Regency Flowers - Eine Lady von zweifelhaftem Ruf: Rarest Blooms 3 - Madeline Hunter - E-Book
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Regency Flowers - Eine Lady von zweifelhaftem Ruf: Rarest Blooms 3 E-Book

Madeline Hunter

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Beschreibung

Ein skandalöses Arrangement: Die historische Romanze »Regency Flowers – Eine Lady von zweifelhaftem Ruf« von Madeline Hunter als eBook bei dotbooks. London, Anfang des 19. Jahrhunderts: Als die junge Celia ein ansehnliches Stadthaus erbt, kann sie ihr Glück zuerst nicht fassen, wurde sie doch als Lady von zweifelhafter Herkunft von der feinen Gesellschaft bisher stets ausgeschlossen. Nun will sie einen Neuanfang wagen … doch da gibt es einen Haken: es wohnt bereits jemand in ihrem Haus! Jonathan Albrighton ist nicht nur der anmaßende Sohn eines Earls und damit genau die Klasse Mann, der sie aus dem Weg gehen wollte, sein Anspruch auf das Wohnrecht ist auch leider niet- und nagelfest. Zähneknirschend lässt Celia sich auf das ungewöhnliche Arrangement ein – nicht zuletzt, weil sie sicher ist, dass Jonathans Geheimnisse eng mit den Rätseln ihrer eigenen Vergangenheit verknüpft sind. Nun darf sie sich bei ihrer Suche nach der Wahrheit bloß nicht von dem wilden Herzklopfen ablenken lassen, das seine Nähe in ihr weckt! Die Herzen von »Bridgerton«-Fans werden höherschlagen: »Eine brillante Geschichte mit unvergesslichen Figuren und einer sinnlichen Lovestory.« Romantic Times Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der historische Liebesroman »Regency Flowers – Eine Lady von zweifelhaftem Ruf« von Bestseller-Autorin Madeline Hunter; der dritte Band ihrer Regency-Saga, in der alle Romane unabhängig voneinander gelesen werden können. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Über dieses Buch:

London, Anfang des 19. Jahrhunderts: Als die junge Celia ein ansehnliches Stadthaus erbt, kann sie ihr Glück zuerst nicht fassen, wurde sie doch als Lady von zweifelhafter Herkunft von der feinen Gesellschaft bisher stets ausgeschlossen. Nun will sie einen Neuanfang wagen … doch da gibt es einen Haken: es wohnt bereits jemand in ihrem Haus! Jonathan Albrighton ist nicht nur der anmaßende Sohn eines Earls und damit genau die Klasse Mann, der sie aus dem Weg gehen wollte, sein Anspruch auf das Wohnrecht ist auch leider niet- und nagelfest. Zähneknirschend lässt Celia sich auf das ungewöhnliche Arrangement ein – nicht zuletzt, weil sie sicher ist, dass Jonathans Geheimnisse eng mit den Rätseln ihrer eigenen Vergangenheit verknüpft sind. Nun darf sie sich bei ihrer Suche nach der Wahrheit bloß nicht von dem wilden Herzklopfen ablenken lassen, das seine Nähe in ihr weckt!

Die Herzen von »Bridgerton«-Fans werden höherschlagen: »Eine brillante Geschichte mit unvergesslichen Figuren und einer sinnlichen Lovestory.« Romantic Times

Über die Autorin:

Madeline Hunter studierte Kunstgeschichte und arbeitet heute als Lehrerin an einem College. Seit einigen Jahren schreibt sie außerdem mit großem Erfolg historische Liebesromane. Ihre Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt und sind regelmäßig auf den Bestsellerlisten der »New York Times« und »USA Today« vertreten. Bereits zweimal hat sie den begehrten RITA-Award der »Romance Writers of America« gewonnen. Madeline Hunter lebt mit ihrer Familie in Pennsylvania.

Die Autorin im Internet: www.madelinehunter.com

Madeline Hunter veröffentlichte bei dotbooks bereits ihre Romane:

»Regency Flowers – Ein skandalöses Rendezvous«

»Regency Flowers – Die widerspenstige Braut«

***

eBook-Neuausgabe Mai 2021

Die amerikanische Originalausgabe erschien erstmals 2010 unter dem Originaltitel »Sinful in Satin« bei Jove Books, New York. Die deutsche Erstausgabe erschien 2013 unter dem Titel »Eine Lady von zweifelhaftem Ruf« bei LYX.

Copyright © der amerikanischen Originalausgabe 2010 by Madeline Hunter

This edition published by arrangement with Berkley, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC.

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2013 Egmont Verlagsgesellschaften mbH

Copyright © der Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © PeriodImages.com sowie © shutterstock / Eli Yeung / loveaum / manusy /Julia Ardaran / Anna Vershynina

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96655-693-4

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Madeline Hunter

Regency Flowers – Eine Lady von zweifelhaftem Ruf

Roman

Aus dem Amerikanischen von Stephanie Pannen

dotbooks.

Kapitel 1

An dem Begräbnis einer Hure nehmen sicherlich nur wenige Leute teil, ganz gleich, wie berühmt und vornehm die Kunden dieser Hure gewesen sein mögen.

Celia Pennifold war daher über die wenigen Trauernden bei der Beisetzung ihrer Mutter, Alessandra Northrope, nicht überrascht. Es waren hauptsächlich Frauen, herausgeputzt in teuren schwarzen Seidenensembles, die sie am Ende des Tages wieder ablegen würden. Sie alle waren Kurtisanen, wie die Verstorbene selbst, und wussten, dass Alessandra nicht von ihnen erwartet hätte, die Trauerkleidung länger als ein paar Stunden zu tragen. Schließlich gab es Kunden, die ihre Gesellschaft erwarteten.

Es waren auch ein paar Männer anwesend. Weiter hinten drückten sich fünf Jungspunde herum. An ihrem respektlosen Grinsen und der Art, wie sie einander anstießen, konnte Celia erkennen, dass die meisten es als großen Scherz ansahen, hier zu sein. Doch einer schien tatsächlich um die schöne, faszinierende Frau im Sarg zu trauern.

Alessandra hatte neben großzügigen Geschenken häufig auch Liebeserklärungen erhalten. Doch sie war stets freundlich genug gewesen, diesen verliebten Herren zu verschweigen, dass sie nicht mehr das Bedürfnis verspürte, ihre Tätigkeit zu verschleiern.

Das war etwas, was man über diese spezielle Hure mit Bestimmtheit hatte sagen können, dachte Celia. Herzöge mochten ihr Gedichte geschrieben und Bauernburschen ihr Lieder gesungen haben, aber Alessandra Northrope hatte stets genau gewusst, wer und was sie wirklich war.

Wenn sie ihrer Tochter doch nur die gleiche Selbsterkenntnis zugestanden hätte.

»Fünf Kutschen«, flüsterte Daphne ihrer Freundin Celia zu, während der Vikar sein Gebet herunterleierte. »Ich frage mich, um wen es sich handelt.«

Celia hatte die Ankunft der Kutschen ebenfalls bemerkt. Es handelte sich um anonyme Mietkutschen, deren Vorhänge zugezogen waren, um die Insassen vor neugierigen Blicken zu schützen. »Ich nehme an, dass es sich um ehemalige Gönner handelt. Oder derzeitige. Bekannte Männer, die nicht erkannt werden wollen.«

Wenn es sich um ehemalige Gönner handelte, wie lange war es her, dass sie Alessandra besucht hatten? Diese Gedanken lenkten sie von dem Ritual ab, das sich vor ihr abspielte. Sie bemühte sich, nicht zu den dunklen Kutschen zu starren. Sie widerstand dem Drang, hinzugehen und einen Blick hineinzuwerfen, um herauszufinden, wer sich auf diese anonyme Weise von Alessandra verabschieden wollte.

»In der sechsten Kutsche befinden sich jedenfalls keine Gönner«, bemerkte Daphne. »Darin sitzen Audrianna und Verity. Sie sind wegen dir da, Celia, auch wenn sie ihre Gesichter nicht zeigen.«

Celia wusste die Geste ihrer beiden Freundinnen zu schätzen. Da beide vor Kurzem Männer von gutem Stand geheiratet hatten, mussten Audrianna und Verity aufpassen, wie sie sich öffentlich präsentierten. Es würde ihnen sicher schaden, wenn herauskäme, dass sie mit Alessandras Tochter befreundet waren.

Daphne, eine finanziell unabhängige Witwe, musste weder auf einen Ehemann noch auf ihr gesellschaftliches Umfeld Rücksicht nehmen. Und doch zeigte auch Daphne ihr Gesicht nicht vollständig. Von ihrem breitkrempigen Hut hing ein dichter Vorhang aus schwarzer Spitze herab und verhüllte das hellblonde Haar und ihr blasses Gesicht. Daphne hatte darauf bestanden, Celia zu begleiten, obwohl diese ihr davon abgeraten hatte.

Celia blickte erneut auf die fünf anderen Kutschen. Bei zweien entdeckte sie schmale Schlitze in den Vorhängen und bemühte sich, etwas durch die Öffnungen zu erspähen. Doch sie waren zu weit entfernt, und es war zu dunkel darin.

Sanft berührte Daphne Celias Hand und erinnerte sie daran, ihre Gedanken auf die Gebete zu richten. Schuldbewusst wandte Celia sich im Geiste wieder dem gegenwärtigen Moment zu, doch sie konnte sich nicht auf die Worte konzentrieren. Sie ließ Erinnerungen an ihre Mutter vorbeiziehen, einige schön, andere schmerzlich, die ergreifendsten stammten aus den letzten paar Wochen. Alessandras Krankheit hatte sie nach fünf Jahren der Entfremdung wieder vereint. Jeglicher Streit von früher, jeder Groll und jede Verletzung waren während dieser letzten bittersüßen Tage vergessen gewesen. – Außer einer Sache.

Als der Gottesdienst vorüber war und die Frauen davongingen, gestattete Celia es sich, ihre Aufmerksamkeit erneut auf die Kutschen zu lenken. Während diese vorbeirollten, blickte sie jede von ihnen direkt an, sowohl um die Tatsache anzuerkennen, dass der darin verborgene Mann ihrer Mutter die letzte Ehre erwiesen hatte, als auch um seine Präsenz zu erspüren und ihn so vielleicht später erkennen zu können.

»Er war da«, sagte sie zu Daphne, nachdem alle Kutschen fort waren. »Da bin ich mir sicher.«

»Wahrscheinlich war er das.«

»Vielleicht wird er mir schreiben. Möglicherweise wird er sich mir jetzt, wo sie fort ist, offenbaren.«

Daphne hakte sich bei ihr ein und führte Celia fort. »Vielleicht tut er das.«

»Du willst mich nur bei Laune halten. Du glaubst nicht, dass er das tun wird.«

»Da er es bis jetzt nicht getan hat, nein, ich glaube nicht, dass er es noch tun wird.«

Celia legte einen Schritt zu. »Es war grausam von ihr, es mir nicht zu sagen. Ich habe ein Recht darauf zu wissen, wer mein Vater ist, doch sie hat meine Bitte abgewiesen.«

»Ich bin sicher, ihre Entscheidung war nicht leichtfertig, Celia. Vielleicht solltest du akzeptieren, dass sie ihre Gründe dafür hatte. Dass sie es für sich behielt, hat ihr vielleicht dabei geholfen, in Frieden zu gehen.«

Celia blinzelte die Tränen fort. »Ich bin mir sicher, dass sie ihre Gründe dafür hatte, wie für alles andere in ihrem Leben auch. Doch ich kann nicht akzeptieren, dass ich den Namen meines Vaters nun niemals erfahren werde.«

»Es waren natürlich nur Gerüchte. Vage Gerüchte. Ich selbst habe ihnen niemals Glauben geschenkt.«

»Aber andere schon?« Jonathan spähte durch die Schlitze in den Vorhängen. Ein Großteil seiner Gedanken beschäftigte sich mit dem Auftrag, den sein Onkel ihm gerade erteilte, aber ein kleiner Teil davon blieb weiterhin auf das kleine Drama gerichtet, das sich dort draußen neben dem Grab abspielte.

»Einige vielleicht. Es gab keinen Beweis, nur auffällige Muster und Zufälle. Sie machten diejenigen, die an der Macht waren, zu einer ungünstigen Zeit misstrauisch. Daher die jetzige Besorgnis. Und wegen dieser Gerüchte will kein Mann, dass sein Name mit dem dieser Frau während jener Jahre in Verbindung gebracht wird, damit er nicht zu Unrecht in ein schlechtes Licht gerückt wird.

Onkel Edward teilte ihm die nötigen Informationen in einem unaufgeregten Tonfall mit, der demonstrierte, für wie unwichtig er die ganze Angelegenheit hielt. Er hatte außerdem deutlich gemacht, dass er davon ausging, Jonathan würde diesen kleinen Auftrag annehmen, so wie schon so viele andere in den letzten Jahren.

Jonathan schob den Vorhang ein wenig mehr beiseite. Drüben am Grab stand eine Gruppe von Frauen, die alle ganz in Schwarz gekleidet waren. Die meisten von ihnen würde jeder Mann in der Stadt wiedererkennen. Bei einigen handelte es sich um Mätressen mit festen Gönnern, andere waren die begehrtesten Liebesdienerinnen der Stadt, deren Kunden zu den angesehensten und einflussreichsten Familien gehörten. Sie lebten in ihrer eigenen Welt, die den Planeten, auf dem die gute Gesellschaft lebte, wie ein Mond umkreiste und die Männer guter Herkunft mit einiger Regelmäßigkeit besuchten.

Nicht alle dieser Frauen waren berüchtigt. Zwei von ihnen schienen fehl am Platz zu sein. Die eine, groß und schlank, blieb hinter ihrem Schleier, der von ihrem breitkrempigen Hut herunterhing, gänzlich unerkannt. Die andere, die kleiner und blond war, trug überhaupt keinen Hut.

Er kniff die Augen zusammen, um das Gesicht der zweiten Frau besser erkennen zu können. Die Entfernung machte es schwer zu sagen, aber ja, es könnte sich tatsächlich um Celia handeln. War sie als pflichtbewusste Tochter aus reiner Sentimentalität da? Oder als Erbin ihrer Mutter, so, wie Alessandra es geplant hatte? Sie stand aufrecht und stolz am Grab und schien über die Anwesenheit der Freundinnen ihrer Mutter überhaupt nicht beschämt zu sein.

»Und wenn die Gerüchte nun doch stimmen?«, fragte er Edward, ohne den Blick von dem blonden Schopf zu wenden. »Was, wenn ich herausfinde, dass Alessandra tatsächlich vertrauliche Informationen an den Feind weitergegeben hat?«

»Der Krieg ist schon lange vorbei. Deine Aufgabe besteht nicht darin, das zu untersuchen. Finde einfach nur heraus, ob sie irgendwelche Geschäftsbücher hinterlassen hat, mit Namen, die man publik machen könnte. Wenn dir so etwas in die Hände fallen sollte, bring es mir.« Er schenkte Jonathan sein Lächeln, die einzige Wärme und Zuwendung, die der jüngere Mann über die Jahre hinweg von einem seiner Verwandten bekommen hatte.

Endlich schenkte Jonathan seinem Onkel seine ganze Aufmerksamkeit. »Warum ich, wenn es so leicht ist?«

»Du kanntest sie, oder nicht? Du warst mit ihr befreundet?« Edwards Gesicht blieb unbewegt, doch Jonathan kannte den Verstand hinter diesen gleichmäßigen Zügen und dunklen Augen zu gut, um sich täuschen zu lassen.

»Befreundet, ja. Aber sie war nicht meine Geliebte, wenn du das andeuten willst. Ich kenne ihre Geheimnisse nicht. Und ich habe nichts gesehen, was diese Gerüchte bekräftigen würde.«

»Natürlich nicht. Dennoch kannst du dich besser als sonst jemand in ihrer Welt bewegen, da du ihr Freund warst.« Er deutete in Richtung Fenster und auf die Frauen am Grab. Die Bewohner von Alessandras Welt. »Sie werden dir allein schon aus diesem Grund vertrauen. Und auch deswegen, weil die Menschen ohnehin dazu neigen.«

Sein Onkel spielte auf eine seltsame Tatsache an, die Jonathan zu einem Experten darin gemacht hatte, an Informationen zu kommen. Aus ihm unbekannten Gründen vertrauten die Menschen ihm instinktiv. Er verstand es selbst nicht, aber es machte seine Aufträge von Edward wesentlich einfacher. Aber auch ein wenig unehrenhaft, ganz egal, wie redlich der Anlass auch sein mochte.

Bisher war noch unklar, wie redlich dieser neue Auftrag war. Nicht, dass es eine Rolle spielte. Er hatte schon vor langer Zeit aufgehört, über solche Dinge nachzudenken. Man konnte kein Ermittler sein, wenn man voreingenommen war. Ob er nun einen Auftrag des Innenministeriums erfüllte oder das Liebesnest einer untreuen Ehefrau aufspürte – wenn er essen wollte, musste er objektiv bleiben.

Wieder blickte er aus dem Fenster. Er fragte sich, ob er auch dieses Mal neutral bleiben konnte. Alessandra war tatsächlich eine Freundin gewesen. Es war etwas Geschmackloses an dem Gedanken, ihr Leben und ihre Vergangenheit zu durchstöbern. Es fühlte sich wie Verrat an.

Er sah seinen Onkel an. »Ein anderer Mann wäre vielleicht besser geeignet.«

»Wir wollen dich. Niemand weiß, was dabei herauskommen wird. Wir können nicht auf irgendeinen Laufburschen aus der Bow Street vertrauen.«

»Die Sache gefällt mir nicht. Ich wollte sowieso wieder zurück nach Frankreich.«

Edward bemühte sich zu lächeln, verzog jedoch stattdessen seinen Mund auf eine Art und Weise, die eher Besorgnis ausdrückte. »Du willst doch nicht wirklich schon wieder so früh fort, oder? Ich habe mit Thornridge bereits Fortschritte gemacht. Ich plane, nächste Woche selbst nach Hollycroft zu fahren, um zu sehen, ob meine Bemühungen Früchte getragen haben. Wenn ich in dieser Sache erfolgreich bin und mein Ziel erreicht habe, wirst du doch bestimmt hier sein wollen.«

Damit bezog sein Onkel sich auf eine langwierige Unternehmung, deren Erfolgsaussichten Jonathan zunehmend skeptisch betrachtete. Edward war sein einziger Verbündeter in seinem Kampf um Anerkennung innerhalb seiner Familie, welche die Ungewissheit über sein zukünftiges Leben aus der Welt schaffen würde.

Edward sagte nichts weiter, doch zwischen ihnen gab es eine alte Übereinkunft. Er würde Jonathan unterstützen, wenn dieser ihm dafür half. Es war sein Onkel gewesen, der ihn während des Krieges rekrutiert und als Mittelsmann des Innenministeriums agiert hatte, wann immer er auf Missionen geschickt wurde.

Normalerweise ließ eine Anspielung auf das große Ziel Jonathan jegliche Zweifel beiseiteschieben. Doch nicht heute. Er wusste selbst nicht, warum. Vielleicht war es das Gefühl, eine Freundin zu verraten, das dieses Unbehagen hervorrief. Vielleicht verlor Edwards Lockmittel auch langsam an Anziehungskraft. Der Köder hing schließlich schon eine ganze Weile im Wasser.

Andererseits lag es möglicherweise auch daran, dass er heute Alessandras Tochter gesehen hatte. Celias lebhafte jugendliche Art hatte schon immer dazu geführt, dass er sich im Vergleich dazu düster, trübsinnig und vor der Zeit gealtert vorgekommen war.

Edwards Ausdruck wurde ernst, als ob er etwas in Jonathans Gesicht entdeckt hätte, das ihn beunruhigte. »Da ist noch etwas.«

»Und was wäre das?«

»Es ist möglich ... ich wollte wegen der vermeintlichen Freundschaft zu dieser Frau erst nichts sagen, aber es gibt einen Hinweis darauf, dass der Angriff auf dich in Cornwall mit dieser Sache zusammenhängt. Nur eine Spur, mehr nicht. Nichts Eindeutiges.«

»Du wusstest das und hast mir bis jetzt nichts gesagt? Verdammt, du weißt, dass ich in dieser Sache noch eine Rechnung offen habe. Wenn du irgendwelche Informationen über den Mann hast, der dahintersteckt, will ich ...«

»Ich versichere dir, dass das alles noch sehr unklar ist. Dennoch – einer ihrer frühen Gönner war ein französischer Emigrant, wie du vielleicht weißt. Er brachte ihr Stil und Umgangsformen bei. Es gibt Hinweise, dass er etwas damit zu tun hatte, und wir haben Anlass zu glauben, dass sie bis zu seinem Tod vor zwei Jahren weiterhin Kontakt mit ihm hatte. Privat und heimlich.«

Also war an den Gerüchten doch etwas dran. Jonathan konnte nicht glauben, dass ihn Alessandra bewusst in eine Falle und einen fast sicheren Tod geschickt hatte. Das konnte er bei einer Frau, die ihm fast mütterlich begegnet war, einfach nicht.

Andererseits konnten manche Entscheidungen, die man in dieser Welt treffen musste, hart sein. Ein Agent mit Missionen zweifelhafter moralischer Natur konnte sich kein allzu starkes Gewissen leisten. Das alles war ihm klar.

Die Trauerfeier war nun zu Ende. Die Frauen zerstreuten sich, bis nur noch die Blondine und ihre verschleierte Freundin am Grab standen.

»Wirst du es tun?«, fragte Edward. »Du musst dieses Mal genau den Anweisungen folgen. Ich will nichts von dieser lästigen Eigenständigkeit sehen, die du letztens im Norden gezeigt hast.«

»Daran waren die äußeren Umstände schuld, wie du sehr wohl weißt.«

»Du hättest einen Weg finden müssen, um Hawkeswell loszuwerden, als du erfahren hast, dass er in der Angelegenheit herumschnüffelt. Du hättest ...«

»Ich habe dich gewarnt, dass die Sache so sehr zum Himmel stank, dass es jemand riechen würde. Gib nicht mir die Schuld, wenn die Regierung deshalb bloßgestellt wurde.«

Ihre Kutsche rollte an und gelangte auf einen Teil des Weges, der näher am Grab lag. Ein blonder Kopf drehte sich zu der vorbeifahrenden Kutsche um. Während sie näher kamen, erblickte Jonathan aus nur drei Metern Entfernung Celias liebliches Gesicht.

Das hübsche goldige Kind war zu einer äußerst liebreizenden Frau herangereift. Sie wirkte immer noch genauso einnehmend wie früher, wenn auch vielleicht etwas weniger unschuldig als damals. Sie blickte genau in das verhängte Fenster, um die für sie nicht sichtbaren Kutscheninsassen stumm zu grüßen.

Der Himmel war wolkenverhangen, und doch erhellte sich die Welt um sie herum ein klein wenig, als ob die junge Frau ihr eigenes Licht ausstrahlen würde.

Jonathan wandte sich vom Fenster ab und sah sich mit dem Stirnrunzeln seines ungeduldigen Onkels konfrontiert.

»Ja, ich werde es tun.«

Celia stieg aus Daphnes Einspänner. Sie sah zu dem dreigeschossigen Backsteinhaus empor. Es wirkte gut instand gehalten, wie die meisten anderen Gebäude in diesem Teil der Wells Street auch. Es war die Art Haus, in der ein Kaufmann oder ein wohlhabender Handwerker leben könnte.

»Es scheint eine anständige Gegend zu sein, und Bedford Square liegt nur ein paar Straßen östlich«, sagte Daphne. Sie hatte nicht nur das Haus in Augenschein genommen. »Du solltest hier für ein paar Tage allein sicher sein.«

Celia holte ihre Reisetasche aus der Kutsche. Sie hatte Daphne noch nicht gebeichtet, dass es vielleicht mehr als ein paar Tage werden würden. Dafür war später noch Zeit, sobald sie alles gemäß ihren Plänen vorbereitet hatte.

»Ich finde es immer noch merkwürdig, dass meine Mutter mir niemals von diesem Haus erzählt hat«, sagte sie. »Es ist viel bescheidener als das Anwesen in der Orchard Street. Wahrscheinlich hat es ihr einer ihrer Gönner geschenkt, um ihr durch die Vermietung ein monatliches Einkommen zu verschaffen.«

Daphne stieg aus und band die Zügel an einem Pfahl fest. »Vielleicht solltest du es auch lieber vermieten anstatt es zu verkaufen.«

»Vielleicht tue ich das wirklich. Ich kann es ohnehin nicht verkaufen, bevor der Nachlass nicht geregelt ist. Mr Mappleton hat mir gesagt, dass weitere Gläubiger auftauchen könnten. Wenn dem so ist, wird mir dieses Haus genau wie alles andere aus den Fingern gleiten.« Sie holte den Schlüssel aus ihrem Ridikül und steckte ihn ins Schloss.

»Gott sei Dank ist es möbliert. Ich habe bereits befürchtet, dass du auf dem Boden schlafen musst«, bemerkte Daphne, nachdem sie einen Blick in den ersten Raum geworfen hatten. »Dadurch kannst du auch eine höhere Miete verlangen.«

Celia stellte ihre Reisetasche ab, und sie begannen, sich im Erdgeschoss umzusehen. Vorne befand sich ein hübscher Salon, und dahinter lag eine Bibliothek. In beiden Räumen gab es präsentable Polstermöbel, massive Tische und schlichte, aber geschmackvolle Teppiche. In der Bibliothek befand sich eine kleine Auswahl an Büchern. Celia betrachtete die Buchrücken und schmunzelte, als sie die vielen Gedichtbände entdeckte. Mama hatte Gedichte geliebt und bei der Ausstattung dieser Bibliothek wohl angenommen, dass die Mieter von ihrem eigenen Geschmack profitieren würden.

Sie stiegen die Treppe zum ersten Stock hinauf und sahen sich die Schlafzimmer an. Das vordere ging zur Straße hinaus. Daphne hob eine Tagesdecke auf dem Bett an. »Es ist bezogen, und die Laken scheinen sauber zu sein. Offenbar ist der letzte Mieter ziemlich überstürzt abgereist. Vielleicht ist er vor dem Büttel geflohen. Lass es uns trotzdem neu beziehen, um sicher zu sein, dass es auch frisch ist.«

In einer Weidentruhe fand Daphne Bettwäsche, und schnell brachten sie die Arbeit hinter sich. Dann machten sie eine Bestandsaufnahme der anderen Zimmer in diesem Stockwerk und fanden im hinteren Teil des Hauses eine zweite Treppe.

»Den Dachboden werde ich mir morgen in Ruhe ansehen«, verkündete Celia, während sie wieder nach unten gingen. »Es scheint alles in Ordnung zu sein, Daphne. Ist dir jetzt wohler dabei, mich hier allein zu lassen?«

»Ich habe doch keine Einwände gegen deinen Aufenthalt hier vorgebracht.«

Celia kicherte. »Du hast zwar nichts gesagt, aber deine Augen haben diesen leidenden Ausdruck angenommen, der besagt, dass du zwar etwas dagegen hast, aber nichts tun kannst.«

Am unteren Ende der hinteren Treppe betraten sie einen weiteren Salon. Dieser wies eine ordentliche Größe auf und war mit Korbstühlen und einem Kanapee ausgestattet. Durch seine großen Fenster konnte man den Garten sehen. Der Ausblick fesselte Celias Aufmerksamkeit.

»Er geht nach Süden raus«, stellte Daphne fest. »Das ist ein ausgezeichneter Raum. Selbst heute, bei einem solch bedeckten Himmel, ist hier drinnen ein angenehmes Licht, und der Blick auf den Garten ist sehr erfrischend.«

»Das hier wird wohl mein Lieblingsort«, sagte Celia. »Pflanzen würden sich an diesen Fenstern gut machen.« Eine Idee, die in ihrem Inneren gereift war, als sie von diesem Haus erfahren hatte, begann nun Früchte zu tragen.

Sie inspizierten noch die Küche, dann bereitete sich Daphne auf ihre Abreise vor. Sie würde den Einspänner zurück zu ihrem Anwesen nahe Cumberworth in Middlesex lenken. Dort hatte Daphne ihr Floristikgeschäft, wo sie Blumen und Pflanzen für den Londoner Markt züchtete. Die letzten fünf Jahre war es auch Celias Zuhause gewesen.

»Wir werden dich vermissen«, sagte Daphne an der Haustür. »Versprich mir, dass du auf dich achtgeben wirst.«

»Es ist eine gute Gegend, Daphne. Ich werde hier sicher sein.«

»Ich sollte dich wohl nicht so stark bemuttern, da ich nur vier Jahre älter bin als du. Du hältst meine Besorgnis sicher für albern.«

»Du bemutterst mich nicht. Du bist wie die große Schwester, die ich mir immer gewünscht habe.«

Daphne, die immer noch eine Art mütterliche Besorgnis im Blick hatte, trat auf die Straße hinaus und band ihren Einspänner los. Celia sah zu, wie ihre geliebte Freundin davonfuhr, während der Schleier an ihrem Hut in der winterlichen Brise nach hinten geweht wurde.

Wenn sich Daphne ein wenig wie eine Mutter benahm, dann lag es wohl daran, dass Celia in vielerlei Hinsicht noch wie ein Kind gewesen war, als sie sich kennengelernt hatten. Ein verwirrtes, einsames Kind, das Unterschlupf gesucht hatte bei einer Fremden, über die man sich erzählte, dass sie ein gütiges Herz besaß.

Celia schloss die Tür und begann, sich mit dem Anwesen vertraut zu machen, das Alessandra Northropes einziges Vermächtnis darstellte.

Nun, nicht das einzige Vermächtnis. Es gab da noch eine andere Sache, sollte Celia sich dafür entscheiden, das Erbe anzutreten.

Kapitel 2

Celia verbrachte die verbleibenden hellen Stunden in dem lichtdurchfluteten hinteren Salon. Sie schätzte seine Größe ab und stellte ihn sich anders möbliert vor. Diese aufkeimende Idee begann schnell einen saftigen Halm und Blätter auszutreiben.

Bei Einbruch der Dunkelheit zog sie sich in ihre Schlafkammer zurück. Sie entfachte kein Feuer im Kamin, da sie bald schlafen gehen wollte. Sie zündete eine Kerze an, zog ihr wärmstes Nachthemd an und wickelte sich in zwei dicke Wollschals. Dann setzte sie sich ans Fenster und sah hinaus, während sie Pläne für die Verwendung dieses Hauses schmiedete.

Sie vertraute darauf, dass alle offenen Schulden innerhalb einer überschaubaren Zeit gemeldet werden würden. Sie würde Mamas Anwalt und Testamentsvollstrecker Mr Mappleton fragen müssen, wann sichergestellt war, dass sie das Haus behalten konnte.

Das Rechtliche würde warten müssen, doch das Übrige nicht. Sie würde diese hintere Stube morgen ausräumen, um zu beurteilen, ob ihre Pläne damit ausführbar waren. Dann würde sie Vorräte für mindestens die nächste Woche einkaufen. Wenn Daphne in drei Tagen käme, um sie mit nach Hause zu nehmen, würde sie ihr erklären, dass sie nicht mit ihr zu jenem Anwesen außerhalb von London zurückkehren würde. Sie würde ihr beibringen müssen, dass sie sich selbstständig machen und in dem Haus leben wollte, das ihre Mutter ihr hinterlassen hatte.

Daphne würde das nicht gefallen. Nach fünf Jahren waren sie mehr aufeinander angewiesen, als die meisten Leute annehmen würden. Doch es war an der Zeit, sich ein eigenes Leben aufzubauen.

Sie sah sich in der Schlafkammer um. Die Vorhänge am Fenster und um das Bett wirkten frisch gestärkt und sauber, waren jedoch aus einfachem weißem Musselin gefertigt. Die Möbel waren zwar elegant, doch ohne kostspielige Schnitzereien. Das Fehlen von übermäßigem Luxus stand in krassem Gegensatz zu dem Haus in der Orchard Street, wo Alessandra Abendgesellschaften gegeben hatte und als Grande Dame der Halbwelt aufgetreten war.

Celia entschied, dass sie dieses Haus vorzog. Sie war froh, dass es leer gestanden hatte, damit sie es selbst in Anspruch hatte nehmen können.

Alles deutete darauf hin, dass die letzten Mieter vor nicht allzu langer Zeit gegangen waren. Auf den Möbeln lag keine Staubschicht. In der Speisekammer hatten sich sogar ein paar unverdorbene Lebensmittel finden lassen. Dieser Ort hatte sich nicht unbewohnt angefühlt, sondern eine angenehme Atmosphäre ausgestrahlt. Irgendwie häuslich.

Plötzlich erstarrte Celia. Ihre Sinne vergaßen alle Ablenkungen. Angestrengt lauschte sie der bebenden Stille.

Kaum vernehmbare Geräusche drangen an ihr Ohr. Sie wollte sie zunächst als Hirngespinste abtun, doch ihre aufgestellten Nackenhärchen ließen das nicht zu.

Weitere Geräusche ertönten, dieses Mal über ihr. Wie eine Katze, die umherschlich. Vielleicht war ein Streuner in den Dachboden eingedrungen.

Die Geräusche hörten auf. Sie lauschte noch eine Weile und glaubte schon fast, gar nichts Besonderes gehört zu haben. Außerdem hatte sie peinlich darauf geachtet, alle Türen gut zu verschließen. Es gab einfach keine Möglichkeit hineinzukommen.

Schritte auf den Stufen der Treppe, die zum Dachboden führte, ließen sie erneut aufschrecken. Nun gab es keinen Zweifel mehr. Wer immer da oben sein mochte, versuchte nicht einmal, leise zu sein. Und er kam gerade die Treppe herunter, direkt zur Tür dieses Zimmers.

Panik ließ sie einen schrecklichen Moment lang erstarren, dann begannen ihre Gedanken zu rasen. Sie sprang auf, ergriff einen Schürhaken vom kalten Kamin und presste sich leise gegen die Wand neben der Tür. Hoffentlich würde der Eindringling verschwinden, so wie er gekommen war, ohne zu bemerken, dass sie sich im Haus aufhielt, aber wenn nicht ... Sie hob den Schürhaken mit beiden Händen über den Kopf.

Die Stiefel erreichten den unteren Treppenabsatz und blieben stehen. Sie betete, dass sie weiter ins Erdgeschoss und zur Tür hinausgehen würden.

Doch zu ihrem Grauen kamen sie auf ihre Tür zu. Direkt davor blieben sie stehen. Innerlich flehte Celia sie an, die Treppe hinunterzusteigen. Geht weiter. Geht weiter.

Die Tür öffnete sich. Ihr Herz sprang ihr bis zum Hals. Sie hielt die Luft an und blieb stocksteif stehen.

Ein Mann betrat den Raum. Ein großer Mann. Er ging in die Mitte des Zimmers. Sie erblickte einen dunklen Mantel, hohe Stiefel und das Weiße eines Kragens und eines Halstuchs. Darüber hinaus konnte sie einen Blick auf sein Profil erhaschen und erkannte einen Mann mit ernstem Gesichtsausdruck und dunklen Augen. Seine braunen Haare hatte er zu einem altmodischen Pferdeschwanz zusammengebunden. All das sah sie im schwach-goldenen Licht der einzelnen Kerze.

Er starrte auf die Flamme, die verriet, dass er in diesem Haus nicht allein war. Sie konnte sehen, wie sein Körper in Alarmbereitschaft ging. Sie nahm all ihren Mut zusammen und schlich mit erhobenem Schürhaken auf seinen Rücken zu.

Gerade als sie ihn heruntersausen lassen wollte, wirbelte der Fremde herum und hielt den Haken fest. Dann packte er mit einer blitzschnellen Bewegung auch Celia und schleuderte sie auf das Bett. Die Schals flogen davon, und sie fiel rücklings auf die Matratze.

Atemlos vor Angst starrte sie zu ihm hoch. Den Schürhaken in der Hand, erwiderte er ihren Blick.

In der Stille, die folgte, wagte sie kaum zu atmen. Sein Blick glitt über ihr Nachthemd hinunter zu dem Saum, der so weit hochgerutscht war, dass er ihre Beine entblößte.

Er bewegte sich leicht. Sie erstarrte und bereitete sich darauf vor, sich zu verteidigen, wenn sie das musste. Seine Positionsveränderung erlaubte es dem schwachen Kerzenlicht, sein Gesicht von Schatten zu befreien. Sie nahm das attraktive Gesicht auf, das es enthüllte, und sofort ersetzte Zorn ihre Furcht.

»Mr Albrighton? Wie können Sie es wagen, in dieses Haus einzudringen und mich so zu Tode zu erschrecken?«

Seine finstere Miene hellte sich auf. »Bitte entschuldigen Sie, Miss Pennifold. Ich wusste nicht, dass Sie hier sind. Ich habe von außen weder Lichter noch Kaminfeuer bemerkt. Ist das für Sie nicht eine seltsame Zeit, um dieses Anwesen zu besichtigen?«

»Eine seltsame Zeit für mich? Nicht so seltsam wie für Sie, Sir. Schließlich gehört mir dieses Haus. Was ist denn Ihr Anliegen hier? Diebstahl?«

»Wohl kaum, Miss Pennifold. Zufällig wohne ich hier.«

Mr Albrighton legte ein weiteres Holzscheit in den Kamin der Bibliothek. Er öffnete einen kleinen Schrank und holte eine Karaffe heraus. Dann goss er einen kleinen Schluck des offenbar alkoholischen Inhalts in ein Glas und trug es dorthin, wo Celia eingewickelt in die Schals auf dem Sofa saß.

Sie hatte ihn sofort aus ihrer Schlafkammer geschickt. Nun waren sie hier, er für einen Abend in der Stadt angezogen, sie immer noch in ihrem Nachthemd und sich ihrer unangemessenen Kleidung mehr als bewusst.

»Ich benötige kein Stärkungsmittel, Mr Albrighton. Ich bin keine alberne Frau, die bei dem geringsten Anlass schon in Ohnmacht fällt.«

Er zuckte mit den Schultern und kippte den Inhalt des Glases selbst hinunter. Dann setzte er sich in einen Sessel in der Nähe des Kaminfeuers. Dessen Licht schmeichelte ihm und passte zu der Atmosphäre von Geheimnis und Gefahr, die ihn umgab, ob er es nun darauf anlegte oder nicht.

Celia hatte Mr Albrighton schon immer für einen ärgerlich rätselhaften Mann gehalten. Während seiner Besuche bei den Gesellschaften ihrer Mutter hatte er stets sehr wenig von sich preisgegeben. Die meisten Männer konnte man in diese oder jene Schublade stecken, eingeteilt in Persönlichkeit und Absichten. Doch bei Mr Albrighton wusste man nie genau, wie man ihn einsortieren sollte. Da er damals erst Mitte zwanzig gewesen war, hatte sie seine Ambiguität beunruhigend und seine ganze Persönlichkeit zu theatralisch gefunden.

Doch er hatte auch etwas Warmherziges, fast Vertrautes an sich, das seine Wirkung noch widersprüchlicher und verwirrender machte. Eine gewisse Tiefgründigkeit in seinem Blick ließ im Betrachter das Gefühl entstehen, dass er die eigenen Sorgen und Probleme verstehen würde, auch wenn die übrige Welt das nicht tat. Aber sein Äußeres deutete auch dunkle und unnachgiebige Seiten an. Als Mädchen war sie zu dem Schluss gekommen, dass er zu kompliziert und beunruhigend war. Als Folge hatten sie, außer bei einer einzigen Gelegenheit, selten mehr als Grußworte gewechselt.

Nun saß er ihr gegenüber, als habe er jedes Recht dazu, hier zu sein. Ihr Körper war durch den Schreck über sein Eindringen in dieses Haus noch ganz angespannt, doch er lümmelte sich in dem Sessel wie ein Landjunker nach einer Jagdpartie. Darüber hinaus behauptete er auch noch, tatsächlich ein Recht darauf zu haben, hier zu sein.

Celia glaubte ihm und tat es gleichzeitig doch nicht. Das war das Problem mit Jonathan Albrighton. Man wusste bei ihm niemals, woran man war.

Die Stille wurde langsam unangenehm. Für sie, nicht für ihn. Er schien bereit zu sein, weiterhin schweigend dazusitzen, die Atmosphäre zu manipulieren, wie es ihm beliebte, und einfach nur in ihre Richtung zu blicken, während seine polierten Stiefel die Flammen widerspiegelten.

»Sie scheinen die Räumlichkeiten zu kennen«, unterbrach sie die Stille. »Doch der Anwalt meiner Mutter hat gesagt, dass dieses Haus gegenwärtig nicht vermietet wäre, also weiß ich, dass Sie lügen, wenn Sie behaupten, hier zu leben.«

»Zuerst nennen Sie mich einen Dieb und nun einen Lügner. Sie haben Glück, dass ich nicht so leicht zu kränken bin.«

»Erwarten Sie keine höflichen Nachfragen von mir, Sir. Meines Erachtens spreche ich, bis Sie mich vom Gegenteil überzeugen, mit einem Kriminellen.«

»Nun bin ich also schon ein Krimineller.«

Sie konnte nicht sagen, ob sie ihn ernsthaft beleidigt hatte oder nicht. Und es war ihr auch ziemlich egal.

»Ich habe nicht das ganze Haus gemietet«, sagte er. »Nur eine Kammer auf dem Dachboden. Ich habe sie in den letzten Jahren nicht viel genutzt, aber ich versichere Ihnen, dass mein Mietvertrag gültig ist, und zwar über einen Zeitraum von zehn Jahren.«

Dass er das Zimmer nicht oft benutzte, glaubte sie mühelos. Sie erinnerte sich, dass er die Angewohnheit hatte, häufig die Stadt zu verlassen und wieder zurückzukehren, wie es ihm beliebte. Während eines Jahres, in dem sie bei ihrer Mutter gelebt hatte, war er für mehrere Monate allen Gesellschaften ferngeblieben, um dann plötzlich, kurz bevor sie selbst gegangen war, wieder aufzutauchen. Sie wusste von Mama, dass er bald nach diesem Bruch erneut verschwunden war.

»Sie hatten Ihre Mutter bereits verlassen, als dieses Arrangement getroffen wurde, und ich bezweifle, dass sie es Ihnen gegenüber erwähnenswert fand«, fügte er hinzu.

»Sie haben diese Kammer von meiner Mutter gemietet?«

»Ja. Und falls Sie neugierig sind, wir waren lediglich miteinander befreundet.«

»Ich bin nicht neugierig.« Aber ein wenig war sie es doch. Wer wäre das nicht? Er war auf eine seltsam düstere Art und Weise attraktiv und ein großer, gut gebauter Mann. Alessandra war das Aussehen eines Mannes nicht gleichgültig gewesen und hätte seines sicherlich zu schätzen gewusst. »Mir war bereits klar, dass Sie nicht zu ihren Gönnern gehörten. Während des Jahres, in dem ich bei ihr gelebt habe, waren Sie bei einigen ihrer Gesellschaften dabei, aber ich kenne die Maßstäbe meiner Mutter, wenn es ums Geschäftliche ging.«

»Sind es nun auch Ihre Maßstäbe?«

In seiner Frage lag kein beleidigender oder kritisierender Tonfall. Er stellte sie, als ob er sich nach ihrer Gesundheit erkundigen würde.

Sie würde ihm nichts vormachen. Das hatte keinen Sinn. Sie war davon überzeugt, dass er ohnehin schon Bescheid wusste. Warum sie ein Jahr lang in der Orchard Street gelebt hatte und die Gründe, warum sie gegangen war.

»Auch wenn ich das Haus meiner Mutter verlassen habe, stelle ich die Lektionen, die sie mich über das Leben gelehrt hat, nicht infrage. Ihre Maßstäbe werden meine sein, sollte ich in ihrem Gewerbe jemals ähnlich erfolgreich und berühmt werden.«

Er akzeptierte ihre Erwiderung, als würden sie tatsächlich nur über ihre Gesundheit sprechen. Sein Gesichtsausdruck war trotz der tiefliegenden Augen und der eleganten Härte seiner Züge, die vom Schein des Kaminfeuers noch unterstrichen wurden, freundlich, zeigte aber keine Reaktion. Und doch spürte sie ein großes Interesse von ihm ausgehen und dieses seltsame Gefühl von Vertraulichkeit, das er provozierte und sie zu dieser Ehrlichkeit bewegte.

Sie wand sich unter seinem direkten Blick. Ihr Anflug von Erregung war offensichtlich. Ihr Zustand glich dem, wie sie schon als Mädchen auf ihn reagiert hatte, und trug immer noch einen Hauch von Gefahr und Furcht in sich.

Sie war damals noch zu jung gewesen, um zu verstehen, was all das zu bedeuten hatte. Sie hatte angenommen, dass eine solch sinnliche Reaktion Küsse, Schmeicheleien und Liebeserklärungen erforderte. Erst später hatte sie die Macht der Subtilität, Distanz und sogar des Schweigens in diesen Dingen verstanden.

Ihm ging es genauso. Alessandra hatte ihr beigebracht, die Anzeichen, selbst die versteckten, zu bemerken. Ihr Gewerbe hing davon ab, das Interesse eines Mannes zu erkennen, sogar dann, wenn er es sich selbst nicht eingestand.

Sie kam auf das einzige Thema zurück, das eine Rolle spielte, und versuchte die aufgeladene Atmosphäre zwischen ihnen zu ignorieren, die das Licht, die Luft und alles andere zu verändern schien. »Sie behaupten also, dass Sie die Dachbodenkammer gemietet haben. Für den Fall, dass Sie sie benutzen, was in den letzten paar Jahren nicht oft der Fall war. Wer lebte im übrigen Haus?«

»Alessandra. Wussten Sie das nicht?«

Nein, hatte sie nicht gewusst.

»Sie zog sich immer hierher zurück, wenn sie des Spiels müde war«, sagte er. »Meistens nur für ein paar Tage. Im Spätsommer, wenn sich die Stadt leerte, manchmal auch für ein paar Wochen.«

Celia funkelte ihn wütend an. Sie verabscheute die ruhige Art, mit der er von diesem geheimen Teil des Lebens ihrer Mutter sprach. Dieser Mann wusste mehr über Mama als sie selbst. Sie fand das ungebührlich und ungerecht. Warum sollte ein Mann, der fast nie in London weilte – und zudem nicht einmal ihr Liebhaber gewesen war –, einen Teil von Alessandra kennen, der ihrer Tochter unbekannt war?

Sie unterdrückte ihren Zorn und nahm an, dass es nur die Trauer war, die sich zu Wort meldete, genau wie die Schuld und das Bedauern. Sie hatte schließlich gar nicht lange genug bei Alessandra gelebt, um alles über sie zu erfahren. Ihre Kindheit hatte sie auf dem Land verbracht und war erst mit sechzehn Jahren nach London gekommen. Ihre gemeinsame Zeit war nur sehr kurz gewesen.

»Ich möchte Ihren Mietvertrag sehen.«

»Er befindet sich in meinem Koffer. Ich werde ihn Ihnen vorlegen, sobald ich dazu in der Lage bin.«

»Ihr Koffer steht nicht oben?«

»Ich bin erst vor Kurzem in die Stadt zurückgekehrt. Ich habe mein Gepäck bei Freunden untergestellt und noch nicht wieder abgeholt.«

»Wenn dies in London Ihr Zuhause ist, warum sollten Sie Ihr Eigentum dann bei Freunden lassen? Ich glaube, dass Sie mir ein Märchen auftischen und annehmen, dass ich zu dumm bin, um es zu durchschauen. Ich glaube nicht, dass Sie hier gelebt haben. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie das getan hat. Ich glaube, dass Sie heute Abend hier herumgeschnüffelt haben und sich nun diese Lüge ausdenken, damit ich Sie nicht dem Friedensrichter melde.«

»Gibt es denn hier etwas, wofür es sich herumzuschnüffeln lohnt? Ich kann mir nicht vorstellen, was das sein könnte. Das Leben Ihrer Mutter war doch wie ein offenes Buch. Offener als das der meisten anderen Frauen.«

Fast hätte sie durch sein charmantes Lächeln die Tatsache übersehen, dass er nichts abgestritten hatte. Nun erinnerte sie sich, dass Mr Albrighton schon immer das Talent besessen hatte, Fragen so geschickt aus dem Weg zu gehen, dass man es fast nicht bemerkte.

»Waren Sie kürzlich auch in dem Haus in der Orchard Street?«, verlangte sie zu wissen.

»Ich habe nicht das Recht, dieses Haus zu betreten. Warum fragen Sie?«

Und wieder stritt er es nicht ab. »Jemand war dort, vielleicht heute während der Beerdigung oder kurz davor. Ich war heute nach der Trauerfeier mit dem Testamentsvollstrecker dort. Ihre Unterlagen waren zu ordentlich. Ich habe die Schubladen meiner Mutter niemals so aufgeräumt gesehen.«

»Wahrscheinlich hat der Notar sie nach der Inventur so hinterlassen. Anwälte sind von Natur aus höchst ordentliche Menschen.«

Es war eine gute Antwort, aber nicht die richtige. Mr Mappleton war den Besitz noch nicht durchgegangen, als sie dies bemerkt hatte, und ihm selbst waren, der die fehlenden Abrechnungen aufgefallen. Aber sie bezweifelte, dass Mr Albrighton jemals zugeben würde, das Haus illegal betreten zu haben, wenn er es denn wirklich getan haben sollte. Und er hätte auch keinen Grund dazu.

Das Zimmer hatte sich während ihres Gesprächs aufgewärmt. Sie wünschte, sie könnte die Schals ablegen. Stattdessen streifte sie nur einen von ihnen vorsichtig ab, während sie gleichzeitig peinlich genau darauf achtete, dass der andere sie ausreichend bedeckte.

Still betrachtete er sie. Sein Blick verlieh ihr das Gefühl, etwas Skandalöses und absichtlich Provokantes zu tun.

»Mr Albrighton, selbst wenn Sie die Kammer tatsächlich gemietet haben, können Sie nicht hierbleiben. Ich bin selbst hier eingezogen und wünsche nicht von einem Mieter gestört zu werden, noch dazu von einem männlichen. Ich bin sicher, dass Sie dafür Verständnis zeigen und mir zustimmen werden.«

»Ich habe wohl Verständnis, aber ich kann Ihnen nicht zustimmen. Wie bereits gesagt, habe ich einen Mietvertrag. Im Voraus bezahlt.«

»Ich werde Sie für die verbliebenen Jahre auszahlen.« Celia war davon überzeugt, dass die Summe nicht besonders hoch sein konnte. Sie wollte nur ungern an ihr Erspartes gehen müssen.

»Ich will nicht ausbezahlt werden. Ich benötige einen Wohnsitz in London und habe daher mit der Besitzerin eines ruhigen Hauses in einer ruhigen Straße eine Vereinbarung getroffen. Ich möchte darüber verfügen können, wenn ich mich in der Stadt aufhalte. Und ich halte mich momentan in der Stadt auf.«

»Sie sind eine unwillkommene Komplikation, Sir.«

»Sie müssen mich nicht willkommen heißen. Sie müssen mir nur ein Bett zur Verfügung stellen.«

»Wenn Sie die Sache aus meiner Perspektive betrachten, werden Sie sicherlich einsehen, dass ich nicht zulassen kann ...«

»Sie werden kaum bemerken, dass ich hier bin. Ich benutze den Garteneingang und gehe die Hintertreppe hinauf. Ich benötige keine große Haushaltsführung und bin sehr diskret. Ich wage zu behaupten, dass mich die meisten Nachbarn noch nie gesehen haben.«

»Einige aber durchaus.«

»Es ist nicht weiter ungewöhnlich, Zimmer in einem Haus dieser Größe zu vermieten. Es wird Ihrem Ruf nicht schaden, wenn es das ist, worum Sie sich sorgen. Es wird nicht mehr bedeuten als zuvor, als Ihre Mutter noch lebte.«

Hatte er gerade angedeutet, dass seine Anwesenheit im Haus Alessandras Tochter nicht weiter schaden konnte, da ihr Ruf ohnehin hoffnungslos befleckt war? Wenn ja, konnte sie es ihm kaum vorwerfen. Es war nur die Wahrheit. Und nach Mamas Tod wurde ihre Tochter sogar in Daphnes Landhaus von der berüchtigten Reputation dieser berühmten Hure heimgesucht, nachdem sie bis dahin unerkannt hier gelebt hatte.

»Wenn ich mich richtig entsinne, waren Ihre Besuche in London oft recht kurz, Sir. Wenn es mir zu fragen erlaubt ist, werden Sie dieses Mal lange in der Stadt weilen?«

»Höchstens zwei Wochen, nehme ich an. Und Sie, Miss Pennifold – werden Sie lange hierbleiben? Oder kehren Sie dorthin zurück, wo Sie zuvor gelebt haben?«

»Ich habe vor, mich hier dauerhaft einzurichten und ein Geschäft zu eröffnen.«

»Und Sie wollen hier alleine wohnen?«

»Ich erwarte innerhalb der nächsten Woche ein paar Frauen. Die Privatsphäre und Ruhe, die Ihnen so wichtig sind, werden der Vergangenheit angehören, wenn Sie hierbleiben.« Sie bemühte sich, weltgewandt zu klingen, damit er mehr zwischen den Zeilen hörte, als sie in Wahrheit meinte. »Ich erwarte auch viele Besucher. Es könnte ziemlich laut werden, selbst auf dem Dachboden. Besonders nachts. Sie werden die Veränderungen sicherlich nicht mögen.«

Er ließ die Andeutungen einen Moment im Raum stehen und sah sie an. Sie hoffte, dass er das Schlimmste annehmen und zu dem Schluss kommen würde, dass es zu unangenehm und skandalös wäre, weiter in diesem Haus zu leben.

»Das ist nicht, was sie für Sie vorgesehen hatte«, sagte er schließlich. »Auch wenn ich annehme, dass ein solches Geschäft praktischer und wahrscheinlich auch sicherer für Sie ist. Wann wollen Sie beginnen?«

»Schon bald. So bald, dass es sich kaum für Sie lohnen wird, sich häuslich einzurichten. Am klügsten wäre es, wenn Sie ...«

»Sie haben mich falsch verstanden. Ich frage mich, ob es meine Abreise lange verzögern wird, auf diesen Tag zu warten.«

»Verzögern? Ich hätte gedacht, dass die bevorstehenden Veränderungen Ihre Abreise eher beschleunigen würden!«

»Und doch führen mich Ihre Pläne in Versuchung, meine Abreise zumindest ein wenig zu verschieben, um den Beginn Ihres Unternehmens mitzuerleben. Das hat wahrscheinlich etwas mit der reizenden Art zu tun, wie Ihre Füße unter dem Saum Ihres Nachthemds hervorlugen.«

Schnell zog sie ihre Füße zurück unter das Gewand. Sie hätte niemals erwartet, dass dieser Mann sein Interesse so offen kundtun würde. Und doch hatte er es getan, und nun waren sie hier, in einem Zimmer, das von dieser besonderen Energie, die zwischen einem Mann und einer Frau entstehen konnte, praktisch überquoll.

Plötzlich fühlte sie sich sehr klein. Klein und verletzlich und unter seinem düsteren Blick ganz nackt. Sie stand auf, um sich wenigstens frei bewegen zu können. Um, falls nötig, zu fliehen, auch wenn sie bezweifelte, dass er ihr auf diese Art gefährlich werden würde.

Doch er erhob sich ebenfalls. Sie zog ihren Schal wie eine Rüstung um die Schultern und bemühte sich, respekteinflößend zu wirken. Wie verwirrend die Situation doch geworden war!

»Wie ich bereits erklärt hatte, Mr Albrighton, halte ich mich an die Maßstäbe meiner Mutter, was Stand und Reichtum eines Mannes angeht.«

Er begann umherzugehen und wirkte dabei für ihren Geschmack viel zu entspannt und gleichzeitig beeindruckend in seiner Präsenz. Um ihn weiter im Blick behalten zu können, drehte sie sich hin und her. Ganz in ihrer Nähe blieb er an einer Wand stehen. Er lehnte sich dagegen und nahm eine überaus lässig wirkende Haltung ein.

»Sollten Sie in ihrem Gewerbe jemals ähnlich erfolgreich und berühmt werden, haben Sie gesagt. Gerade sprachen Sie jedoch von einem weniger illustren Pfad in diesem Gewerbe. Oder habe ich da etwas falsch verstanden?«

Machte er sich über sie lustig? Hatte er ihre Behauptung durchschaut? Sie nahm es an, war sich dessen aber nicht sicher. Teilweise deswegen, weil er sie durch seine Nähe gerade furchtbar durcheinanderbrachte. Sein Blick war warm und vertraulich und drängte sie praktisch dazu, ihm ihre Geheimnisse anzuvertrauen. Mr Albrighton war viel zu selbstbeherrscht, um anzüglich zu grinsen, während er ein solches Thema ansprach. Doch fast wünschte sie sich, dass er es tun würde. Dann hätte sie ihn zumindest zurechtweisen können.

Sie bemühte sich, einen gewissen Hochmut an den Tag zu legen, so wie ihre Mutter, wenn jemand unverschämt geworden war. »Ganz gleich, für welchen Pfad und welches Gewerbe ich mich entscheide, ihre Anwesenheit wäre immer noch unangemessen. Länger als nötig zu verweilen wird Ihnen nichts bringen«, sagte sie.

»Da bin ich anderer Meinung. Jetzt und hier fünf Minuten länger zu verweilen, hat mir bereits etwas gebracht.«

»Ich habe keine Ahnung, was das neben meiner Verärgerung sein könnte.«

»Haben Sie nicht?« Das Schmunzeln, das aufblitzte, war so subtil, dass sie nicht wusste, ob sie es sich nicht eingebildet hatte. Er stieß sich von der Wand ab. Mit Mühe hielt sie ihre Stellung und versuchte zu überspielen, dass die Furcht ihre Atmung beschleunigte. Nein, keine Furcht. Es war Erregung.

»Ich sehe sogar Anzeichen dafür, dass mir ein längeres Verweilen noch mehr einbringen würde, ganz gleich, wie angemessen oder unangemessen mein Aufenthalt sein mag.« Plötzlich streckte er seinen Arm aus und legte zwei Finger auf ihre Lippen. Celia erschrak fast zu Tode. Sie spürte, wie ihre Lippen unter der Berührung pulsierten. »Sie sind nicht raffiniert genug, um Ihre Reaktionen zu verbergen, Miss Pennifold, und ich erkenne deutlich mehr als Verärgerung. Es mag Herren geben, die über die heute Abend in diesem Raum vorhandenen Möglichkeiten nicht spekulieren würden, aber ich bin nicht so tugendhaft.«

Während er sprach, verdichtete sich diese besondere Atmosphäre noch weiter. Er hatte gerade offen zugegeben, was sie zu ignorieren versucht hatte. Über seinen ausgestreckten Arm hinweg trafen sich ihre Blicke viel zu lang. Sie befürchtete, dass er recht hatte, und dass sie nicht raffiniert genug war, um ihre innere Aufgewühltheit zu verbergen.

Er ließ seine Hand sinken. Dann lächelte er, mehr zu sich als zu ihr. »Ich werde Sie nun verlassen. Bevor ich hinaufgehe, werde ich noch die Gartentür schließen. Schlafen Sie gut, Miss Pennifold.«

Kapitel 3

Celias Vermutung, dass jemand Alessandras Haus in der Stadt durchsucht hatte, bedeutete schlechte Neuigkeiten für Jonathan. Genauso wie die Ankündigung ihrer Absicht, in diesem Haus hier zu wohnen. Vollkommen egal, wie sehr er den kleinen Wettstreit mit ihr am gestrigen Abend genossen hatte. Als er an diesem Morgen aufstand, versuchte er immer noch einzuschätzen, wie beide Enthüllungen seine Pläne beeinflussen würden.

Er hatte das Haus in der Orchard Street betreten, bevor er in dieses zurückgekehrt war, und die Ordnung selbst bemerkt, von der Celia gesprochen hatte. Wenn es stimmte und das andere Haus tatsächlich durchstöbert worden war, gab es möglicherweise einen Konkurrenten für ihn. Jemanden, der die gleichen Informationen suchte, die Edward haben wollte. Dieser Konkurrent könnte weniger freundliche Absichten hegen als die, dafür zu sorgen, dass Alessandras Vergangenheit ruhte und nicht ans Tageslicht gezerrt wurde. Jeder Narr, der ihre Gönner zu erpressen suchte, hätte sich illegal Zutritt verschaffen können, um an Namen zu kommen.

Wohl oder übel musste er nun die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass es tatsächlich landesverräterische Aktivitäten gegeben hatte. Und der darin verwickelte Mann sicherzustellen versuchte, dass Alessandra keine Beweise hinterlassen hatte, die auf ihn hindeuteten.

Jonathan dachte an die zauberhafte blonde Frau, die ein Stockwerk unter ihm schlief. Verzweifelte Männer taten verzweifelte Dinge. Wenn Celia auf einen Eindringling treffen sollte, der nach versteckten Beweisen suchte, oder jemand auf die Idee kam, dass sie zu viel über die Angelegenheiten ihrer Mutter wusste, würde sie in Gefahr schweben. Es traf sich also ganz gut, dass er hier war. Sie mochte seinen Schutz vielleicht nicht wollen, aber es könnte sein, dass sie ihn eine Zeitlang dennoch benötigte.

Es gab noch einen zweiten Grund, warum sich möglicherweise noch jemand anders für Alessandras Unterlagen interessierte. Vielleicht wollte derjenige dafür sorgen, dass Jonathan selbst keine Beweise mehr fand, die ihn auf den Pfad der Rache bringen würden. Es ging dabei um Ereignisse, die sich vor fünf Jahren in Cornwall zugetragen hatten. Unnötig zu sagen, dass er einer solchen Spur gegen alle Widerstände folgen würde, wohin auch immer sie ihn führte.

Seine Gedanken verdüsterten sich wie immer, wenn er an jenes Desaster und dessen tödliche Folgen dachte. Heute war es schlimmer als sonst, da ihn in der Nacht im Traum recht lebhafte Bilder heimgesucht hatten. Zweifellos war Edwards Bemerkung daran schuld. Jener Verrat hatte sein Ziel verfehlt und stattdessen den Tod eines unschuldigen Burschen verursacht, dem er ein paar Shilling dafür gegeben hatte, ihn durch einen ihm unbekannten Küstenabschnitt zu führen.

Jonathan hatte in seinem Leben schon genug getötet. Er hatte andere sterben sehen, darunter auch eigene Kameraden. Und doch hatte ihn nichts davon auf die abgrundtiefe Trauer einer Mutter vorbereitet, der er den toten Jungen nach Hause brachte. Sie hielt sich nicht einmal damit auf, nach dem Schuldigen am Tod ihres Sohnes zu fragen.

Immer noch trug Jonathan dieses Gefühl in sich, dass jemand für diese Nacht würde büßen müssen. Es war ihm vollkommen egal, ob er oder jemand anderes eine Liste mit Alessandras Liebhabern entdeckte und sie publik machte. Er hatte dieser kleinen Mission um seiner selbst willen zugestimmt, und wegen der unwahrscheinlichen Möglichkeit, dass er endlich in der Lage sein würde, eine offene Rechnung zu begleichen.

Was Celia anging ... Er musste auch dieses Haus gründlich durchsuchen, aber das konnte er kaum vor ihren Augen tun. Am gestrigen Abend hatte er die Räume auf dem Dachboden kurz durchstöbert, aber eine Tür war verschlossen gewesen. Nun konnte er sie nicht mehr einfach so aufbrechen, ohne dass Celia es mitbekam.

Als er seine Tür öffnete, wartete kein frisches Wasser auf ihn. Er hielt es ebenfalls für unwahrscheinlich, dass seine Vermieterin für frische Bettwäsche gesorgt hatte. Celia würde sich nicht bemühen, seine Anwesenheit in ihrem Haus angenehm zu gestalten, ganz gleich, welche Möglichkeiten gestern Abend in der Bibliothek umhergeschwirrt waren. Er nahm an, dass sie dazu nicht nur ihr Wunsch anstachelte, es ihm so unbequem wie möglich zu machen.

Er wusste nicht, wo sie die letzten Jahre verbracht hatte, nachdem sie ihre Mutter verlassen hatte, aber nichts deutete darauf hin, dass sie irgendwo in Dienst gegangen war. Es bestand die Möglichkeit, dass Celia überhaupt keine Ahnung von Haushaltsführung hatte.

Da es ihm nun überlassen blieb, für sein Waschwasser zu sorgen, stieg er die Dienstbotentreppe hinunter. Als er am ersten Stock vorbeikam, in dem ihr Zimmer lag, hörte er kein Geräusch, ebenso wenig wie im Erdgeschoss. Erst als er unten ankam, sah er sie im hellen hinteren Salon sitzen, wo sie mit einem Zeichenblock auf dem Schoß abwechselnd auf die Fenster, den Raum und die von ihr gefertigten Skizzen blickte.

Sie trug ein schlüsselblumengelbes Kleid. Zusammen mit ihrem Haar und der hellen Haut erleuchtete sie das Zimmer wie ein Sonnenstrahl. Sie hatte schon am Abend zuvor im Schein des Kaminfeuers wunderschön ausgesehen, aber nun ließ ihr Anblick seinen Atem stocken.

Es wäre eine Schande, sollte sie als Bordellmadam enden. Er nahm an, dass ihre Behauptungen vom gestrigen Abend nicht mehr gewesen waren als der Versuch, ihn zur Abreise zu ermutigen, aber ganz sicher war er sich nicht.

Als er sie grüßte, zuckte sie zusammen. Ihre blauen Augen musterten ihn von oben bis unten, doch sie reagierte nicht auf seine nachlässige Erscheinung. Da es nicht seine Schuld war, dass er sich nicht hatte rasieren können, und er nicht mehr trug als ein Hemd und eine Hose, war das nur angemessen. Doch gleichzeitig konnte er die Erinnerung an ein goldenes Mädchen im Haus ihrer Mutter nicht abschütteln, genauso wenig wie die Gedanken an die Lektionen, die Alessandra diesem Mädchen in jenem Jahr beigebracht haben musste. Jeden Anflug von Scham darüber zu unterdrücken, einen Mann so zu sehen, war wahrscheinlich eine davon gewesen.

»Ich wollte mir etwas Wasser zum Waschen holen.« Die Erklärung klang selbst in seinen Ohren albern. Der Umstand wäre deutlich genug geworden, wenn er mit einem Eimer aus dem Garten zurückgekehrt wäre.

»Haben Sie etwa erwartet, dass ich Ihnen etwas hinauftrage?« Ihr Tonfall klang aufrichtig neugierig.

»Natürlich nicht. Sie sind keine Magd.«

»Nein, das bin ich nicht. Und schon gar nicht die Ihre.«

»Die Bereitstellung von Bettwäsche ist allerdings üblich, wenn ein Zimmer vermietet wird.« Er hatte mit dem Gedanken gespielt, diese Forderung fallen zu lassen, doch ihr gereizter Tonfall stachelte ihn ein wenig an. »Ich habe zwar gesagt, dass ich keine große Haushaltsführung benötige, aber ich brauche zumindest Bettwäsche.«

Sie sah ihn kurz an und wandte sich dann wieder ihrer Zeichnung zu. Er ging hinaus zur Quelle und füllte seinen Eimer mit Wasser. Mit kaltem Wasser. Während er es zum Haus zurücktrug, überlegte er, ob er die Kälte ertragen konnte oder Zeit damit vergeuden sollte, es in der Nähe seines Kamins zu erwärmen.

»Werden Sie heute ausgehen?« Ihre Frage kam, als er sich am unteren Treppenabsatz befand.

»Das ist wahrscheinlich. In einer Stunde, für eine Weile.«

»Gut.« Sie sah nicht von ihrer Zeichnung auf.

Ihr abwesendes und gleichzeitig doch so abschätziges »Gut« stachelte den Teufel in ihm an. Er stellte den Eimer ab und schlenderte in den Raum, bis er über ihre Schulter hinweg einen Blick auf die Zeichnung werfen konnte.

Sie zeigte das Zimmer selbst, in guter Perspektive, mit einer Reihe von Regalen in der Nähe der Fenster und niedrigen Ablagen auf dem Boden.

»Sie haben das Talent Ihrer Mutter geerbt«, stellte er fest, während sein Blick zu ihrem kunstvoll arrangierten goldenen Haar wanderte. Durch die Neigung ihres Kopfes konnte er die kleinen Löckchen sehen, die sich wie Federn an ihren eleganten Nacken schmiegten. Er stand nah genug, um ihren Lavendelduft wahrzunehmen und die feinen Härchen in ihrem Nacken zu bewegen, wenn er ausatmete.

Ihr Bleistift hielt in der Bewegung inne. Sie sah zu ihm auf, schnell genug, um zu bemerken, dass seine Augen nicht mehr auf die Zeichnung, sondern auf sie gerichtet waren.

Ihre Wangen erröteten leicht. Sie sah ihm einen Wimpernschlag lang in die Augen. Dieser kurze, durchdringende Blick drückte das Wissen um sein Tun aus und zeigte weder Schock noch Bestürzung. Also verbarg er, wie schon am Abend zuvor, seine Bewunderung und sein Interesse nicht, wie er das normalerweise getan hätte.

Und wieder überschlugen sich in seinem Kopf die Möglichkeiten dieser Situation. Es waren angenehme Spekulationen, erotische sogar. Doch die Lage war zu kompliziert. Sie war wunderschön und begehrenswert, und das Interesse war trotz ihrer vorgetäuschten Gleichgültigkeit beiderseitig – dessen war er sich sicher. Doch ob sie nun dem Pfad ihrer Mutter folgen, tatsächlich ein eigenes Bordell eröffnen oder lediglich in tugendhafter Abgeschiedenheit leben würde, sie war nicht für ihn bestimmt.

Als ob sie zu dem gleichen Schluss gelangt wäre, wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder der Zeichnung zu. »Sie kannten sie gut, wenn Sie von ihrer künstlerischen Begabung wissen. Ich habe erst in den letzten Monaten, die ich bei ihr lebte, davon erfahren.«

»Um zu wissen, ob jemand Talent besitzt, reicht schon eine einzige Zeichnung aus.«

»Und Sie haben eine solche von ihr gesehen? Oder sogar mehrere?«

Jonathan zögerte. Er war daran gewöhnt, bei den meisten Dingen so wenig wie möglich preiszugeben, besonders wenn sie jemand anderem etwas bedeuteten und mit seinen Aufträgen zu tun hatten. Selbst beiläufige Bemerkungen konnten auf einen zurückfallen und zu Problemen führen.

»Sie zeichnete und malte immer, wenn sie hier war«, antwortete er. »Also habe ich im Laufe der Zeit einige Bilder gesehen.«

»Sind sie hier? Diese Bilder?«

»Das nehme ich an.«

Sie sah sich im Salon um und blickte in Richtung der Räume über und unter ihnen. »Vielleicht werde ich ebenfalls einen Blick darauf werfen, wenn ich dazu komme, den Inhalt dieses Hauses genau unter die Lupe zu nehmen. Doch zuerst muss ich mich um andere Dinge kümmern. Wie diese Stube hier.«

Fast hätte er sie gefragt, was sie mit dem Raum und all diesen Regalen vorhatte. Doch stattdessen kehrte er zu seinem Eimer zurück und stieg die Treppe hinauf.

Unter die Lupe nehmen. Warum hatte sie sich so ungewöhnlich ausgedrückt? Was auch immer der Grund für diese Art von Untersuchung sein mochte, er tat gut daran, dafür zu sorgen, dass er ihr zuvorkam.

Die Schritte auf der Treppe verklangen langsam, während Mr Albrighton das Wasser in sein Zimmer brachte.

Sie hatte gehofft, er würde das Feld räumen, sobald er begriffen hatte, dass sie ihm nicht einmal die einfachsten Gefälligkeiten wie Waschwasser zur Verfügung stellen würde. Doch stattdessen hatte es ihm scheinbar nicht das Geringste ausgemacht, es für sich selbst zu besorgen. Und er hatte erneut mehr Interesse an ihr gezeigt, als schicklich war. Außerdem hatte er sie in eine Unterhaltung verwickelt, wie um ihr zu beweisen, dass er es konnte.

Sie vermutete, dass er erst recht dableiben würde, wenn ihre Bemühungen, ihn hinauszuekeln, zu offensichtlich waren. Er könnte sich entscheiden, es als Wettstreit anzusehen, den er natürlich gewinnen musste. Sie würde durch ihre Unhöflichkeit heute Morgen wahrscheinlich gar nichts erreichen und hatte ihn womöglich dazu gebracht, seinen Plan aufzuschieben. Offenbar war ein wenig mehr Fingerspitzengefühl gefragt.

Normalerweise war sie ungerne unhöflich und vermutete, dass sie auch nicht besonders gut darin war. Sobald er bei ihr im Salon gewesen war, hatte sie ihre Rolle sicherlich nicht mehr gut gespielt. Aber andererseits war es sehr schwer, so zu tun, als würde jemand kaum existieren, wenn dieser Mensch das eigene Blut dermaßen in Wallung versetzte. Wenn er dicht hinter ihr stand und allein sein Atem genügte, um ihr einen köstlichen Schauer über den Rücken zu jagen.

Sie stellte sich vor, wie er darauf wartete, dass das kalte Wasser in der kleinen Dachbodenkammer vom Kamin aufgewärmt wurde. Wie lange hatte er dieses Zimmer benutzt, seit er wieder in London war? Nicht lange, vermutete sie, wenn er noch nicht einmal Bettwäsche hatte.

Sie legte ihre Zeichnung beiseite und ging in ihr eigenes Zimmer. Sie zog Leinentücher aus der Wäschetruhe und machte einen Stapel aus Bettwäsche und Handtüchern. Sie musste schließlich ihre Matratze dort oben schützen. Und sie wollte auch nicht, dass er überall auf dem Boden Wasser verspritzte. Ihm Bettwäsche und Handtücher zu geben bedeutete nicht, seine Anwesenheit im Haus zu ermutigen oder seine Dienstmagd zu spielen. Wenn sie ihn wie einen Gefangenen leben ließ, würde die Kammer irgendwann genauso schlecht riechen wie eine Zelle.

Sie ging nicht gerade auf Zehenspitzen, als sie den oberen Treppenabsatz erreichte, aber sie bemühte sich, kein Geräusch zu machen. Sie würde die Wäsche vor die Tür legen und wieder unten sein, bevor er wusste, dass sie dagewesen war.

Der Dachboden hatte einen langen Flur. Drei Türen gingen zur einen Seite ab und zwei zur anderen. Drei der Türen standen offen. Sie lauschte nach Geräuschen, während sie an den drei Türschwellen vorüberging.

Nichts. Mit leisen Schritten ging sie auf das andere Ende des Flures zu, wo sich zwei geschlossene Türen gegenüberlagen. Als sie an den offenen Zimmern vorbeiging, warf sie einen Blick hinein. Alle waren mit einfachen Betten und Schränken ausgestattet. Wenn sie sich jemals entscheiden sollte, mehr Mieter aufzunehmen, gab es Platz genug.