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Für alle, die von Juliettes Welt nicht genug bekommen können: Die E-Shorts zu der TikTok-Sensation
Die Rebellen in Omega Point sammeln sich nach Andersons Angriff und müssen eine schwere Entscheidung treffen, wie es weitergehen soll. Ihr Anführer Kenji kämpft währenddessen mit ganz eigenen Problemen. Seine mysteriösen Ohnmachtsanfälle würde er am liebsten genauso ignorieren wie seine aufkeimenden Gefühle für Nasira.
»Reveal Me« knüpft direkt an die Ereignisse von »Defy Me« an.
Alle Bände der »Shatter Me«-Reihe:
Shatter Me (Band 1)
Destroy Me (Band 1.5, E-Short)
Unravel Me (Band 2)
Fracture Me (Band 2.5, E-Short)
Ignite Me (Band 3)
Restore Me (Band 4)
Shadow Me (Band 4.5, E-Short)
Defy Me (Band 5)
Reveal Me (Band 5.5, E-Short)
Imagine Me (Band 6)
Believe Me (Band 6.5, E-Short)
Join Me (alle Shorts in einem Sammelband)
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Seitenzahl: 85
Tahereh Mafi
Aus dem amerikanischen Englischvon Mara Henke
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Erstmals als cbt E-Book Januar 2024
© 2019 Tahereh Mafi
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel
»Reveal Me« bei Harper, an imprint of HarperCollins Publishers, New York.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück, 30161 Hannover.
© 2023 für die deutschsprachige Ausgabe cbj Kinder- und Jugendbuchverlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Aus dem amerikanischen Englisch von Mara Henke
Lektorat: Ulla Mothes
Covergestaltung: Geviert, Grafik & Typografie
Cover art © 2013 by Colin Anderson.
Cover art inspired by a photograph by Sharee Davenport
skn · Herstellung: bo
Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-641-31766-9V001
www.cbj-verlag.de
Mir ist der Appetit vergangen.
Das ist mir in meinem ganzen Leben noch nie passiert.
Ich starre auf ein verlockendes Stück Kuchen und kann es aus irgendeinem Grund nicht essen. Mir ist flau im Magen.
Ich stupse das Kuchenstück immer wieder mit der Gabel an, inzwischen ist es kollabiert, die Glasur verwüstet. Ein unschuldiges Kuchenstück zu metzeln, finde ich gar nicht gut – und Essen zu vergeuden, eigentlich kriminell, vor allem leckeren Kuchen –, aber die wiederholte Bewegung und der weiche Widerstand des Vanillebiskuits beruhigen mich irgendwie.
Ich streiche mir mit der freien Hand übers Gesicht.
Natürlich hatte ich schon schlimmere Tage. Schmerzhaftere Verluste. Beschissenere Abende. Aber irgendwie kommt es mir gerade vor, als sei ich jetzt in einer neuen Art von Hölle gelandet.
Meine Schultern sind total verspannt, der dumpfe Schmerz zieht den ganzen Rücken hinunter. Ich versuche die Muskeln durch Atmen und Dehnen zu lösen, aber nichts hilft. Wie lange ich hier schon vor dem Kuchen sitze, weiß ich nicht mehr. Stunden vielleicht.
Ich schaue mich in dem großen Raum um, dem sogenannten Hauptzelt.
Weiß getünchte Balken stützen die Decke. Von außen sieht man nur das hellbeige Zelttuch, aber im Inneren gibt es keinen Zweifel, dass es sich um ein kleines Haus handelt. Warum es nach außen hin als Zelt verkleidet ist, leuchtet mir nicht ein. Kann nur hoffen, dass es irgendeinen vernünftigen Grund dafür gibt, andernfalls fände ich das albern. Die Einrichtung in diesem Raum, in dem gemeinsam gegessen wird, ist schlicht – Tische und Stühle aus Naturholz –, die Atmosphäre angenehm. Alles hier im Refugium wirkt neuer, gepflegter und heller als in Omega Point, unserem ersten Stützpunkt. Man fühlt sich wie in einem noblen Zeltlager.
Ich stochere wieder im Kuchen. Es ist spät, lange nach Mitternacht, und ich habe eigentlich keinen Grund mehr, noch hier rumzusitzen. Alle hauen nach und nach ab, Stühle scharren, Türen gehen auf und zu. Warner und Juliette (Ella? Fühlt sich so fremd an) sind noch irgendwo hier, vermutlich, weil sie ihn mit seinem Geburtstagskuchen zwangsfüttert. Aber vielleicht isst er ihn auch freiwillig. Egal. Wenn ich gerade dabei bin, mich selbst ausgiebig zu bemitleiden, hasse ich Warner noch mehr als sonst.
Ich kneife die Augen zusammen. Bin elend müde.
Mir ist schon klar, dass ich aufstehen und schlafen gehen sollte. Aber ich kann mich nicht überwinden, diesen angenehm beleuchteten Raum zu verlassen und mich einsam und allein in mein Zimmer zu begeben. Es ist so schön hell hier drin. Nicht zu übersehen, dass Nouria – Castles Tochter, die Anführerin dieser Widerstandsgruppe – ein Händchen für Licht hat. Ist schließlich auch ihre Superkraft. Und sie hat hier alles mit Licht ausgestattet. Lichterketten an der Decke. Laternen an Wänden und Türen. An einer Wand gibt es einen gemauerten offenen Kamin, der – ohne Feuer – warmes Licht verströmt. Es ist behaglich hier.
Und duftet außerdem nach Kuchen.
Jahrelang habe ich mich darüber beklagt, dass ich keine Privatsphäre hatte. Aber jetzt, da ich tatsächlich ein kleines Häuschen für mich allein habe, vermisse ich die Gemeinschaft aus Omega Point und dem Hauptquartier. Ich mochte es, Freunden zu begegnen, sobald ich meine Zimmertür aufmachte. Ich mochte es, ihr rücksichtslos lautes Gequatsche im Flur zu hören, wenn ich einschlafen wollte.
Deshalb also.
Bin ich immer noch hier.
Weil ich nicht allein sein will.
Und deshalb hocke ich hier schon den ganzen Abend und sehe zu, wie die anderen paarweise verschwinden. Lily und Ian. Brendan und Winston. Tana und Randa. Nouria und ihre Frau Sam, gefolgt von Castle.
Alle lächeln.
Alle wirken erleichtert und hoffnungsvoll. Feiern das Überleben und die raren Momente von Schönheit inmitten des ganzen Gemetzels. Aber ich – ich würde am liebsten laut schreien.
Ich lasse die Gabel fallen, drücke mir die Handballen in die Augen. Seit Stunden wird meine Frustration immer schlimmer, und jetzt ist der Höhepunkt erreicht. Es fühlt sich an, als umklammere sie meinen Hals, um mich zu erwürgen.
Wut.
Warum bin ich hier der Einzige, der Angst hat? Warum habe nur ich dieses nervöse Brodeln im Bauch? Warum stelle nur ich immer wieder die gleiche Frage:
Wo zum Teufel sind Adam und James?
Als wir im Refugium eintrafen, wurden wir begeistert mit Jubel und Trara begrüßt. Alle benahmen sich, als sei das ein großes freudiges Familientreffen, als gäbe es Hoffnung für die Zukunft, als könne es uns allen gut gehen –
Niemand schien daran zu denken, dass Adam und James nicht bei uns waren.
Nur ich zählte alle durch. Nur ich schaute mich um, musterte suchend die vielen Leute, stellte Fragen. Offenbar war ich der Einzige, der es nicht okay fand, dass uns zwei Teammitglieder fehlten.
»Er wollte nicht mitkommen, Mann, das weißt du doch.«
Das.
Das war die bescheuerte Erklärung, die Ian mir geliefert hatte.
»Kent hat doch klar und deutlich gesagt, dass er den Sektor 45 nicht mehr verlassen will«, sagte Ian. »Und du warst dabei, als er das geäußert hat.« Er sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Mach dich nicht verrückt. Adam wollte mit James dortbleiben und versuchen, Immunität zu bekommen, das weißt du. Du musst das jetzt loslassen.«
Doch genau das konnte ich nicht.
Ich beharrte darauf, dass da etwas schieflief. Dass sich die Situation ganz falsch anfühlte. Da stimmt doch etwas nicht, sagte ich immer wieder, und Castle erwiderte – so behutsam, als sei ich ein Irrer –, dass Adam James’ Bruder und Beschützer sei und dass ich nicht über den Jungen bestimmen könne, sosehr ich ihn auch liebe.
Aber alle scheinen zu vergessen, dass Adam die idiotische Entscheidung, im Hauptquartier zu bleiben, getroffen hat, bevor wir merkten, dass Anderson noch lebt. Bevor wir hörten, wie Delalieu sagte, Anderson habe geheime Pläne für Adam und James gemacht. Bevor Anderson aus dem Nichts auftauchte und Delalieu ermordete und wir alle in eine Anstalt gesteckt wurden.
Etwas stimmt nicht.
Keine Sekunde glaube ich, dass Adam riskiert hätte, im Sektor 45 zu bleiben, hätte er gewusst, dass Anderson dort ist. Adam kann ein Dickschädel sein, aber er widmet sein Leben dem Ziel, seinen zehnjährigen Bruder zu schützen. Nie und nimmer würde er James gefährden – und schon gar nicht angesichts Andersons obskurer Pläne. Ich weiß einfach ganz genau, dass Adam sich so nicht verhalten würde. Spüre es in meinem tiefsten Innern.
Aber niemand will auf mich hören.
»Komm schon, Mann«, hatte Winston ruhig gesagt. »Du bist nicht für James verantwortlich. Was auch mit ihm sein mag – es ist nicht dein Fehler. Wir müssen weitermachen.«
Es kam mir vor, als spräche ich eine Sprache, die keiner versteht. Als schreie ich eine Wand an. Alle denken, ich würde überreagieren. Sei zu emotional. Niemand will meine Befürchtungen ernst nehmen.
Castle hörte irgendwann auf, meine Fragen zu beantworten, sondern seufzte nur noch – wie früher, wenn ich als Kind Streunerhunde in meinem Zimmer verstecken wollte. Bevor er heute Abend rausging, warf er mir einen mitleidigen Blick zu. Und ich weiß, verflucht noch mal, nicht, was das alles soll.
Sogar Brendan – der liebevolle, einfühlsame Brendan – hat den Kopf geschüttelt und gesagt: »Adam hat seine Entscheidung getroffen. Es ist für uns alle schwer, die beiden zu verlieren, Kenji, aber du musst jetzt loslassen.«
Scheißgerede.
Ich lasse nicht los.
Kommt nicht infrage.
Ich starre auf die Überreste von Warners Geburtstagskuchen, der auf einem Tisch in der Mitte des Raums steht, und habe urplötzlich den Impuls, mit der Faust reinzuschlagen. Weshalb ich die Gabel noch fester umklammere.
Ich habe echt nichts dagegen, dass wir Warners Geburtstag feiern. Nette Geste, ist mir schon klar, der Mann hatte schließlich noch nie ein Geburtstagsfest. Aber mir ist eben nicht nach Feiern zumute. Sondern danach, diesen Scheiß-Blechkuchen mit voller Wucht an die Wand zu feuern. Ich will ihn mir schnappen und an die Wand schmeißen und –
Ein heißer Schreck durchfährt mich, ich erstarre, als ich sehe, wie Finger sich um meine Faust schließen. Sie üben Druck aus, damit ich die Gabel loslasse. Dann höre ich ein Lachen.
Jetzt ist mir noch übler.
»Alles okay?«, höre ich Nasira fragen. »Du hältst die Gabel wie ein Kampfmesser.« Sie klingt, als lächle sie, was ich aber nicht genau weiß, weil ich immer noch wie hypnotisiert ins Leere starre. Die Gabel wurde mir entwunden, aber meine Finger fühlen sich jetzt wie versteinerte Krallen an.
Ich merke, dass sie sich neben mich setzt.
Spüre ihre Nähe, ihre Wärme. Schließe die Augen. Wir haben nicht geredet, Nasira und ich. Nicht über uns jedenfalls. Haben nicht darüber gesprochen, wie sehr mein Herz austickt, sobald sie in meiner Nähe ist. Und ganz bestimmt nicht über die ausschweifenden Tagträume, die sie bei mir auslöst. Seit dieser Szene in meinem Zimmer haben wir kein einziges privates Wort gewechselt. Und ich wüsste auch nicht, weshalb wir das tun sollten. Ist doch völlig sinnlos.
Es war hirnrissig von mir, sie zu küssen.