Raumschiff Promet - Von Stern zu Stern 35: Im Licht der drei Monde - Gerd Lange - E-Book

Raumschiff Promet - Von Stern zu Stern 35: Im Licht der drei Monde E-Book

Gerd Lange

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Beschreibung

Die flüchtigen Anhänger von Terra den Terranern finden in den Weiten des Alls einen Planeten, der ihnen als Unterschlupf dienen soll. Sie ahnen nicht, dass dort bereits ein Gegner wartet, der ebenfalls flüchten musste und zu allem entschlossen ist.Weitab von den üblichen Handelsrouten haben terranische Prospektoren auf dem Mond Egg ein Verbrechen an der Urbevölkerung begangen. Die Besatzung der Promet II landet in einem brodelnden Konflikt.Zusätzlich enthält dieser Band die Promet-Kurzgeschichte Cailidas letzter Einsatz.

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Gerd LangeIM LICHT DER DREI MONDE

In dieser Reihe bisher erschienen

5001 Christian Montillon Aufbruch

5002 Oliver Müller Sprung ins Ungewisse

5003 Vanessa Busse Dunkle Energie

5004 Vanessa Busse Angriff aus dem Nichts

5005 Oliver Müller Gefangene der Doppelsonne

5006 Achim Mehnert Das Vermächtnis der Moraner

5007 Rainer Schorm Jedermanns Feind

5008 H. W. Stein & Oliver Müller Die Sklavenwelt

5009 Achim Mehnert Todesdrohung Schwarzer Raumer

5010 Vanessa Busse Entscheidung Risiko

5011 Ben B. Black Zegastos Kinder

5012 Michael Edelbrock Fremde Seelen

5013 Achim Mehnert Böser Zwilling

5014 Achim Mehnert Sternentod

5015 Achim Mehnert Das Ende der Promet

5016 Achim Mehnert Tötet Harry T. Orell!

5017 Achim Mehnert Das galaktische Archiv

5018 H. W. Stein Der Tod und das Leben

5019 Achim Mehnert Die Delegation

5020 Achim Mehnert Das Attentat

5021 Achim Mehnert Flucht aus der Terrorstadt

5022 Achim Mehnert Die Tragödie von Gij

5023 Gerd Lange Das fremde Ich

5024 Andreas Zwengel Geheimwaffe Psychomat

5025 Andreas Zwengel Im Bann der roten Sonne

5026 Andreas Zwengel Das Schiff der S-herer

5027 Gerd Lange Das Eindenker-Tribunal

5028 Andreas Zwengel Der Bote des Todes

5029 Gerd Lange & Andreas Zwengel Alarm im Solsystem

5030 Andreas Zwengel Negor in Not

5031 Andreas Zwengel Im Reich des Orff

5032 Andreas Zwengel Orffs Sonnenreigen

5033 Andreas Zwengel Der falsche Orff

5034 Andreas Zwengel Entscheidung auf Baranad

5035 Gerd Lange Im Licht der drei Monde

5036 Andreas Zwengel Planet der Bestien

Gerd Lange

Im Licht der drei Monde

RAUMSCHIFF PROMETBand 35

Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannExposé: Gerd LangeTitelbild: Manfred SchneiderLogo: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-595-1Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shoperhältlich!

SP-Befehl 2092/0231 - An alle Einheiten

Auf Beschluss der Terra States vom 17.12.2092 wird das in der beigefügten Tronik-Datei näher beschriebene Gebiet ab sofort zur Sperrzone erklärt. Es ist allen Bewohnern des terranischen Einflussgebietes und der unter terranischer Verwaltung stehenden Siedlungs­planeten nicht gestattet, diesen Bereich mit eigenen oder fremden Raumschiffen oder anderen technischen Hilfsmitteln aufzusuchen und sich dort aufzuhalten.

Bei dieser Sternenballung mit einem Durchmesser von über achtzig Lichtjahren handelt es sich um ein von den Bewohnern Reich des Orff genanntes Hoheits­gebiet, das zurzeit insgesamt vierundzwanzig besiedelte Sonnensysteme und zusätzlich mehrere unbewohnte und bewohnte Versorgungswelten und sonstige Himmelskörper umfasst.

Die Tronik-Datei mit Koordinaten des Gebietes ist ab sofort werksmäßig zur Steuerungsblockierung in allen bemannten und unbemannten transitionsfähigen Flug­systemen zu speichern. Das gilt für alle Erstauslieferungen. Für alle bereits ausgelieferten bzw. im Einsatz befindlichen Raumflugkörper hat diese Tronik-­Anpassung bis spätestens 31.01.2093 zu erfolgen. Ist dies im Einzelfall nicht möglich, ist eine Fristverlängerung mit detaillierter Begründung bis spätestens 25.01.2093 bei den Terra States zu beantragen.

Zuwiderhandlungen gegen diese Anordnung werden mit dem Entzug sämtlicher Fluglizenzen der ­Verstoßenden für einen Zeitraum von mindestens drei Erdjahren und dem Einzug der Fluggeräte geahndet.

Grundlage für diese Anordnung ist ein bilateral geschlossenes Abkommen vom 05.12.2092 zwischen dem Reich des Orff, vertreten durch dessen Allmächtigen Gebieter Orff, und dem Terranischen Machtbereich, vertreten durch die Harry-T.-Orell-Corporation (HTO).

Ausgenommen von den Sperrmaßnahmen sind nur die beiden Raumschiffe Promet II der HTO und Orffanian des Allmächtigen Gebieters Orff sowie deren rechtmäßige Nachfolge-Raumflugkörper, sofern mindestens eine oder mehrere der im Abkommen namentlich aufgeführten Personen in leitender Position an Bord anwesend sein sollten. Hier gelten die festgelegten Sonderregelungen.

Diese Anordnung gilt bis zum 31.01.2097 in vollem Umfang, sofern sie nicht durch anderslautende Abkommen verlängert, geändert oder aufgehoben wird.

Headquarters der Space-Police, Capt. Donald Rosalto, Vancouver, 19.12.2092

*

System Alpha Centauri, Planet Riddle, 31. Dezember 2092, 23:46 Uhr Terra-Standard-Zeit

„Ich kann es gar nicht glauben, dass übermorgen alles wieder vorbei ist!“, rief Nicole Sanders laut zu Jane Grigson hinüber, die ihr auf der anderen Seite des Tisches gegenüber saß. Die Musik war zu laut und machte eine Verständigung fast unmöglich.

Die Funkerin, Bordärztin und gute Seele des Prospek­torenraumers Japetus verstand die Lebensgefährtin von Privatdetektiv Enders Payntor trotzdem und antwortete: „Ihr wolltet unbedingt beim ersten Rückflug dabei sein. Es war schwierig genug, euch überhaupt auf diesem Flug unterzubringen, weil wir total ausgebucht sind. Wenn ihr später nach Terra zurückfliegen wollt, könnt ihr gerne versuchen, ob jemand mit euch tauscht.“

Die Live-Musik verstummte und machte eine normale Unterhaltung wieder möglich, nachdem der Applaus der Feiernden abgeklungen war. Die Musiker auf der Bühne richteten sich ebenfalls darauf ein, in wenigen Minuten das neue Jahr einzuläuten.

Enders Payntor musste sich mit dem Tablett, auf dem er fünf Gläser Champagner balancierte, einen Weg durch die Menge der Leute bahnen, die die Tanzfläche verließen. Als er das Tablett an der Kante des Tisches abstellte, fragte er in die Runde: „Wer soll tauschen?“

„Nicole überlegt gerade, ob ihr mit einem späteren Flug der Japetus die Rückreise antreten sollt“, antwortete Al Grigson. „Sie möchte noch etwas länger hier auf Riddle bleiben. Und wenn ihr jemanden zum Tickettausch findet, der …“

Schnell hakte Nicole Sanders nach und ließ den Kommandanten des Prospektorenschiffes nicht ausreden. „Enders, wir hatten so eine wundervolle Woche hier. Der Strand war herrlich, alles ist nicht so überlaufen wie auf der Erde. Die Natur wirkt friedlich, fast ein wenig fragil. Riddle gefällt mir so sehr, dass ich mir sogar gut ­vorstellen kann, später einmal fest hierher überzusiedeln. Wenn ich an die eisigen Temperaturen denke, die zuhause in Yellowknife auf uns warten, wären ein paar Tage mehr Wärme doch nett, oder?“

„Den Rückflug können wir nicht verschieben, mein Schatz. Wir haben einen Folgetermin“, antwortete Enders.

„Ich weiß nichts von einem Folgetermin, Enders“, warf seine Lebensgefährtin ein.

Seit fünf Monaten waren sie beide offiziell ein festes Paar. Die Ereignisse in Mexiko hatten Enders und Nicole noch fester zusammengeschweißt als ihre ähnlichen Krankheitsgeschichten. Und der gemeinsame Hausstand in Enders Appartement in Yellowknife tat sein Übriges.

Payntor schaute auf seine Com. Es blieben noch vier Minuten Zeit bis zum Jahreswechsel, der Champagner perlte in den Gläsern und die Musiker lärmten nicht mehr. Allerdings würde in wenigen Augenblicken Ron Danton auf dem Festgelände seine Rede beginnen, um vor den rund dreihundert Gästen das alte Jahr zu verabschieden und traditionsgemäß die Sekunden bis zum Jahreswechsel herunterzuzählen. Enders musste sich beeilen. Schnell verteilte er die Gläser, schob seinen Stuhl beiseite und kniete vor Nicole Sanders nieder. Er griff in die Seitentasche seines weißen Sommerjacketts und holte ein kleines Etui hervor. Mit einem kaum hörbaren Ploppen sprang der Deckel der Ringschachtel auf. Enders nahm den Diamantring heraus und merkte, wie aufgeregt er war. Schnell steckte er die leere Schachtel in die Seitentasche zurück. „Liebe Nicole, wir haben einen Folgetermin, weil wir bereits am Samstag mit Moreen Dohr und ihrem Schiff nach Suuk weiterfliegen. Dort wartet ein zweiwöchiger Urlaub auf uns. Allerdings nur, wenn wir erst einmal eine wichtige Angelegenheit klären. Eigentlich wollte ich dich erst in einigen Minuten fragen, im neuen Jahr. Aber es bietet sich jetzt an.“

Er hatte mit seiner recht lauten Ansprache die Aufmerksamkeit der Gäste an den nebenstehenden Tischen auf sich und Nicole gezogen. Teilweise hielten sie bereits ihre Sektgläser in den Händen, um das neue Jahr zu begrüßen. Nun bildete sich schnell ein Halbkreis von Schaulustigen um diese unerwartete Darbietung kurz vor Jahresende. Niemand bemerkte dabei den Mann, der sich im Hintergrund etwas abseits und ohne Glas dazu gesellte und mit seiner militärischen Tarnkleidung nicht in die Runde der festlich gekleideten Feiernden passte.

„Nicole Sanders“, begann Enders seine immer wieder im Geiste vorbereitete Rede. „Wir beide haben in den vergangenen Monaten viel erlebt, sind sowohl gesundheitlich, als auch beruflich und privat durch Dick und Dünn gegangen. Dabei habe ich dich schätzen und lieben gelernt.“

„So, so!“, rief Big Joe Rooster gutgelaunt dazwischen und erntete dafür von den Umstehenden Schmunzeln und Gelächter. Nicole ahnte, was jetzt kam und stand lächelnd und sichtlich gerührt auf.

Dadurch wurde Enders etwas lockerer und sicherer. Er griff mit seiner Linken nach der unversehrten Hand ­seiner Freundin und präsentierte ihr mit drei Fingern den Verlobungsring. „Und deshalb hoffe ich, dass du auch zukünftig mit mir gemeinsam den Weg durchs Leben gehen möchtest. Es wird sicher kein einfacher Weg werden, bei meinem Beruf. Wenn dich das nicht stört, wird es für uns zwei immer spannend und aufregend werden. Deshalb frage ich dich: Willst du, Nicole Sanders, meine …“ Enders ­Payntor verstummte. Zwischen den Gästen, die Nicole und ihn erwartungsvoll ansahen, hatte er den Mann mit der Kampfuniform entdeckt, der mit dem Rücken zu ihm stand. Camouflage-Stoff?, schoss es ihm durch den Kopf. Das ist kein Sicherheitsbeamter!

Der Kerl stand hinter der halbhohen Brüstung, auf der diverse Speisen des Buffets aufgetischt waren, und wirkte dort wie ein Fremdkörper. Langsam drehte sich der Fremde zu Enders um, und im selben Moment überlagerte sich vor Payntors geistigem Auge das reale Bild dieses Mannes mit einer fast vergessenen Erinnerung. Das war kein Fremder, der dort in etwas mehr als zehn Metern Entfernung stand. Enders erkannte die Art wieder, wie der Mann sich zu ihm umdrehte. Als Enders das Grinsen im Gesicht des Mannes sah, war er sich endgültig sicher, wen er vor sich hatte. Obwohl dessen Gesichtszüge kosmetisch verändert waren, war es eindeutig. Dort stand der Attentäter, der vor zweiundzwanzig Monaten sein Büro in Yellowknife in die Luft gesprengt hatte und dem er seine künstliche Bein­prothese und einen langen Krankenhausaufenthalt verdankte. Es war Venjamin Lewithin, den er vergeblich in Mexiko gesucht hatte. Jetzt hatte dieser Mann ihn gefunden.

„Hey, Enders Payntor, du elender Verräter!“, rief Lewithin in gebrochenem Englisch. „Die Stunde der Abrechnung ist gekommen. Für das, was du meinen Freunden Lefuet und Durgent angetan hast. Und für meinen Sohn Stjephan, der jetzt im Knast sitzt. Fahr zur Hölle!“

Enders Payntor kniete immer noch mit dem Verlobungsring in der Hand vor Nicole. „Deckung!“, schrie er, so laut er konnte. Er befand sich teilweise im Schutzbereich der Buffet-Brüstung, die zwischen Lewithin und ihrem Tisch aufgebaut war. Vergeblich versuchte er, Nicole zu sich herunter zu zerren. Aus den Augenwinkeln sah er, wie die Besatzungsmitglieder der Japetus auf seine Warnung reagierten und von ihren Stühlen rutschten, um sich in Deckung zu bringen. Doch die meisten Personen, die um sie herum und bei Lewithin standen, begriffen nicht, was passierte. Für Enders lief alles wie in Zeitlupe ab. Doch es waren nur Sekundenbruchteile.

Venjamin Lewithin drückte den Auslöser, der per Funk mit dem Sprengsatz verbunden war, den er vor seine Brust geschnallt hatte. Nicole Sanders Schrei verging in dem tosenden Inferno, das mit einer verheerenden Explosion über die Anwesenden hereinbrach. Ein riesiger Feuerball breitete sich aus und fegte über Brüstung und Tischplatte auf sie zu, begleitet von einer Druckwelle. Sie riss alles mit sich, was nicht fest verankert war. Egal, ob es Teile des Buffets, Gläser, Sektkübel, Tische, Stühle oder Menschen waren. Die friedliche Silvesterfeier versank im Chaos.

*

Rückblende: Yellowknife, 20.12.2092

Enders Payntor konnte wirklich nicht von sich behaupten, jemals ein Freund von Jahresendfeiern gewesen zu sein. Seit dem Jahr 2088 hatte er dreimal hintereinander den Silvestertag in der Bar I-C-Starz verbracht. Jene Bar, in der Theodor Crook ihm damals den Job als Privat­ermittler bei der HTO angeboten hatte. In diesem Schuppen stimmte die Musik, und die wenigen anderen Gäste kannten fast alle die Marotte von Stammgast Payntor, mit dem Canadian Club in seinem Glas Zwiegespräche zu führen. Sie störten sich längst nicht mehr daran. In der Vergangenheit hatte dies immer damit geendet, dass er den eigentlichen Jahreswechsel nicht mehr bewusst erlebte.

Dieses Jahr sollte es anders werden. Diese wilden Zeiten waren vorbei, seit Enders vor fast zwei Jahren nur knapp dem Attentat entgangen war, das die Terror-Gruppe Terra den Terranern auf sein Büro und ihn verübt hatte. Im Krankenhaus von Yellowstone lernte er Nicole Sanders kennen, mit der er inzwischen unter einem Dach lebte. Aus der anfänglichen losen Wohngemeinschaft war schnell mehr geworden und nun wollte er sie zum Jahreswechsel überraschen. Dazu benötigte er die Mithilfe von Vivien Raid. Er kontaktierte sie auf ihrer privaten Com. Nachdem sie diverse Neuigkeiten ausgetauscht hatten, weihte er Vivy in seinen Plan ein, Nicole zum Jahreswechsel einen Heiratsantrag machen zu wollen.

Payntor schaltete ihr Konterfei von seiner Com auf die große Holowand im Wohnbereich. Seit den Ereignissen in Archangelsk war er mit ihr, Pino Tak und Tim Axelrod von der Promet-Besatzung eng befreundet.

„Ein offenes Wort unter Freunden, Enders. Bist du dir ganz sicher, was Nicole betrifft?“, fragte Vivien, als sie von Enders Plan erfuhr. „Du weißt inzwischen schon, was sie alles in der Vergangenheit angerichtet hat, um bei der HTO an geheime Informationen zu gelangen.“

Trotz der eisigen Kälte war Nicole Sanders für ein paar Stunden in Yellowstone unterwegs. Sie hasste es, sich zu lange in geschlossenen Räumen aufzuhalten und brauchte ab und zu ihre einsamen Spaziergänge. Wenn es allerdings, so wie heute, die Temperaturen nicht zuließen, taten es ersatzweise einsame Gleiterflüge in und um Yellowknife. Dabei, so sagte sie stets, konnte sie über sich und Vergangenes nachdenken. Denn noch immer hatte sie nur wenige eigene Erinnerungen an ihr früheres Leben als Spionin der Space Rocket Company.

„Sicher“, gab der Privatdetektiv zu. „Aber ich lebe mit ihr viele Monate zusammen und weiß recht gut, wie sie jetzt tickt. Durch ihren Gleiterabsturz hat sie sich verändert. Sie ist nicht mehr die, die sie war, als sie für Dex Coleman spioniert hat. Glaube es mir, Vivy.“

Payntor war überzeugend. Außerdem hatte Vivien die Frau in Mexiko erlebt und war selbst überrascht gewesen. Insgeheim musste sie zugeben, dass Nicole Sanders durchaus eine positive Ausstrahlung besaß. „Was kann ich für euch tun?“, fragte sie schließlich.

„Im Ultranet habe ich gelesen, dass auf Riddle eine große Silvesterparty steigen wird. Das wäre der ideale Ort für meinen Heiratsantrag, glaube ich“, berichtete Enders. „Allerdings soll die Feier seit Monaten ausgebucht sein, einschließlich sämtlicher Flüge dorthin. Du hast doch Verbindungen, Vivy. Kannst du irgendwas für uns arrangieren, damit wir hinüberfliegen und teilnehmen können?“

Vivien schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, mein Lieber. Du wirst dir etwas anderes einfallen lassen müssen, um deiner Nicole einen Antrag zu machen. Ich habe gerade am letzten Donnerstag mit dem Chef der HTO-Basis auf Riddle gesprochen. Ron Danton organisiert das Ganze und hat deshalb den Überblick. Alle Flüge sind vergeben. Er hat mir erzählt, dass die Feier sogar ausverkauft wäre, wenn man sie hätte fünfmal so groß planen können. So viele Anfragen hatten sie. Da läuft jetzt nichts mehr.“

„Vielleicht doch“, kam eine bekannte Stimme aus dem Hintergrund, ein grinsender Tim Axelrod schob sein Gesicht ins Bild.

„Hallo Tim“, grüßte Payntor und grinste den Freund ebenfalls an. Immer wieder versuchten Vivien und Tim, überall das Bild von Wir sind nur gute Kollegen abzugeben, was ihnen zumindest an Bord der Promet II inzwischen niemand mehr glaubte.

„Hallo Enders. Ich habe mitgehört und erinnere mich, dass die Crew der Japetus in mehreren Schüben Passagiere zur Feier nach Riddle und zurück fliegen wird. Zu ziemlichen Wucherpreisen, versteht sich. Nicht nur für die Japetus ein sehr einträgliches Geschäft, sondern für alle, die Flüge angeboten haben. Ich versuche mal, Big Joe zu erreichen.“

„Japetus? Big Joe?“, fragte Enders. Weder das Raumschiff noch die genannte Person sagten ihm etwas. „Kenne ich die?“

„Wir hatten mit ihnen und ihrem Prospektorenraumer schon mehrfach das Vergnügen, als es um die Rettungsaktionen auf Negor ging. Es war immer richtig spaßig, besonders in Joe‘s Inn. Mit Jane, Al und Big Joe werdet ihr zwei euch garantiert bestens verstehen, wenn das mit dem Flug klappt“, versprach Vivien. „Wird kein billiger Spaß für dich werden, aber es trifft ja keinen Armen.“

Während Axelrod im Hintergrund Kontakt mit Jane Grigson aufnahm, erzählte Vivien einiges über die ­Japetus, die Mannschaft und ihre Erlebnisse, wobei sie dabei mehrfach Bilder und Videos einspielte. Was er sah, gefiel Enders. Insbesondere die Aufnahmen von Big Joes Western-Saloon an Bord des Raumschiffes, der ganz nach Enders Geschmack war.

Im Gegenzug wollte Vivien den Verlobungsring sehen. Enders hielt ihn in vor die Aufnahmeoptik seiner Com, und er gefiel Vivy ausgesprochen gut. Trotzdem konnte sie es sich nicht verkneifen, sofort lautstark zu betonen, dass sie für so etwas nicht sonderlich empfänglich sei. Das war eindeutig am Tims Adresse gerichtet, der gerade wieder mit einer freudigen Botschaft ins Bild rückte.

„Heute ist dein Glückstag, Herr Detektiv“, verkündete er. „Sie haben übermorgen tatsächlich gerade wieder zwei Plätze an Bord frei. Eigentlich sind sie mit achtzehn Passagieren schon mehr als überbucht, aber ein befreundetes Paar von ihnen hat vor zwei Tagen abgesagt. Allerdings kann euch Big Joe für Hin- und Rückflug nur noch Plätze direkt an der Theke seines Saloons anbieten. Unter uns: Besser könnt ihr es gar nicht treffen. Am liebsten würde ich mitkommen.“

Vivien knuffte Tim in die Seite. „Nichts da! Wir beide feiern gemeinsam in Sydney. Die riesige Holo-Show im Hafen will ich einmal im Leben mitmachen. Und zwar mit dir. Wenn wir schon nicht mit den anderen an Bord der Promet zurück nach Baranad fliegen, lassen wir uns das nicht entgehen. Wir zwei haben gleich nach Neujahr einen Forschungsflug mit dem neuen HTO-Superflieger nach Okan vor uns. Da brauche ich vorher noch ein bisschen Spaß.“

„Jedenfalls wird sich die Mannschaft der Japetus umgehend bei dir melden, Enders. Durch die Absage des anderen Paares haben sie sogar eine Unterkunft in Alpha-City und zwei Eintrittscodes für die Feier für euch. Kann ich den Ring auch mal sehen?“

„Wage es ja nicht, mein Freund, mit so einem Teil bei mir aufzukreuzen“, drohte Vivien.

Payntor drängte jetzt zur Eile, weil seine Com anzeigte, dass ihn ein anderer Teilnehmer sprechen wollte. „Ich glaube, euer Kontakt von der Japetus meldet sich bereits. Ich berichte, ob es funktioniert. Falls ja, habt ihr etwas gut bei mir. Und kein Wort zu Nicole.“

„Ehrensache!“, versicherten Vivien und Tim unisono.

Kurz darauf machte Enders Payntor mit der Japetus-Crew die Reise nach Riddle perfekt.

*

System Alpha Centauri, Planet Riddle, 22.12.2092

Die Hologrammanzeige in dem Gebäude, das seit Monaten am Raumhafen von Alpha City für Einreisen genutzt wurde, meldete noch immer blinkend die Ankunft des Prospektorenschiffs Japetus. Es war schon vor mehr als einer halben Stunde gelandet und fast alle Passagiere hatten das Schiff bereits verlassen und die Personen­kontrolle passiert.

Daniel Dedier tat am Terminal der Einreiseregistrierung an drei Tagen in der Woche seinen Dienst für die Terra States. An den beiden anderen Tage war er bei der Ausreise-Kontrolle tätig, was geringeren Aufwand bedeutete, weil es weniger Abfliegende als Ankommende gab. Das fiel besonders kurz vor den Feiertagen auf, wo nicht nur Familienangehörige der Siedler eintrafen, um das Weihnachtsfest gemeinsam mit ihren Angehörigen zu verbringen, sondern zusätzlich viele Touristen, die den Jahreswechsel mal auf einem anderen Planeten erleben wollten. Für viele von ihnen war dies der erste Weltraumflug ihres Lebens. Demzufolge litten diese Passagiere meist stark an den kurzfristigen gesundheitlichen Nachwirkungen des Parakon-Durchgangs. Unabhängig davon, wie die Passagiere dieses Erlebnis körperlich verkrafteten, mussten alle, die auf Riddle landeten, heute die Sicherheitskontrolle bei Daniel Dedier über sich ergehen lassen. Dabei wusste fast niemand auf Riddle, dass Daniel Dedier nicht sein wirklicher Name war, obwohl er vor fast siebzehn Monaten diesen peniblen Identitätscheck selbst durchlaufen hatte. Er war damals zusammen mit einem anderen Mann, der angeblich ebenfalls bei den Terra States beschäftigt war, an Bord der POL-A3 bei deren Überführungsflug nach Riddle gekommen. Es hatte einigen Wirbel gegeben, weil ihre Einreisegenehmigungen nicht vollständig waren. Daniel konnte sich sehr gut an die bangen Minuten erinnern, weil er fürchtete, die falschen Identitäten von ihm und seinem russischen Begleiter könnten auffliegen. Es war ihnen damals trotzdem gelungen, als vermeintlich Bedienstete der Terra States auf Riddle einzureisen. Danach hatte sich niemand mehr für ihre gefälschten Papiere interessiert.

Als letzte verließen die Besatzungsmitglieder der ­Japetus ihr Schiff. Aber es waren nicht nur die angekündigten drei, sondern fünf Personen, die auf dem Laufband eng bei einander standen und lautstark lachend und gestikulierend die Aufmerksamkeit aller Anwesenden in der Ankunftshalle auf sich zogen.

Als die Gruppe vor Dediers Terminal erschien, reagierte der recht ungehalten. „Geht es vielleicht auch etwas leiser?“, herrschte er den Mann in Cowboy-­Kleidung an, der ihm am nächsten stand und besonders viel gute Laune versprühte.

„Wir sind nicht hier, um leise zu sein, Herr Beamter. Wir sind hier, um zu feiern“, erklärte ihm der Cowboy lallend.

Die anderen beiden Besatzungsmitglieder redeten auf ihren Kameraden beruhigend ein, den sie Big Joe nannten und der im Gegensatz zu ihnen nicht mehr ganz nüchtern war. Die Situation entschärfte sich, als sich die zwei Passagiere um den Betrunkenen kümmerten.

Dedier bemühte sich um eine schnelle Abfertigung des Fünfergespanns, damit die Situation nicht eskalierte. Doch als er den Identifikations-Chip der vierten Person erfasste, stockte er.

„Stimmt etwas nicht?“, fragte der Passagier der ­Japetus.

Er ist es, er ist es wirklich, schoss es Daniel Dedier durch den Kopf, als er die Stimme wiedererkannte. Nur mit Haaren und Bart. Es ist Enders Payntor! „Alles in Ordnung, Sir.“ Schnell drückte Dedier die Bestätigungstaste für die Einreisedaten und gab den ID-Chip wieder an Enders Payntor.