Raumschiff Promet - Von Stern zu Stern 27: Das Eindenker-Tribunal - Gerd Lange - E-Book

Raumschiff Promet - Von Stern zu Stern 27: Das Eindenker-Tribunal E-Book

Gerd Lange

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Beschreibung

Begleitet von der Promet II fliegen erstmals zwei Space-Police-Schiffe ins Alpha-Centauri-System. Schnell verwandelt sich dieser Aufenthalt auf Riddle in einen Rettungseinsatz für zwei fremde Wesen.Im Krankenhaus von Yellowknife kommen zwei Menschen zusammen, die ein Schicksal teilen, das sie zusammenschweißt.Die Printausgabe umfasst 164 Buchseiten.

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Seitenzahl: 167

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Gerd LangeDAS EINDENKER-TRIBUNAL

In dieser Reihe bisher erschienen

5001 Christian Montillon Aufbruch

5002 Oliver Müller Sprung ins Ungewisse

5003 Vanessa Busse Dunkle Energie

5004 Vanessa Busse Angriff aus dem Nichts

5005 Oliver Müller Gefangene der Doppelsonne

5006 Achim Mehnert Das Vermächtnis der Moraner

5007 Rainer Schorm Jedermanns Feind

5008 H. W. Stein & Oliver Müller Die Sklavenwelt

5009 Achim Mehnert Todesdrohung Schwarzer Raumer

5010 Vanessa Busse Entscheidung Risiko

5011 Ben B. Black Zegastos Kinder

5012 Michael Edelbrock Fremde Seelen

5013 Achim Mehnert Böser Zwilling

5014 Achim Mehnert Sternentod

5015 Achim Mehnert Das Ende der Promet

5016 Achim Mehnert Tötet Harry T. Orell!

5017 Achim Mehnert Das galaktische Archiv

5018 H. W. Stein Der Tod und das Leben

5019 Achim Mehnert Die Delegation

5020 Achim Mehnert Das Attentat

5021 Achim Mehnert Flucht aus der Terrorstadt

5022 Achim Mehnert Die Tragödie von Gij

5023 Gerd Lange Das fremde Ich

5024 Andreas Zwengel Geheimwaffe Psychomat

5025 Andreas Zwengel Im Bann der roten Sonne

5026 Andreas Zwengel Das Schiff der S-herer

5027 Gerd Lange Das Eindenker-Tribunal

5028 Andreas Zwengel Der Bote des Todes

Gerd Lange

Das Eindenker-Tribunal

RAUMSCHIFF PROMETBand 27

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2020 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannExposé: Gerd LangeTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiLogo: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-587-6Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Yellowknife, Merryweather General Hospital, 02. März 2091, 12:15 Uhr

Der Geruch, der ihr beim Betreten des Gebäudes entgegenschlug, erinnerte Vivien Raid an Ereignisse, die nicht einmal zwei Monate zurücklagen. Es war eine Mischung aus Betäubungspräparaten, Bettpfannen und Reinigungsmitteln. Der Geruch von Krankenhausfluren, der sich seit den Ereignissen im Städtischen Krankenhaus von Archangelsk tief in ihr Gedächtnis eingebrannt hatte, weil diese Erlebnisse für sie einerseits mit Schrecken begonnen, aber andererseits mit grenzenloser Erleichterung geendet hatten. Die ersten Stunden nach der Ohnmacht, als sie begreifen musste, in einem fremden Körper erwacht zu sein. Und ein paar Tage später die einsetzende Erlösung, nach turbulenten Ereignissen wieder im eigenen Leibe erweckt zu werden. Dies alles würde sie für immer mit diesem eigentümlichen Geruch verbinden.

Der Mann, der mit Vivien das Gebäude betrat, schien zu ahnen, was gerade in ihr vor sich ging, denn im Laufen ergriff er ihre Hand. „Beruhige dich, Vivy“, flüsterte Tim Axelrod, während sie beide auf den Empfangsbereich des Merryweather General Hospital zugingen. „Diesmal bist nicht du die Patientin, sondern Enders liegt hier. Wir sind hier nur zu Besuch.“

Am Counter stand eine junge Frau vornübergebeugt und war mit dem Speichern von Patientendaten beschäftigt. Als Axelrod sich durch ein Räuspern bemerkbar machte, schaute sie auf und schien froh über diese kurze Unterbrechung zu sein. Um die Mittagszeit war nicht viel los, denn die Behandlungstermine des Vormittags waren größtenteils vorbei, ebenso wie die voll automatisierte Essensausgabe. Der große Ansturm der Besucher setzte meist erst nach vierzehn Uhr ein, deshalb waren die zwei Besucher für die Klinikhelferin eine willkommene Abwechslung. Tim erkundigte sich, in welchem Bereich und Zimmer des Hospitals der Patient Enders Payntor untergebracht war.

„Payntor, sagten Sie? Enders, hier hab’ ich ihn.“ Sie blickte von dem Bildschirm mit der Krankenhausleit-­Com auf und wollte den Wegweiser-Code auf die Com übertragen, die Axelrod ihr mit einer eleganten Hand­bewegung entgegenhielt.

„Was ist das denn für eine altägyptische Grabbeigabe“, fragte sie erstaunt, denn ein solch antiquiertes Com-­Gerät hatte sie seit vielen Jahren nicht mehr gesehen.

Der Techniker der Promet II blickte abwechselnd auf die beginnende Datenübertragung und auf die Frau vor ihm, setzte sein lässigstes Lächeln auf und antwortete: „Das ist das aktuelle nordrussische Spitzenmodell. Der letzte Schrei!“

„Sie meinen wohl, der allerletzte.“ Die Empfangsdame amüsierte sich.

„Mich interessiert natürlich, wie ich das nutzen kann. Wissen Sie, ich bin noch nicht allzu lange hier in Kanada und kenne mich damit nicht aus.“ Eine faustdicke Lüge, denn solche Codes, mit denen man sich in interne Navigationssysteme einloggen konnte, waren in vielen ­öffentlichen und privaten Einrichtungen gang und gäbe.

„Folgen Sie bitte dem Leitsystem Ihrer Com, Sir. Der Patient liegt im zweiten Stockwerk, er hat zwar momentan keine Behandlungstermine, aber noch anderweitigen Besuch und darf dabei ausdrücklich nicht gestört werden. Sie können bitte so lange im angrenzenden Wartebereich Platz nehmen“, gab die Frau, ebenfalls charmant lächelnd, dem jungen Russen mit auf den Weg. Dabei schien Vivien Raid für sie gar nicht zu existieren.

„Danke, sehr freundlich von Ihnen“, antwortete Axelrod mit Augenmerk auf das Namensschild der Frau. Sein Blick wanderte höher, bis er ihr direkt in ihre braunen Augen sah. „Miss Hover, Sie sind mir sehr behilflich gewesen.“

Vivien hakte sich bei Tim unter und schob sich so ins Blickfeld von Miss Hover. „Uns beiden sehr behilflich!“, sagte sie mit ironischem Unterton und zog Tim vom Counter weg. Während die Frau sich seufzend wieder ihrer Arbeit widmete, flüsterte Vivien ihrem Begleiter zu: „Timofej, merkst du nicht, dass du mehr als peinlich bist. Flirte nie wieder auf so plumpe Art mit anderen Frauen, wenn ich in deiner Nähe bin. Sonst setzt es was. Und besorge dir endlich mal eine neue Com.“

Während die Com den beiden die Kommandos gab, die sie sicher in den zweiten Stock führten, ließ Axelrod die nicht ganz ernst gemeinten Schimpftiraden von Vivien über sich ergehen. Denn schließlich hatte er sein Ziel erreicht. Mit dem von ihm inszenierten Theater hatte er Vivy von ihren düsteren Gedanken über die zurückliegenden Erlebnisse mit dem Psychomat abgelenkt. So ganz schien die Kanadierin mit nordrussischen Wurzeln das Geschehene mental noch nicht verarbeitet zu haben.

Wenig später standen die zwei vor Enders Payntors Einzelzimmer. Hier war er seit dem Attentat auf sein Büro untergebracht, bei dem er vor fünfzehn Tagen schwer verletzt worden war. Die Ärzte hatten seinen rechten Unterschenkel amputieren müssen. Durch ein herumfliegendes Trümmerteil war er so schwer geschädigt worden, dass sie diesen Körperteil nicht mehr retten konnten. Die tiefe Fleischwunde am Oberschenkel war nicht so schlimm gewesen, aber eine Narbe würde bleiben. Enders wurde in mehreren Operationen ein Kunstglied angepasst. Er würde diese mit dem natürlichen Beinstumpf fest verbundene Prothese nach erfolgreich abgeschlossener Rehabilitation wie sein früheres echtes Bein benutzen können. Dr. Tyra Spence war eine Koryphäe auf dem Gebiet der Implantation von künstlichen Gliedmaßen und ihr Chef, Dr. Ismael Layton, hielt große Stücke auf die junge Chirurgin. Sofort nach seiner Einlieferung und der ersten Operation war Enders Payntor in ein künstliches Koma versetzt worden. Nachdem am Vortag auch der letzte Eingriff erfolgreich verlaufen war, hatte man ihn über Nacht aus dem künstlichen Tiefschlaf zurückgeholt.

All dies wussten Axelrod und Raid nur von Doktor Hellbrook aus der HTO-eigenen Klinik, der mit dem Merryweather General seit Jahren in Kontakt stand. Auf andere Art konnten Vivien und Tim aus Datenschutzgründen keinerlei Auskünfte darüber erhalten, wie es medizinisch um den verletzten Privatdetektiv stand.

Die Eintrittsanzeige für Payntors Krankenzimmer zeigte noch immer rotes Sperrlicht, als Vivien und Tim die zweite Etage erreichten und sich in die Besucherlounge setzten. Gerade, als Axelrod dabei war, den Wegweiser aus seiner Com zu löschen, sprang das Signal von Rot auf Grün und durch die zurückgleitende Zimmertür verließ ein Mann in der Uniform der City Police das Krankenlager ihres Freundes.

Vermutlich hatte der Sergeant die erste sich ihm bietende Gelegenheit genutzt, um Enders nach der Rück­holung aus dem künstlichen Tiefschlaf zu den Vorgängen am Tag des Attentats zu befragen. Der Gesichtsausdruck des Polizisten zeigte deutlich, dass er über das Ergebnis dieser Anhörung nicht gerade begeistert war.

Langsam erhoben sich die beiden Besucher, warteten aber noch einen Moment damit, hinüber zu Enders’ Raum zu gehen. Schließlich wollten sie es vermeiden, dass der Polizist auf sie aufmerksam wurde. Die Fragen danach, in welcher Beziehung sie zu dem Opfer des Anschlags standen, wollten sie sich ersparen.

Enders Payntor sah schlecht aus, das Gesicht grau und schmal und mit blonden Haarstoppeln auf dem Kopf, der sonst immer den Anblick eines glatt rasierten Schädels geboten hatte. So saß er halb aufgerichtet in seinem Bett. Auch der in den letzten Tagen gewachsene Bart, durch den er mit seiner Hand strich, bot nicht das Bild von ihm, das die Freunde bisher von ihm gewohnt waren. Doch er lächelte sie erfreut an, als sie eintraten. „Hallo Vivy und Tim, habt ihr nichts Besseres zu tun, als einen angeschlagenen, nach flüssigen Genüssen dürstenden Privatschnüffler zu besuchen?“, begrüßte er mit noch matter Stimme seine Gäste. „Habt ihr etwas Hochprozentiges dabei, was mich wieder auf die Beine bringt?“ Über diesen in seiner Situation schon fast zynischen Humor musste er selbst lachen.

„Ich fürchte, das werden wir auf ein anderes Treffen verschieben müssen“, schlug Vivien vor und drückte Enders einen Kuss auf die Wange. „Du stoppelst!“, stellte sie dabei fest.

„Dann spare ich mir diesmal den Kuss“, fügte Tim hinzu und drückte dafür die Hand, die Enders ihm entgegenstreckte. „Wie geht es dir?“

„Ich bin noch ziemlich müde und muss erst mal verdauen, dass sie mir den Unterschenkel abgenommen haben.“ Enders schob die Bettdecke beiseite und legte das rechte Bein frei. An den bandagierten Oberschenkel schloss sich eine täuschend echt wirkende Prothese an. Payntor schaffte es sogar, ein wenig mit den künstlichen Zehen zu wackeln. „Morgen werde ich das erste Mal aufstehen und unter Anleitung auf diesem Konstrukt stehen dürfen. Aber ihr glaubt nicht, was das für ein komisches Gefühl ist. Das Bein juckt und schmerzt dort, wo nichts mehr echt ist.“

„Phantomschmerz.“ Tim klopfte mit der Faust vorsichtig auf das künstliche Bein.

Enders verzog keine Miene, denn er hatte davon nichts gespürt. „Die Ärzte sagen, das Empfinden in der Prothese kommt erst noch, dazu müssen sich in den nächsten Tagen die vorhandenen echten und die künstlichen Nervenbahnen aufeinander einspielen. Gerade deshalb ist es eigenartig, dass es schmerzt.“

Vivien und Tim zogen sich zwei Sitzwürfel heran und nahmen Platz. Vivien wollte wissen, was passiert war. Also berichtete Enders, wie er morgens in seinem Büro diverse Gegenstände holen wollte, um sie in sein neues Appartement zu schaffen. Er erzählte von der Begegnung mit dem Russisch sprechenden Fremden am Antigravlift, von der aufgebrochenen Tür zu seinem Büro und der anschließenden Verfolgungsjagd, die er sich mit dem Fremden auf der Straße geliefert hatte. Und von dem Gleiter, in den der Verfolgte stieg, kurz bevor Enders’ Büro in einer verheerenden Explosion auseinandergeflogen war. Nur sehr verschwommen konnte er sich an den Schlag erinnern, mit dem ein Trümmerteil sein rechtes Bein getroffen hatte, bevor er ohnmächtig wurde. Dass er bei der gesamten Aktion alles andere als nüchtern gewesen war, verschwieg er.

Die Freunde hatten ihn nicht unterbrochen, nun fragte Tim, ob Enders einen Verdacht habe, wer hinter dem Bombenattentat stecken könnte.

„Ich weiß, dass Chris Durgent daran beteiligt sein muss, der junge Student, der im Januar Vivys Gefangennahme durch die russischen Anhänger von Terra den Terranern als Erster entdeckt hatte. Ich wurde bei den kanadischen TdTlern als verdeckter Ermittler für Theodor Crook eingeschleust und konnte zusammen mit ihm so alles Wichtige für deine Befreiung durch unser Rescue-Team in die Wege leiten, Vivy. Vielleicht hat die Führungsebene von Terra den Terranern das erfahren und den Anschlag auf mein Büro verübt.“

„Wie kommst du darauf, dass dieser Durgent dahintersteckt?“, fragte Tim.

„Der Mann, der die Bombe in meinem Büro versteckt hat, kam mir bekannt vor, zumal er mich auf Russisch angesprochen hat, bevor es knallte. Der Gleiter, in den er stieg, gehörte ursprünglich Durgent. Ich habe seinen Flieger eindeutig erkannt.“

„Dann sieht es so aus, als wenn eine direkte Verbindung zwischen dem Attentäter, Durgent und unserem Abenteuer in Nordrussland besteht“, mutmaßte Vivien. „Hast du dies auch vorhin dem Sergeant von der City Police erzählt?“

„Ich werde mich hüten. Dem habe ich nur gesagt, dass ich als Privatermittler sicherlich so einige untreue Ehemänner und auch Frauen verprellt haben dürfte. Und leider ist die Datei mit den vertraulichen Kundendaten bei der Explosion mit hops gegangen, samt sämtlicher gespeicherter Ermittlungsergebnisse der letzten zehn Jahre.“ Enders grinste, verzog aber gleich wieder das Gesicht, weil ihn eine neue Schmerzattacke quälte. „Ihr habt wirklich keinen Schluck Medizin für mich?“

Die beiden Krankenbesucher schüttelten ihre Köpfe. „Ich vermute, das wäre jetzt sowieso Gift für dich, mein Lieber, bei dem Heilungsprozess, den du noch vor dir hast. Tim und ich werden die Daten aus dem Speicher, den ihr in dem Beerdigungsinstitut in Archangelsk gesichert habt, durchforsten. Darin befinden sich vermutlich Hinweise auf nordrussische Verdächtige, die wir der Police zur Verfügung stellen können“, schlug Vivien vor.

„Eigentlich eine gute Idee, um den Attentäter zu identifizieren. Ich habe sein Konterfei schon vorher einmal irgendwo gesehen. Aber hütet euch davor, diese Infos weiterzugeben. Weder an die Police noch an Theodor Crook, der das eventuell der Police stecken könnte.“

„Soweit ich weiß, hat Crook bereits mehrfach bei der World Police nachgefragt, was die Ermittlungen zum Attentat erbracht haben“, sagte Vivien.

„Das ist nicht gut. Ich möchte auf keinen Fall, dass in irgendeiner Form bekannt wird, dass ich für die HTO bei Terra den Terranern gespitzelt habe. Dann wäre meine Identität aufgedeckt und mit Crook verliere ich meinen größten Auftraggeber. Ich ermittle lieber selbst weiter, sobald ich hier wieder raus bin.“

„So detailliert hat Crook sicherlich nicht nachgefragt. Soweit ich weiß, hat er nur gesagt, dass du ein freier Mitarbeiter der HTO bist.“ In diesem Moment fiepte Viviens Com. Sie warf einen Blick auf das kleine Gerät und rief: „Verdammt, wie spät ist es? Ich bin mit den anderen bei Peets Vater verabredet. Der will uns den Kopf waschen wegen irgendwelcher Kosten, die wir verursachen. Ich muss los.“

Auch Tim erhob sich. „Ich komme mit, obwohl ich bei diesem Termin nicht dabei bin. Zum Glück, denn Standpauken brauche ich nicht. Da reicht mir die von Vivien vorhin.“

„Wieso? Was war denn?“, fragte Enders interessiert.

Axelrod winkte ab. „Nichts Ernstes, im Gegenteil. Ich werde gleich die Daten aus Archangelsk durchforsten, insbesondere die Personenlisten. Dabei kann mir Pino Tak helfen. Wir kommen mit den Personenbeschreibungen wieder zu dir und sehen mal, ob du damit deinen Attentäter identifizieren kannst. Lass uns dafür ein paar Tage Zeit. Konzentriere dich jetzt erst mal auf deine Mobilisierung, damit dein neues Bein fit wird.“ Damit verabschiedeten sie sich eiligst von Enders Payntor. Vivien wusste, dass sie spät dran war.

*

Yellowknife, HTO-Sperrkreis 1, Privathaus Orell, 02. März 2091, 13:40 Uhr

„Das berühmte akademische Viertel ist zwar noch nicht vorbei, aber so lange warten wir noch“, verkündete Harry T. Orell der versammelten Haupt-Crew des Raum­schiffes Promet II. „Allerdings nur, falls die Suppe nicht kalt wird. Bis dahin sollte Miss Raid hier sein, sonst fangen wir ohne sie an.“

Armand Leon hatte sich alle Mühe gegeben, ein seiner Meinung nach typisches S-herer’sches Menü zusammenzustellen. Bei der Zubereitung des Abschiedsessens an Bord des Raumers C-Hoge hatte er der Besatzung des fremden Schiffes mit wachsendem Interesse über die Schultern geschaut und die eine oder andere Notiz zu deren Speisen in seiner Com festgehalten. Trotzdem war es nicht einfach gewesen, adäquate Früchte auf Terra zu finden, um zumindest daran angelehnt die entsprechenden kulinarischen Genüsse zu fabrizieren. Leon musste sich eingestehen, dass er ohne die kreative Hilfe von Manfred Elsner sein Vorhaben hätte aufgeben müssen.

„Das ist kein Problem, Monsieur Orell. Die Suppe ist eine besondere Gaumenfreude und wird kalt serviert. Viel mehr Sorge bereitet mir das Ratatouille aus exotischen Früchten, das heiß genossen werden sollte, zusammen mit dem hervorragenden G-ara. Zum Glück hat mir der geschätzte Kollege F-der eine winzige Probe dieses vorzüglichen Geschmacksverbesserers zur Verfügung gestellt. Mit sehr viel Raffinesse ist es unserem verehrten Doktor Ben Ridgers gelungen, eine synthetische Nachahmung herzustellen, die meine Küche auch zukünftig bereichern wird.“

Durch die offene Tür kam Kelly herein. „Ich möchte nicht stören, Sir, aber ich habe Miss Raid soeben erreicht. Sie befindet sich bereits auf dem Gelände und wird in wenigen Augenblicken eintreffen. Sie bat darum, dass wir nicht mit dem Essen warten sollen.“

„Setzen Sie sich bitte, Kelly, damit wir beginnen können“, forderte der Chef der HTO seine langjährige Sekretärin auf. „Miss Raid wird auch ohne Ihre Hilfe den Weg zu uns finden.“

Cynthia Kelly setzte sich, während Jörn Callaghan seine Pfeife an dem Standaschenbecher hinter sich ausklopfte. „Die gute Vivy hat sicherlich Wichtigeres zu tun, wenn sie unseren Termin verschwitzt hat. Das passiert halt, seit jemand Neues zu unserem Spezialistenteam gestoßen ist“, sagte er in die Runde. „Sie wird sich eine nordrussische Freizeitbeschäftigung zugelegt haben.“ Da er sich mit seiner Pfeife vom Tisch abgewandt hatte, war Jörn entgangen, dass Vivien bei ihrem Eintreten seine letzten Bemerkungen mitgehört hatte.

„Wer ist eifersüchtig? Ja, ich war mit Tim Axelrod unterwegs, aber nicht so, wie du es dir in deiner Phantasie zurechtreimst, mein lieber Jörn. Meine nordrussische Freizeitbeschäftigung und ich waren bei Enders Payntor in der Klinik, und ich habe mich durch unseren Krankenbesuch etwas verspätet. So viel dazu und zunächst euch allen einen guten Tag.“ Mit diesem Statement setzte sich Vivien neben Pino Tak auf den für sie frei gehaltenen Platz.

Harry T. Orell begrüßte die langjährige Bekannte seines Sohnes und bezog Stellung: „Ich finde es sehr befremdlich, wenn die Privatsphäre einzelner Crewmitglieder auf eine solche Weise thematisiert wird. Mich interessieren die Gründe dafür herzlich wenig, aber ich wünsche, dass solche persönlichen Sticheleien in meinem Haus oder an Bord der HTO-Flotte keinen Platz haben. Und damit sollten wir es dabei belassen.“

„Wenn das so ist, würde ich gerne die Suppe servieren, Mesdames et Messieurs“, verkündete Leon Armand, der inzwischen doch etwas ungeduldig gewordene Bordkoch der Promet II. „Voilà la soupe froide! Pürierte Rote Beete de Mme R-mol mit einem Hauch von Gin. Bon Appetit.“

Sieben Ober kamen herein und servierten den ersten Gang. Neben Peet Orell, Arn und Junici Borul, Jörn ­Callaghan und Vivien Raid von der Haupt-Crew saßen auch Pino Tak, Gus Yonker, Szer Ekka und Lorn Jaci mit am Tisch. Natürlich durfte Doc Ridgers nicht fehlen, zu dessen linker Seite Harry T. Orell mit Sekretärin und rechts neben ihm Armand und sein fleißiger Küchenhelfer Fred Elsner saßen. Während der Vorspeise gab es die verschiedensten Gesprächsthemen zwischen den einzelnen Gästen: Peet, Jörn und die Boruls sprachen darüber, dass Privates und gekränkte Eitelkeiten sich nicht auf die Aufgaben und Pflichten an Bord auswirken dürften. Dieser Kreis erweiterte sich um Peets Vater, der vom gestern erfolgten Kontakt zur Moran berichtete, die inzwischen zur Basis I zurückgekehrt war. Captain ­Worner hatte den Abschluss der Evakuierungen der Nags von Menag gemeldet. Dabei hatten die Nekroniden stets die Oberhand behalten wollen und der Mannschaft des terranischen Schiffes aus nicht nachvollziehbaren Gründen jegliche Beteiligung verweigert. So blieb Captain Worner und seiner Besatzung nur die Rolle des distanzierten Beobachters innerhalb des Doppelsternsystems im Sternbild Cetus.

Vivien berichtete dem Doc und Pino Tak von ihrem Krankenbesuch, die beiden Köche dieses Abends berieten sich zum wiederholten Male über Organisatorisches zum zweiten und dritten Gang, während Yonker, Ekka und Jaci über den letzten Einsatz mit den doppelgesichtigen S-herern resümierten.

Als die Vorspeise abgeräumt wurde, gingen die beiden Köche wieder an die Arbeit, denn es galt, der Hauptspeise den letzten Schliff zu verpassen. Es entstand eine größere Pause, in der Peets Vater das Wort ergriff, denn schließlich sollte dies auch ein Arbeitsessen sein.

„Während ihr euch auf Suuk, diesem sterbenden Planeten Menag und in einer Dunkelwolke mit Nags, Nekroniden und S-herern herumgetrieben habt, waren wir hier auf Terra auch nicht untätig. In der Werft wird das zukünftige Schiff für die Moraner auf Suuk gebaut. Für das spindelförmige Raumschiff wurde ein Name gefunden: Suuk. Und der Planet Riddle ist bekanntlich auf dem besten Wege, die erste terranische Siedlung außerhalb unseres Sonnensystems zu werden. Aus diesem Grunde ist es erforderlich, die Space Police mit entsprechenden Vollmachten und technischer Ausstattung auszurüsten. Wie ihr vielleicht wisst, habe ich ein Programm aufgelegt, bei dem sich in einem aufwendigen Auswahlprozess Besatzungsmitglieder der bisherigen POL-Boote qualifizieren konnten, die wir auf einem Prototyp mit Borul-Triebwerk in einem Crashkurs ausgebildet haben. Das Testschiff hatte zunächst nur eine Werksbezeichnung bei der HTO. Nachdem die ersten Flugtests mit den Mitarbeitern der Space Police erfolgten, erhielt das Schiff den Namen POL-A1, da die Tests von der Space Police mitfinanziert wurden. Warum erzähle ich euch das? Nun, ihr habt das Unfassbare geschafft, während der letzten beiden Einsätze alle drei Beiboote der Promet