt zu bleiben. Nur den unmittelbar zur Nutzung der Basis legitimierten Mitarbeitern war die Existenz und die jeweils aktuelle Position des Kugelraumers bekannt. Doch allen bei der HTO war klar, dass jederzeit eine Entdeckung durch die Space Police oder Schiffe der Konkurrenz erfolgen konnte. Dies wollte Harry T. Orell so lange wie möglich verhindern. Die Offenbarung eines fremdartigen Kampfraumschiffes im heimatlichen Solsystem würde unweigerlich zu einem weiteren Erstarken von Organisationen wie Terra den Terranern führen, die Außerirdische grundsätzlich als Feinde der Menschheit betrachteten.
Inzwischen hatten die Ausbaukommandos sechs Andockstationen für größere Raumschiffe angeflanscht. Gleichmäßig über die Kugeloberfläche verteilt, dienten diese starren Schleusentunnel dem direkten Zugang zwischen angedockten Schiffen und der Basis I. Diese Stacheln gaben dem Kugelraumer inzwischen ein wenig das Aussehen eines zusammengerollten Igels, zumal weitere sechs solcher Zugänge in unterschiedlicher Ausbauphase ihrer Fertigstellung entgegensahen.
An einem dieser Stacheln hatte die stark beschädigte Promet II vor zwei Stunden angedockt. Ihr T-Boot war inzwischen nach einer Kurztransition mit Arn und Junici Borul sowie Lorn Jaci auf der Erde gelandet.
Mel Baxter hatte seine Gäste in den großen Konferenzraum W24 geladen. Jetzt saßen die neunzehn Terraner der Führungsriege von Basis I gegenüber, die aus sechs Personen um Commander Baxter bestand. Ihnen war auch Harry T. Orell über eine verschlüsselte Hyperfunkleitung aus seinem Büro auf Terra zugeschaltet. Nach der Begrüßung berichtete Peet ausführlich von den Ereignissen der letzten Reise nach My-246 und dem Angriff des Riesenauges auf die Promet. Unterstützt wurde er dabei tatkräftig von seiner Crew mit Bild- und Tonaufzeichnungen. Dann übergab Peet das Wort an seinen Vater, der ihm bisher geduldig und schweigend zugehört hatte.
„Die Reparatur deiner Promet wird mal wieder eine schöne Stange Geld kosten, mein Junge. Aber abgesehen davon, brauche ich dich hier so schnell wie möglich. Die Vorbereitungen für die Interspace laufen schon auf vollen Touren.“
Mit dem Begriff konnte Peet nicht anfangen. „Was ist die Interspace, Vater?“
„Da sieht man mal wieder, dass du weniger Weltraumschrott produzieren und mehr Verantwortung in der Corporation übernehmen solltest, hm? Irgendwann will auch ich mich mal zur Ruhe setzen, Peet. Also gewöhne dich daran, dass du auch über das Tagesgeschäft des Konzerns immer auf dem Laufenden sein musst. Die Interdisciplinary Cooperation in Space ʽ91