Raumschiff Promet - Von Stern zu Stern 43: Ximenas Martyrium - Gerd Lange - E-Book

Raumschiff Promet - Von Stern zu Stern 43: Ximenas Martyrium E-Book

Gerd Lange

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Beschreibung

Eine in Groß-Berlin gefundene Tote vom Ende des II. Weltkriegs gibt den Fachleuten Rätsel auf. Ein HTO-Team um Victoria Melburn nimmt die Ermittlungen auf.Inzwischen finden die mit der POL-A5 von Trilunae geflohenen Ximena Solano und der falsche Orff eine neue Heimat auf einem unbewohnten Planeten. Sie ahnen nicht, das dies der Auftakt zu einer wahrlich unglaublichen Reise wird.

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Gerd LangeXIMENAS MARTYRIUM

In dieser Reihe bisher erschienen

5001 Christian Montillon Aufbruch

5002 Oliver Müller Sprung ins Ungewisse

5003 Vanessa Busse Dunkle Energie

5004 Vanessa Busse Angriff aus dem Nichts

5005 Oliver Müller Gefangene der Doppelsonne

5006 Achim Mehnert Das Vermächtnis der Moraner

5007 Rainer Schorm Jedermanns Feind

5008 H. W. Stein & Oliver Müller Die Sklavenwelt

5009 Achim Mehnert Todesdrohung Schwarzer Raumer

5010 Vanessa Busse Entscheidung Risiko

5011 Ben B. Black Zegastos Kinder

5012 Michael Edelbrock Fremde Seelen

5013 Achim Mehnert Böser Zwilling

5014 Achim Mehnert Sternentod

5015 Achim Mehnert Das Ende der Promet

5016 Achim Mehnert Tötet Harry T. Orell!

5017 Achim Mehnert Das galaktische Archiv

5018 H. W. Stein Der Tod und das Leben

5019 Achim Mehnert Die Delegation

5020 Achim Mehnert Das Attentat

5021 Achim Mehnert Flucht aus der Terrorstadt

5022 Achim Mehnert Die Tragödie von Gij

5023 Gerd Lange Das fremde Ich

5024 Andreas Zwengel Geheimwaffe Psychomat

5025 Andreas Zwengel Im Bann der roten Sonne

5026 Andreas Zwengel Das Schiff der S-herer

5027 Gerd Lange Das Eindenker-Tribunal

5028 Andreas Zwengel Der Bote des Todes

5029 Gerd Lange & Andreas Zwengel Alarm im Solsystem

5030 Andreas Zwengel Negor in Not

5031 Andreas Zwengel Im Reich des Orff

5032 Andreas Zwengel Orffs Sonnenreigen

5033 Andreas Zwengel Der falsche Orff

5034 Andreas Zwengel Entscheidung auf Baranad

5035 Gerd Lange Im Licht der drei Monde

5036 Andreas Zwengel Planet der Bestien

5037 Andreas Zwengel Mysteriöse Vergangenheiten

5038 Andreas Zwengel Wächter des Schwarzen Imperiums

5039 Andreas Zwengel Der Raub der Moranerin

5040 Andreas Zwengel Transition ins Gestern

5041 Andreas Zwengel Überfall auf Wasp

5042 Gerd Lange Auf der Suche nach Moran

5043 Gerd Lange Ximenas Martyrium

Gerd Lange

Ximenas Martyrium

RAUMSCHIFF PROMETBand 43

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Gerd LangeExposé: Gerd LangeTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiLogo: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-354-4

Reich des Orff, Planet Trilunae, 429. Tag Trilunae-Zeit

Seit zwei Tagen hatte er nichts mehr gegessen. Heute musste die Jagd gelingen.

Langsam pirschte sich Chris Durgent an das Weibchen und sein Junges heran, wobei er darauf achtete, in der Deckung zu bleiben, die ihm der Randstreifen des Urwalds bot. Dort war er vor dem Wind geschützt, was verhinderte, dass die beiden Tiere vorschnell seinen Geruch witterten.

Als einzige funktionsfähige Waffe besaß er den Bogen, den er selbst gebastelt hatte. Dazu gehörte ein Köcher aus der lederartigen Rinde der Bäume, die hier wuchsen.

Fünf Pfeile waren übrig.

Chris hatte die letzten drei Wochen einen Großteil der Tage damit verbracht, Zielübungen auf die verschiedensten Gegenstände aus seinem Höhlenfundus zu veranstalten. Seine Treffsicherheit war von Mal zu Mal besser, wenn auch nicht wirklich gut geworden. Jetzt musste sie sich in der Praxis bewähren, wollte er nicht weiterhin Hunger leiden müssen.

Die beiden Tiere standen mit etwas Abstand zueinander auf der freien Grünfläche vor ihm. Das Muttertier beugte sich vor und rupfte mit den beiden langgestreckten Greiffortsätzen ihrer Schnauze einige Pflanzenkeime aus dem Boden. Das war die Hauptnahrungsquelle dieser Spezies, deren Kopf wegen des Rüsselmundes irdischen Elefanten ohne Ohren glich, während der restliche Körper die Statur von Kängurus hatte. Deshalb hatte Jerome Lefuet ihnen den Namen Kanga-Fanten gegeben.

Das Jungtier schien völlig unbekümmert zu sein. Es stand abseits, döste in der Nachmittagssonne vor sich hin. Deshalb war es, obwohl es weniger Fleisch geben würde, das von Durgent bevorzugte Ziel. Er spannte den Bogen und visierte mit Pfeil und Bogen das Tier an. Die Hand, die die Bogensehne spannte, zitterte leicht. Er setzte ab.

Bleib ruhig, sagte er sich. Du hast nur diesen einen ­Versuch. Tief atmete er die feuchtwarme Nachmittagsluft ein und hielt den Atem an. Dann zielte er erneut und ließ die Sehne los. In einem leichten Bogen flog der Pfeil auf das Jungtier zu und traf es seitlich in den Oberkörper. Mit einem lauten Quicken brach es zusammen und fiel um.

Getroffen!, jubelte Chis und kam aus seiner Deckung hoch. Doch seine Freude war von sehr kurzer Dauer. Das Muttertier hatte sofort reagiert. Es fuhr aus seiner Beugehaltung blitzartig in die Höhe, sah ihr zusammenbrechendes Kalb und den Jäger. Es war erstaunlich, wie schnell das Kanga-Fant Kräfte mobilisierte und mit hoher Geschwindigkeit auf Durgent zuraste.

Der ließ den Köcher mit den Pfeilen stehen und den Bogen fallen. Er rannte los, so dicht wie möglich am Rande des Dschungels entlang. Direkt in das Dickicht des Urwaldes zu flüchten, war unmöglich. Es bildete eine undurchdringbare Wand aus Pflanzen und Bäumen. Durgents Ziel war ein fünfzig Meter entfernter Baum mit fast bis auf den Boden reichenden Ästen, der etwas freier stand.

Das Kanga-Fant erkannte seine Absicht und passte die eigene Laufrichtung an. Es schwenkte ebenfalls in Richtung Baum um, näherte sich in weitem Bogen dem Waldrand. Dabei gewannen die Sprünge immer mehr an Weite.

Obwohl Durgent einen beachtlichen Sprint hinlegte, war das Tier ihm deutlich überlegen, was die Geschwindigkeit betraf. Es war absehbar, dass es ihn einholen würde, bevor er sich auf dem Baum in Sicherheit bringen konnte. Chris verstärkte seine Anstrengungen.

Das Tier raste brüllend auf ihn zu. Einen Moment lang war es rechts hinter ihm, nur wenige Meter entfernt. Er hörte es schnaufen und bei jedem Absprung ächzen. Es hatte ihn fast erreicht, als Durgent links am Waldrand in Bodenhöhe etwas bemerkte. Eine kleine Lücke im Wurzel­werk, gerade groß genug für ihn. Mit einem Hechtsprung stürzte er mit voller Wucht vornüber in dieses Vegetationsloch. Er prallte hinein wie in eine massive Wand und schrie vor Schmerz laut auf, als sein Körper ausbremst wurde. Aber er war in Sicherheit.

Doch auch das Kanga-Fanten-Tier hatte fast gleichzeitig zum Sprung angesetzt. Allerdings verfehlte es den unter ihr wegtauchenden Mann um Haaresbreite. Es flog direkt über ihm in die Pflanzenwand und wurde von einem vorstehenden Ast aufgespießt. Blut spritzte auf und traf Durgents Anzug mit heißem Strahl. Das Geäst brach unter dem Gewicht des Tieres ein. Der tote Körper fiel zusammen mit Unmengen von Bruchholz genau auf den darunter liegenden Durgent. Der verlor schlagartig das Bewusstsein.

*

Miners World, sechster Planet der Sonne Gam-867-fg, 09.04.2094

„Die Owl III ist morgen abflugbereit. Die Mannschaft hat die Maschinerie vollständig verladen. Die Männer haben die letzten zwei Monate ganz schön geschuftet. Irgendwie sind alle am Ende. Dieser Mistplanet hat sie nicht gerade aufgebaut, besonders weil es sich für ihre Prämien nicht rentiert hat. Ich habe ihnen zum Abschluss einen Ausflug zum vierten Planeten genehmigt, Chef“, verkündete Rodrigo Tiburski. „Ich hoffe, du hast nichts dagegen.“

„Wenn ich geahnt hätte, dass diese Mission eine solche Pleite wird, hätte ich längst das Signal zum Aufbruch gegeben“, antwortete Commander Walt Conkray missgelaunt. „Die Ausbeute an Rohstoffen war auf dieser letzten Station unserer Reise mehr als mager. Miners World können wir als zukünftiges Schürfziel von der Liste streichen.“

Die Owl-Raumschiff-Flotte war die letzte Baureihe der Space Rocket Company vor deren Insolvenz im Sommer 2092 gewesen. Eine ominöse Verwertungsgesellschaft hatte alle sieben Raumer für einen Spottpreis erworben. Letztendlich blieben sie nach mehreren Weiter­verkäufen unauffindbar. Die Owl III war eines dieser sieben kastenförmigen Prospektionsraumschiffe, die ohne gültige Fluglizenzen im Weltall unterwegs waren, um auf unbekannten Himmelskörpern möglichst lukrativ illegal Bodenschätze abzuschöpfen. Vorwiegend Stralomin, Marson oder seltene Erden.

Mindestens genauso rätselhaft wie die Besitzverhältnisse dieser Schiffe waren deren Besatzungsmitglieder. Eine bunte Truppe aus gescheiterten Existenzen, Kleinkriminellen und Leuten, die sogar schwere Straftaten begangen hatten. Zu welcher dieser Kategorien Walt Conkray und seine rechte Hand Tiburski zählten, ließ sich nur vermuten. Fast jeder an Bord hatte seine kleinen oder großen Geheimnisse. Deshalb kümmerte sich niemand darum. Hier zählte nur, was am Ende als Prämie zu verdienen war.

„Was machst du, Captain, wenn wir wieder auf Bosilla sind? Heuerst du wieder an?“, fragte Rodrigo. Bosilla hatten sie den Planeten getauft, auf dem die Flotte der Sieben Owls stationiert war. Benannt nach seinem Entdecker, der kurz danach bei einem Flug der Owl VII das Zeitliche gesegnet hatte. Pech gehabt, aber auch Glück, weil auf ewig dieses unbedeutende Freibeuterschlupfloch seinen Namen trug.

„Na, viel hat dieser Flug wirklich nicht eingebracht“, begann der Kommandant, doch er wurde von einem Com-Signal gestört. So blieb er eine Antwort vorerst schuldig.

„Kuttwang hier. Tiburski, hörst du mich?“, dröhnte es aus der Bordcom.

„Ja, schrei nicht so. Was ist los?“

„Wir sind mit dem Beiboot auf dem kleineren Kontinent gelandet. Der sieht freundlicher aus als der mit den Gebirgsketten. Es ist überhaupt angenehmer als auf Minors World. Mindestens fünf Grad wärmer. Luft und Schwerkraft sind besser. Und es gibt keine Ruinen.“

„Deshalb störst du uns, Kutti?“, fragte Tiburski.

„Nein, nicht deshalb. Sondern, weil wir was entdeckt haben.“

„Was denn?“

„Eine Höhle.“

„Davon gibt es bestimmt viele auf dem Planeten“, antwortete Rodrigo.

Jetzt mischte sich der Kommandant ein. „Komm zur Sache, Kuttwang, was genau hast du entdeckt? Du meldest dich doch nicht, wenn ihr eine x-beliebige Höhle gefunden habt.“

„Stimmt, Käpt‘n. Das müssen Sie sehen. Vielleicht ist da eine richtig dicke Prämie drin. Wir haben Robinson Crusoe entdeckt. Na, jedenfalls, wo er hauste.“ Zum Beweis schwenkte er seine Com, das Bild wurde in die Zentrale der Owl III übertragen. Zu sehen war zunächst die Außenansicht der Höhle, deren Zugang mit den verschiedensten Holzutensilien nach außen verbarrikadiert war. Angefangen von robusten Ästen, über großflächige Rinden, brettähnliche Überreste bis hin zu Sträuchern, war alles Mögliche verbaut. Zusammengehalten wurde es von einer Art Lehmputz, der dem Ganzen stabilen Halt gab. Doch am interessantesten war die metallene Tür, die in der Mitte der Zugangsbarriere offenstand.

Durch die ging Kuttwang ins Innere. Es war eindeutig ein natürlich entstandener Hohlraum, in dem an den Seiten Möbel standen, soweit man die Regale und zwei Tische mit Stühlen in primitiver Holzbauweise so bezeichnen konnte.

Conkray und Tiburski erkannten dazwischen diverse Gegenstände, die zweifelsfrei aus terranischer Produktion stammten. Zwei Antigrav-Gürtel, ein mit Wäsche vollgestopfter Sunbed-Waver der Marke World-­Market, der ursprünglich zum Erwärmen von Fertigspeisen gedacht war, eine an der Wand befestigte Leuchtröhre und sogar ein typischer Raumanzug der Space Police. Daneben viele Gerätschaften, die eindeutig nicht terranischen Ursprungs waren. Unter anderem ein Gerät, das fast völlig mit Steinen und biologischen Unrat gefüllt war. Es war über Kabel mit einem der Antigrav-Gürtel verbunden.

„Ich glaube, ihr habt übersehen, dass es einen Freitag zu eurem Robinson gibt. Dort hinten sehe ich zwei Betten in den Nischen, allerdings scheint nur eines davon benutzt zu sein“, sagte Rodrigo.

Der Space-Police-Raumanzug verschreckte Walt ­Conkray sichtlich. Er hatte zunächst dem Ganzen keine besonders große Bedeutung beigemessen. Doch was bedeutete an diesem Ort ein solcher Anzug? Wo doch erst Ende 2092, durch einen Raumflug des HTO-­Raumschiffes Promet II, das Reich des Orff bekannt geworden war. Kurz danach war das Verbot in Kraft getreten, dieses Gebiet durch terranische Raumschiffe anzufliegen.1

Dieses Verbot hatte die Space Police durchgesetzt, wieso sollte sie es selbst brechen? Also war ein solcher Raumanzug im Reich des Orff dem Grunde nach unmöglich. Conkray selbst konnte sich mit der Owl III hier aufhalten, weil sie und ihre Schwesterschiffe nicht mit der vorschriftsmäßigen Tronik-Flugsperre ausgestattet waren. Sie konnten es nicht sein, weil sie beim Flug­verbot bereits auf Bosilla ihrer illegalen Nutzung zugeführt wurden.

„Wir verlassen Miners World und fliegen ebenfalls zum vierten Planeten“, ordnete er kurzentschlossen an. „Ich muss klären, ob uns die Police auf die Spur gekommen ist. Vielleicht haben sie eine Sondergenehmigung und beobachten uns bereits von dort. Das, Rod, werde ich verhindern. Du hast mich gefragt, ob ich wieder anheuern will. Ich will nicht nur, ich muss. Aus verschiedenen Gründen. Deshalb werde ich alles versuchen, damit die Police die Owl III nicht festsetzt. Wir starten sofort!“

Walt Conkray ahnte nicht, welche überraschende Begegnung er auf dem vierten Planeten machen sollte. Eine Überraschung, die die Gefahr der Aufdeckung seiner echten Identität in sich barg.

*

Eine Sauerstoffwelt im Reich des Orff, zur selben Zeit

Der Morgen hatte für Lorin von Baranad nicht gut begonnen. Als der ehemalige falsche Orff das Wasser für die Morgenwäsche holen wollte, hatte sich unter dem ­Wasserkübel vor der Hütte ein Stein gelöst. In einem großen Schwall ergoss sich der gesamte Inhalt an Regenwasser auf den staubigen Boden und teilweise auch über ihn selbst. Laut fluchend und mit triefend nassem Schlafanzug kehrte er mit den Resten des Wassers aus der umgekippten Tonne in die Hütte zurück.

„Was ist dir passiert?“ Ximena Peña Solano konnte sich das Lachen nicht verkneifen, als sie ihn so sah.

Er liebte es, sie so fröhlich zu sehen. „Dir wird das Lachen vergehen, heute ist Katzenwäsche angesagt“, antwortete er in perfektem Terranisch. Dank der Translatoren hatte er in den letzten drei Monaten die Sprache seiner Partnerin erlernt. Er beherrschte sie fast fehlerfrei.

„Bist du in die Tonne gesprungen?“

„So ähnlich, sie ist einfach umgekippt. Aber ich habe etwas von dem kühlen Nass retten können.“ Stolz präsentierte er den halbvollen Behälter.

„Mein wagemutiger Held!“ Ximena nahm ihm den Behälter des Wasseraufbereiters ab und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Komm mit und zieh dir etwas Trockenes an.“

Sie meinte die POL-A5, mit der Xi und Lo vor fast einem Monat Bordzeit auf diesem Planeten gelandet waren. Den äußeren Anbau hatten sie direkt am Schiffsrumpf errichtet, wodurch sie sich eine zusätzliche vierte Hauswand sparen konnten. Beide Teile, die Hütte und der Raumer, waren über die Schleuse miteinander nahtlos verbunden. Die beiden waren echte Organisationstalente, hatten sich gegenseitig mit Ideen beim Hausbau ausgezeichnet ergänzt. Sie improvisierten dabei viel mit Zwischenwänden aus dem Schiff und nutzten das, was ihnen ihre neue Heimat bot.

Xi schloss den Wasserbehälter in der Schiffsküche an die Aufbereitungsanlage an, während Lo in der gemeinsamen Kabine die nassen Sachen auszog und sich abtrocknete. Sie nutzte die Zeit, um aus den Bordvorräten ein Frühstück vorzubereiten.

Er erschien, mit frischer Unterwäsche bekleidet, wieder in der Küche und fragte: „Reicht das Wasser für die Morgenwäsche und den Kaffee?“

„Das wird knapp. Für jeden gibt es eine halbe Tasse und ein feuchtes Tuch für Hände und Gesicht. Ich glaube, die Dusche ist seit gestern leer. Du musst nach dem Frühstück die Tonne wieder aufrichten, bevor der Mittags­regen einsetzt. Wir brauchen wieder volle Tanks.“

„Aber erstmal frühstücken“, meinte er. Danach zogen sie frische Kombinationen an, von denen sich glücklicherweise genügend an Bord befanden. Sogar für den Winter, der bald kommen würde, waren sie mit warmer Kleidung der Police ausgestattet.

Während sich Lo eine Stunde später draußen mit dem Wassertank abmühte, saß Xi an der Bordtronik und ergänzte das vor Kurzem angefangene Tagebuch um das, was sich nach dem Attentat auf Riddle ereignet hatte. Alles, was an Bord der POL-A5 auf der Flucht nach Trilunae und nach der Landung dort passiert war, hatte sie bereits dokumentiert. Es fehlte die Zeit danach. Wie beide mit dem ehemaligen Space-Police-Raumschiff von ­Trilunae vor Lefuet und Durgent, den ehemaligen Anführern von Terra den Terranern, geflohen waren. Und wie sie nach einer rund zweimonatigen Odyssee schließlich hier eine neue Heimat gefunden hatten. Auf Lorins ­Paradise, wie sie diese Wasserwelt tauften. Ein Sauerstoffplanet, der zwar auf seiner einzigen kleinen Insel eine reichhaltige Flora und Fauna bot, aber keine Anzeichen von Besiedlung oder intelligentem Leben aufwies. Jedenfalls, soweit sie es bisher beurteilen konnten.

Vor dem Haus hatte Lorin die Steineinfassung ausgebessert und wuchtete den leeren, aber unförmigen Wasser­tank wieder an seinen Platz. Es war ein ehemaliges Schrankmodul, dass er umgebaut, abgedichtet und mit einem Wasserhahn ausgestattet hatte. Das Ding war aus Leichtmetall, es reichte bis in Brusthöhe. Ximena hatte geschätzt, dass es fünfhundert Liter Regenwasser fassen konnte.

Als Lo den Tank zurechtgerückt hatte, merkte er auf einmal, wie der Oberrand leicht zu vibrieren begann. Ganz wenig, aber doch erkennbar. Lo stellte sich davor und beobachtete die Wandung einen Augenblick. Nein, er hatte sich nicht geirrt, und jetzt spürte er es in den Beinen. Die Vibrationen wurden stärker. Als er sich umdrehte, sah er eine weitflächige Staubwolke am Horizont der Felsebene, die ihnen als Landeplatz gedient hatte. Er hörte einen dumpfen gleichförmigen Ton, ähnlich einem Trommelwirbel. Zunächst kaum wahrnehmbar, aber er wurde lauter und klang bedrohlich.

Dann sah er es. In dem Streifen, in dem die Staubwolke in das Gelb der Ebene überging, bildete sich ein dunkler, fast schwarzer Strich, der recht schnell breiter wurde. Da war etwas, das sich pulsierend bewegte. Tiere? Es mussten Tiere sein. Eine riesige Anzahl von großen, wild­gewordenen Wesen, die mit irrsinniger Geschwindigkeit und in breiter Front auf ihn zugerast kamen. „Xi!“, schrie er und begann zu rennen. Hinein in das Haus und die Rampe rauf, die in die Schleuse der POL-A5 führte. „Xi!“, schrie er erneut, und hieb im Vorbeirennen auf den Mechanismus der Schleusentür. Hinter ihm begann sich die Schiffsschleuse zu schließen. „Xi, starte das Schiff, schnell!“, brüllte er, während er auf den Kommandoraum des Raumers zulief.

Als er ihn erreicht hatte, sprang Ximena auf. „Was …?“

„Frag nicht! Starte!“ Lorin stieß seine Partnerin in Richtung ihres Pilotensitzes und landete nach einem Hechtsprung unsanft in seinem Sessel. Für weitere Erklärungen blieb keine Zeit, stattdessen aktivierte er die Holoschirme mit der Außenansicht vor der Hütte.

Jetzt erkannte Ximena die Gefahr, denn die riesige Tierherde, die in breiter Front auf sie zuraste, war keine vierhundert Meter mehr von ihnen entfernt. Die Space-Police-Pilotin war während ihrer Ausbildung darauf trainiert worden, in Gefahrensituationen blitzschnell zu reagieren. Sie war eine der Besten ihres Jahrgangs gewesen und hatte nichts verlernt. Sie warf den Antigrav an und drückte damit das Raumschiff vom Felsboden hoch. Dann aktivierte sie den vollen Schub auf die drei DeGorms. Selbst in der Zentrale war das Aufheulen der Triebwerke deutlich zu hören. Und das Haus aus Leichtbauweise hielt dem Startandruck nicht stand. Es explodierte unter dem Schiff mit allem, was sich darin und daran befand. Kurz darauf wurde alles von den heranrasenden Tiergiganten zerstampft.

Die Stampede ließ sich auch dadurch nicht aufhalten, als die vordersten Tiere in die Flammen der Triebwerke hineingerieten und verbrannt wurden. Die nachfolgenden Kreaturen liefen mit irrsinnigem Tempo über die brennenden Kadaver hinweg, wobei weitere stürzten und wiederum von den nachfolgenden Kolossen zertreten wurden.

„Das war knapp!“, rief Lorin, während die fünfzig Meter lange POL-A5 an Höhe gewann.

„Von unseren Sachen bleibt nichts mehr übrig, wenn die Viecher durch sind.“ Ximena atmete genauso schwer wie Lo. Erst jetzt fand sie die Zeit, die Teleskop-­Landestützen in den tropfenförmigen Schiffsrumpf einzufahren.

Sie durchflogen die hoch aufgestiegenen Schmutz­partikel, die hinter der wildgewordenen Masse an Tieren in der Luft hingen. Erst, als sie diesen Vorhang aus Dreck, Staub, Fellresten und anderen Hinterlassen­schaften durchquerten, sahen sie, was den Ansturm der Tiere ausgelöst hatte. Vom Meer her wälzte sich eine riesige Wassermasse über die Ebene.

„Ein Tsunami!“, rief Xi.

Lo kannte diesen Ausdruck nicht. „Was bedeutet das?“

„Eine gewaltige Riesenwelle, oft ausgelöst durch Erdbeben oder im Meer einschlagende Himmelskörper. Ohne die anstürmende Tierherde hätten wir die Welle viel zu spät bemerkt. Wir wären elendig ertrunken oder vom Wasser zerschmettert worden.“

Unter ihnen füllte sich das Land mit tosenden Wassermassen. Die Wahrscheinlichkeit war groß, dass in den nächsten Minuten die gesamte Insel überflutet wurde. Für die panisch fliehenden Tiere gab es keine Rettung. Ihre Kadaver würden die Wellen am anderen Ende der Landfläche mit sich ins Meer reißen.

„Jetzt hätten wir genug Wasser für die Morgenwäsche“, sagte Xi.

„Aber keine Regentonne mehr. Ich will weg. Wir müssen uns einen neuen Planeten suchen.“

„Vor allem brauchen wir Wasser. Bis nach Riddle oder Terra benötigen wir zu viele Transitionen. Dahin können wir vielleicht später starten. Fliegen wir nach Baranad?“

„Das ist für mich als ehemaliger Doppelgänger des Orff keine Option“, sagte Lorin.

„Na gut. Bevor wir lange suchen, schlage ich einen Kurztrip nach Trilunae vor.“

„Du willst zurück nach Hha-pros?“, fragte er ungläubig.

„Ja. Dort gibt es gutes Wasser, ohne dass wir lange danach suchen müssen. Außerdem können wir in der Leitstelle einiges wieder beschaffen, was uns bei der Stampede der Tiere verloren gegangen ist. Zum Beispiel Medizin-Robots und andere Technik.“

„Stimmt. Aber was ist, wenn wir auf deine Entführer treffen? Die beiden werden es wohl kaum geschafft haben, Yuls Raumschiff wieder flott zu machen“, meinte Lo.

„Wer weiß, ob Durgent und Lefuet überhaupt noch leben“, sagte Xi. „Wie ich sie in der kurzen Zeit, die wir zusammen waren, kennengelernt habe, werden sie sich bestimmt inzwischen gegenseitig die Schädel eingeschlagen haben.“

„Sollte das passiert sein, müssen wir stattdessen vielleicht die Tonnenraumer-Armee fürchten. Falls jemand auf Baranad auf die Idee gekommen ist, bei der Leit­station nach dem rechten zu schauen“, zählte Lo das nächste Schreckensszenario auf.

„Wir haben zur Verteidigung die beiden Laser-­Kanonen mit einer Reichweite von zwei Kilometern, das ist recht dürftig. Aber warum sollten sie eine Mannschaft zu einer stillgelegten Station schicken? Außerdem hat dich diese Gefahr damals nicht davon abgehalten, auf Trilunae zu landen, bevor du uns entdeckt hast.“

„Eine Bruchlandung. Ich konnte Yuys Raumschiff nicht steuern. Aber du hast recht. Wenn wir uns ein neues Domizil suchen wollen, sollten wir zunächst versuchen, unsere Ausrüstung in der Station Hha-pros zu vervollständigen. Alles, was wir mitnehmen können, erleichtert uns woanders den Neuanfang“, stimmte er zu. „Es muss nicht unbedingt Terra sein.“

Damit war es beschlossene Sache. Ximena programmierte die erste von drei Transitionen nach Trilunae.

*

Vierter Planet der Sonne Gam-867-fg, 09.04.2094

Conkray fand auf diesem Kontinent für die Owl III weitab vom Landeplatz des Beibootes einen Ort, der groß genug für das 120 Meter lange Schiff war. Er lag auf einem Plateau, das sich zu einer Bucht hin senkte, die Teil des planetenumspannenden Ozeans war. Von hier aus machten sich Tiburski und er mit den Antigravs auf den Weg zu der von den Männern gefundenen Höhle. Sie flogen über dichtes Blätterwerk hinweg und schauten mit einiger Sorge auf den Himmel. Es zogen dichte Wolken auf. Vielleicht würde es in den nächsten Stunden anfangen zu regnen. Der Kommandant hoffte, dass er und seine Crew verschont blieben, bis sie wieder starteten.

Nach einer Viertelstunde trafen die beiden bei der Wohnhöhle ein. Sie war wirklich gut getarnt, das musste Conkray zugeben. Gemeinsam mit Kuttwang betraten sie das Innere und begannen, die Höhle systematisch zu untersuchen.

„Es sieht alles so aus, als ob der oder die Bewohner sie erst vor ein paar Stunden verlassen haben“, stellte ­Rodrigo fest.