Rising Knight - Mimi Kylling - E-Book

Rising Knight E-Book

Mimi Kylling

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Beschreibung

»Ich hasse am meisten, dass ich alles an dir liebe. Ich habe all diese Scheißgefühle, obwohl ich keins davon wollte. Sie sind trotzdem da.«

Nachdem seine Freunde Half Moon Bay verlassen haben, fühlt sich Knight einsamer als je zuvor. Tag für Tag versucht er, seine zerrüttete Familie über Wasser zu halten. Doch egal, wie sehr er sich bemüht – es ist nie genug. Als er auf Sofia trifft, kollidieren Welten. Denn wo Knight um jeden Dollar kämpft, spielt Geld für die reiche Unternehmertochter keine Rolle.
Auch darüber hinaus haben die beiden wenig gemein.
Wenn sie sich sehen, fliegen die Fetzen.
Und obwohl eine Frau wie Sofia das letzte sein sollte, was Knight sich für sein Leben wünscht, kann er die Finger nicht von ihr lassen. Doch nicht nur Knight hat Geheimnisse, auch Sofia spielt nicht mit offenen Karten.
Bis eine Nacht alle Wahrheiten ans Licht holt und jede Fassade bricht.



Kein Cliffhanger
In sich abgeschlossen

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Inhalt

Inhalt

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Epilog

Danksagung

Leseprobe

 

Impressum

 

 

 

© 2024 Rinoa Verlag

c/o Emilia Cole

Pater-Delp-Straße 20, 47608 Geldern

 

ISBN 978-3-910653-48-1

 

rinoaverlag.de

mimikylling.de

 

Alle Personen und Handlungen in diesem Roman sind frei erfunden. Jedwede Ähnlichkeit zu lebenden Personen ist rein zufällig.

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

 

 

 

 

 

 

Für alle, die auf der Suche sind.

Kapitel 1

 

 

»Steh auf, was machst du da?«

Eine Hand trifft mich an der Wange. Nicht an der Schulter, nicht am Bein. An der Wange. Aber es tut nicht weh, es ist nur Mom.

»Willst du, dass ich einen Herzanfall bekomme?«, meckert sie weiter. »Wie lange sitzt du da schon?«

Ich blinzle. Das Sonnenlicht, das durch die trüben Scheiben des Trailers scheint, ist so hell, dass mir fast die Augen in ihren Höhlen platzen. Mein Kopf pocht und meine Nase kribbelt trocken.

»Wird das heute noch was?« Der nächste nachlässige Klaps ihrer Hand lässt meinen Kopf unkontrolliert auf die Seite kippen. Direkt gegen etwas Hartes. Es ist der Wandschrank, an den sich die Sitzecke anschließt, in der ich scheinbar irgendwie die Nacht verbracht habe.

»Verdammt noch mal, steh auf jetzt. Ich muss arbeiten.«

Sie reißt an meinem Arm und ich würde jetzt wirklich gern auf die Füße kommen, wenn ich noch Gefühl in meinen Beinen hätte. Schemenhaft ziehen die Bilder der letzten Nacht an meinem inneren Auge vorbei. Keins davon passt zum anderen. Scheine und Kokstüten. Leuchtende Lichter und dunkles Stöhnen. Fuck.

Panisch taste ich über die Taschen meiner alten Cargohose und da ist es. Die Erhebung, die ich gesucht habe. Und damit meine ich nicht meinen Schwanz, sondern die gerollten Dollarscheine, die ich gestern von Stevie bekommen habe. Stevie, dieser Bonzenwichser, der jedes Mal in seinem dicken Daimler zum Treffpunkt kommt und glaubt, dass ihn das zu was Besserem macht. Schon allein für seine dämlichen Blicke schlage ich zehn Prozent drauf. Typen wie er merken das eh nicht. Was sind in deren Leben schon ein paarhundert Dollar?

Für mich sind sie die Welt.

Und irgendwann sind sie mein Ticket hier raus.

Irgendwann.

Mom schiebt mich unsanft zur Seite, weil ich immer noch in der Sitzbank hänge. Sie riecht nach altem Rauch und Mensch. Es ist eine Mischung, die mich fast kotzen lässt. Dabei war Mom mal eine hübsche Frau. In einem anderen Leben, lange bevor wir hier gestrandet sind. Kann man kaum glauben, wenn man sie jetzt in ihrem alten Jogginganzug sieht, dessen Jacke so kurz ist, dass ein Streifen gebräunte Haut hervorblitzt.

Ich beobachte sie dabei, wie sie eine Zigarette anzündet und hochwichtig ihren uralten Laptop aufklappt. Im Moment hat sie wieder eine dieser Phasen, in denen sie glaubt, dass ihr großer Businessdurchbruch kurz bevorsteht. Keine Ahnung, was sie gerade online vertickt.

Ich beuge mich ein Stück vor, um einen Blick auf den Laptop zu erhaschen, und nehme in einer fließenden Bewegung die Zigarettenschachtel vom vergilbten Tisch.

»Ey, das sind meine«, beschwert sie sich.

Ich antworte nicht, sondern zünde eine der Zigaretten an, während ich weiter auf den Monitor schaue. »Make-up, ja?«

»Ich weiß eben, wie man an den Kundinnen dranbleibt. Ashley Princetons Essentials ist das neue Must-have für jede Frau.« Sie dreht den Laptop ein Stück und zeigt mir eine monatliche Übersicht ihrer Umsätze. Dumm nur, dass mehr Ausgaben draufstehen als Einnahmen. Doch auch das kommentiere ich nicht weiter. Es hätte eh keinen Sinn.

»Schau nicht so, Avery. Das ist ja nur der erste Monat. Man muss die Sachen eben auch selbst einmal ausprobieren, bevor man sie den Kundinnen empfehlen kann. Man kann nichts aufbauen, wenn man nichts investiert.«

Ich lege die Zigarette im übervollen Aschenbecher ab und lasse die Hand erneut in meine Hosentasche gleiten. Als müsste ich zwanghaft überprüfen, dass sich das Geld von Stevie nicht bereits beim bloßen Anblick der roten Zahlen auf Moms Abrechnung in Luft aufgelöst hat.

»Nimm doch mal die Hände aus deiner Hose«, blafft Mom.

Mein Kopf pocht mit jeder Sekunde mehr. Warum startet dieser Tag eigentlich schon wieder so beschissen?

Schlimmer wäre bloß noch gewesen, wenn Bud mich gefunden hätte. Dann hätte ich jetzt wegen etwas anderem einen dicken Schädel. Während ich ein letztes Mal sehr tief an der Kippe ziehe, bemerke ich Moms forschenden Blick auf meinem Gesicht.

»Hast du was gesagt?«

Sie lächelt leicht und stützt die Ellenbogen auf die Tischplatte. »Ich wollte nur mal wissen, wie es im Moment so mit deinen Geschäften aussieht. Weißt du, ich war gestern einkaufen. Alles wird schon wieder teurer. Das weißt du natürlich nicht, denn du gehst ja nie einkaufen, Avery.«

»Mom …«

»Skylar wollte so gern eine Schokolade. Weißt du, wie teuer die geworden ist?«

»Was willst du mir damit sagen?« Meine Hand wird zwischen den speckigen Stofflagen meiner Hose ganz schwitzig. Ich glaube fast, die Scheine alle einzeln spüren zu können.

Sie rutscht ein Stück an mich heran. »Du isst ja immer noch jeden Tag hier. Ich denke nur, es wäre vielleicht an der Zeit, deine Miete ein bisschen zu erhöhen.«

Die Gier in ihren Augen widert mich so dermaßen an, dass ich gar keine Worte dafür habe.

»Ich bezahle jedes Mal deine Scheißrechnungen, Mom. Ich bezahle die Schulbücher der Kleinen, ich tanke Buds Auto. Ich bin euch nichts schuldig.«

»Das hier ist immer noch mein Haus, Avery. Meins und Buds. Du kannst gerne gehen, wenn es dir nicht passt.«

»Es ist ein Trailer, Mom.«

Sie reckt die Nase in die Höhe, so wie Skylar es immer gemacht hat, als sie ein Kleinkind war. Jetzt ist sie acht und Mom ist noch immer nicht aus dieser Phase raus.

Bevor ich zu weiteren Rechtfertigungen ansetzen kann, ertönen Schritte aus dem hinteren Teil des Trailers und Bud erscheint. In einem fleckigen Achselhemd und einer Boxershorts, die so tief unter seinem Bierbauch hängt, dass es wehtut, hinzusehen. Die grauen Haare stehen ihm vom Kopf ab und sein Geruch eilt ihm voraus.

Ich hasse mein Leben.

Diese Enge, diese Menschen.

Diesen ganzen verfickten Trailerpark.

Er überblickt kurz die Lage, tritt dann neben Mom und zieht forsch ihr Kinn hoch, sodass sie den Kopf in den Nacken legen muss. Dann küsst er sie. Sehr fest.

Es ist widerlich.

»Was glotzt du so, du kleiner Wichser?« Bud wirft mir einen eiskalten Blick zu. »Neidisch?«

O Gott, bitte erlöse mich. Hier und jetzt.

»Ich habe Avery gerade gesagt, dass er mehr bezahlen muss, wenn er weiter hier wohnen will.«

»Und?« Auch Bud nimmt eine Zigarette aus der Schachtel auf dem Tisch.

Die Luft in diesem Trailer ist mittlerweile zum Schneiden dick, weil man seit ein paar Jahren die Fenster nicht mehr öffnen kann. Nur noch das im Bad und das in der Schlafnische der Kinder.

»Er will nicht«, führt Mom weiter aus.

Buds Ausdruck verdunkelt sich. Noch ehe ich in meinem trägen Kopf zu irgendeiner Reaktion fähig bin, beugt er sich über Mom hinweg zu mir herüber, packt meinen Nacken und drückt meinen Kopf auf den Tisch. Mit so einer Wucht, dass ich Sterne sehe. Mom keucht bloß erschrocken, sagt aber nichts. Ich glaube, sie hat einfach eine Scheißangst vor ihm.

Ich nicht. Ich habe um Menschen Angst. Um meine kleinen Geschwister zum Beispiel, die den Lenden dieses stinkenden Bastards über mir entsprungen sind. Oder um meine Mom, die da mit weit aufgerissenen Augen neben mir sitzt und nur dabei zusieht, wie ihr heiliger Ehemann ihren Sohn massakriert.

»Wenn deine Mutter sagt, dass sie Geld von dir will, dann gibst du ihr Geld, verstanden?«

»Ich habe nichts«, presse ich hervor und spüre sein Lachen im Nacken.

»Warst doch die ganze Nacht unterwegs. Rück raus die Asche.«

Meine Hand, die in der ganzen Zeit fest um die Scheine in meiner Hosentasche gewunden war, schließt sich noch fester.

»Wirds bald? Sonst kannst du heute deine jämmerlichen Sachen packen und deinen Arsch auf die Straße schwingen.«

»Lass ihn doch los, Bud. Wie soll er denn-«

»Halts Maul«, fährt Bud Mom an. »Du wolltest Kohle, du kriegst Kohle. Ich regle das auf meine Art.« Seine Hand drückt die Muskelstränge in meinem Nacken fest zusammen, dann lässt er endlich los.

Ich bin so verkrampft, dass ich gar nicht mehr richtig hochkomme. Es ist entwürdigend, sich am Tisch abstützen zu müssen, um gerade sitzen zu können. Ich hoffe, das gibt keine blauen Flecke. Letztes Mal, als er mich verprügelt hat, konnte ich drei Wochen nicht arbeiten. In der Zeit musste ich jede Nacht draußen verticken gehen.

Die Scheine rascheln, als ich einen aus dem Bund ziehe. In der Tasche, damit sie nicht sehen, dass da mehr ist. Ich reiche den zerknitterten Hunderter an Mom weiter, aber Bud ist schneller.

»Und der Rest?«, fragt er, faltet den Schein sorgfältig und lässt ihn dann in seine Tasche gleiten.

»Hab nicht mehr.«

»Verarsch mich nicht. Da sind noch mehr Scheinchen in deiner Tasche. Ich kann sehen, wie du damit rummachst.«

»Ich habe auch schon gesagt, er soll die Hände aus der Hose nehmen«, schaltet sich Mom ein.

»Und ich habe gesagt, du sollst mal die Fresse halten, Crystal«, blafft Bud, wendet sich aber wieder an mich. »Jetzt her mit der Kohle oder wir haben ein Problem.«

Das Ding ist, Bud macht keine leeren Drohungen. Und körperlich ist er mir leider überlegen. Egal, wie viel ich trainiere, der Typ ist ein wandelnder Schrank. Er war mal Schwergewichtsboxer. Als er noch nicht den ganzen Tag gesoffen hat.

Zähneknirschend ziehe ich auch das restliche Bündel Dollarnoten heraus. Bud grinst zufrieden.

»Danke, Scheißer.« Er schnappt danach, dann zählt er dreißig Dollar ab, die er Mom wie einer Nutte unter den Topträger steckt. Der Rest verschwindet ebenfalls in seiner Hosentasche.

So eine Scheiße.

Das war nicht für ihn. Das war für niemanden hier. Nur für mich. Für meine Zukunft.

Bud salutiert und verschwindet in den hinteren Teil des Trailers, aus dem er gekommen ist. Nicht, ohne im Vorbeigehen an die Wand zu hämmern, hinter der meine beiden Geschwister schlafen. »Aufstehen, Kröten«, brüllt er, dann fällt eine Tür ins Schloss.

»Es kommt uns ja allen zugute«, murmelt Mom beschwichtigend und tätschelt meine Schulter. Dann nimmt sie die Scheine aus ihrem Topträger und zählt sie durch.

»Bekomme ich die wieder?« Und schon während ich es frage, kann ich mir die Antwort dazu eigentlich selbst denken.

»Ich wollte bei meinem nächsten Beautyabend die Faltencreme vorstellen. Findest du nicht, ich sollte die vorher testen? Vielleicht bekomme ich damit ja endlich die Krähenfüße glatt. Das wird Bud bestimmt gefallen.«

Klar. Kein Ding. Seufzend sehe ich meinen Scheinen hinterher, die jetzt in der Tasche von Moms Jogginghose verschwinden.

»Was guckst du so?«, fragt sie, lächelt dabei aber. Sehr mädchenhaft unschuldig. Das kann sie gut. Wenn sie bekommt, was sie will, kann sie wirklich einnehmend sein. Sie ist wie ein kleines Kind. Bestechlich, blauäugig, emotional abhängig.

Und sie hängt an diesem Wichser Bud. Obwohl der ihr mindestens einmal im Monat ein blaues Auge verpasst und seine Kinder wie Scheiße behandelt. Er kann andere Sachen, weißt du, Avery. Das hat sie irgendwann mal erzählt, als sie eine Dose Bier zu viel getrunken hatte. Heißt im Übertragenen, dass er jeden blauen Fleck doppelt und dreifach wieder wegfickt. Hätte sie gar nicht erzählen brauchen, wissen alle Menschen im Umkreis von dreihundert Metern auch so. Die Wände in dieser Hölle sind dünn.

Bevor ich noch irgendetwas dazu sagen kann, steht eine kleine, zerzauste Gestalt im Durchgang zum Bad. Sky trägt einen Bärchenschlafanzug und ihren Teddy im Arm.

Sie reibt sich die Augen und blinzelt dann ein bisschen herum, weil sie ohne ihre Brille nicht sehr gut sehen kann.

»Sagt man jetzt nicht mehr guten Morgen?«, fragt Mom in ihre Richtung, bequemt sich aber auch nicht, ihrer Tochter bei irgendetwas zu helfen.

Skylar sagt nichts. Sie kommt um die Sitzecke herum und lässt sich von mir über die Lehne der Bank heben.

»Was machst du, Mommy? Arbeiten?« Die Anerkennung in ihrer leisen Kinderstimme lässt mein Herz schwer werden. Ich wünschte, Skylar und Caysen könnten sich das für immer behalten. Dieses Gefühl, dass ihre Mom die Heldin ihres Lebens ist. Ich wünschte, ich hätte mir das für immer behalten können.

»Wo ist’n dein Bruder?«, fragt Mom und streicht Sky abwesend über das verknotete Haar.

»Der will nicht in die Schule.«

Mom wirft mir einen Blick zu.

»Was?«

»Mach du, ich muss hier noch was schaffen«, sagt sie und zündet im gleichen Atemzug eine neue Zigarette an. Skylar zieht die Nase hoch.

»Komm, Babygirl, wir suchen deine Brille und dann wecken wir Caysen.« Ich steige umständlich über die Lehne der Sitzbank, weil Mom sicher nicht für uns aufstehen wird. Ich hoffe, Skylar sieht nicht, wie ich dabei schwanke.

Aber sie bleibt nur mit ihren nackten Füßen auf dem fleckigen Polster stehen und streckt die Arme aus. Sie ist leicht für eine Achtjährige.

Sie und Caysen sind wie Feuer und Wasser, obwohl sie Zwillinge sind.

»Bringst du die beiden dann auch zur Schule, Honey?«, fragt Mom in meine Richtung. Wenn sie was will, sind wir immer Baby oder Liebling oder Honey. Wenn sie wütend ist, nennt sie unsere Namen.

Und was mache ich? Ich nicke. Natürlich nicke ich. Weil ich will, dass meine Geschwister den Unterricht besuchen. Weil ich will, dass sie die gleichen Chancen bekommen, die ich hatte, bevor ich in dieser Perspektivlosigkeit hier gestrandet bin.

Also nehme ich meine Schwester an die Hand und ziehe sie hinter mir her in ihr Zimmer, das ein besserer Schrank ist. Immerhin haben sie Betten. Ich schlafe schon seit Jahren auf einem winzigen Klappsofa, auf dem man sich nicht einmal ausstrecken kann. Auf dem Boden hinter der Matratze finde ich Skys Brille und setze sie ihr auf die Nase. Ihre Augen sehen hinter den dicken Gläsern riesig aus.

Ihr Bruder liegt noch eingekuschelt unter seiner gesteppten Bettdecke.

Ich trete näher und streichele über seine kurzrasierten Haare, die sich in meiner Handfläche viel zu stachelig für so eine zarte Persönlichkeit anfühlen.

»Hey, Buddy. Aufwachen«, flüstere ich, während Skylar schon ihren Schlafanzug loswird. Aus dem Augenwinkel werfe ich einen Blick auf ihren nackten Rücken, während sie sich umständlich eine winzige Unterhose anzieht. Sicher ist sicher. Nicht, dass ich hier jemandem etwas unterstellen will, aber man weiß nie, was all diesen Bastarden so in den Sinn kommt, die hier ein- und ausgehen.

»Avery, du darfst nicht gucken, wenn ich mich umziehe«, kreischt sie und wird kirschrot im Gesicht. »Das darf keiner!«

Weil ich ihr das immer und immer wieder gesagt habe.

Weil es ja auch stimmt.

»Ich habe nur geschaut, ob das dein Pullover ist oder der von deinem Bruder.«

Der rührt sich immer noch nicht, deshalb rüttle ich wieder an seiner Schulter. Ich bin mir sicher, er ist wach. Er will nur nicht die Augen aufmachen. Und ich kann ihn so gut verstehen.

»Hey, Superman. Du hast zu tun.«

Plötzlich gleiten seine Lider auf. »Was denn?« Caysens Augen blitzen, als er die Decke von sich wirft.

»Einsatz im Badezimmer. Die Zahngeister müssen verjagt werden.«

Meine Schwester lacht. »Erzähl ihm nicht so eine Scheiße, Avery.«

»Und du sag nicht immer Scheiße. Das macht man nämlich auch nicht.«

Sie reckt ihr Kinn auf die gleiche Art wie Mom, wenn die sich in die Ecke gedrängt fühlt. »Du sagst das auch.«

»Ich bin auch erwachsen.«

»Ich bin auch bald erwachsen.«

Während wir uns gegenseitig anstarren, schlüpft Cay in seine Hose und zieht ein altes Sweatshirt an.

Anschließend scheuche ich beide ins Bad, beaufsichtige ihr Zähneputzen und anschließend ihr Frühstück, das aus alten Cornflakes und Wasser besteht, weil wir keine Milch mehr haben.

Sie sagen nicht einmal was dazu. Cornflakes mit Wasser. Weil sie das schon so oft gegessen haben, dass es für sie eine echte Alternative darstellt.

Als sie fertig sind, schnappe ich ihre Schulrucksäcke. Die Frage, ob alles drin ist, spare ich mir. Mom könnte mir das ohnehin nicht beantworten, weil sie am Telefon hängt.

Dabei ist sie so abgelenkt, dass sie nicht merkt, wie ich Buds Autoschlüssel einstecke. Ich werde nach diesem Morgen nämlich sicher nicht zur Schule laufen. Führerschein hin oder her. Ich habe keinen, hatte ich noch nie. Fahren kann ich trotzdem.

Während ich den Motor anschalte, dreht sich mein Kopf. Eine Welle beißender Übelkeit schnürt mir den Magen zu. Kurz überlege ich, ob das hier wirklich eine gute Idee ist, aber … was ist schon eine gute Idee?

»Alle angeschnallt?«

Die beiden kleinen Gestalten auf der Rückbank nicken.

Während ich an den anderen Trailern entlangfahre, vibriert mein Handy. Es ist Rain.

»Hey, bist du unterwegs?«, fragt er. Ich muss mich anstrengen, ihn zu verstehen, weil Skylar und Caysen sich auf der Rückbank bekriegen.

»Bringe die Kleinen zur Schule.«

»Mit dem Auto?«

»Nee, mit dem Spaceshuttle. Natürlich mit dem Auto, du Profi.«

Rain seufzt. »Dir ist klar, dass das keine gute Idee ist?«

Innerlich verdrehe ich die Augen. »Gott, krieg dich ein. Was willst du?«

Keine Ahnung, wann er so erwachsen geworden ist. Früher war ich der Vernünftige. Okay, ich war auch der Typ, der dauerstoned war. Wie soll man diese Scheiße hier auch anders ertragen? Aber ich bin auch der mit dem Einserabschluss. Juckt nur keinen, wenn man auf der Straße unterwegs ist.

»Ich wollte dich fragen, was du heute vorhast. Ich habe keine Vorlesungen und June hat mich rausgeschmissen, weil sie Unterricht planen muss und ich ihr auf die Nerven gehe. Hast du Bock, was zu starten?«

»Als ob nicht.«

Vor der Schule reihe ich mich in die Schlange aus Autos ein. Alle sehen ähnlich abgewrackt und alt aus. Kein Vergleich zu der Schule, an der ich gewesen bin. Und das nicht, weil ich sie bezahlen konnte, sondern weil sie für mich bezahlt wurde. Aber das ist eine andere Geschichte.

»Ey, Mann!«, kommt es durch den Hörer, den ich immer noch am Ohr halte.

»Was?«

»Hörst du noch zu? Ich habe gefragt, ob wir uns am Strand treffen.«

»Wo?«

»Am alten Strandhaus?«

»Okay, ich kann in einer halben Stunde da sein.«

Bei ihm im Hintergrund raschelt es. »Klingt gut, ich fahr los.« Damit legt er auf.

Genau richtig, denn ich bin endlich in der Autokolonne an dem Platz vor dem Schuleingang angekommen. Zwei Gurtschlösser klicken.

»Wann habt ihr heute Schluss?«

Die beiden gucken sich an.

»Wisst ihr nicht?«

Sie schütteln die Köpfe. Herrgott.

»Dann ruft an. Hast du dein Handy mit, Sky?«

Sie hat letztes Jahr ein altes Prepaidhandy von mir bekommen, das sie vor Bud und Mom versteckt, damit sie mich erreichen kann. Egal, wegen was.

Sie nickt.

»Okay, dann schreib mir vom Klo 'ne Nachricht. Aber pass auf, dass sie dir das nicht abziehen.«

Sie nickt wieder. Sie ist die von den beiden, die den Plan hat. Caysen macht, was sie sagt.

Jetzt steigen die beiden aus.

»Passt auf euch auf. Ich bin dann nachher wieder da.«

Das Auto hinter mir hupt, aber das ist mir scheißegal. Ich bleibe hier stehen, bis die beiden durch die Sicherheitskontrolle am Schuleingang durch sind.

 

 

Als ich wenig später durch den warmen Sand wate, sehe ich Rain schon von weitem. Er sitzt im Schatten des alten Strandhauses, in dem wir unsere halbe Jugend verbracht haben. Die Erinnerung daran kommt mir vor, als würde sie aus einem anderen Leben stammen.

Rain hält sein Handy hoch und redet auf den Bildschirm ein. Bei genauerem Hinsehen kann ich Rebels Gesicht darauf erkennen. Der Rebel, dessen Familie mal dieses Strandhaus gehört hat, vor dem wir sitzen. Der Rebel, der jetzt aus Sicherheitsgründen mit seiner Lou am anderen Ende des Landes lebt, weil es da leider einige Verstrickungen mit den Geschäften seines Vaters gab. Am Tag, an dem das rauskam, habe ich sogar Rain sprachlos erlebt.

Aber so ist das mit den Geheimnissen.

Wir alle haben welche. Ich hatte bisher nur Glück, dass niemand tief genug gegraben hat, um meine dunklen Abgründe ans Licht zu holen.

»Und da hinten kommt er auch schon, der Onkel Knight.« Rain hat sich umgedreht und wartet, bis ich mich neben ihn in den Sand setze.

Rebel schnaubt nur abfällig. Er ist genervt und Lou ist schwanger. So sehr, dass Rebel ständig lustige Fotos von ihr verschickt, wie sie versucht, ihre Schuhe zu binden oder auf dem Sofa schläft, während er irgendetwas auf dieser Kugel drapiert hat. Eigentlich dürfte Rebel uns nicht mal kontaktieren. Er macht es trotzdem. Weil ihm solche Anweisungen scheißegal sind. Sicherheit hin oder her.

»Hey, Knight«, sagt er jetzt. So, wie es aussieht, läuft er irgendeine Straße entlang.

»Hey, Rebel. Na, alles klar?«

»Sicher. Alles ist klar. Ich laufe 'ne Scheißstraße lang zu einer Scheißtankstelle, um beschissene Schokoriegel zu kaufen. Alles voll gut.«

»Warum machst du das?«, fragt Rain und stellt die Bildschirmhelligkeit ein bisschen höher, damit wir Rebels Gesicht besser sehen können. Der schnauft in die Kamera, während er im Laufschritt den Gehweg entlanghetzt.

»Weil sie eben lieber die einzeln verpackten Riegel haben will. Okay?!« Er klingt richtig, richtig genervt.

»Du Anfänger. Meinst du ernsthaft, sie merkt, wenn du die Großpackung im Supermarkt kaufst? Leg die in dein Auto und dann holst du einen davon raus, wenn sie dich losjagt. In der Zeit, in der du zur Tankstelle rennen würdest, kannst du im Auto rumgammeln. So mache ich das immer mit diesen Fruchtgummis, die June isst, wenn sie Stress in den Korrekturphasen hat. Ich habe 'ne Palette in der Garage. Ich brauche nicht mal das Grundstück zu verlassen, wenn sie am Sonntagabend diesen fragenden Blick bekommt.«

»Lou ist aber nicht June. Die merkt das, also halt jetzt die Fresse mit diesen dämlichen Ratschlägen, Rain.«

»Wie kann man das merken?« Das ist das Einzige, das ich zu dieser Unterhaltung beisteuern kann. Denn ich habe weder eine June noch eine Lou. Und ich habe seit Jahren kein Fruchtgummi gegessen.

Rebel legt noch einen Zahn zu. Die Kamera schwankt bedenklich. »Sie merkt, wenn ich nicht das Grundstück verlasse, und sie merkt, wenn ich lüge. Und Schwangerschaft hin oder her, die Frau ist knallhart, deshalb will ich es einfach nicht darauf ankommen lassen, ja?«

Rain lacht. »Alter, ich gönn es dir so, wie sie dich an den Eiern hat. Du hast nichts anderes verdient.«

»Das ist nicht witzig, Rain. Das ist übel. Und ich kann nicht mal flüchten, weil ich schon geflüchtet bin.« Dabei senkt er die Stimme. Sehr.

»Wenn du sie nicht mehr willst …«, sage ich. Aber nur, weil er nicht neben mir sitzt. Sonst hätte ich jetzt einen Ellenbogen in den Rippen.

»Versuchst du grad ehrlich, meine Frau zu ficken, Knight?«

»Würde ich nie machen.«

Einen Moment schaut Rebel noch düster, grinst dann aber. »Lass sie das lieber nicht hören. Nicht, dass sie auf dumme Gedanken kommt. Ihre Hormone drehen durch. Ich kann für nichts mehr garantieren.«

»Gott, was ist denn da wieder los bei euch?«, mischt sich Rain ein, lacht aber ebenfalls.

Endlich verlangsamt Rebel sein Tempo. »Das geht dich gar nichts an. Aber davon mal ab: Die Frage könnte ich genauso gut zurückgeben.«

»Bei uns ist nichts los, wir hängen nur ein bisschen rum.«

»Na, dann hängt mal schön. Kann schneller vorbei sein, als man glaubt. Aber wem erzähl ich das.«

Denn ja, auch Rain hat eine Tochter. Rebel bekommt eine.

Nur Mädchen, so weit das Auge reicht. Bei Rain ist es fast noch komplizierter als bei Rebel. Denn seine Tochter stammt aus einer ehemaligen Beziehung mit der durchgeknallten Cassandra Hayes. Seiner Jugendliebe, die nur für Ärger gesorgt hat, bis June endlich das Ruder in seinem Leben übernommen hat. Mittlerweile ist Rains Tochter Ariel ein fester Bestandteil seines Lebens und wirklich, wirklich niedlich. Er hat sie manchmal dabei, wenn wir skaten gehen. Ein paarmal war ich auch mit Caysen und Skylar in der Wohnung bei June und habe auf Ariel aufgepasst, weil sie mit Rain abends Termine hatte. Ich habe mich zwischen all den kleinen Monstern gefühlt wie ein Zirkusdompteur.

»Japp, machen wir. Mach’s gut, Rebel. Du schaffst das. Wir glauben an dich«, sagt Rain und klingt dabei wie diese Motivationsredner, die niemand ernst nimmt.

»Fick dich selbst.«

»Wird mir eine Freude sein.«

»Gott, du ekelhafter Bastard.« Damit legt Rebel auf.

Rain steckt das Telefon ein. »Ich bin froh, dass es ihm so gut geht in Denver. Er sieht zufrieden aus, oder?«

Finde ich auch. Aber ich schaffe es nicht, das auszusprechen. Weil mich die Welle aus Resignation mit einer solchen Wucht trifft, dass ich es kaum aushalte. Rebel wird eine Familie haben. Das Happy End, das er so sehr verdient hat. Rain hat June und Ariel. Er studiert, ist erwachsen geworden.

Und ich?

Ich hänge noch immer in einer Version meines Lebens fest, die ich niemals haben wollte.

Kapitel 2

 

 

»Und bei dir, Knight?«, fragt Rain und pustet den Rauch seiner Zigarette in den Nachmittagshimmel. Zwischen uns liegt der Verpackungsmüll des Schnellrestaurants, von dem wir uns vorhin Burger geholt haben. Rain hat bezahlt und das ist wirklich eine Schande. Aber er und Rebel haben das immer gemacht. Ohne Nachfrage, ohne bitte und danke. So lange schon, dass es keinem von ihnen noch einen Kommentar wert ist. Weil wir Familie sind. Rain nennt es scherzhaft brother from another mother.

Er kann wirklich froh sein, dass wir nicht dieselbe Mutter haben, denn dann würde er jetzt auch in diesem Scheißleben feststecken.

»Knight?«

»Hm?«

»Was ist los bei dir? Du siehst irgendwie fertig aus.«

»Hatte eine lange Nacht.«

Rains Blick wird prüfend.

»Mann, weil ich unterwegs war. Nur feiern.«

Sein Blick bleibt weiterhin sehr tief. »Hast du noch mal über die Unterlagen nachgedacht, die June dir letztens mitgegeben hat? Ich kann die für dich bei der Uni abgeben, wenn du willst.«

»Ich habe noch nicht genug Kohle zusammen.«

»Such dir doch endlich einen vernünftigen Nebenjob. Oder nimm halt einen Studienkredit. Wie lang willst du sparen? Dann bist du mit vierzig noch nicht eingeschrieben.«

»Ich will keine Schulden machen.« Niemals. Ich will nicht von irgendwem abhängig sein, so wie Bud ständig jedem Kohle schuldet.

»Soll ich mit Onkel Alexander reden? Oder mit meinem Vater? Vielleicht können die da was drehen.«

»Nee, lass mal.« Es ist erniedrigend, immer der zu sein, der auf fremde Hilfe angewiesen ist. Vielleicht ist es der falsche Ansatz, aber das Studium ist eins der wenigen Dinge, die ich aus eigener Kraft schaffen will. Auf das will ich stolz sein und mir später sagen können, dass das alles nur mein Verdienst war.

»Aber denk nicht mehr zu lange drüber nach, Knight. Die Fristen werden nicht länger.«

Darauf schweige ich. Dann schreibe ich mich halt im Winter ein. Oder im nächsten Sommer. Bis dahin habe ich vielleicht auch einen Plan, wie ich mir eine Wohnung finanzieren will. Oder was mit meinen Geschwistern wird, wenn ich fort bin.

»Vielleicht findest du auch an der Uni einen Nebenjob. Die suchen immer Tutoren und so was. Du bist schlau genug, dass du das stemmst.«

Wenn Rain wüsste, dass ich längst einen Job habe. Und dass ich mit dem mehr verdiene, als alle Tutoren zusammen, wenn ich es richtig anstelle. Ich brauche nicht einmal meinen Grips dafür. Leider kann ich nur einen Bruchteil von dem Geld sparen, weil ich nebenbei das Leben von fünf Menschen finanzieren muss.

Ich bleibe ihm also auch diese Antwort schuldig. Ich habe nie breitgetreten, womit ich Geld verdiene. Jetzt ist nicht die Zeit, damit anzufangen.

Wir sitzen so lang einfach nebeneinander, dass ich völlig die Zeit vergesse. Früher haben wir jeden Tag zusammen verbracht. Die Sehnsucht nach diesen Zeiten fühlt sich heute besonders übermächtig an. Dabei war mein Leben damals schon kompliziert, aber das von meinen Freunden auch. Wir hatten die gleichen Feinde. Unsere Familien, die Gesellschaft, jeden, der uns was sagen wollte. Es hat sich dadurch nur halb so schlimm angefühlt. Jetzt ist es doppelt schlimm, weil ich der Einzige bin, der sich nicht weiterentwickelt hat. Manchmal wünschte ich einfach, wir wären noch fünfzehn und würden für immer so leben können, wie wir es damals getan haben. Ohne Angst vor Konsequenzen. Ohne jeden Schritt hundert Mal durchzuplanen. Doch bevor sich dieser Gedanke richtig festsetzen kann, vibriert mein Handy in der Hosentasche. Es ist Sky, die mir schreibt, dass ich sie um sechzehn Uhr abholen soll.

Es ist jetzt halb vier.

»Na, heute Taxiservice?« Rain fischt sein Sweatshirt aus dem Sand und schüttelt es aus.

Ich wünschte, wir müssten nicht gehen. Ich wünschte, wir könnten hier auf Rebel warten, damit der das Strandhaus hinter uns aufschließt. Und dann würden wir die ganze Nacht dortbleiben und trinken, irgendwelche Scheiße einwerfen und Blödsinn erzählen, so wie früher. In diesen Nächten hat es keinen Bud und keine Mom gegeben. Keinen Job und keine Zukunft.

Aber Rebel wird heute nicht kommen.

Und morgen auch nicht.

Rain steht auf. »Ich muss los. Brauchst du noch was?«

Ich brauche so viel, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann. »Nein, Quatsch. Ich hole jetzt die Kröten ab und dann …«

Ich bin mir nicht sicher, was ich danach mache. Ich habe heute keinen Termin mehr und Zeug zum Verticken habe ich auch keins, weil ich bei der Party gestern alles losgeworden bin.

Rain reicht mir seine Hand, damit ich ebenfalls aufstehen kann. Seite an Seite gehen wir zu dem kleinen Parkplatz zurück, auf dem unsere Autos stehen, die nicht mal wirklich unsere sind. Rain ist mit Junes Auto da und ich mit Buds. Kurz grinsen wir uns an und ich bin mir sicher, dass Rain dasselbe denkt, dann schwingt er den Arm um meine Schultern.

»War gut, dich zu sehen. Hören wir uns die Woche noch?«

»Klar.«

Er klopft hart auf meinen Rücken und macht dann eine Geste, die mir wohl zeigen soll, dass er mich im Blick behält.

Dabei hat mich jeder in meinem Leben längst aus den Augen verloren.

 

 

Um mich nicht völlig von diesen Gedanken fertigmachen zu lassen, fahre ich noch kurz in den Supermarkt, investiere meine letzten paar Dollar in zwei Thunfischsandwiches, eine Flasche Whiskey und eine neue Packung Zigaretten, und warte dann vor der Schule auf Sky und Caysen. Währenddessen rauche ich eine und starre auf die abgewrackte Schulfassade. Der Schnaps ist unter dem Beifahrersitz verschwunden, damit die Kleinen nichts davon mitbekommen. Das ist meine Sache. Die beiden sehen schon genug saufende Menschen, sie sollen nicht glauben, dass ich auch so werde.

Es dauert auch gar nicht lange, bis sie auftauchen. Mit gesenkten Köpfen und hängenden Schultern. Ich kommentiere es nicht. Sie müssen mir nicht sagen, was in der Schule abgeht. Das weiß ich auch so. Weil das bei mir auch so war, bevor Rebel mich auf dieser elitären Privatschule angemeldet hat.

Ich dachte jahrelang, dass sein Vater meine Schulgebühr bezahlt. Dann kam raus, dass Rebel die ganze Zeit selbst dahintergesteckt hat. Und da sag mal einer, der Mann hat kein Herz. Ich wünschte, meine Geschwister hätten auch einen Rebel an ihrer Seite. Einen, für den Geld nur ein Wort ist und der für die Menschen, die er liebt, alles geben würde.

In unserem Leben nehmen die Menschen nur. Alle. So lange, bis nichts mehr von einem übrigbleibt.

 

 

Als wir zu Hause ankommen, hängt Mom noch immer vor ihrem Laptop. Das Pusten des Lüfters hat beinahe Zimmerlautstärke, weil das Gerät gegen all die Jahre ankämpft, die es schon auf dem Buckel hat. Bud liegt im Bett und sieht fern.

Ich verfrachte Sky und Cay in die Sitzbank und schaue ihnen zu, wie sie ihr Sandwich essen. Zumindest so lange, bis Mom anfängt, sich zu beschweren, warum ich ihr keins mitgebracht habe. Sie klingt dabei so vorwurfsvoll, dass Sky ihr ungefragt den Rest von ihrem eigenen Sandwich anbietet. Mom lehnt ab, nimmt es beim zweiten Angebot aber doch an. Sky lächelt. Wie die Samariterin, die sie hier gerade ist. Mom hat nichts davon verdient.

Später bekomme ich eine SMS von Maria, in der sie fragt, ob ich morgen um zehn Zeit habe. Ich antworte ihr, dass es passt und rechne im Kopf durch, was das einbringen wird. Sie schickt mir eine Adresse und ein paar Anweisungen.

Der Rest des Abends besteht dann darin, Mom davon abzuhalten, sich schon vor dem Abendessen zu betrinken, Bud davon abzuhalten, scheiße zu sein, und meine Geschwister davon abzuhalten, zu realisieren, wie übel ihr Leben ist.

Wir spielen ein altes Brettspiel, bei dem die Hälfte der Spielfiguren fehlt und durch die winzigen Plastiktierchen ersetzt wurde, die ich Caysen zum letzten Geburtstag geschenkt habe. Weit kommen wir allerdings nicht, denn Buds ständige Zwischenrufe gehen mir so dermaßen auf die Nerven, dass ich mich nicht konzentrieren kann.

Nachdem die Kleinen im Bett sind, lege ich mich auf mein Schlafsofa und höre auf meinem Handy mit Kopfhörern die gleichen drei Lieder, die schon seit Jahren darauf gespeichert sind. Im Hintergrund diskutieren Mom und Bud über irgendeinen Film, den sie beide völlig falsch in Erinnerung haben.

Kurz vor Mitternacht kehrt endlich Ruhe ein. Kurzzeitig jedenfalls. Denn erst beginnen Mom und Bud sich lautstark zu streiten, dann kracht es ein paarmal und dann werden die Geräusche sehr eindeutig.

Ich kann jedes. Einzelne. Davon. Hören.

Und weil ich heute absolut keinen Nerv mehr habe, mir diese Scheiße zu geben, stehe ich auf, ziehe eine Jacke über und verlasse den Trailer. Nicht, ohne meinen Unmut mit einem Knallen der Tür kundzutun. Wahrscheinlich findet Bud die Vorstellung auch noch gut, dass alle in diesem Trailerpark jede Nacht hören, was für ein Held er ist. Dämlicher Idiot.

Missmutig krame ich den Schnaps unter dem Sitz des Wagens hervor und mache mich damit auf den Weg zurück zum Strand. Im Sand ziehe ich die alten Turnschuhe aus und spüre dem Gefühl der gespeicherten Wärme des Tages an meinen Fußsohlen nach.

Mit einem tiefen Durchatmen lasse ich mich in der Dunkelheit an derselben Stelle nieder, an der ich vorhin mit Rain gesessen habe.

Der erste Schluck Whiskey schmeckt nach Verbitterung, der zweite nach Einsamkeit und der Rest der Flasche nach Vergessen.

 

 

»Hey, gehts dir gut?« Eine weiche Stimme dringt in meine Gedanken. Sie kommt von irgendwo ganz, ganz fern. Hinter meinen geschlossenen Lidern ist es gleißend hell, das Meer rauscht. Wo zum Fuck bin ich? Am Strand? Habe ich ernsthaft am Strand gepennt?

Auf einmal liegen kalte Fingerspitzen an meinem Hals. Meine Hand schießt hoch, umfängt das lächerlich dünne Handgelenk, während ich mich zwinge, die Augen zu öffnen. Scheiße, tut mein Schädel weh. Ich starre in das erschrockene Gesicht einer jungen Frau. Erst, als sie an ihrem Arm zieht, fällt mir auf, wie fest ich ihr Handgelenk gepackt habe. Sofort lasse ich sie los, sodass sie das Gleichgewicht verliert und mit dem Hintern im Sand landet.

Aber sie rappelt sich nicht auf und sie schimpft auch nicht. Sie streicht sich nur den Sand von den Händen, überkreuzt die Beine zum Schneidersitz und lächelt.

»Gott sei Dank lebst du. Ich hatte kurz Angst, dass du der erste tote Mensch sein wirst, den ich im Leben sehe.«

»So schnell stirbt man nicht.«

Jedes Wort hämmert mir unter der Schädeldecke.

»Das haben schon ganz andere gesagt.« Sie deutet auf die leere Flasche. »Ist das deine?«

»Keine Ahnung. Kann sein.«

»Herrje, du musst doch Kopfschmerzen haben.«

Was du nicht sagst.

Ich winke nur ab und versuche, mich auf die Füße zu stemmen. Mir wird sofort kotzübel. »Fuck.«

Sie starrt mich fasziniert an. Was hat die eigentlich für ein Problem?

»Warte mal«, sagt sie und beginnt in der großen Tasche zu wühlen, die über ihrer Schulter hängt. Eine kleine Flasche Diät-Limonade und ein paar Kaugummis kommen zum Vorschein. Sie reicht mir beides wie eine heilige Gabe.

»Brauchst du das nicht mehr?«

Sie schüttelt den Kopf. Also trinke ich was von der lauwarmen Brause und schiebe die Kaugummis in die Jackentasche. Die nehme ich später. Nach der ersten Zigarette am Morgen, die meine Übelkeit nur noch schlimmer macht.

Die unbekannte Frau mustert mich auch dabei sehr genau. Ihre braunen Haare erreichen gerade so ihre Schultern. Länger sind sie nicht, aber dafür sehr akkurat geschnitten. Sie glänzen in der Sonne mit einem Goldschimmer, der sich auch auf ihrer Haut widerspiegelt. Die Sommersprossen um ihre Nase herum heben sich dunkel ab. Und ohne es zu merken, habe ich sie ebenso abgecheckt wie sie mich. Glückwunsch dazu.

Ich wende den Blick von den undefinierbaren Farbnuancen in ihren Augen ab und drücke einen Handballen an meine Schläfe. Mein Stöhnen klingt erbärmlich und es fühlt sich auch genauso an. Erbärmlich. Erbärmliches Leben, erbärmliche Existenz.

»Soll ich noch ein bisschen hierbleiben, bis es dir besser geht?«, fragt sie und legt den Kopf schief.

»Mach, was du meinst. Ist ein freies Land, oder?«

»Ich frage ja nur.«

Einen Moment bleibt sie noch vor mir sitzen, dann krabbelt sie neben mich und setzt sich so hin, dass sie ebenfalls das Meer im Blick hat. Als ihr Schatten von meinem Gesicht verschwindet und der direkten Sonneneinstrahlung Platz macht, keuche ich auf. Scheiße, nein. Ich ziehe die Beine an und lasse die Stirn auf meine Knie sinken.

Eine zarte Hand legt sich auf meinen Rücken. So plötzlich, dass ich zusammenzucke. Sie zieht die Hand weg, legt sie nach einem Moment des Stockens aber doch wieder auf meinem sandigen Pullover ab. Direkt zwischen meine Schulterblätter.

»Willst du vielleicht drüber reden?«, fragt sie weiter, während sie die Hand ganz leicht auf und ab bewegt.

»Sehe ich so aus?«

»Na, weil du noch hier sitzt, da dachte ich …«

»Ich will nur keinen Hirnschlag bekommen, wenn ich aufstehe.«

»War ja bloß ein Angebot. Wenn man die Nacht mit einer Flasche Whiskey am Strand verbringt, dann liegt die Vermutung nahe, dass etwas passiert ist, über das man reden sollte. Und weil ich nett bin, wollte ich dir das wenigstens anbieten. Aber wer nicht will, der hat schon.«

»Klar, fremde Tussi, die mich für tot gehalten hat. Guter Plan.«

Wie vom Blitz getroffen zieht sie die Hand weg. Sitzen bleibt sie trotzdem.

»Sagst du mir wenigstens deinen Namen?«, fragt sie nach einem kurzen Schweigen. »Falls ich den mal für irgendwas brauche.«

Erst denke ich darüber nach, so zu tun, als hätte ich sie nicht gehört. Aber dann … ach, keine Ahnung, was das hier soll. Ich habe auch keine Hirnkapazität, um darüber nachzudenken. Ich werde das jetzt einfach aussitzen, bis ich mich so weit im Griff habe, dass ich aufstehen kann.

»Knight«, sage ich. Weil ich schon immer lieber Knight war als Avery. Knight ist das Alter Ego, mit dem ich mich wohlfühle. Avery war immer nur der kleine Scheißer, der in seinem dämlichen Leben ständig die Arschkarte hat.

Sie lacht leicht. »Knight? Ist das ein Spitzname?«

»Hm-mh.«

»Warum?«

Warum? Weil mein bester Freund auf der Welt mich so getauft hat. Weil er der Meinung war, dass ich der von uns bin, der das reinste Herz und die weißeste Weste hat. Ein Glücksritter, dem das Schicksal hold sein wird. Und die Mädchen. Keine Ahnung, ob ihm klar ist, wie sehr er mit seiner Einschätzung danebengelegen hat.

»Warum nicht?«, antworte ich dieser namenlosen braunhaarigen Nervensäge neben mir. Sie streckt jetzt ihre elendig langen, schlanken Beine aus und stützt sich auf die Handballen. Wenn es nicht völlig bekloppt wäre, würde ich sagen, sie flirtet. Mit einem Abfuck wie mir. An diesem gottverlassenen Strand. Scheiße, was läuft auf der Welt eigentlich noch alles schief?

»Knight klingt so nach Märchenprinz«, sinniert sie. »Okay, willst du meinen Spitznamen wissen?«

Ich spüre ihren Blick auf meinem Profil. Wie er langsam die Konturen entlanggleitet, es prickelt richtig auf der Haut.

»Dann sag halt.«

»Hm … ich heiße … Cloud.«

»Cloud?«

»Wie die Wolken am Himmel. Gefällts dir?«

»Hast du dir das gerade ausgedacht?«

»Und wenn schon.«

»Spitznamen denkt man sich nicht selbst aus.«

Sie zuckt mit den Schultern. »Er ist eben speziell. Die Namen, die wir uns selbst geben, sind die zutreffendsten, wusstest du das?«

»Und was soll mir Cloud dann in diesem Zusammenhang sagen? Dass du eigentlich als gestaltlose Masse irgendwo durchs Universum schwebst?«

Sie lächelt wieder. »Vielleicht würde ich das gern. Muss friedlich sein.«

Mein Gott. Warum gibt es eigentlich nur noch irre Weiber auf dieser Erde?

»Wenn man da oben wäre, gäbe es keine Ansprüche und keine Probleme. Nur ganz viel Ruhe und Frieden.«

»Ja und Ozonlöcher und irre Milliardäre, die mit ihren Spaceshuttles durch dich hindurchfahren. Ich weiß ja nicht, ob du von einer Milliardärsrakete auseinandergerissen werden willst.«

Darauf lacht sie. So, wie Mom es immer tut, wenn sie Kohle will. Spitz und künstlich. »Sei doch nicht so realistisch, Knight.«

Okay, sie flirtet. Gott, erlöse mich.

Aber es ist nicht Gott, sondern eine Nachricht auf meinem Handy, die mich erlöst. Eine von Maria. Maria. In diesem Moment läuft ein panischer Schauer über meinen Rücken. Fuck! Der Termin! Heute. Heute um zehn.

Die Absendezeit ihrer Nachricht zeigt 9:43 Uhr.

Maria: Dein Termin verschiebt sich auf elf. Sorry für die Planänderung. Es war spontan.

Danke, danke, danke. Wenn ich das heute verpennt hätte, dann hätte ich ein richtiges Problem gehabt. Da kann man mal sehen, was meine Familie mit mir macht. Sie treiben mich so lange in den Wahnsinn, bis ich sogar den Job vergesse, mit dem ich ihr Geld verdiene.

Aber auch eine Terminverschiebung auf elf Uhr bedeutet nicht, dass ich alle Zeit der Welt habe. Ich habe noch fünfzehn Minuten Fahrt vor mir und muss zusehen, dass ich meine Optik in den Griff bekomme. So, wie ich jetzt gerade aussehe, brauche ich da gar nicht auftauchen.

Also schreibe ich zurück: Kein Problem. Ich warte da.

Dann schiebe ich das Handy in die Hosentasche, reibe ein letztes Mal über meine Augen und versuche erneut, mich aus dem Sand hochzustemmen. Es fühlt sich an wie eine unmögliche Aufgabe. Alles dreht sich. Der Horizont und das Meer verschwimmen vor meinen Augen. Cloud bleibt sitzen, zieht aber die Beine an und schlingt die Arme darum.

»Gehst du schon?«

»Ich muss arbeiten. Aber danke für deinen Rettungsversuch. Werde ich dir nie vergessen. Schönen Tag noch.« Ich salutiere vor ihr, was sie mit einem erneuten Lächeln quittiert.

»Und jetzt willst du mich einfach hier sitzen lassen?«

»Ich bin sicher, wer andere rettet, wird selbst nicht untergehen.«

Damit drehe ich mich um und mache ein paar vorsichtige Schritte in Richtung Straße. Sie folgt mir nicht. Ich hätte schwören können, dass sie auf die Füße springen und mir nachkommen wird.

»Du hast nicht mal deinen Müll mitgenommen«, ruft sie mir hinterher.

Ich mache einen nachlässigen Schulterblick und stelle fest, dass sie doch aufsteht. Sie klopft sich die Shorts ab und läuft los. »Willst du etwa, dass die Korallenriffe sterben?«

»Das passiert durch Plastik, oder nicht?«

»Ist doch ganz gleich. Müll ist Müll.« Auf meiner Höhe angekommen wedelt sie mit der leeren Schnapsflasche durch die Luft.

»Und dafür musst du mir nachlaufen?«

»Umweltschutz ist wichtig.«

»Sicher.«

Einen Moment gehen wir schweigend nebeneinander her.

»Ich wollte heute Morgen am Strand Fotos machen«, sagt Cloud aus dem Nichts.

Ich bin in Gedanken schon bei meinem Termin und überlege, wie ich Bud gleich sein Auto abknöpfe. Vermutlich schläft er noch, sodass ich es einfach nehmen kann, ohne dass er es merkt.

»Und du?«

»Was?«

»Warum saßt du wirklich am Strand?«

»Nicht, um Fotos zu machen.«

»Haha.«

Ich bleibe stehen. »Sorry, okay. Sorry, dass ich nicht reden will. Sorry, dass du jetzt irgendwelche Gespräche erwartest. Sorry, dass ich genervt bin. Könntest du einfach nach Hause gehen? Ich habe zu tun, mein Kopf fühlt sich an wie ein Sprengsatz vor der Explosion und ich möchte keine weiteren Fragen zu meinem jämmerlichen Leben beantworten.«

»Dein Leben ist jämmerlich?«

»Ja!«

»Okay.« Damit geht sie weiter.

»Deswegen habe ich hier gepennt«, rufe ich ihr hinterher. »Da hast du es. Ich habe hier gepennt, weil ich nicht nach Hause wollte.«

Cloud bleibt stehen. Ganz langsam dreht sie sich zu mir um. »Kann ich verstehen.«

Sie? Sie meint, dass sie das verstehen kann? Diese kleine Puppe in dieser winzigen Hundertdollarshorts und dieser Frisur, die selbst auf fünf Meter Entfernung nach Geld stinkt? Sie, die jetzt eine Kamera in der Hand hält, die mehr kostet als unser ganzer beschissener Trailer?

»Du verstehst gar nichts. Und jetzt lass mich in Frieden. Ich muss zur Arbeit.«

Ich gehe auf sie zu, sie weicht zurück. Ohne noch etwas zu sagen, reiße ich ihr die leere Whiskeyflasche aus den Händen, stapfe in Richtung Parkplatz und lasse das Glas auf dem Asphalt zerschellen.

Fickt euch, ihr beschissenen Korallenriffe.

Fickt euch, ihr Milliardäre mit euren Raketen.

Echt mal.

Kapitel 3

 

 

Es gibt viele Dinge, die Mädchen nicht tun sollten. Nicht zu laut sein oder zu aufdringlich. Nicht aus der Reihe tanzen. Außer natürlich, man zieht es so konsequent durch wie meine Schwester Leandra. Dann bewundern einen alle dafür, wie speziell und unangepasst man ist.

Mein Blick wandert auf dem Display des Laptops über das Profil meiner Schwester, die sich in einem weißen Häkelkleid im Schatten der alten Bäume in unserem Garten um ihre eigene Achse dreht. Die winzigen Lichtpunkte geben der Szene etwas mystisches. Ich bearbeite noch ein paar Bildausschnitte, in denen der Rasen nicht ganz gleichmäßig ist, und speichere die Datei unter einem neuen Namen ab.

Eigentlich retuschiere ich nicht gern in meinen Bildern. Ich mag die winzigen Imperfektionen, die kleinen Fehler, die das ganze echt machen. Ich würde niemals in Gesichtern oder an Körperformen herumpfuschen.

Dieser Gedanke bringt mich dazu, ein paar Bilder weiterzuklicken. Bis zu dem Gesicht, das ich noch gar nicht ausreichend genug betrachtet habe, seit das Foto heute Morgen am Strand entstanden ist. Eine ganz weiche Kontur in einem ganz weichen Licht. Durch die Perspektive sieht es so aus, als wäre Knights Profillinie mit dem Meer verschmolzen.

Das Bild ist mit einem Teleobjektiv entstanden, bevor ich nähergekommen bin und die leere Schnapsflasche neben seinen Füßen gesehen habe. Das war der Moment, in dem ich die Kamera weggesteckt habe und losgelaufen bin. Weil das ebenfalls der Moment war, in dem ich Panik bekommen habe, dass ich da womöglich gerade voller Enthusiasmus einen Toten fotografiert habe.

Aber er war nicht tot, er war überraschend lebendig und sehr verstimmt.

Dann hat er meine Kaugummis geklaut und meine Limo getrunken und mich mit diesem skeptischen Blick aus diesen himmelblauen Augen sehr genau gemustert.

Eigentlich wollte ich ihn noch um Erlaubnis bitten, das Bild benutzen zu dürfen, aber das erschien mir in Anbetracht seiner Laune nicht die beste Idee zu sein. Also habe ich beschlossen, die Frage einfach für mich zu behalten. Ein kleines Geheimnis, von dem niemals jemand erfahren wird.

An seinem Bild bearbeite ich nichts. Ich ändere nur ein paar Parameter für die Lichtverhältnisse und hebe die Wolken etwas hervor.

Dabei gleitet mein Blick immer wieder über die helle Haut und die zerzausten wasserstoffblonden Haare. Obwohl die dunklen Ansätze zeigen, dass seine Naturhaarfarbe definitiv eine andere ist, sieht es bei ihm nicht merkwürdig aus, sondern irgendwie verwegen.

Blonde Haare, blaue Augen.

Und was für ein Blau. Ich schüttle den Gedanken schnell wieder ab, denn der Knight auf diesem Bild hält die Augen noch geschlossen. Seine dunklen Wimpern liegen zart auf seinen Wangen auf. Ich zoome ein bisschen ins Bild, betrachte auch die …

Das überlaute Klingeln meines Handys reißt mich so unsanft aus meinem Tun, dass ich vor Schreck beinahe den Laptop wegstoße. Heiliger Himmel. Beim Blick aufs Display lächelt mir Reece entgegen. Er hasst das Bild seit dem Tag, an dem ich es für seinen Kontakt ausgewählt habe. Er findet, dass er darauf unordentlich aussieht.

Ich betrachte sein Gesicht so lange, bis er auflegt und der Handybildschirm dunkel wird.

Ich hätte rangehen sollen. Hätte ich rangehen sollen?

In meiner Brust kämpfen zwei Herzen. Das eine, das alles richtig machen will und ihn nicht für etwas bestrafen möchte, das keine Bestrafung verdient, und das andere, das Angst hat, dass es das Falsche wäre, das Richtige zu tun.

Seufzend lasse ich die Beine vom Barhocker hängen, der an der hohen Marmortheke steht, auf der ich gerade gearbeitet habe. So ein großes Haus, nur für mich allein. Die Ruhe, wegen der ich hierhergekommen bin, wird mit einem Mal bedrückend.

Mit Schwung klappe ich den Deckel des Laptops zu. Das Bild von Knight verschwindet.

Am liebsten würde ich es mit meinen Gedanken ebenso machen. Sie einfach wegklappen, ausblenden. Einfach vergessen, dass sie existieren. Vor ihnen weglaufen, noch weiter weg als bis in dieses Ferienhaus, in dem ich geglaubt habe, Ruhe und Klarheit zu finden. Es war ein Irrglaube, denn scheinbar ist mein Hirn nicht dafür gemacht, das Denken abzustellen. Egal, wie sehr ich es versuche, ständig wälze ich tausend Dinge hin und her, schiebe die Parameter in meinem Kopf von links nach rechts, kreiere Szenarien, die niemals eintreffen werden, nur um darauf vorbereitet zu sein, falls sie doch wahr werden.

Als das Handy wieder zu klingeln beginnt, drehe ich es mit dem Display nach unten. Ich kann da nicht drangehen. Nicht ehe ich mir sicher bin, was ich sagen soll. Ein paar Tage noch, dann stelle ich mich der Sache. Ein paar Tage noch, in denen ich eine Lösung finden werde. Eine, mit der alle zufrieden sind.

Ich warte ab, bis Reece zum zweiten Mal auflegt, dann stehe ich vom Hocker auf und gehe zu dem großen Kühlschrank hinüber, der in die Küchenzeile eingebaut ist. Ich öffne erst die linke Tür, danach die rechte. Viel ist nicht zu holen, weil ich seit meiner Ankunft hier nicht mehr einkaufen gewesen bin.

Das Einzige, was mir noch entgegenstarrt, sind ein paar Dosen von Dads Lieblingsbier und einige abgelaufene Salatsaucen. Mit einem Grummeln werfe ich die Tür wieder zu.

Ich drehe mich im Kreis, nicht nur mental.

 

 

Auf dem Supermarktparkplatz ist zum Glück nicht viel los. Ich bin den kurzen Weg zu Fuß gelaufen, aber selbst die glühend heiße Nachmittagssonne hat es nicht geschafft, den Gedankenwust aus meinem Kopf wegzubrennen. Stattdessen hat er sich mit jedem Schritt weiter aufgeschichtet. Vielleicht sollte ich mir nachher eine Liste schreiben. Dann werde ich die Pros und Kontras auflisten und eine rationale Entscheidung treffen. Ich meine, es geht hier immerhin um mein weiteres Leben. Kopflose Bauchentscheidungen sind da mehr als unangebracht.

Während ich gedanklich schon damit beginne, diese Liste zu füllen, öffnen sich die Schiebetüren des Supermarkts.

Der Laden sieht noch ganz genauso aus, wie ich ihn in Erinnerung habe. Früher haben Leandra und ich hier Eis und Gummizeug gekauft. Wir waren jedes Mal unfassbar stolz, wenn die Kassiererin uns für Zwillinge gehalten hat. Heute würde man uns nicht einmal mehr für Schwestern halten.

Während ich durch die Gänge laufe, packe ich ein paar Äpfel, eine Mango, Toast und Erdnussbutter ein. Ein paar zuckerfreie Joghurts gesellen sich dazu, dann komme ich an den Fertiggerichten vorbei, die ich alle noch niemals in meinem Leben probiert habe. Gerade, als ich die verschiedenen Sorten von tiefgefrorener Paella studiere, werde ich auf eine Stimme aufmerksam, die ich heute schon einmal gehört habe. In einem völlig anderen Ton. Es ist vermutlich dämlich, aber irgendein Teil von mir reagiert sofort darauf. Auf das leichte Kratzen in den Höhen. Und auf den satten Klang in der Tiefe.

Er muss hinter der nächsten Regalreihe sein. Dort, wo sie die Süßigkeiten verkaufen. Ich halte inne und lausche weiter.

»Welche Schokolade willst du, Babygirl?«, fragt Knight jetzt. Hat er seine Freundin dabei? Was für ein dämlicher Kosename. Babygirl, mache ich ihn in Gedanken nach. Wer sagt bitte so was? Lachhaft.

Eine Piepsstimme antwortet ein bisschen verspätet auf seine Frage. So leise, dass ich nicht verstehen kann, was sie sagt.

Er lacht nur. »Okay, dann nimm zwei. Aber nicht Mom sagen, ja?«

Es ist fast schon eklig, wie die Erleichterung durch meinen Körper rauscht, als ich realisiere, dass Babygirl seine Schwester sein muss.

»Kaufst du Mom auch eine?«, fragt die jetzt. »Sonst ist sie traurig.«

»Ihr Pech.«

»Aber es ist voll gemein, wenn wir was Schönes kaufen und sie nichts bekommt.«

»Na und? Mom kann sich ihren Scheiß selbst kaufen.«

»Sie ist aber meine Lieblingsmom.«

»Meine nicht.«

Ist es schlau, da jetzt hinzugehen? Bevor ich dazu komme, weiter das Für und Wider abzuwägen, haben sich meine Füße bereits in Bewegung gesetzt. Mit dem Korb vor der Brust umrunde ich die Ecke des Regals, Sekunden später stehe ich direkt vor Knight und einem kleinen zerzausten Mädchen. Wäre seine Stimme nicht so unverwechselbar, ich hätte ihn nicht wiedererkannt. Er hat keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem Typen, den ich neben der Schnapsflasche am Strand gefunden habe. Seine Haare sind ordentlich, das Gesicht ist glattrasiert und im Gegensatz zu heute Morgen trägt er eine vernünftige Jeans und ein enges, blaues Shirt, das ungefähr die Farbe seiner Augen hat.

»Na, wen haben wir denn da?«, fragt er, während sein Blick einmal über meinen Körper wandert. »Die edle Retterin in der Not. Einkaufen?« Es ist, als stünde da ein anderer Mann. Hat er einen geheimen Zwilling?

»Wer ist denn das?«, fragt die Kleine, die jetzt seine Hand nimmt. Sie sieht ihm kein bisschen ähnlich. Ihre blonden Haare sind echt und ihr Gesicht ist im Gegensatz zu seinem ganz rund und kindlich.

»Das ist Cloud«, sagt Knight und legt den Kopf schief.

»Ich bin Cloud«, wiederhole ich lahm und könnte mich dafür einfach wegbeamen. Das ist die zweite peinliche Begegnung mit ein und demselben Mann an ein und demselben Tag. Doch statt mich dafür zu rechtfertigen, deute ich auf seine Einkäufe. Der Korb ist voll mit Schokoladen und den unterschiedlichsten Cornflakespackungen.

»Habt ihr was zu feiern?«

»Nein, wir haben heute Geld«, sagt das Mädchen völlig ungerührt. »Deshalb kaufen wir die Sugarpops.« Sie schaut stolz an ihrem Bruder hoch, aber der verzieht keine Miene.

»Wir kaufen ganz normal ein, Skylar. Du musst das nicht ständig jedem erzählen. Und jetzt müssen wir weiter, wenn nichts mehr ist.«

Die beiden kommen ein Stück in meine Richtung und mir fällt erst in diesem Moment auf, dass ich den ganzen Gang versperre. Und dass ich nichts mehr zu sagen habe. Weil das hier auch völlig hirnrissig ist.

Als ich weiterhin nicht reagiere, legt Knight die Hände an meine Oberarme und schiebt mich ein Stück beiseite. Geht er jetzt?

»Ich habe ein Foto von dir gemacht«, stoße ich aus.

O Gott, ernsthaft?

»Ähm, ich erzähle das nur, weil … ich wollte fragen, ob ich es nutzen darf.«

Er zieht eine Augenbraue hoch.

»Na, für meine Referenzmappe oder so.«

»Bist du Fotografin?«

»Ähm … ja.« Lüge.

Die kleine Skylar geht an uns vorbei auf den Gang mit den Getränken zu. Knight folgt und ich folge Knight.

»Ich mache damit auch gar nichts Besonderes. Nur, dass du Bescheid weißt.«

Er hält vor dem Regal mit den Softdrinks und betrachtet all die bunten Etiketten. Ich betrachte ihn.

»Lösch das Foto.«

»Was?«

»Ich will keine Fotos von mir in irgendwelchen Mappen von irgendwas.«

»Aber …«

»Aber«, macht er mich nach. »Du hast gefragt, ich habe geantwortet. Gefällt mir nicht, fertig.«

»Du hast es ja nicht einmal gesehen. Ich könnte es dir zeigen. Ich könnte dir die Rechte daran abkaufen … sozusagen.«

»Ach, wirklich? Das hört sich schon besser an.«

»Sicher. Das ist kein Problem.« Ich klinge deutlich zu nervös für kein Problem, aber Knight scheint das nicht weiter zu kümmern.

»Was bekomme ich denn dafür?«, fragt er, den Blick immer noch auf die Getränkeflaschen gerichtet. In einer Stimmlage, die mir eine Gänsehaut verpasst.

»Ich könnte dich zum Essen einladen.«

Er fährt herum. »Essen? Ich dachte an Geld.«

»Ich könnte kochen. Dann kannst du dir das Bild ansehen. Es würde dir gefallen, ich bin mir sicher. Und dann sagst du, was du dafür haben willst.«

Einen Moment noch betrachtet er mich, dann nickt er. »Warum eigentlich nicht. Habe heute eh nichts zu tun.«

Er schaut sich kurz um, geht dann einen Meter zurück, wo ein Klemmbrett samt einer Tabelle über die ausgeführten Reinigungsleistungen an der Wand hängt. Er nimmt den Kugelschreiber, greift nach meinem Handgelenk und schreibt mir eine Handynummer auf den Unterarm. »Ruf mich an und sag mir, wann ich wo hinkommen soll.«

Er steckt den Stift ohne mit der Wimper zu zucken ein, nickt mir knapp zu und schließt dann zu seiner kleinen Schwester auf, die sich gerade eine Flasche Zitronenlimo unter den Arm klemmt.

Verdammt, was war das denn?

Kapitel 4

 

 

»Ich gebe Mom trotzdem was von meiner Schokolade ab. Sonst ist sie wieder traurig.« Skylar sitzt neben mir auf dem Beifahrersitz und hält die beiden Schokoladentafeln abwägend in der Hand.

Caysen hat heute noch eine Schul-AG und wird später von einer anderen Mutter nach Hause gebracht. Also sind nur Sky und ich unterwegs.

»Ich will nicht, dass Mom traurig ist. Dann weint sie wieder, Avery.«

»Mach, was du nicht lassen kannst. Aber beschwer dich hinterher nicht, wenn sie dir nichts übrig lässt.«

Denn genauso wird es laufen. Und dann wird sich Mom bei mir beschweren, warum ich Geld für den Krempel hatte, den wir heute im Supermarkt gekauft haben. Dabei wird sie mich als Egoisten beschimpfen, der nur an sich denkt. Aber das ist mir egal. Es ist eben, wie es ist. Das Geld, das wir in bunte Cornflakes, Süßigkeiten und ein paar neue Schulhefte investiert haben, war ein Extra, mit dem ich nicht gerechnet habe.

Skylar knabbert das nächste Stück Schokolade ab, während sie aus dem Fenster schaut. »Und wer war das Mädchen aus dem Laden? Die dich eingeladen hat? Ist das eine Freundin von dir?«

»Quatsch.«

»Die war richtig hübsch.«

Es ist bezeichnend, wenn Schönheit ein erstrebenswertes Attribut für eine Achtjährige ist.

»Findest du?«

»Ja, voll. Ihre Turnschuhe waren cool. Wird sie jetzt deine Freundin?«

»Wie kommst du denn darauf?«

»Na, weil du dich heute Abend mit ihr triffst. Dann hast du ein Date, Avery.«

»Das ist kein Date. Das ist …« Was weiß ich, was das ist. »Erzähl es nicht Mom, ja? Und Bud auch nicht.«

»Neee.« Einen Moment schweigt sie und summt das Lied im Radio mit. »Was ist mit Caysen?«

»Dem am besten auch nicht. Der kann nicht die Klappe halten.«

Sie schaut gequält. Ich weiß, wie schwer es für sie ist, ihrem Bruder Dinge vorzuenthalten. Aber ich habe keine Lust, dass Mom mich morgen über den Abend ausquetscht oder glaubt, mir wieder ihre Reden darüber vorkauen zu können, wie man Frauen ihrer Meinung nach richtig behandelt. Als bräuchte ich solche Ratschläge. Ich. Von jemandem wie ihr.

»Sie sah aus wie die Mädchen auf Pinterest«, sinniert Skylar weiter.

»Seit wann hast du Pinterest?«

»Hat Mom mir gezeigt. Da sind alle immer total schön. Ich will auch mal so aussehen, wenn ich älter bin. Meinst du, ich werde auch mal hübsch?«

»Du bist doch hübsch, Sky.«

»Maylin sagt, ich sehe aus wie eine Hexe.«

»Wer ist denn bitte Maylin?«

Skylar wirft mir einen Seitenblick zu, als hätte ich sie gerade gefragt, wer Beyoncé ist.

»Maylin ist so ziemlich das beliebteste Mädchen in meiner Stufe, Avery. Sie darf sich schminken.«

Heiliger Himmel. »Ihr seid acht?! Was willst du dir da ins Gesicht schmieren?«

»Sie ist schon neun.«

»Wenn ich einmal sehe, dass du Moms Schminke nimmst, male ich dir nachts einen Bart. Komm ja nicht auf solche Scheißideen.«

Sie schmollt. »Addison darf auch Nagellack.«

»Du bist aber nicht Addison und du bist auch nicht Maylin. Du bist meine Schwester Skylar.«

»Die im Supermarkt war auch geschminkt. Die hatte sogar falsche Wimpern.«

»Ja, aber die ist Gott weiß wie alt. Das ist 'ne erwachsene Frau. Du bist verfickte acht.«

»Ich frage nachher Mom. Die erlaubt das.«

Ja, und dann haben wir ein ernstes Problem miteinander. Sie und ich.

Den Rest der Fahrt über isst Skylar die verbliebenen Stücke ihrer Schokolade und schaut demonstrativ aus dem Fenster. Soll sie halt. Bei so einer Scheiße braucht sie gar nicht glauben, dass wir das diskutieren können. Da gibts nur Schwarz und Weiß. Egal, ob man nun eine Pinterestschönheit ist oder eine aus dem Trailerpark.

Und als hätte Miss Pinterest es geahnt, bekomme ich, kaum, dass wir zu Hause angekommen sind, eine SMS von einem unbekannten Absender.

Heute Abend, Maliburoad 876. Cloud.

Ich wüsste wirklich gerne, wie sie in echt heißt. Das ist mein Plan Nummer eins für heute Abend. Ihren Namen herauszufinden. Einfach, weil ich kann. Sie ist bestimmt eine Charlotte oder eine Maxine. Selbst im Supermarkt sah sie aus, als wäre sie irgendeiner neureichen Vorstadtsiedlung entlaufen.