Raumschiff Promet - Von Stern zu Stern 42: Auf der Suche nach Moran - Gerd Lange - E-Book

Raumschiff Promet - Von Stern zu Stern 42: Auf der Suche nach Moran E-Book

Gerd Lange

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Beschreibung

Auf der Suche nach dem Exilplaneten der Urbevölkerung von Riddle findet die Promet-Crew zwei Raumschiffwracks mit Leichen insektoider Raumfahrer. Dies führt sie auf die Spur einer Tragödie um Unterdrückung und Krieg, die bis zu den Andorern reicht.Die vor einem Jahr geflüchteten Anführer der Terror-Gruppe Terra den Terranern haben sich auf dem Planeten Trilunae eingerichtet. Dort wird Jerome Lefuet Zeuge der Landung eines Großraumschiffes mit Robot-Kämpfern des Orff. Er und Durgent geraten in Lebensgefahr.

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Gerd LangeAUF DER SUCHE NACH MORAN

In dieser Reihe bisher erschienen

5001 Christian Montillon Aufbruch

5002 Oliver Müller Sprung ins Ungewisse

5003 Vanessa Busse Dunkle Energie

5004 Vanessa Busse Angriff aus dem Nichts

5005 Oliver Müller Gefangene der Doppelsonne

5006 Achim Mehnert Das Vermächtnis der Moraner

5007 Rainer Schorm Jedermanns Feind

5008 H. W. Stein & Oliver Müller Die Sklavenwelt

5009 Achim Mehnert Todesdrohung Schwarzer Raumer

5010 Vanessa Busse Entscheidung Risiko

5011 Ben B. Black Zegastos Kinder

5012 Michael Edelbrock Fremde Seelen

5013 Achim Mehnert Böser Zwilling

5014 Achim Mehnert Sternentod

5015 Achim Mehnert Das Ende der Promet

5016 Achim Mehnert Tötet Harry T. Orell!

5017 Achim Mehnert Das galaktische Archiv

5018 H. W. Stein Der Tod und das Leben

5019 Achim Mehnert Die Delegation

5020 Achim Mehnert Das Attentat

5021 Achim Mehnert Flucht aus der Terrorstadt

5022 Achim Mehnert Die Tragödie von Gij

5023 Gerd Lange Das fremde Ich

5024 Andreas Zwengel Geheimwaffe Psychomat

5025 Andreas Zwengel Im Bann der roten Sonne

5026 Andreas Zwengel Das Schiff der S-herer

5027 Gerd Lange Das Eindenker-Tribunal

5028 Andreas Zwengel Der Bote des Todes

5029 Gerd Lange & Andreas Zwengel Alarm im Solsystem

5030 Andreas Zwengel Negor in Not

5031 Andreas Zwengel Im Reich des Orff

5032 Andreas Zwengel Orffs Sonnenreigen

5033 Andreas Zwengel Der falsche Orff

5034 Andreas Zwengel Entscheidung auf Baranad

5035 Gerd Lange Im Licht der drei Monde

5036 Andreas Zwengel Planet der Bestien

5037 Andreas Zwengel Mysteriöse Vergangenheiten

5038 Andreas Zwengel Wächter des Schwarzen Imperiums

5039 Andreas Zwengel Der Raub der Moranerin

5040 Andreas Zwengel Transition ins Gestern

5041 Andreas Zwengel Überfall auf Wasp

5042 Gerd Lange Auf der Suche nach Moran

5043 Gerd Lange Ximenas Martyrium

Gerd Lange

Auf der Suche nach Moran

RAUMSCHIFF PROMETBand 42

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Gerd LangeExposé: Gerd LangeTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiLogo: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-602-6

Ebene 16: Die Hydroponik-Felder, Parzelle 436, Datum: 53.212:012,87

Die ersten 20 der über die Halle gleichmäßig verteilten 200 Lichtreihen warfen ein diffuses Licht auf die in ihren Nährflüssigkeiten ruhenden Brurrach-Pflanzen. Erst um die Mittagszeit stand die Parzelle stets in vollem Licht. Über allem lag noch die dünne weiße Wolkenwand der Streudüsen, die in der Nachtphase die Parzelle bewässert hatten. Nur langsam senkte sich der Sprühnebel auf die Reihen der 200 Pflanzenkübel der Parzelle.

Mit Stolz nahm Ras Gorin zur Kenntnis, dass die ersten Setzlinge begannen, bereits Ansätze von Ähren auszubilden. Auch in diesem Zyklus erneut wieder etwas früher als in dem Zyklus zuvor. Ras war sich sicher, dass der alte Yann mit seiner Arbeit zufrieden war, wenn er ihm dies beim Frühstück berichtete.

Eine Weile stand Ras auf dem schmalen Weg zwischen den Brurrach-Reihen und sah zu, wie sich die Pflanzen mit schlängelnden Bewegungen den herabsinkenden Wassertropfen entgegenreckten. Schließlich stieß er sich mit den Füßen vom Boden ab und kehrte mit leicht hüpfenden Bewegungen langsam zum Farmhaus am Rande der Parzelle zurück. Dabei griffen seine Hände geschickt in die Haltegriffe an den Kübeln, um sich mit seinen kräftigen Armen zusätzlich etwas Schwung zu geben. Denn aufgrund der Wölbung des Bodens betrug der Höhenunterschied von seinem ursprünglichen Standort am tiefsten Punkt des Feldes bis zur Eingangstür des Hauses rund 42,3 Trudas.

Noch hatte er genügend Zeit, um das Frühstück vorzubereiten.

Je näher er dem eingeschossigen Wohngebäude kam, umso deutlicher wurde die Sicht in der zum Rande der Parzelle dünner werdenden Nebelwand. Als planmäßig die nächsten zwanzig Lichtreihen aufleuchteten, sah er es ganz deutlich: Die Eingangstür des Hauses stand eigenartigerweise offen.

Ras war sich sicher, sie geschlossen zu haben, als er sich auf den Weg gemacht hatte. Seine Schwester schlief garantiert noch so früh am Morgen. Und der alte Yann war wegen seiner Lähmung nicht in der Lage, die Tür zu öffnen. Da stimmt etwas nicht, dachte Ras. Panik ergriff den jungen Mann und er beschleunigte sein Hüpfen.

Dann hörte er sie, die Schreie seiner kleinen Schwester aus dem Inneren des Hauses. Immer lauter wurden sie und steigerten sich zu einem angsterfüllten Kreischen. Schließlich schrie Terihi nur noch verzweifelt seinen Namen.

Doch plötzlich war alles still. Sollte das Schicksal Terihi und ihn noch einmal so grausam treffen, wie damals kurz nach dem tödlichen Unfall des Vaters, als ihre Mutter verschwunden war? Immer schneller wurde er, setzte nun seine ganze Kraft ein, um voranzukommen.

Im Dunkeln sah er eine Bewegung an der geöffneten Eingangspforte. Nacheinander erschienen fünf Waponecs in voller Kampfmontur. Ras fiel auf, dass der mittlere der fünf sich etwas über die Schulter geworfen hatte. Breit grinsend entblößte der Kämpfer ein lückenhaftes Gebiss und streckte ihm frech die Zunge entgegen. Während alle Eindringlinge langsam mit aktivierten Flugdüsen in die Höhe stiegen, erkannte Ras, was das Bündel auf der Schulter des Kämpfers war. Es war eindeutig seine Schwester, die sie entführen wollten wie ihre Mutter vor sieben Gör. Genauso wie viele andere weibliche Heranwachsende und Frauen zuvor und auch danach. Ob Terihi nur betäubt oder tot war, konnte der junge Faunec aus der Entfernung nicht erkennen.

Die hinteren beiden Waponecs drehten sich im Flug und setzten mit ihren Flammenstöcken das Wohnhaus in Brand. Dessen Mikromol-Wände fingen sofort Feuer. Schwarzer Rauch stieg auf und vermischte sich mit den restlichen Nebelschwaden.

„Nein!“, rief Ras Gorin entsetzt und sein Schrei hallte durch das Rund der Parzelle. Die beiden vorderen Angreifer blickten zu ihm hinüber und schickten ohne zu zögern zwei Feuerwalzen in seine Richtung.

Beide Feuerspuren fraßen sich mit irrsinniger Geschwindigkeit quer durch die Reihen der ­Pflanzen­kübel auf ihn zu. In einem Reflex ging Ras blitzschnell in die Hocke, um mit aller Wucht seine nackten Füße vom Boden abzustoßen. Sein Körper schnellte in die Höhe, als rechts und links unter ihm zwei immer breiter werdende Feuerstreifen die Pflanzen entzündeten. Dabei wirkten die Nährflüssigkeiten der Setzlinge wie Brand­beschleuniger. Schnell vereinigten sich beide Feuer­bahnen am Boden zu einer brennenden Fläche, während Ras in der Halle immer höher stieg. Auch wenn die ­Ziehkraft auf Ebene 16 nicht besonders kräftig war, bremste sie seinen Aufstieg immer mehr.

Es reichte gerade noch, um mit der letzten aufwärts führenden Drift die Zuleitungen der Beregnungsanlage zu erreichen. Ras ergriff eines der dünnen Rohre, um sich daran festzuhalten. Im Gegensatz zu der Hitze, die ihm von dem flammenden Boden entgegenschlug, war das Rohr eiskalt. Er musste sich beherrschen, es nicht sofort wieder loszulassen. Doch auch diesen Schreckmoment überstand er.

Sekundenbruchteile später setzte das Notprogramm ein. Die als Bewässerungssystem konzipierte Anlage begann aus allen Rohren mit dem massiven Lösch­vorgang. Innerhalb kürzester Zeit waren die Feuer unter Kontrolle, die Rauchentwicklung ging ebenfalls schnell zurück und auch die Temperaturen sanken auf ein erträgliches Maß.

Ein Blick nach unten signalisierte Ras Gorin, dass von dem Feuer keine Gefahr mehr drohte. Stattdessen boten die Felder ein totales Chaos aus verkohlten Pflanzen- und Kübelresten, die in einer schmutzig-grauen Mischung aus Löschwasser, Ruß und undefinierbarem Schmutz schwammen. Vereinzelt trieben auf der Flüssigkeit kleine Feuernester herum, die von irgendwoher noch genügend Nahrung fanden, rußende Flammen zu entwickeln.

Da ihn die Kraft verließ, musste Ras das Rohr loslassen, das ihn gerettet hatte. Sein völlig verschmutzter und vom Schweiß und Löschwasser nasser Körper sank langsam dem Boden entgegen. Viele der Beleuchtungen und Verkleidungen aus Mikromol hatten unter dem Feuer gelitten. Deshalb schwebte überall um ihn herum weiterer Unrat zu Boden, der sich permanent von der Decke löste. Aus vielen defekten Stellen der Rohrleitungen sprühte Wasser herab. Knöcheltief war die Brühe, in der er schließlich am Boden landete.

Mit weiten Sprüngen nutzte Ras die aus dem Wasser ragenden Kanten der Pflanzenkübel, die durch das Feuer stark verformt waren, um sich in Richtung des Farm­hauses zu bewegen.

Als er es schließlich erreichte, war es bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Von den Waponecs und seiner Schwester war weit und breit nichts mehr zu sehen. Außer den Spuren der Verwüstung, die sie hinterlassen hatten. Viel blieb nicht übrig in den zerschmolzenen Überresten aus Wänden, Möbeln und Hausrat.

In einer Ecke fand Ras die verkohle Leiche des alten Faunecs Yann. Lange stand er vor dem Toten und die Gefühle übermannten Ras. Yann war der Einzige gewesen, der Terihi und ihn aufgenommen hatte, als die Waponecs nach dem Tod des Vaters die Farm ihrer Eltern geplündert und seine Mutter mitgenommen hatten. Von dem damals schon alten und kranken Mann hatte Ras in den folgenden Gör alles über Farmwirtschaft und Pflanzenaufzucht gelernt. Schnell war Yann den beiden Obdachlosen nicht nur ein Retter in der Not, sondern auch ein guter Freund geworden. Als Yanns Lähmung weiter fortschritt und ihn seine Kräfte völlig verließen, hatte Ras vor drei Gör begonnen, die Parzelle allein zu bewirtschaften, während seine Schwester tagsüber den Alten betreute. Nun war Yann tot und seine Schwester, ebenso wie seine Mutter, nicht mehr da. Noch nie war eine der verschollenen Frauen, die die Waponecs auf ihren Beutegängen entführt hatten, irgendwo wieder aufgetaucht.

Vor dem toten Yann kniete Ras Gorin nieder und flüsterte: „Diesmal nicht. Diesmal kommen sie nicht davon. Ich habe nichts mehr zu verlieren. Ich muss mir Verbündete suchen, hier bei den anderen Faunecs und bei den Florecs in der nächsten Ebene. Wir werden losziehen und die Waponecs suchen. Wenn wir sie finden, werden wir Terihi und alle anderen entführten Frauen befreien. Und die Verwüstung deiner Parzelle rächen. Und deinen Tod, mein guter Freund. Das verspreche ich dir.“

*

Terra, Helvetische Konföderation, Genf, 05.04.2094

Die Astro-Universität auf dem erweiterten Gelände des Genfer Observatoriums lag idyllisch an einem kleinen Waldgebiet. Der Genfer See war keine zwei Kilometer entfernt.

„Mal abgesehen vom Wetter hätte sich Shalyn keinen besseren Ort für ihr Studium auswählen können!“, rief Jörn Callaghan und blickte sich um, als die sechs Personen die Röhrenbahnstation verließen.

In aller Eile legten sie den kurzen Fußweg von der Bahnstation zum Universitätsgebäude zurück. Ein leichter Niesel­regen hatte eingesetzt und der Wind und ­Temperaturen um die 12 Grad waren für die Reisenden aus Kanada nicht gerade angenehm.

Die Eltern der jungen Moranerin hatten sich einen Tag zuvor von Yellowknife aus nach Genf begeben, um ihrer Tochter zum heutigen 17. Geburtstag zu gratulieren. Ebenso kurzentschlossen hatten sich Arn und Junici Borul sowie Peet Orell und Jörn ­Callaghan ihnen angeschlossen, denn der Start des nächsten Fluges der Promet II war erst in vier Tagen geplant. Also genügend Zeit, um einen Kurztrip nach Genf zu unternehmen.

Nach den alten Bräuchen ihres Volkes traten jugend­liche Moraner frühestens mit Vollendung des 17. Lebensjahres in die Gemeinschaft der Erwachsenen ein. Ein Ritual, das sich Kriansa Dorr nannte. Allerdings war es zu Zeiten des Exils in den Bergen des Paily-Massivs des zerstörten Planeten Moran fast völlig verschwunden.

„Ja“, stimmte Junici zu. „Aber zielstrebig, wie Shalyn ist, wird sie sich bestimmt so auf das Lernen konzentrieren, dass sie sich dessen gar nicht bewusst ist.“

„Wenn ihr euch da mal nicht irrt“, antwortete Jörn, ließ aber bewusst offen, wie er das meinte. Schließlich hatte er die Jubilarin bei dem gemeinsamen Flug mit der ­Promet vor rund fünfzehn Monaten durchaus auch anders kennengelernt.1

Geführt vom Leitsystem ihrer Coms, betraten sie schließlich die Mensa der Universität. Jetzt, um die Mittags­zeit, herrschte hier ein turbulentes Treiben. ­Studenten eilten zwischen den gut besetzten Tischreihen mit vollen und leeren Tabletts hin und her und an den Essensautomaten und der Geschirrrückgabe bildeten sich teils recht lange Warteschlangen.

Die sechs Reisenden besorgten sich Erfrischungsgetränke und besetzten eine der wenigen noch freien Fensternischen, die Liam Shan sofort mit typisch moranischem Dekor schmückte, den sie schon vor Monaten extra von Suuk hatte einfliegen lassen.

„Nach terranischen Maßstäben ist das echt schlimmster Kitsch, das weißt du?“, kommentierte Jörn ­Callaghan die Bestrebungen von Shalyns Mutter, ein plastisches Hologramm in Form eines schwebenden hühnerähnlichen Vogels in Gang zu setzen, das über ihren Köpfen kreiste und ständig moranische Spruchbänder aus Schnabel und Allerwertestem in die Luft schrieb.

„Zum Glück können wir nicht lesen, was das Vieh dort fabriziert“, meinte Peet.

„Ja, seid froh.“ Arn verdrehte seine grünen Augen.

Neben ihm lachte Junici laut auf über einen holografischen Spruch, der vor ihr bis in Augenhöhe herunter­segelte und sich schnell auflöste.

Trotz der recht gut gefüllten Mensa bemerkten sie sofort, als Shalyn den Speisesaal betrat, denn um sie herum folgte ihr ein knappes Dutzend Studenten. Sie hingen förmlich an ihren Lippen. Die Moranerin dozierte darüber, dass einiges am Inhalt der letzten Vorlesung ­wissenschaftlich nicht haltbar sei und dringend einer Korrektur bedurfte.

Erst als die sechs Angereisten aufstanden und das Pseudohuhn über ihnen einen laut quietschenden Schrei ausstieß, bemerkte Shalyn ihre Eltern und die weiteren Geburtstagsgäste. Sie beendete den Monolog mit ihren Kommilitonen und kam herüber.

Anstatt weiteren Spruchbändern produzierte das Pseudo­huhn virtuell über ihren Köpfen Konfetti und Luftschlangen. Die Leute in der direkten Umgebung blieben kurz stehen und fielen in Jörns und Peets Happy-Birthday-Gesang mit ein. Danach stimmten die vier Moraner einen moranischen Glückwunschruf an, der mit den beiden Worten Kriansa Dorr endete.

„Ihr seid alle völlig verrückt“, rief Shalyn. „Was ist das denn für ein trashiges terranisches Flugtier?“

Während sich die Umstehenden nach und nach wieder ihren eigentlichen Tätigkeiten zuwandten, begrüßte sie sichtlich gerührt ihre Eltern und die vier Promet-Freunde.

„Freut mich sehr, dass du auch da bist“, flüsterte sie Jörn zu, als sie ihn umarmte.

Dies dauerte bei ihm allerdings etwas länger als bei den anderen. Jörn entging das nicht. Als sie ihn wieder losließ, antwortete er nur: „Ganz meinerseits.“

„Das ist in Wirklichkeit kein terranisches Flugtier, meine liebe Tochter“, sagte Dromm Shan, „sondern ein moranischer Bripa. Thosro Ghinu hat das eigens für dein Kriansa Dorr auf Suuk anfertigen lassen. Er kannte echte Bripas noch aus eigener Anschauung.“

„Ich auch. Ich glaube, ich habe welche gesehen, als ich mit dem Transmitter der Galakter auf Moran im Jahre 1908 landete“, erinnerte sich Junici.2

„Solche Spaßhologramme gab es früher auf Moran immer zu solchen besonderen Anlässen. Daran hat sich Thosro erinnert und es speziell für dich entworfen“, berichtete Liam.

„Es ist mir völlig entgangen, dass er inzwischen einen so skurrilen Humor entwickelt hat. Was bedeutet dieses Kriansa Dorr genau?“, fragte Shalyn Shan, als sich alle gesetzt hatten.

Ihr Vater erklärte es ihr. „Vor deiner Geburt, zu den Zeiten, als das Leben auf Moran noch in geregelten Bahnen verlief, hatten wir Moraner die unterschiedlichsten ­Ritua­le. Dazu gehörte es auch, dass Heranwachsende in die Gemeinschaft der Erwachsenen aufgenommen wurden, wenn sie die entsprechende Reife besaßen. Frühestens war dies möglich, wenn sie ihren siebzehnten Geburtstag erreichten.“

„Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern. Im Low war das nach dem Angriff der Schwarzen Raumer nicht mehr so?“, fragte Shalyn.

„Leider nicht“, antwortete Liam Shan. „Einer der Gründe dafür war die geringe Geburtenrate nach dem Angriff. Doch es gibt sie noch, die Frauen und Männer, die mittlerweile solche Kulte und Bräuche wiederbeleben möchten. Dein Vater und ich gehören dazu. Und auch Thosro Ghinu.“

„Dabei war gerade er es, der das Kriansa Dorr abgeschafft hatte“, erinnerte sich Dromm.

„Bei uns Menschen gibt es etwas ganz Ähnliches, wir nennen es Volljährigkeit. Es tritt automatisch bei Erreichen eines bestimmten Alters ein“, sagte Peet. Er und Jörn hatten von diesen Vorbereitungen der Moraner für den heutigen Tag nicht das Geringste mitbekommen.

„Auf Moran war dies damals anders. Hier musste eine gewisse Reife durch bestimmte Tests nachgewiesen werden“, erzählte Shalyns Mutter. „Und diese Tests konnten die Jugendlichen, wie ihr sie nennt, erst kurz vor dem Geburtstag machen.“

Amüsiert lachte Shalyn auf. „Mich hat niemand getestet, das wäre mir aufgefallen.“

„Irrtum“, korrigierte Dromm seine Tochter. „Du hast für dieses Semester Anfang Februar einen Eignungstest absolviert, den dir dein Mentor ausgehändigt hat.“

„Professor Bosser wollte sehen, ob ich eine bestimmte Förderung erhalten kann, aber das hatte doch nichts mit …“ Shalyn hielt inne, als ihr klar wurde, was der eigentliche Grund dafür gewesen war. „Und ich habe mich gewundert, weshalb ich bisher nicht erfahren habe, wie das Ergebnis ausgefallen ist.“

„Jetzt weißt du’s“, antwortete Junici.

„Bosser steckt also mit euch unter einer Decke“, stellte ­Shalyn fest und lachte. „Das hätte ich ihm gar nicht zugetraut.“

„Was macht er?“, rief Liam entrüstet.

Peet lachte laut auf. „Nicht, was du denkst, Liam. Das ist eine terranische Redewendung.“

„Es bedeutet so viel wie Gemeinsame Sache machen“, erklärte ihr Jörn.

„Ihr Menschen mit euren unsinnigen Redensarten“, antwortete Liam und wandte sich an ihren Mann. „Stecken wir auch unter einer Decke?“

„Manchmal schon“, gestand der mit einem Grinsen.

„Natürlich hast du den Test wie erwartet mit einem Top-Ergebnis bestanden, Shalyn“, kam Arn auf das eigent­liche Thema zurück. „Vor drei Monaten haben wir zusammen mit Thosro Ghinu die Fragen entworfen. Er wusste noch ganz genau, wie diese Reifeprüfung auf Moran vor dem Überfall der Schwarzen Raumer ablief.“

„Lasst uns auf Shalyns Geburtstag und ihre bestandene Reifeprüfung anstoßen!“, rief Peet Orell und alle erhoben sich und prosteten der Studentin zu. Sie stießen mit dem aktuellen Modegetränk an, das sich Berrytoc nannte.

„An mein Kriansa Dorr kann ich mich nicht mehr erinnern“, verriet Junici, als sie wieder saßen. „Ich glaube, das gab es da schon nicht mehr.“

„Konnte es auch nicht. Es gab im Low bei vielen Personen keine gesicherten Unterlagen über ihr genaues Geburtsdatum. Außerdem hatten die Moraner in den Höhlen andere Probleme als Tests für ein Kriansa Dorr durchzuführen.“

„Du hattest es demnach auch nicht, Arn?“, fragte Jörn.

„Vielleicht doch. Ich habe gestern mal nachgerechnet. Es kann der Tag gewesen sein, als Thosro Ghino mir zum ersten Mal die historische Sternenkarte zeigte, auf der die genaue Position von Shedo verzeichnet war. Dann hat er mir die Tira gezeigt und mir erstmals mitgeteilt, dass er mich dazu bestimmt hatte, mit diesem Schiff nach Shedo zu fliegen.“3

„Das passt zu Thosro“, bestätigte Shalyn. „Ich war auf Suuk sehr oft mit ihm zusammen, als er mir die Grundregeln des Berserk beibrachte. Er ist streng und willensstark, wenn es darum geht, etwas durchzusetzen oder zu vermitteln. Es sieht ihm ähnlich, deine dir zugedachte Aufgabe über lange Zeit hinweg geplant zu haben, um sie an einem solchen Tag mitzuteilen. Frage ihn das nächste Mal, wenn du ihn triffst, ob das wirklich dein siebzehnter Geburtstag war.“

„Werde ich machen, Shalyn“, antwortete Arn.

Vier von Shalyns Kommilitonen, die Peet, Arn und Junici erkannten, wagten sich mit zögernden Schritten an den Tisch und baten um Autogramme. Jörn fragten sie allerdings nicht. Da das über ihren Köpfen kreisende Pseudohuhn deutlich an Energie verloren hatte, nutzte er mit enttäuschter Miene den Moment, die drei­dimensionale Installation abzuschalten.

Als die Studenten wieder gegangen waren, konnte ­Shalyn nicht umhin, den so deutlich Verschmähten etwas aufzuziehen. „Du hast dich eben sehr tapfer gehalten. Wen wahre Größe auszeichnet, lieber Jörn, der zieht sich auf seine inneren Werte zurück und leidet still.“

„Lästere nur! Ich brauche jetzt Trost, außerdem vermisse ich meine Pfeife, die steckt irgendwo im Hand­gepäck“, brummelte Jörn. „Mit der hätte man mich garantiert erkannt.“

„Geh sie schnell holen, zünde sie an und komm nochmal durch die Tür“, schlug Peet vor.

„Du meinst wirklich, mit Pfeife erkennen sie mich?“

„Das wahrscheinlich nicht. Aber du erregst Aufmerksamkeit durch den Feueralarm, den du auslöst“, antwortete Shalyn schlagfertig.

„Lasst uns nochmals auf Shalyns heutigen Ehrentag anstoßen“, schlug Liam vor und brachte mit einer kurzen Rede und viel Stolz in der Stimme einen Toast auf ihre Tochter aus.

„Gibt es auch Geschenke? Oder muss ich die mir als erwachsene und selbstbewusste Moranerin ab sofort selbst kaufen?“, fragte Shalyn.

Ihre Eltern überreichten ihr entsprechend den alten Bräuchen einen kostbaren Armreif mit einer Gravur. Shalyn las laut den moranischen Wortlaut vor. Als sie merkte, dass weder Jörn noch Peet dies verstanden, übersetzte sie: „Willst du das Unbekannte erforschen, dann prüfe zuerst, ob dir alles andere bekannt ist.“

„Ein altes moranisches Sprichwort“, ergänzte Dromm Shan. „Auch das hat Thosro Ghinu für dich ausgewählt.“

Shalyn stand auf, bedankte sich voller Freude über das Schmuckstück und streifte es sich über ihr Handgelenk.

Nun waren Arn und Junici mit ihrem Geschenk an der Reihe. Arn berichtete, dass er einen früheren Freund in Genf ausfindig gemacht hatte. Der Moraner Grenn Jakat war bereits damals auf Moran Berserk-Meister gewesen. Der beste, den Arn kannte. Seit drei Monaten betrieb Grenn hier die erste Berserk-Akademie Terras.

Die Helvetische Konföderation war seit ihrem Bestehen für Gastfreundschaft gegenüber Fremden bekannt und deshalb hatten sich viele der auf Terra lebenden Moraner in den letzten zwei Jahren hier angesiedelt. Haupt­sächlich in der Metropole Genf. „Über regen Zulauf konnte sich Meister Grenn Jakat also nicht beklagen“, erzählte Arn.

Junici ergänzte, dass es dort sogar den ersten Berserk-Kurs für Nicht-Moraner gab. Allerdings wurden hierbei nur die einfachsten Grundregeln vermittelt. Denn für die Beherrschung dieser Kampftechnik bedurfte es genetischer Voraussetzungen, die nur Moraner besaßen. So war es beispielsweise Menschen physisch nicht möglich, sich in Kampftrance zu versetzen, eine der grundlegenden Lektionen der moranischen Angriffs- und Verteidigungsphilosophie.