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Seinen ersten richtigen Klettersturz hat Reinhold Messner nicht auf einem Achttausender, sondern im Alter von 50 Jahren, als er nach einem Restaurantbesuch zu seiner Burg Juval zurückkehrt und vor verschlossenen Türen steht. Kurzerhand erklimmt er die drei Meter hohe Mauer, die das Grundstück umgibt, doch die Bedingungen sind denkbar ungünstig: Es ist dunkel und regnet stark. Messner rutscht ab, stürzt zweieinhalb Meter in die Tiefe und zertrümmert sich das Fersenbein. Die Stelle seines Absturzes ziert heute ein Schild mit der Inschrift »Hier habe ich einen kapitalen Bock geschossen«. Reinhold Messner ist einer der bekanntesten Bergsteiger der Welt. Er hat eine Vielzahl von Rekorden aufgestellt, beispielsweise hat er als erster Mensch den Mount Everest ohne Zuhilfenahme von Sauerstoff bezwungen. Dieses Buch gibt in kleinen Anekdoten Einblicke in das Leben des großen Bergsteigers.
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Seitenzahl: 69
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.
Für Fragen und Anregungen:
1. Auflage 2016
© 2016 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Nymphenburger Straße 86 D-80636 München Tel.: 089 651285-0 Fax: 089 652096
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Redaktion: Claudia Fregiehn
Umschlaggestaltung: Isabella Dorsch
Umschlagabbildung: ullstein Bild - Christof Stache
Satz: inpunkt[w]o, Haiger
ISBN Print 978-3-7423-0000-3
ISBN E-Book (PDF) 978-3-95971-365-8
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-95971-364-1
Vorwort
Kindheit auf dem Bauernhof
Der ruhende Pol
Freiheit auf der Alm
Der höchste Berg
Der Traum vom Klettern
Messner fällt durchs Abitur
Messners Berge
Die Angst vor der Dunkelheit
Der Schicksalsberg
Vorwürfe gegen Messner
Die Wahrheit kommt ans Licht
Reinhold Messner, Peter Habeler und Clint Eastwood
Der verlorene Sohn
Der versteckte Gipfel
Der Berg der Berge
Zurück, wo alles begann
Rekorde, Rekorde, Rekorde
Messner der Schlossherr
Der ewige Konkurrent
Galadiner für die Gipfelstürmer
Zu Fuß durch die Antarktis
Mit dem Bruder durch Grönland
Der Sturz
Messner und der Yeti
Ein Kiosk auf dem Matterhorn
Bergsteiger und Politiker
Die letzte große Expedition
Messner der Ängstliche
Ungebetener Besuch
Messner und die Frauen
Des Messners Duft
Der fünfzehnte Achttausender
Quellennachweis
»Das Abenteuer Bergsteigen beginnt dort, wo der Spaß aufhört.«
Reinhold Messner
Reinhold Messner ist ein Pionier. Er ist Abenteurer und Grenzgänger, Bestsellerautor, Vortragsreisender, Museumsmacher und vieles mehr. Mit seinen unglaublichen, oft lebensgefährlichen Expeditionen begeistert er die Menschen wie kaum ein Zweiter. Er polarisiert aber auch mit seiner kompromisslosen Art.
Am 17. September 1944 erblickt Reinhold Messner in Brixen das Licht der Welt. Mit acht Geschwistern wächst er in der Enge des Villnößtals in den Südtiroler Dolomiten auf. Der Vater ist Lehrer und Bauer. Die Mutter ist Hausfrau. Wie die meisten Menschen in der Nachkriegszeit leben auch die Messners in ärmlichen Verhältnissen.
»Es war wie im Mittelalter«, erklärt Messner und meint damit die Enge des Tals in der damaligen Zeit. Eine Enge sowohl im topografischen als auch im geistigen Sinne. Das Leben läuft sehr streng ab, zum einen weil er schon als Bub auf dem Hof der Eltern mithelfen muss, zum anderen aus religiösen Gründen. Wie in ländlichen Gegenden damals üblich, hat die Kirche auch im Villnößtal große Autorität.
Schon als kleiner Knirps steigt er mit der Familie zum ersten Mal auf einen Gipfel. Von da an zieht es den jungen Reinhold immer öfter in die Höhen der heimischen Berge. Es wird jedoch nicht allzu lange dauern, bis es ihm auch hier zu eng wird und er sich neue Herausforderungen sucht. Messner selbst bezeichnet sein Fernweh als »Horizontsucht«. Wieder geht es ihm nicht nur um den geografischen Horizont, sondern vor allem auch um den geistigen. Er will den starren Grenzen der Heimat entfliehen und findet seinen Weg aus der Enge im Bergsteigen.
Bald schon hat er die großen Berge der Alpen bestiegen und macht sich auf zu neuen Ufern oder, besser gesagt, Gipfeln. Er stellt einen Rekord nach dem anderen auf, besteigt als erster Mensch alle Achttausender und wird weltweit zum gefeierten Helden. Doch darum geht es dem Extrembergsteiger nicht. Für ihn steht die Erfahrung im Vordergrund. Er will sich selbst bis in die letzte Faser spüren, und das geht in seinen Augen am besten in einer senkrechten Felswand. Von dem tödlichen Abgrund trennen ihn nur seine Fähigkeiten. Und die will er unter Beweis stellen – in erster Linie sich selbst gegenüber. Seine mörderischen Touren mögen vollkommen nutzlos sein, das gibt der hochgebildete Südtiroler freimütig zu. Für ihn sind sie aber der höchste Sinn seines Lebens.
Messner weiß, dass er sich vor allem im Himalaja immer wieder in Lebensgefahr begibt. Doch das Risiko ist kalkuliert. Er würde sich einer solchen Gefahr nicht aussetzen, wenn er nicht wüsste, dass er es schaffen kann. »Das Können ist des Dürfens Maß«, lautet seine oberste Maxime.
Auch wenn er im Grunde seines Herzens die Anarchie liebt, hält er sich doch immer an diese eine Regel, als wäre sie Gesetz. Und das nicht umsonst. Viele Extrembergsteiger kommen von ihren Touren nicht zurück. Reinhold Messner ist wohl der Extremste von allen, sicherlich der Erfolgreichste, und er ist vor allem eines: noch am Leben. Und darauf ist er stolzer als auf all seine alpinistischen Erfolge.
Er war schon auf den höchsten und beeindruckendsten Gipfeln, aber die Dolomiten sind für Reinhold Messner noch immer die schönsten Berge unserer Erde. Das ist mehr als verständlich, sind sie doch die Berge seiner Kindheit und seine Heimat, obgleich in seinen Kindertagen nicht immer alles nur heile Welt war. Etwa um die Zeit, als der kleine Reinhold seine ersten Schritte macht, endet der Zweite Weltkrieg. Die entbehrungsreiche Nachkriegszeit beginnt.
Reinhold wächst zusammen mit seinen acht Geschwistern auf dem Geflügelhof der Familie in Villnöß auf. Sein Vater Josef ist Bauer und gleichzeitig Lehrer an der örtlichen Schule. Das macht dem Nachwuchs der Messners das Leben nicht gerade leichter. Wenn die Kinder in der Schule sind, stehen sie unter dem strengen Blick des Vaters. Zu Hause auf dem Hof müssen sie schon früh mitarbeiten. Reinhold ist für die Hühner zuständig. Das bedeutet Ställe ausmisten, Futter verteilen, Eier einsammeln. Auch das Schlachten gehört zu Reinholds Pflichten. Bevor sie an die örtlichen Gastronomiebetriebe verkauft werden können, müssen die Tiere gerupft werden. Bis zu fünfzig Hühner gehen an einem Wochenende durch Reinholds Hände. Die Arbeit macht dem Jungen aber nichts aus. Es ist in der damaligen Zeit ganz normal, dass die Kinder mithelfen. Anders würde es nicht gehen.
Normal ist es leider auch, dass der Vater in Reinholds Kindheitstagen immer wieder die Beherrschung verliert. Wie so viele Kriegsheimkehrer tut sich auch Josef Messner schwer damit, seine Erfahrungen zu verarbeiten. Es braucht nicht viel, und schon packt den Vater die Wut. Prügel sind für Reinhold und seine Geschwister keine Seltenheit. Reinholds jüngerer Bruder Günther bekommt den Zorn des Vaters einmal so heftig zu spüren, dass er sich danach für eine Weile im Stall versteckt. Die Zeit der Prügel endet erst, als Reinhold sich mit etwa dreizehn Jahren zu wehren anfängt. Der Vater weiß, dass sein Sohn mittlerweile stärker ist als er, und so hört er auf, seine Kinder zu schlagen.
Heute hat Reinhold Messner seinem Vater schon lange verziehen. Er ist sich sicher, dass der Vater gerne anders gehandelt hätte, wenn er nur gewusst hätte, wie. Mit dem Trauma des Krieges belastet, war er dazu aber tragischerweise nicht in der Lage.
Zum Glück gibt es im Hause Messner aber auch noch seine Mutter Maria. Wo der Vater gelegentlich über die Stränge schlägt, ist sie die ausgleichende Kraft. Sie steht immer zu hundert Prozent hinter ihren Kindern, fördert den Nachwuchs und nimmt die Kinder in Schutz, wo sie nur kann. Nach außen hin ist der Vater das Familienoberhaupt, doch Reinhold Messner ist überzeugt, dass in Wirklichkeit seine Mutter die Hosen anhat. Aber eben auf eine ganz stille und überlegte Art. Denkt Messner an seine Kindheit zurück, erhält die Mutter gar den Status einer germanischen Göttin. Germanisch deshalb, weil Frauen im alten Germanien aufs Höchste respektiert wurden und genauso viel Mitspracherecht hatten wie die Männer.