Rock'n'Love (Die Rockstars-Serie) - Teresa Sporrer - E-Book
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Rock'n'Love (Die Rockstars-Serie) E-Book

Teresa Sporrer

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Beschreibung

**Liebe ist wie ein Rocksong** Emily versteht einfach nicht, warum fast jedes Mädchen aus ihrer Schule ausgerechnet Sean Nixon zu Füßen liegt. Schließlich ist er ihrer Meinung nach DAS Paradebeispiel eines verzogenen, reichen Teenagers. Im Gegensatz zu ihm muss Emily jeden Cent sparen, um studieren zu können und ergreift jede Gelegenheit, sich etwas dazu zu verdienen. Es muss ja keiner wissen, dass sie ein Doppelleben führt und heimliche Gigs in heruntergekommenen Locations spielt. Welcher ihrer stinkreichen Mitschüler sollte sich schon in einen der billigen Clubs verirren, in denen sie mit ihrer Band auftritt? Die Antwort lautet: Sean Nixon… //Textauszug: Die Stimme, die plötzlich hinter mir ertönte, ließ mich vor meinem kleinen Schminktisch hochschrecken. Ich fuhr blitzschnell herum und blickte in das herrlichste Blau, das man sich vorstellen konnte. Hinter mir stand Sean und das Einzige, an das ich denken konnte, war: Warum sahen die Jungs mit dem miesesten Charakter nur immer so schrecklich heiß aus?// //Alle Bände der romantischen Bestseller-Reihe:  -- Verliebe dich nie als Rockstar (Die Rockstar-Reihe 0)  -- Verliebe dich nie in einen Rockstar (Die Rockstar-Reihe 1)  -- Blind Date mit einem Rockstar (Die Rockstar-Reihe 2)  -- Ein Rockstar kommt selten allein (Die Rockstar-Reihe 3)  -- Rockstar weiblich sucht (Die Rockstar-Reihe 4)  -- Der Rockstar in meinem Bett (Die Rockstar-Reihe 5)  -- Rockstars bleiben nicht zum Frühstück (Die Rockstar-Reihe 6)  -- Rockstars küssen besser (Die Rockstar-Reihe 7)  -- Rockstars kennen kein Ende (Die Rockstar-Reihe 8)  -- Rock'n'Love (Ein Rockstar-Roman)  -- Liebe ist wie ein Rocksong (Die Rockstar-Reihe Spin-off) -- Alles begann mit einem Rocksong (Die Rockstar-Reihe Spin-off) -- Die MEGA Rockstars-E-Box: Band 1–8 der Bestseller-Reihe -- ROCKSTARS. Band 1–3 in einer E-Box -- Berührende Rocksong-Romantik im Sammelband (Die Rockstar-Reihe)//   Die Rockstar-Reihe ist abgeschlossen. Alle Bände der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden und haben ein abgeschlossenes Ende.

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Im.press Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2016 Text © Teresa Sporrer, 2016 Lektorat: Petra Förster Umschlagbild: shutterstock.com / © Leonov_Sergei Umschlaggestaltung: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck Schrift: Alegreya, gestaltet von Juan Pablo del Peral

Für Laura, die mir geholfen hat, die richtigen Worte für die Songtexte zu finden, und für Jana, die sich wohl mehr über die Veröffentlichung gefreut hat als ich.

VORWORT

Hallo, du,

zunächst mal will ich mich bei dir für den Kauf des Romans bedanken.

Falls du dich fragen solltest, warum jetzt noch ein Rockstar-Roman erscheint, wobei ich mehrfach betont habe, dass nach Band 8 für immer Schluss damit sein soll, so will ich darauf hinweisen, dass diese Story nicht zu den Rockstars gehört. Sie ist ein Spin-off und man kann sie getrost unabhängig von den Büchern um Alex und Zoey lesen.

Oh, und was noch besonders daran ist: dass ich das Buch mit siebzehn geschrieben habe. Da ich Sean und Emily sehr mag, hätte ich es zu schade gefunden, ihre Geschichte nicht zu veröffentlichen. Besonders, da ich nach der Story richtig Lust bekommen hatte, Geschichten über Rockstars zu schreiben.

Na, das war jetzt genug.

Ich wünsche dir viel Spaß mit der Geschichte!

WAS ICH VON DER LIEBE HALTE?

Was ich von der Liebe halte?

Nichts. Rein gar nichts.

Liebe ist doch nur ein dummes Gefühl. Und wie jedes Gefühl – Freude, Wut, Angst – kommt und geht es, wann es will.

Das ist das einzig Gute an der Liebe: Man kann nicht ewig einer verlorenen Liebe nachtrauern, weil das Gefühl glücklicherweise eines Tages wieder verschwindet. Es braucht seine Zeit, aber sie vergeht wie Wut oder Freude auch irgendwann.

Ob ich eine Freundin habe? Natürlich.

Ich habe schließlich auch meine Bedürfnisse. Mir wäre es egal, wenn Bianka erfahren würde, dass ich sie nicht liebe. Ihr müsste das auch eigentlich klar sein … Okay, das ist es ihr nicht. Dafür ist sie echt zu blond.

Es ist eine Ehre – nein, sogar ein Privileg! –, meine Freundin zu sein. Wenn sie sich von mir trennen würde, wäre mir das so was von egal. Schließlich stehen die Mädchen der ganzen Schule Schlange, um mit mir auszugehen. Hin und wieder vertreibe ich mir gern die Zeit mit diesen Mädchen. Sie strengen sich viel mehr als Bianka an, mir zu gefallen. Vielleicht ist es an der Zeit, mich wieder mal von diesem unliebsamen Ballast, der sich meine Freundin nennt, zu trennen.

Nein, ich kann mir nicht vorstellen, ein monogames Leben zu führen! Ich brauche Abwechslung.

Sean Nixon, 18, Schüler

***

Hm, was ich so von der Liebe halte?

Liebe ist wohl das schönste Gefühl auf Erden!

Ich sehne mich richtig danach, es wieder spüren zu können, aber ich fühle mich irgendwie immer noch nicht bereit dazu. Mein letzter Freund … Reden wir lieber nicht über ihn. Er war ein Arsch und hat mich nur ausgenutzt. Punkt.

Zurzeit ist die Musik mein Freund. Musik ist das, was mich am Leben erhält, mir Kraft gibt … und auch das, was mir das Geld einbringt, damit ich mir ein paar Kleinigkeiten, die ich so brauche, leisten kann.

Warum?

Meine Familie ist nicht gerade reich.

Meine Mutter hat mich und meinen Dad alleingelassen, als ich noch nicht einmal drei war. Ich erinnere mich kaum an ihr Gesicht oder an den Klang ihrer Stimme.

Ich vermute ihren momentanen Aufenthaltsort auf einer Insel irgendwo in der Karibik. Wahrscheinlich hat sie mich längst vergessen … Sicherlich verdrängt sie, dass sie irgendwo ein Kind hat.

Mein Dad arbeitet viel, aber da die Schule so teuer ist, kämen wir nicht allein mit Dads Gehalt über die Runden. Ich verzichte freiwillig auf mein Taschengeld und verdiene mir mein Geld durch Gigs.

Was?

Natürlich weiß mein Dad nicht, dass ich als Sängerin und Gitarristin in Bars mein Geld verdiene! Wenn er mich so sehen würde! Oh Gott, ich darf gar nicht daran denken, was für eine Szene er mir machen würde!

Jeder weiß ja schließlich, wie Rockmusiker so drauf sind: Nur Sex, Alkohol und Drogen im Sinn.

Ich lebe so etwas wie ein Doppelleben: Am Tag brave Schülerin und am Abend Rockmusikerin.

Am allerschlimmsten wäre es allerdings, wenn meine Mitschüler mich so sehen würden!

Ich würde vor Scham sterben – und ganz nebenbei wahrscheinlich von der Schule fliegen.

EmilyMüller, 16, Schülerin

1. SONG:

I WILL NEVER FORGET THE DAY I MET YOU

I've seen you before

Nearly every day

Brushed by, gazing eyes

I know who you are

But you don't know me

But you don't see me

Until the day we met

EMILY

Zwei blaugrüne Augen, dick umrahmt mit schwarzem Eyeliner, blickten mich aus einem blassen, schmalen Gesicht an. Die Augenbrauen über den großen runden Augen waren schmal und rabenschwarz, genauso dunkel wie die Haare der jungen Frau. Die Haare reichten ihr bis über die Schultern und mit einem Fingerstrich fiel der Pony über das linke Auge. Die Lippen waren hellrosa, voll und geschwungen, aber die zwei schwarzen Lippenpiercings störten die natürliche Kontur.

Das Mädchen im Spiegel war ich und wiederum nicht ich.

Nein, ich hatte keine gespaltene Persönlichkeit!

Ich hasste es nur, mich so zu verkleiden. Schließlich war ich so nichts weiter als ein Fake, eine Fälschung meines eigenen Selbst.

Die Piercings, die ich trug, waren genauso falsch wie ich im Moment. Lediglich das Bauchnabelpiercing der Rocksängerin Amelie hatte auch die normale Emily.

Ich nannte mich Amelie, obwohl mein richtiger Name Emily war. Amelie lächelte nur geheimnisvoll, wenn jemand sie nach ihrem Nachnamen fragte. Emilys Nachname lautete Müller. Amelie war eine begnadete Sängerin in einer Rockband, lebte für das Adrenalin und den Applaus des Publikums. Emily ging noch brav zur Schule und hoffte darauf, nächstes Jahr endlich studieren zu können.

Es war richtig zum Durchdrehen!

Allein wenn ich an diese verdammte Maskerade dachte, die ich immer auf Konzerten abzog, wurde mir ganz schlecht. Aber ich konnte nicht als ich selbst auf die Bühne gehen.

»Mely, kommst du dann mal?«

Viktor, kurz Vik, erschien an der Tür.

Die Drumsticks für den Auftritt schon in der Hand, klopfte er mit ihnen rhythmisch auf den Türrahmen und summte irgendeine Melodie. Wahrscheinlich komponierte er wieder einen neuen Song, den er den anderen Bandmitgliedern inklusive mir bald vorstellen würde.

Vik war der Gründer der Band, die auf den klangvollen Namen Bloody Secret hörte. Zu meiner Verteidigung musste ich sagen, dass viele Bands mit langweilig klingenden Namen unterschätzt wurden. Wer hätte denn gedacht, dass eine Band, die Family Force 5 hieß – meine neueste Entdeckung –, absolut genial war?

»Gleich«, sagte ich.

Ich toupierte mir noch schnell mit einem Kamm und Haarspray meine Haare ein wenig, um sie voluminöser wirken zu lassen. Leider waren meine schwarzen Haare immer der Meinung, sie müssten pfeilgerade herunterhängen und aalglatt sein.

Tja, als Mädchen wollte man mit glatten Haaren eben immer Locken – und umgekehrt.

»Mely, Mely, Mely«, seufzte Vik und ließ sich auf den abgenutzten Hocker neben mir fallen.

»Was denn?«

Ich blickte in Viks dunkelbraune, warme Augen.

Früher war ich ein wenig in ihn verschossen gewesen. Aber in einer Band kam Liebe gar nicht gut, nein, sie konnte im Prinzip nicht funktionieren. Das hatte ich bei Elisa, unserer früheren Bassistin, und Vik gesehen. Unter privaten Streitereien litt die ganze Band. Schlussendlich trennte sich Vik von Elisa und Elisa sich im Anschluss daran von der Band. Nun war ich das einzige Mädchen neben drei männlichen Bandmitgliedern. Das war ehrlich gesagt gar nicht so toll, wie es sich anhörte. Denn die Jungs waren manchmal unglaublich eklig und auch pervers.

Zum Glück war ich schon immer gut mit männlichen Wesen klargekommen. Nur ab und zu störte es mich, wenn sie mit ihren neuesten Eroberungen prahlten. Vielleicht war ich ein bisschen zu romantisch veranlagt, weil Sex für mich immer noch stark mit Liebe zusammenhing.

»Du bist nicht du selbst«, sagte Vik bestimmt das zweihundertste Mal, seit wir uns kannten. »Warum hörst du nicht mit deiner Maskerade auf?«

»Ich habe es dir schon so oft gesagt, Vik.« Ich ließ den Kamm auf den Tisch gleiten. Der Spiegel zeigte mir wieder die bekannte Fremde, die doch ich war. »Ich brauche das Geld und wenn mich jemand aus der Schule so sieht, fliege ich wahrscheinlich im hohen Bogen raus! Die suchen sich dann irgendeinen plausiblen Grund, um mich von der Privatschule auf eine öffentliche Schule schicken zu können. Ich ziehe das tadellose Image unserer Schule mit meinen Auftritten in den Dreck. Aber ich brauche dieses tadellose Image der Schule, um einen guten Start an der Uni zu haben.«

Musste ich noch extra erwähnen, dass ich das Gespött der Schule sein würde, wenn rauskäme, auf welche Weise ich ein bisschen Geld dazuverdiente? Die meisten meiner Mitschüler entstammten reichen Familien und bildeten für mich damit eine eigene Spezies: Sie hörten alle die gleiche Musik, schauten die gleichen Filme, trugen die gleichen Klamotten und so weiter und sofort.

An unserer Schule gab es nur ein paar Schüler, die nicht zu dieser Oberschicht gehörten. Das monatliche Schulgeld war echt heftig.

»Spießige Schule.« Vik stand auf und fuhr sich durch seine dunkelbraune Mähne. »Und wenn dich trotzdem jemand erwischt, wirst du eben für immer bei uns in der Band bleiben.«

Vik grinste mich an und dabei glänzte das Labret in seiner Lippe im Neonlicht. Er brauchte sich nicht zu verstecken. Sein Name war echt, sein Piercing war echt, er war echt. Er war einfach nur er selbst und glücklich damit.

»Das ist dein Lebenstraum, aber nicht meiner«, sagte ich und griff nach einem hübschen Plektrum in glitzrigem Pink. »Ich kann mir nicht vorstellen, bis an mein Lebensende in billigen Bars und Clubs aufzutreten.«

»Wir werden aber berühmter, Mely«, wandte Vik ein. »Vergiss nicht unser Konzert mit Silverstein als lokaler Support! Ich bin mir sicher, dass wir uns bald vor Auftritten nicht mehr retten können. Und wenn wir erst auf dem Rebel-Rocks-Festival spielen würden …«

Viks grenzenloser Optimismus brachte mich wieder einmal zum Lächeln. Er konnte jeder noch so aussichtslosen Lage etwas Positives abgewinnen oder uns wie in diesem Fall eine rosige Zukunft voraussagen.

Aber ich war Realistin – mit ab und zu optimistischen Anwandlungen und sah nicht sehr viel Hoffnung für eine vierköpfige Post-Hardcore-Band, die nur samstagabends in verrauchten Clubs mit siebzig Prozent Besoffenen als mehr oder weniger begeistertes Publikum auftrat. Besonders schwer war, dass die meisten Leute unseren Musikstil sowieso verabscheuten. Sie sahen in uns nicht mehr als einen Haufen Verrückter, deren Musik aus ohrenzerfetzenden lauten Riffs, Bässen und Schreien bestand. Wer hörte denn noch auf die Lyrics, die mitunter das Beste an unseren Songs waren?

»Erst wenn ich eines Morgens neben dem Sänger von Alesana oder Framing Hanley aufwache, werde ich realisieren, dass wir den Durchbruch geschafft haben.«

»Mely, die sind viel zu alt für dich«, tadelte mich Vik.

Seit ich nicht mehr in Vik verliebt war, war er zu so etwas wie meinem großen Bruder geworden. Er passte auf, dass mich keiner nach den Konzerten belästigte, aber leider auch, dass ich keinen belästigen konnte. Er fand, dass die meisten Typen auf den Konzerten zwielichtige Gestalten waren, mit denen ich besser nichts zu tun haben sollte. Hätte ich nur fünf Monate zuvor genauso gedacht wie er! Mein letzter Freund war eine einzige Pleite gewesen …

Ich schüttelte den Kopf, lächelte aber dabei. »Okay, großer Bruder. Keine Bettgeschichten mit heißen Typen, die ein paar Jährchen älter sind als ich.« Die Band ersetzte mir schließlich die halbe Familie. Vik war mein Bruder und die anderen mimten meine schrägen Cousins. In der Band gab es noch unseren Bassisten Jamie, der mich ganz toll fand, und unseren Sänger und zweiten Gitarristen Andreas. Letzterer war ganze neun Jahre älter als ich, schon verheiratet und arbeitete als Tätowierer.

Meinen Dad konnte ich nicht als ganze Familie bezeichnen. Er arbeitete viel, meist am Abend. Das traf sich gut, da ich mich so relativ unkompliziert zu meinen Auftritten schleichen konnte.

Und warum musste er das alles tun? Nur weil meine Mutter uns wegen eines anderen Kerl verlassen hatte. Ich verstand immer noch nicht, warum sie mich nicht mitgenommen hatte. Wahrscheinlich hatte sie mich nur als nerviges Anhängsel betrachtet. Mein Dad liebte mich wenigstens aufrichtig und war bereit, alles für mich zu tun. Darum finanzierte er auch meine teure Schule.

»Braves Mädchen.«

Vik verließ den Raum wieder, aber nicht ohne die Flasche Jack Daniel's auf dem kleinen Tisch neben der Tür mitzunehmen. Ein Kerl – ja, okay, ein Fan – hatte mir die Flasche vorbeigebracht. Eigentlich hatte ich mir vor dem Auftritt noch ein Schlückchen zur Beruhigung genehmigen wollen.

Mit der Flasche in der Hand drehte sich Vik noch einmal zu mir um. »Erst wenn du achtzehn bist, Mely.«

Ich ärgerte mich leise über Vik, aber er war nun einmal um mein Wohlergehen besorgt.

***

Nur fünf Minuten später verließ ich den Raum in meinem Bühnenoutfit. Spätestens jetzt hatte ich keinerlei Ähnlichkeit mehr mit Emily Müller.

In meiner Schule herrschte eine strenge Kleiderordnung: Die Schülerinnen mussten dunkelblaue Röcke tragen, die mindestens bis zu den Knien reichten. Das Oberteil bestand aus einer weißen Bluse mit einem schwarzen Blazer. Dazu waren schwarze Schuhe bis maximal fünf Zentimeter Absatz Pflicht. Das Absatz-Gebot wurde allerdings wie auch die Rocklänge von vielen Mädchen an der Schule ignoriert.

Oh ja! Mich nervten diese ganzen Vorschriften gewaltig! Unsere Schule war die einzige in Österreich, die so etwas … Ungeheuerliches von den Schülern verlangte. Man wollte damit wohl zeigen, wie stark man sich an britischen Privatschulen orientierte.

Und was hatte ich jetzt an? Einen schwarzen Minirock, der mir bei den ersten Auftritten die Schamesröte ins Gesicht getrieben hatte, ein trägerloses Top mit dem nicht gerade kinderfreundlichen Motiv eines Zombie-Ponys namens Cupcake Cult und zwei schwarz-violett gestreifte Armstulpen, die unterschiedlich lang waren. Ich sah an mir hinab. Meine Beine steckten in einer schwarzen Strumpfhose mit Löchern und an den Füßen trug ich schwarze High Heels mit Nieten. Außerdem verfeinerte ein Haufen Armbänder und Ketten mein Outfit. In meinen Haaren hatte ich mehrere Schleifchen und bunte Strähnen befestigt.

Ich sah aus wie ein Bilderbuch-Emo, eben die perfekte Verkleidung!

Kaum hatte ich das Zimmer verlassen, wurde ich schon von hinten angequatscht.

»Endlich, bist du da-ha«, flötete mir Jamie überglücklich zu. »Da du so bezaubernd aussiehst, entschuldige ich deine Verspätung.«

Ich stöhnte leise, setzte aber ein Lächeln auf, als ich mich zu ihm umdrehte.

»Danke schön, Jamie.«

Jamie, der hundertprozentig in mich verknallt war, grinste mich an. Seine neun Piercings um die Mundpartie erinnerten mich an ein Nadelkissen. Ich fragte mich, seit ich ihm begegnet war, wie Mädchen jemanden mit so dermaßen vielen Piercings nur küssen konnten. Ich küsste schließlich auch kein Nadelkissen!

Für mich war Jamie der Typ Kerl, der heimlich in seine Cousine verliebt war. Mir machte das aber meistens nichts aus. Er wurde nie aufdringlich.

»Hast du heute nach dem Auftritt schon was vor?«, fragte mich Nadelkissen-Jamie. Dabei blickte er mich weder an noch sprach er laut. Er fuhr sich nur durch die schwarzgefärbten, kurzen Haare.

Ich war davon überzeugt, dass Jamie ein kleines Problem mit dem Ansprechen von Mädchen hatte. Da ich in der Band war und er deshalb mit mir reden musste, konzentrierte er seine Firtereien trotz aller Zurückweisung auf mich.

»Äh … Vielleicht. Ich muss morgen arbeiten, weißt du.«

Niemand außer Vik wusste, dass ich eine erst sechzehnjährige Schülerin war. Die anderen Bandmitglieder hielten mich für eine neunzehnjährige Kellnerin, die mit der Band auftrat, um sich etwas für das Philosophie-Studium dazuzuverdienen.

»Oh, das ist scheiße«, sagte er. »Vielleicht nächstes Mal?«

Wie alt war Jamie?

Okay, ich wusste, dass er zwanzig war, aber er verhielt sich wie ein pubertierender Teenager. Er war einfach nicht dieser Frauenheld, der er immer vorgab zu sein. Mit dem Nadelkissen im Gesicht war das auch gar nicht so verwunderlich.

»Ja, sicher«, sagte ich, um ihn abzuwimmeln.

Eines war klar: Ich würde niemals mit Jamie ausgehen. Nicht wegen der Piercings oder weil er nicht wusste, wer ich wirklich war. Und auch nicht, weil er in der Band war. Nein, der Grund war, dass ich immer noch meinem letzten Freund nachtrauerte. Er hatte mich enttäuscht und ausgenutzt. Vielleicht hatte ich es sogar verdient, schließlich wusste er lange Zeit nichts von meinem geheimen Doppelleben.

Schluss damit!, befahl ich mir selbst.

Ich schnappte mir meine E-Gitarre und gesellte mich zu den anderen Bandmitgliedern auf die Bühne. Genau jetzt war der denkbar schlechteste Zeitpunkt, einer verlorenen Liebe nachzuhängen.

Jamie hatte sich wieder einmal in meiner Nähe positioniert und warf mir andauernd schüchterne Blicke zu.

Doch ich ließ mich nicht davon ablenken. Sobald unser Sänger Andreas den Auftritt mit einem lauten Scream begann, gab es für mich nur noch die Musik. Als die ersten Screams vorüber waren, fing ich an zu singen.

Die meisten Leute – sprich: meine wenigen Fans – bezeichneten meine Stimme als kraftvoll, aber dennoch einen Hauch zu melancholisch. Konnte eine Stimme melancholisch sein? Ich selbst empfand meine Stimme und mein Talent zu singen als Gabe und als Chance, der Welt zu zeigen, wie ich mich fühlte.

Ich ließ mich von der Musik treiben, wurde eins mit dem Bass, dem Rhythmus, den Riffs, mit einfach allem.

Die Musik gehörte zu mir und ich brauchte Auftritte wie die Luft zum Atmen.

Ich war ganz gefangen in meiner eigenen kleinen Welt aus Musik, in der alles perfekt war …

… bis ich jemanden vor der kleinen improvisierten Bühne erblickte, den ich hier niemals erwartet hätte: keinen Geringeren als Sean Nixon.

Verdammte Scheiße!

SEAN

Sean, lass uns zur Abwechslung mal in diese eine Bar im zwanzigsten Bezirk gehen! Ich weiß, es wird nicht so wie in unseren Stammlokalen sein, aber wir sollten einfach mal was Neues ausprobieren.

Warum um alles in der Welt hatte ich mich auf diesen beschissenen Vorschlag eingelassen?

Um meine Laune zu verbessern, bestellte ich mir ein kaltes Bier an der kleinen Bar. Der Barkeeper war ein typisches Opfer verpasster Jugend, obwohl er genauso gut achtzehn wie achtunddreißig sein konnte. Der Schädel war kahl rasiert bis auf einen Schopf schwarzer Haare, der sein rechtes Auge verdeckte. Über seinem anderen Auge zählte ich insgesamt sechs dieser Kugelpiercings. Diese Verschandelung setzte sich fort: von seinen Ohren – Tunnel mit etwa fünf Zentimeter Durchmesser – über seine Nase – diese komischen Nasenring-Piercings, die mich an Stiere erinnerten – bis hin zu den Armen, auf denen ich zahlreiche bunte Tattoos unter dem geschmacklosen T-Shirt – das Design war wohl das Ed Hardy der Emo-Szene – erkennen konnte.

»Hier«, grunzte der Barkeeper und stellte mir mein gewünschtes Getränk hin, bevor er sich wieder der übrigen Kundschaft zuwandte.

In meiner Welt würde dieser Kerl auffallen wie ein bunter Hund, aber hier passte er hin. Der Club, in den ich mich von meinem idiotischen Kumpel hatte schleifen lassen, war ein Szene-Treffpunkt. An der Wand hingen Plakate, Poster und Fotos von Bands, deren Namen ich noch nie in meinen Leben gehört hatte, während im Hintergrund wohl genau die beschissenen Songs dieser suizidgefährdeten Transen liefen.

Da dieser Idiot von Barkeeper mir das Bier weder aufgemacht noch einen Flaschenöffner gegeben hatte, öffnete ich die Flasche mit einem gekonnten Schlag gegen die mit Bandstickern zugepflasterte Theke. Der Kronkorken löste sich mit einem Plopp und ich trank das Bier auf ex.

Jetzt war es hier zumindest ein bisschen erträglicher.

Es war wirklich eine beschissene Idee gewesen, mich hierzu überreden zu lassen. Aber Matt hatte schließlich Geburtstag und wer Geburtstag hatte, durfte bestimmen, wo man sich betrank. Normalerweise schmiss Matt seine Feiern bei sich, mit einem Haufen Alkohol, halbnackten Mädels, die er erstaunlicherweise alle beim Namen nennen konnte, und einem DJ, der gute Musik auflegte.

Seine Feiern waren wirklich legendär. Seine Eltern besaßen einen megageilen Jacuzzi und einen eigenen Pool inklusive Bar im Inneren des Hauses.

Wir hatten zu Hause nur so ein dämliches Planschbecken im Garten, das nicht einmal beheizt war. Vielleicht sollte ich meinem Dad mal den Vorschlag unterbreiten, den Pool zu sanieren.

Was war nur mit Matt los? Oder besser gesagt: Wo war dieser Typ nur?

Ich saß hier ganz alleine neben einem Kerl, der verträumt vor sich hin lächelte und mit dem Oberkörper ein wenig vor und zurück wippte, also höchstwahrscheinlich high war, und einer Tussi, die sich gerade einen Meter Eyeliner unter die anderen drei Meter schmierte. Ihre rosa – ein richtig helles, grelles, aber vor allem hässliches Pink Haare passten hervorragend zu dem Typen neben ihr, der Strähnchen in der gleichen Farbe hatte.

»Hilfe«, stöhnte ich leise. »Alles voller Irrer!«

In diesem Moment wünschte ich mir, dass Bianka hier wäre.

Na, gut, Bianka war dumm wie Brot, aber sie wusste, wie man Langweile vertreiben konnte. In solch einem Fall würde ich normalerweise zu dem erstbesten willigen Mädchen greifen. Aber bei diesen gestörten Individuen konnte man manchmal schwer zwischen Männlich und Weiblich unterscheiden.

Vielleicht sollte ich Bianka anrufen? Ich war mir sicher, dass sie gerade sowieso nichts Besseres zu tun hatte, als ihre Nägel zu lackieren oder ihre Extensions zu pflegen.

Fest entschlossen, meinen Samstagabend nicht in einem Club mit schlechter Musik und voller komischer Leute zu verbringen, griff ich nach meinem Handy und wählte Biankas Nummer.

Ich versuchte mir durch den bunten Haufen von Gestalten einen Weg ins Freie zu bahnen.

»Schatz!«, schrie Bianka mit ihrer piepsigen Stimme. »Was gibt es denn? Warum ist es bei dir so laut? Was ist das nur für ein Krach? Wolltest du nicht bei Matt Geburtstag feiern?«

Ich stöhnte.

Bereits jetzt bereute ich es, dass ich Bianka angerufen hatte. Und nicht nur das: Ich bereute sogar mit ihr zusammen zu sein, aber ich wusste, dass viele Mädchen auf vergebene Typen standen. Also hatte ich eine Freundin, die alles für mich tun würde, und einen Haufen Verehrerinnen, die noch mehr für mich tun würden.

»Ich bin in einem Club«, schrie ich zurück. »Matt, der Vollidiot, ist verrückt! Er ist völlig durchgeknallt!«

Da ich leider schon nicht mehr ganz nüchtern gewesen war, als wir herkamen – Vorglühen war manchmal echt mörderisch! –, tat ich mich nun schwer den Ausgang zu finden. Um wenigstens etwas von Biankas Geplapper zu verstehen, hielt ich mir das freie Ohr zu.

»Müsstest du da nicht eher in einer Irrenanstalt sein?«

Himmelherrgott! Wie viel Dummheit konnte nur in einem Menschen stecken?

Ich verdrehte die Augen. »Ich meine doch nicht diese Art von verrückt … Ist egal. Willst du vielleicht herkommen?«

»Warum?«, fragte sie dümmlich.

»Ich dachte, wir könnten uns woanders den Abend vertreiben«, schlug ich mit möglichst viel Charme in der Stimme vor. »Ich könnte dich doch noch hübsch ausführen und danach …« Ich ließ meinen Satz absichtlich unbeendet, um Biankas Fantasie anzuregen.

»Nein«, sagte sie. »Ich will heute noch die neue Folge vom Bachelor anschauen.«

Es war schwer meine aufkeimende Wut zu unterdrücken.

Ich war gerade einmal zwei Monate mit Bianka zusammen, doch sie hatte es geschafft, siebzig Prozent meiner Nerven mit ihrer Dummheit zu zerstören.

»Du kannst dir die Folge doch sicherlich auch noch morgen im Internet angucken, oder?«

»Schatz, du weißt doch, dass ich es hasse den Computer zu benutzen!«, jammerte sie, während ich im Hintergrund hörte, wie sie den Fernseher einschaltete. »Die ganzen Moleküle, Partikel oder Elektronen sollen die Gehirnzellen schrumpfen lassen!«

Was sollte bei ihr noch schrumpfen?

Was hatte ich mir nur dabei gedacht, mir eine dumme Kuh als Freundin zu nehmen? Ach ja, ich hatte ihre praktischen Kenntnisse wertgeschätzt, aber jetzt wurde mir dieses Gör zu nervig. Wenn sich demnächst einmal die Gelegenheit bot, würde ich mit ihr Schluss machen. Aus. Amen. Basta.

Ohne mich zu verabschieden, legte ich auf und warf mein Handy gegen eine Mauer, genoss es zuzusehen, wie es zerschellte. Ich hatte sowieso vorgehabt mir ein neues Telefon zu kaufen.

Bianka hatte mich nicht verdient!

Kein Mädchen hatte mich verdient – bis auf sie …

Ich verspürte einen kleinen Stich in meinem Herzen, als ich an sie dachte. An ihre Augen voller Freude, an ihre Lippen, die stets ein sanftes Lächeln umspielt hatte, und an das dumme Gefühl, das man Liebe nennt, das mir im Endeffekt doch nur Schmerz bereitet hatte.

Ich schüttelte den Kopf, um die unliebsame Erinnerung zu verdrängen, die wohl ein Leben lang an mir haften würde.

Gerade, als ich die Ausgangstür hinter ein paar Typen erblickte, spürte ich eine Hand auf meiner Schulter.

Natürlich drehte ich mich um und erblickte sofort …

»Matt?«

Vor mir stand mein engster Freund, Saufkumpane und der wohl erfolgreichste Aufreißer aller Zeiten. Doch das, was mich verwunderte, war das zierliche, blonde Mädchen, das sich verliebt an seine Seite geschmiegt hatte. Ihre violetten Lippen waren zu einem zufriedenen Lächeln verzogen, während Matt ihr über die nackte Schulter strich.

Zuerst dachte ich, dass Matt wieder einmal ein Mädchen aufgerissen hatte, auch wenn dieses hier rein äußerlich nicht seinen sonstigen Eroberungen entsprach. Doch dann überraschte er mich mit dem einen Satz, den ich niemals von ihm erwartet hätte.

»Sean, das ist meine Freundin Anna«, stellte er uns vor. »Anna, das ist mein bester Freund Sean.«

Anna streckte mir einen bleichen, dünnen Arm entgegen, an dem zahlreiche Armbänder und Festivalbändchen hingen.

»Ist das dein Ernst?«, höhnte ich. »Seit wann nennst du deine One-Night-Stands Freundinnen?«

Augenscheinlich verunsichert zog Anna ihren Arm zurück und blickte zu Matt. Der liebevolle Blick, den er ihr zuwarf, ließ mich erkennen, dass er sich echt verliebt hatte.

Ach, verdammt, warum? Warum, warum, warum?

»Ich liebe Anna«, knurrte Matt mich an. »Wir führen bereits seit drei Monaten eine Beziehung.«

Das war also der Grund, weshalb ich ihn in letzter Zeit immer so zurückhaltend bei den Mädels erlebt hatte.

»Ich glaube, ich spinne.« Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Zuerst baut Nathan so eine Scheiße und jetzt auch noch du?«

Früher waren Matt, Nathan und ich die besten Freunde gewesen. Wir drei führten ein Leben in Luxus, mit Partys bis zum Abwinken – solange unsere Eltern uns mit genügend Geld versorgt hatten. Und das hatten sie immer. Doch dann geriet Nathan an die falschen Leute, wurde medikamentenabhängig und landete schlussendlich im Krankenhaus.

Seit er mehr als drei Monate zuvor umgezogen war, hatte ich keinerlei Kontakt mehr zu ihm. Ich hatte nur über Facebook mitbekommen, dass auch er nicht mehr der Typ von früher war. Anscheinend hatte er den Umzug genutzt, um sich äußerlich ein wenig zu verändern – er passte jetzt ausgezeichnet in diesen Club –, und offenbar war auch er zu einem braven Jungen mutiert. Seine neue Freundin schien jedenfalls überaus glücklich mit ihm zu sein.

Und jetzt würde ich auch noch ohne Matt dastehen … Vielleicht sollte ich öfter etwas mit Julien unternehmen. Nur war der Kerl manchmal selbst für meinen Geschmack etwas zu schräg drauf.

»Scheiße! Weißt du was, Sean? Du kannst mich mal! Früher warst du mal ein echt toller Freund. Aber jetzt?«, zickte mich mein wohl ehemals bester Freund an. »Komm, Anna, wir gehen.«

»Arschloch«, zischte die Kleine und folgte Matt aus dem Club.

»Geiler Arsch, Kleine«, rief ich ihr noch hinterher.

Zum Glück konnten Blicke nicht töten.

Da ich keinen Bock hatte Matt nachzurennen, als wäre ich seine Ehefrau – diese Rolle übernahm Anna ja schon –, beschloss ich noch ein wenig im Club zu bleiben und mir wenigstens die soeben angekündigte Band anzuschauen. Vielleicht wäre es ja ganz lustig zuzusehen, wie sich diese Transen auf der Bühne machten.

Ich drängte mich in die vorderste Reihe, vorbei an ein paar Typen, die schon vor Beginn des Konzerts meinten sich prügeln – oder, wie sie es nannten, »moshen« – zu müssen.

Der Kerl, der anscheinend der Sänger war, war bereits dabei in das Mikrofon zu schreien, so dass die Leute neben mir anfingen wild zu headbangen.

Mir fielen hunderte Wörter dazu ein: scheiße, furchtbar, grauenhaft und so weiter.

Ich hätte nun wirklich gehen sollen.

Doch dann wurden die gehetzten Schreie von einer weiblichen Stimme unterbrochen. Ich war überrascht und suchte die Sängerin auf der Bühne. In einer Ecke stand das einzige Mädchen der Band. Sie hatte schwarze Haare und trug ein verdammt knappes – aber geiles! – Outfit. Als sie nach ihrem Songpart die Augen öffnete, die sie beim Singen geschlossen hatte, trafen sich unsere Blicke.

Ich kannte dieses Mädchen. Da war ich mir hundertprozentig sicher! Doch ich wusste weder, wie sie hieß, noch, woher ich sie kannte. Das Einzige, an das ich denken konnte, war, wie schön ihre Stimme doch war und wie sehr ich mir wünschte sie einen ganzen Song lang zu hören.

EMILY

Was im Namen von allen Bands, deren Songs ich auf meinem Handy zu Hunderten hatte, machte Sean Nixon hier? Es bedurfte wirklich all meines musikalischen Könnens, mich weiterhin nur auf meine Gitarre und meine Stimme zu konzentrieren. Trotzdem verspielte ich mich hin und wieder oder traf einen Ton nicht ganz. Mein Blick glitt während des ganzen Auftritts immer wieder zu Sean. Wie ein großer, gutaussehender, dunkelblonder Fels stand er da und lauschte mit geschlossenen Augen der Band. Meiner Band! Die Leute, die um ihn herum tobten, interessierten ihn nicht im Geringsten, denn für ihn schien es im Moment nur die Musik zu geben. Konnte es wirklich sein, dass er sich für diese Musik interessierte? Schließlich hatte ich nie den Eindruck gewonnen, dass er diesen Musikstil mochte, und ich kannte ihn seit sechs Jahren.

Obwohl … »Kannte« war ein übertriebener Begriff für die Beziehung, in der wir zueinander standen. Wir gingen auf dieselbe Schule. Aus. Das waren alle Gemeinsamkeiten. Er gehörte zur Elite, zu den Reichen, der Oberschicht. Ich gehörte zur untersten Schicht der untersten Schichten.

Die Familie Nixon stammte ursprünglich aus Amerika. Sein Großvater hatte schon eine Menge Kohle und sein Vater hatte das Vermögen mit seinen Bankgeschäften in diesem Land noch vergrößert. Seine Mutter war die Tochter irgendeines Hotel-Fuzzis. Allein in der Stadt gab es drei Nixon-Hotels und zwei Nixon-Restaurants.

Ich glaubte auch, dass das einer der Gründe war, weshalb ich Sean nicht mochte. Wenn man sich diese sogenannte Elite an unserer Schule ansah, stellte man schnell fest, dass sie alle nichts weiter waren als hohlköpfige Idioten mit viel Geld. Die meisten von ihnen mussten sich nicht wirklich anstrengen, um in der Schule durchzukommen. Unsere Lehrer fuhren unheimlich teure Autos – warum, konnte man sich wohl denken. Nur weil Lehrerbestechung verboten war, hieß das nicht, dass manche Lehrer nicht doch hin und wieder nach dem Besuch der reichen Eltern der Schüler über eine Notenänderung nachdachten.

Ich hingegen musste manchmal das ganze Wochenende – da ließ ich sogar ab und zu einen Auftritt sausen! – lernen, um in einem schwierigen Fach gerade noch so durchzukommen und das Schuljahr zu schaffen. Während ich also wie eine Verrückte oft meine Wochenenden für das Erledigen von Schularbeiten verwendete, trieben sich unsere Elite-Schüler auf Partys herum.

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht neidisch auf sie war. Sie hatten einfach alles, was man sich mit Geld kaufen konnte. Ein ganz kleiner Teil von mir hatte sich früher immer gewünscht zu ihnen zu gehören, aber bei ihnen hätte ich mich noch viel mehr verstellen müssen. Ich hätte ihnen niemals meine Band zeigen können oder am Schlimmsten: Ich hätte wahrscheinlich niemals die Jungs der Band kennengelernt.

An meiner Schule hatte ich deshalb keine Freunde. Ich hatte lediglich meine Jungs und eine sehr gute Freundin, die jedoch hunderte Kilometer von mir entfernt wohnte.

Wer weiß: Vielleicht war Sean hier, weil er ganz anders war? Weil er nicht zu diesen Snobs gehörte?

Ja, klar. Sean. Auch bekannt als Mister »Ich-wechsel-meine-Freundinnen-öfter-als-meine-Unterwäsche«. Nein, Sean war ganz bestimmt nicht hier, weil ihm meine Musik zusagte. Es musste einen anderen Grund geben. Wahrscheinlich gefielen ihm die billigen Alkoholpreise oder sein Idiotenfreund Matt und er hatten Lust, ein paar Emos, Gothics oder Metaller fertig zu machen.

Warum konnten manche Leute nicht einfach Personen, die anders waren – wenn auch nur, weil sie andere Musik hörten oder sich auffällig kleideten –, in Ruhe lassen?

***

Der Auftritt war schneller zu Ende als gedacht. Und kaum hatten wir aufgehört zu spielen, sah mich Sean mit seinen unglaublich kraftvollen blauen Augen an. Das war genau das, was mir schon bei unserer ersten Begegnung an ihm aufgefallen war. Augen, die nur aus intensivstem Blau zu bestehen schienen.

Wir standen bestimmt einige Sekunden stumm da. Ich blickte in Seans Augen und er in meine, während meine Bandkollegen bereits dabei waren die improvisierte Bühne zu verlassen. Andreas schrie bestimmt hundert Mal: »Vielen Dank, ihr seid so geil, Leute!«, obwohl kaum jemand applaudierte.

»Mely, was ist los?«

Erst als mich Vik an der Schulter berührte, hatte ich die Kraft, mich von Seans Anblick loszureißen. Als ich wieder zu der Stelle sah, wo Sean vorher gestanden hatte, war dort niemand mehr.

»Nichts, nichts!«, sagte ich hektisch und drehte mich zu Vik um. »Ich habe nur kurz nachgedacht u-«

»Du denkst heute viel zu viel nach. Du warst die ganze Zeit unkonzentriert«, kritisierte er mich. »Du hast dich mindestens sieben Mal verspielt und beim dritten Song war deine Stimme immer eine Spur zu hoch …«

Vik war einer der wenigen, der mich ehrlich kritisieren konnte, ohne dass ich gleich an die Decke ging.

»Wer ist der Typ gewesen?«, fragte mich Vik plötzlich.

»Welcher Typ?«

»Na, wer wohl?«

Vik verdrehte die Augen und machte mit dem Kopf eine Bewegung zu der Stelle, wo Sean vorher gestanden hatte.

»Der Musterknabe in der ersten Reihe. Ich habe selten so einen wie ihn hier gesehen.«

»Er geht auf meine Schule«, sagte ich leise. »Sieht wohl so aus, als würde ich mein Lebensende doch hier mit euch verbringen.«

Ich schob Vik beiseite und ging hinter die Bühne.

Ja, das war es mit meinem eigentlichen Lebenstraum. Sean würde sicher jemandem davon erzählen und in weniger als einer Woche hieß es, Abschied von der Schule zu nehmen. Dabei wollte ich meinen Abschluss machen! Zwar ging mir meine Schule auf die Nerven, aber ich wollte einen guten Schulabschluss haben, um studieren zu können … Oh ja, ich würde lange singen müssen, um mir das Studium finanzieren zu können. »Mely, warte.«

Mit schnellen Schritten hatte mich Vik eingeholt. »Er muss dich doch nicht erkannt haben. Hast du viel mit ihm zu tun?«

»Gar nichts«, zischte ich, als ich daran dachte, wie sich Sean meistens in der Schule aufführte.

»Zum Glück. Der Typ ist wohl das Arschloch Nummer eins.«

Ich dachte daran, dass Sean sich bereits als Zwölfjähriger wie der reinste Platzhirsch aufgeführt hatte.