3,99 €
Endlich! Maria hat den begehrten Studienplatz an der NYU ergattert – in New York, der Stadt, in der auch ihr großer Schwarm wohnt: Brandon Jackson! Und sie glaubt fest daran, dass der weltberühmte Rockstar sich sofort in sie verlieben wird, wenn sie nur die Chance bekommt, mit ihm zu reden. Als sie dann auf die Sängerin Zoey trifft, scheint ihr Glück perfekt, denn über sie kommt Maria tatsächlich an Brandon ran. Blöd nur, dass der sich nicht ganz so leicht von seiner Liebe zu Maria überzeugen lässt wie gedacht. Ob das an seiner Freundin und Zoeys Schwester Ellen liegt? Da hilft nur eins: Brandons Beziehung zu Ellen sabotieren! Aber ausgerechnet Womanizer Christian, der zweite Gitarrist aus Brandons Band, kommt Marias Plänen auf die Schliche… //Alle Bände der romantischen Bestseller-Reihe: -- Verliebe dich nie als Rockstar (Die Rockstar-Reihe 0) -- Verliebe dich nie in einen Rockstar (Die Rockstar-Reihe 1) -- Blind Date mit einem Rockstar (Die Rockstar-Reihe 2) -- Ein Rockstar kommt selten allein (Die Rockstar-Reihe 3) -- Rockstar weiblich sucht (Die Rockstar-Reihe 4) -- Der Rockstar in meinem Bett (Die Rockstar-Reihe 5) -- Rockstars bleiben nicht zum Frühstück (Die Rockstar-Reihe 6) -- Rockstars küssen besser (Die Rockstar-Reihe 7) -- Rockstars kennen kein Ende (Die Rockstar-Reihe 8) -- Rock'n'Love (Ein Rockstar-Roman) -- Liebe ist wie ein Rocksong (Die Rockstar-Reihe Spin-off) -- Alles begann mit einem Rocksong (Die Rockstar-Reihe Spin-off) -- Die MEGA Rockstars-E-Box: Band 1–8 der Bestseller-Reihe -- ROCKSTARS. Band 1–3 in einer E-Box -- Berührende Rocksong-Romantik im Sammelband (Die Rockstar-Reihe)// Die Rockstar-Reihe ist abgeschlossen. Alle Bände der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden und haben ein abgeschlossenes Ende.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.
In diesem E-Book befinden sich eventuell Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Carlsen Verlag GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.
Im.press Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2015 Text © Teresa Sporrer, 2015 Lektorat: Hannah Tannert Umschlagbild: photocase.de / © nena2112 Umschlaggestaltung: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck Schrift: Alegreya, gestaltet von Juan Pablo del Peral
Mit zittriger Hand trug ich ganz dezent Eyeliner und Mascara auf und verzichtete schweren Herzens auf dunklen Lidschatten und intensiven Lippenstift. Ganz vorsichtig tupfte ich mir ein bisschen Puder auf die Wangen und auf die Stelle, an der ich ausgerechnet heute Morgen einen dicken fetten Pickel bekommen hatte, der zumindest ein Fünfzigstel meines Gesichtes entstellte.
Ich fluchte leise, als mir meine Puderdose aus der Hand fiel und sich mit einem lauten Platschen verabschiedete. Es war vielleicht doch nicht so eine geniale Idee gewesen, sich ausgerechnet in einer Toilettenkabine zu verschanzen, um sich nachzuschminken.
»Scheiße! Das Puder hat zehn Dollar gekostet!«, regte ich mich auf. »Zehn verf … verwunschene Dollar!«
Ich warf das restliche Schminkzeug kurzerhand in meinen ausgeliehenen Schulrucksack – mein eigener sah aus wie eine unförmige Voodoo-Puppe, bekritzelt und mit dutzenden von Band-Buttons und Schleifchen geschmückt und kniete mich vor die Kloschüssel hin.
Meine Puderdose war nur eine eklige Armlänge von mir entfernt. Wenn ich kurz die Augen zu machen würde, dann könnte ich mir die Dose angeln – und riskieren, dass ich mein Outfit an meinem großen Tag ruinierte.
Mit einem resignierten Seufzer drückte ich auf die Spülung. Da gingen zwei ganze Stundenlöhne dahin! Jetzt konnten sich Ratten und Kanalmenschen mit meinem teuren Puder schminken!
Doch statt meiner Wut mit ganz schön vielen Schimpfwörtern Luft zu machen, atmete ich tief ein und wieder aus. Ich musste mich nur einen einzigen verfick … verfluchten Tag nicht wie … na ja, ich aufführen! Es sollte doch nicht so schwer sein, einen Tag lang auf anständige Musterschülerin zu machen, die nicht alles und jeden anpöbelte. Heute musste ich so wenig mariahaft wie es nur ging wirken. Ich würde nicht erzählen, was ich in meiner Freizeit so unternahm, für was ich mich interessierte und falls der Kerl mich auf die Zwischenfälle in meiner Schulakte ansprechen würde, würde ich von pubertären Verwirrungen sprechen und wie sehr ich das alles bereute. Vielleicht schaffte ich es sogar ein paar unechte Tränen rauszudrücken.
Ja klar, weil ich es ja so bereute Joe Cayne in der Neunten gegen eine Mauer geschubst zu haben, weil er dumme Scherze über meinen legendären Haarfärbe-Unfall gemacht hatte oder die Sache mit Sally Smith. Sie hatte »Freak« an meine Spindtür geschrieben. Im Gegenzug malte ich ihr Handy zuerst mit Nagellack pink an und versenkte es anschließend mit einer theatralischen Rede im Klo – spätestens damit hatte ich dann allen bewiesen, dass ich eigentlich doch ein Freak war.
Ich wollte gerade aus der Kabine treten, als ich hörte, wie die Tür zu den Toiletten geöffnet wurde und ein paar Mädchen laut tratschend eintraten.
Schnell huschte ich zurück.
»… und dann hat mich dieser Hipster-Abschaum einfach nur angesehen und den Kopf geschüttelt! Mich! Ich wette, dass er schwul war.«
»Nimm’s dir nicht so zu Herzen, Schlampe.«
Ich musste ein Stöhnen unterdrücken. Zwar wusste ich nicht, wem die Stimmen gehörten, das hatte man davon, wenn man ständig mit Ohrstöpseln herumlief, aber Mädchen, die nur zu zweit aufs Klo gingen und deren liebster Kosename »Schlampe« war, gingen mir grundsätzlich auf den Nerv.
Ich hörte ein Rascheln, dann ein Klicken und kurz darauf ein langgezogenes Ausatmen.
Oh toll! Wenn der Feuermelder wieder losging, weil jemand auf der Mädchentoilette geraucht hatte, dann konnte ich mein Vorstellungsgespräch vergessen!
Plötzlich vernahm meine feine Nase einen komischen Geruch und kurz darauf etwas wahnsinnig Süßes.
Oh, ich hatte mich fast vertan. Die beiden kifften und versuchten mit Parfüm den Geruch zu überdecken.
»Hey, hast du Maria heute schon gesehen?«
Oh, die Kifferinnen kannten mich?
»Ja! Oh mein Gott, ich habe nicht gewusst, dass die so normal aussehen kann.«
Mein Kopf sank gegen die vollgekritzelte Toilettentür. Ich musste so schnell wie möglich aus diesen Klamotten raus, bevor sich mein rebellisches Gehirn ins Nirwana verabschiedete und ich selbst tratschend und auf Mädchentoiletten kiffend endete.
Zehn Minuten später, um acht Details über Jungs an der Schule, die ich nie in meinem Leben wissen wollte, reicher und ein klein bisschen high, konnte ich aus meinem Versteck heraustreten.
So wie ich heute aussah, wollte ich möglichst niemandem mehr über den Weg laufen.
Die Person, die mir aus dem Spiegel entgegenblickte, war mir unglaublich fremd: Ihre Haut war weder blass noch braungebrannt. Ihre dreifach blondierten Haare waren brav am Hinterkopf hochgesteckt, so dass niemand merkte, dass darunter auch schwarze Strähnen lagen.
Nur ihre blauen Augen kamen mir bekannt vor.
Ich stemmte eine Hand in die Hüfte und hielt dem Spiegel ein unsichtbares Buch hin. »Wollen Sie eine Bibel kaufen? Gott, kotz – äh, ich meine das Outfit nervt.«
Als meine Betreuerin Karen, der man sich besser nicht widersetzte, erfahren hatte, dass mich jemand von der NYU sprechen wollte, hatte sie sich sofort aufgedrängt und mir dieses besch … befremdliche Outfit aufgeschwatzt: Ich trug eine blütenweiße Bluse und darüber einen schwarzen Pullover mit V-Ausschnitt. Diese Spießigkeit wurde von einem knielangen dunkelgrauen Bleistiftrock und sandfarbenen Feinstrumpfhosen abgerundet. Um mich noch mehr in einen Clean-Teen zu verwandeln, hatte mir Karen schwarze Lackschuhe mit Miniabsatz und eine Lisa-Simpson-Perlenkette angedreht.
Für dieses besch … bescheidene Outfit war das ganze Geld draufgegangen, das ich eigentlich für einen gebrauchten iPod gespart hatte.
Ich zog den schwarzen Stoff des Pullovers über meine Fingerspitzen, aber er rutschte wieder zurück.
Meine Handgelenke fühlten sich irgendwie ungeschützt an. Normalerweise trug ich an beiden Armen zahlreiche Armbänder, aber heute hatte ich alle abgelegt – alle, bis auf ein silbernes Kettchen mit meinem Namen. Alles, was ich von meinen Eltern hatte. Erneut zog ich die Ärmel bis zu meinen Fingerspitzen.
Es war Zeit zu erfahren, was mir die Zukunft bringen würde.
Ich hatte kaum einen Fuß aus den Toiletten gesetzt, als ich schon die herablassenden Sprüche der anderen hörte.
»Hey Maria! Wurdest du vom heiligen Geist gefickt oder was?«
Witzig. Ich hasste meinen Namen.
»Nase voll von der Emo-Szene?«
»Ich hab’s euch gesagt, die Kleine ist eigentlich doch ganz süß.«
Ich wollte das alles nicht hören – auch nicht, dass ich »süß« war. Mit gesenktem Kopf ging ich den Schulflur entlang und konzentrierte mich dabei auf die dreckigen Keramikfliesen, um mich abzulenken und nicht die Beherrschung zu verlieren.
Doch dann sprang einer dieser Idio … Individuen direkt vor mich. »Sieh mal einer an. Ist das unsere Scene-Queen Maria? Hast du endlich genug von diesen schwulen Musikern von Empathica? Denn, du siehst so wirklich hei-«
Ehe er sich versah, hatte ich ihn gegen einen der pissgelben Spinde gedrückt. Mein Unterarm quetsche seinen Hals und sorgte dafür, dass seine beschissenen Meldungen in seiner Kehle steckenblieben. Obwohl der Kerl – John, Joe oder so etwas in der Art – ein Footballer war und sicherlich zwanzig Zentimeter mehr maß und auch mindestens dreißig Kilo mehr wog als ich, war ich ihm im Kampf überlegen. Der Schock hatte ihn all seiner Kräfte beraubt und er sah mich wie ein Karpfen an: große Augen, Maul offen und nach Luft schnappend.
Ruhig Maria, sie halten dich so oder so schon alle für ein Gossenkind.
»Sag nichts über Empathica«, fuhr ich den Kerl schneidend an. Ich riss meinen Arm zurück und zog, als wäre nichts passiert, von dannen. Meine anderen Mitschüler sahen mir mit offenstehenden Mündern nach.
Zum Glück hatte kein Lehrer meine Aktion beobachtet und mir zum tausendsten Mal in diesem Jahr Nachsitzen aufgebrummt. Karen stand jedes Mal einem Herzinfarkt nahe, wenn ich erst Stunden später nach Hause kam, weil ich wieder einmal wie ich selbst gehandelt hatte und dafür zusätzliche Stunden in der Schule verbringen durfte.
Gerade noch pünktlich erschien ich vor dem »Psycho-Zimmer«. Eigentlich empfing unser Schulpsychologe Dr. Hoffmann dort immer Schüler, die Probleme hatten – unter anderem mich –, aber heute fand dort das Gespräch meines Lebens statt.
Auf billigen Plastikstühlen saßen noch drei andere Schüler und warteten darauf, dass sie aufgerufen wurden. Allesamt Jungs, die entweder mit einem iPad oder einem Macbook hantierten. Ich hatte nicht einmal das Geld mir einen gebrauchten iPod zu kaufen, weil ich das eklige Essen im Heim nicht einmal ansehen konnte und mein Geld in Pizza investierte oder mir als Aufmunterung Merchandisingzeugs von Empathica kaufte. Der andere Teil ging für Secondhand-Klamotten und Haarfärbemittelchen drauf.
Ich hatte gerade meinen Allerwertesten auf einen pinken Sessel – Schicksal! – bequemt, als die Tür ein kleines Stück weit geöffnet wurde. »Maria Evans.«
Seufzend stand ich auf und marschierte in den Psycho-Raum. Strahlend weiße Wände hießen mich willkommen. Die hinterste Wand war mit einem riesigen Bücherregal verstellt und vor diesem stand ein Schreibtisch aus dunklem Holz. An den Wänden hingen Bilder in beruhigenden grünen und blauen Schattierungen und am Boden standen einige Topfpflanzen.
Ein Mann, etwa fünfzig Jahre alt, ziemlich rundlich und mit einer glänzenden Glatze saß hinter dem Tisch. Sein Anzug kostete wahrscheinlich so viel wie meine ganzen Besitztümer zusammen.
»Maria, setzen Sie sich bitte.« Er wies auf einen dunkelblauen Stuhl. Eine nette Abwechslung zu der Liege, auf der ich sonst immer lag, während ich mir Belehrungen über mein Verhalten anhören durfte. »Ich bin Mr Dale.«
Ich rang mich zu einem Lächeln durch. »Guten Tag.«
Sein Lächeln wirkte im Gegensatz zu meinem nicht gekünstelt. »Du weißt sicherlich, warum du heute hier bist.«
Ich nickte schwach, sagte aber kein Wort. Der sarkastische Spruch, der mir auf den Lippen lag, wollte unbedingt raus.
Er griff nach einer Akte, wahrscheinlich meiner Schulakte, und blätterte darin herum. »Ihre Leistungen in Mathematik, Physik und Chemie sind wirklich beeindruckend.«
Ich erwiderte das mit einem Schulterzucken. Da ich keine Freunde oder so etwas hatte, mit denen ich am Wochenende Party oder Sonstiges machen konnte, blieb mir immer viel Zeit zum Lernen. Und im Unterricht passte ich meistens auf, auch wenn ich ununterbrochen auf meinem Block herumkritzelte. Nicht zu vergessen, das ganze Nachsitzen …
»Die NYU würde Sie gerne nächstes Jahr als Studentin willkommen heißen.«
Die erwartete Freude blieb aus. Eigentlich war ich niemand, der gerne lernte, doch was sollte ich sonst mit meinem Leben anfangen? Ich hatte niemanden, der für mich sorgen konnte.
Karen hatte mir erklärt, dass die NYU mir das Stipendium auch verlieh, weil ich fast kein Geld besaß. Ich hatte keine Eltern, die mir zur Vorsorge einen Collegefond oder ähnliches eingerichtet hatten. Ich hatte gar nichts. Aber die NYU konnte sich damit brüsten einem armen Mädchen wie mir etwas Gutes zu tun.
»Ich würde die Universität auch gerne willkommen heißen.«
Warum musste ich schleimen? Das lag so unter meiner Würde!
Mister Dales Lächeln erlosch plötzlich. »Wir wissen außerdem über Ihre Familienverhältnisse Bescheid. Das Stipendium würde die meisten Ihrer Kosten decken.«
Ich hatte versucht bei dem Wort »Familienverhältnisse« nicht zusammenzuzucken, aber wie immer reagierte ich viel zu sensibel auf das Thema. Statt dem Kerl allerdings ein »Von welcher Familie reden Sie?« ins Gesicht zu schleudern, nickte ich wieder einfach nur. »Ich würde mir sowieso eine Arbeit suchen.«
Im Moment arbeitete ich Freitag, Samstag und Sonntag in einem DVD-Verleih. Ich hatte nichts besseres gefunden. Die Bezahlung war mies, weil heute kaum noch jemand DVDs auslieh. Wenn ich einen eigenen Laptop besessen hätte, hätte ich mir die Filme auch einfach im Internet angesehen, anstatt mein Geld für DVDs rauszuwerfen.
»Das Einzige, das mir Sorgen bereitet, sind die ganzen Einträge hier.« Ich schluckte schwer. »Sie haben des Öfteren Mitschüler beschimpft, Schuleigentum beschmiert und Streitereien angezettelt.«
»Sie müssen verstehen, dass ich das alles nicht wollte!« Ich hoffte, dass meine schauspielerischen Künste zumindest annehmbar waren. Statt in den Theaterworkshop hatte ich mich vor Jahren in den Nähkurs eingetragen. »Ich habe keine Eltern oder andere Familienangehörige. Ich weiß nicht einmal, wie mein richtiger Familienname ist, weil man mich einfach so abgegeben hat. So, als wäre ich Müll, den man einfach, statt in die Mülltonne, in eine Babyklappe geworfen hat.«
Aufhören, Maria. Das wird jetzt wirklich theatralisch. Du bist keine so gute Schauspielerin wie Cadence O’Callaghan.
Doch der Auftritt ließ echte Rührung in den hellblauen Augen von Mister Dale aufblitzen. »Irgendwie kann ich Sie ja verstehen. Es muss schrecklich sein, nicht zu wissen, woher man kommt und wer seine leiblichen Eltern sind. Meine Eltern haben mich in …« Und dann folgte eine detaillierte Beschreibung seines Lebens, die ich nur ertrug, weil ich in meinem Kopf laut meine Lieblingssongs von Empathica abspielte. »Und ich bin mir sicher, dass Sie auch noch Ihren Weg finden.«
Ich nickte, weil man mit einem Nicken im Prinzip nie etwas falsch machen konnte.
»Eigentlich dürfte ich nichts sagen, aber Ihre Chancen aufgenommen zu werden, liegen bei neunundneunzig Prozent.«
Zufrieden grinsend trat ich etwas später aus dem Büro.
NYU! Ich konnte diese erbärmliche Stadt verlassen und nach New York ziehen! Meinem Gehirn fielen erst jetzt die ganzen Dinge ein, die man so über New York sagte: New York, die Stadt, die niemals schläft. Die Stadt, in der man so sein kann, wie man ist. Die Stadt, in der Empathica sich niedergelassen hatte.
Ich zog meine To-Do-Liste aus meinem Rucksack und hakte »Gespräch mit Uni-Fuzzi führen« ab. Jetzt standen noch »Haare wieder schwarz und pink färben«, »Klamotten aufpeppen und dabei Empathica auf voller Lautstärke hören« auf meiner Liste.
Ich verpasste Ellen Kramer mit einem schwarzen Filzstift einen netten Vollbart. Da sie aber immer noch viel zu perfekt, um wahr zu sein, aussah, zauberte ich ihr noch ein paar verfaulte Zähne, Pickel und eine klobige Brille ins Gesicht.
Ich rutschte auf dem unbequemen Badewannenrand meiner New Yorker Wohnung herum.
Warum fand man auch in fast jedem Musikmagazin irgendetwas von dieser Frau? Entweder war es ein Artikel über die Beziehung zu Brandon Jackson und dass sie seine persönliche Assistentin war, dass sie angeblich DAS Traumpaar waren oder wie in diesem Fall die Werbung einer Modekollektion mit ihrem Gesicht – das ich gerade verunstaltet hatte.
Ich bewunderte mein selbst erschaffenes Meisterwerk mit Stolz. Auf irgendeine kranke Weise – brauchte ich eine Therapie? – befriedigte mich dieses beschmierte Stück Papier. Auch wenn das nur die aktuelle Werbekampagne der Herbst-Kollektion einer neuen Punk-Modemarke war, kotzte mich die scheinbare Vollkommenheit von Ellen an: Sie war groß und schlank, aber ohne mager oder dürr zu wirken. Jedes Gramm war perfekt an ihrem Körper verteilt und sie war nicht einmal gephotoshopt. In ihren Live-Interviews sah sie genauso aus. Ihre Haut war sehr hell, aber sie wirkte nicht wie bei mir leicht kränklich oder musste sicherlich nicht täglich mit verschiedenen Mittelchen gegen Pickel und Mitesser kämpfen.
Models und andere Promis bekamen nie Pickel … Die hüftlangen Haare waren perfekt geglättet und glänzten in einem satten dunkelbraunen Ton – keine Spur von Spliss, wie bei meinen, auf Grund des vielen Färbens, leidgeprüften Haaren. Sie hatte nicht einmal einen Ansatz! Vielleicht war sie mit dieser Haarfarbe gesegnet worden, im Gegensatz zu mir, die mit einem faden Hellbraun auf die Welt gekommen war.
Ihrer Kleidung schenkte ich ungewohnt wenig Aufmerksamkeit. Normalerweise interessierte mich das, was Menschen trugen viel mehr als ihr Gesicht oder der Körperbau, aber bei Ellen fragte ich mich einfach, was Brandon wohl so an ihrem Aussehen gefiel. Waren es ihre dunkelbraunen Augen, die voller Eitelkeit sagten »Ich bin so viel besser als ihr!«? Ihr roter Schmollmund? Dieses eine Muttermal unter ihrem rechten Auge, das ihrem Gesicht den letzten Schliff verlieh? Ihre beneidenswerten – und vielleicht gemachten – Brüste?
Wetten, sie war total arrogant?!
Wobei, vielleicht war sie bei Brandon ein ganz anderer Mensch? Liebevoll, fürsorglich und …
»Klar!«, schnaubte ich. Ich riss Ellen aus dem Magazin und beförderte das zerknüllte Stück Papier mit einem meisterhaften Weitwurf in die Toilette. »Bestimmt ist sie total nett und fürsorglich. Wahrscheinlich hängen die drei anderen Tussen mit ihr ab, weil sie Ellen mögen und nicht, weil sie Angst vor ihr haben. Wahrscheinlich liebt sie Brandon wirklich. Und ich bin ein rosarotes Einhorn!«
Sicherlich waren die beiden nur ein Paar, weil sie tollen Sex miteinander hatten. Doch wie lange konnte so eine Beziehung schon halten? Ich könnte Brandon etwas geben, das er von Ellen nicht bekam …
Seufzend blätterte ich weiter in der zerrupften Zeitschrift.
Etwas weiter hinten kam ein kleines Poster des neuesten Filmes von Cadence O’Callaghan zum Vorschein. Sie hatte die weibliche Hauptrolle in der Verfilmung Do You Love Me? von Kurt Cobains Leben ergattert und war in mehreren Kategorien für den Oskar nominiert worden.
Ihre Chancen, ein paar goldene Typen unter anderem in der Kategorie »Bester Film«, »Beste Hauptdarstellerin« und »Beste Filmmusik« abzuräumen, standen sehr gut.
Ratsch – und ein weiterer Artikel landete in der Kloschüssel. Cadence und Ellen hingen, wenn man der Presse glaubte, sowieso gerne miteinander ab – warum sollten sie dann nicht ein bisschen miteinander im Klo schnorcheln?
»Wie lange dauert das denn noch?«, murmelte ich.
Genervt warf ich einen Blick auf mein altes Blackberry. Es waren erst zehn Minuten vergangen, seit ich mir das Haarfärbemittel ins Haar geschmiert hatte. Wenn ich die Prozedur nicht ordentlich machte, sah ich wieder wie ein Lachs auf zwei Beinen aus.
Ich ließ die Zeitung in die Badewanne gleiten.
»So, jetzt bin ich also in New York«, sagte ich zu mir selbst und klatschte in die Hände. Leider musste ich zugeben, dass ich ziemlich oft mit mir selber redete. Aber überraschte mich das? In dem Kuhkaff in Ohio, in das man mich mit zwölf Jahren in das bereits vierte Heim abgeschoben hatte, hatte ich nie Anschluss gefunden. Alle anderen waren viel jünger als ich gewesen und wurden nach der Reihe adoptiert. Bis auf mich, denn keiner wollte eine Zwölfjährige mit finsterem Blick, die mit ihrem alten Kassettenrekorder herumrannte und alte Heavy Metal Songs hörte.
»Aber das ist jetzt vorbei!«, sagte ich mir und lächelte. Ich war jetzt achtzehn und in New York, ich war an der Uni eingeschrieben und hatte mir schon einen Job in einer nahen Kneipe gesichert.
Jetzt brauchte ich nur noch einen Zukunftsplan und alles andere würde sich von selbst ergeben. Was konnte man mit einem Mathematik-Studium an einer renommierten Uni wie der NYU denn anfangen? Ich fragte mich gerade, ob man Mathematik vielleicht irgendwie mit etwas Kreativerem verbinden konnte, als ich dumpfe Geräusche aus dem Schlaf- und Wohnzimmer vernahm. Da ich nur ein Stipendium hatte und kein Geld an die Uni zahlte, hatte man mich in eins der billigsten Wohnheime gesteckt. Ich wollte mich nicht beschweren, es war trotzdem noch besser als mein altes Zimmer im Heim. Ich hatte einen Wohnbereich, ein Bad mit Dusche und Toilette, eine kleine Mini-Küche und so etwas wie einen Abstellraum. Alles war so eingerichtet, dass hier theoretisch zwei Personen leben konnten. Da aber in diesem Wohnheim momentan eine ungerade Anzahl von Studenten lebte, war ich eigentlich allein.
Ich griff das Gefährlichste, das ich in meinem kaum eingerichteten Bad auftreiben konnte: Mein sauteures Haarspray – das jeden Sprüher wert war. Immerhin stand »Ultrastarker Halt« auf der Dose und damit würde es eine effektivere Waffe sein als eine Rolle Klopapier oder meine »Ultraweiche Borsten«-Zahnbürste.
Das Adrenalin rauschte in meinen Adern, als ich auf Zehenspitzen aus dem Bad schlich. Ich trug nur ein fast knielanges Band-Shirt von Empathica und kurze Shorts. Wer rechnete schon mit Einbrechern um ein Uhr Nachmittag?
Mein Wohnzimmer war noch spärlich eingerichtet, da ich erst gestern Abend mit dem Zug in New York angekommen war. Meine Lieblingsklamotten lagen zusammen mit ein paar Ketten und Armbändern auf dem zweiten Bett. In ein Regal hatte ich meine wenigen CDs und DVDs eingeräumt. Eine Schachtel mit verschiedenfarbigen Bändern, Perlen und Nieten lehnte neben dem Nachtkästchen, auf dem sich meine Lieblingsbücher stapelten.
Ich sah den Einbrecher – in diesem Fall die Einbrecherin – sofort. Sie stand mit dem Rücken zu mir vor meinem Schreibtisch und versuchte wohl gerade meinen gebrauchten Mac zu klauen. Ihr Aufzug war für einen unerwünschten Eindringling allerdings sehr seltsam: Sie trug ein schwarzes Tank-Top, einen kurzen schwarz-rot-karierten Faltenrock, schwarze Strumpfhosen mit Löchern und –
»Sind das die neuen Iron Fist Schuhe aus der Sommer-Kollektion?«, platzte es aus mir heraus. Wie gesagt, ich achtete ab und zu ein bisschen zu sehr darauf, was andere Leute in meiner Nähe anhatten.
Die Einbrecherin wirbelte natürlich sofort zu mir herum. Ihre schwarzen Haare waren an den Stirnfransen und Spitzen rot gesträhnt. Ihre dunkelbraunen Augen erinnerten mich sofort an Ellen, was irgendwie komisch war. Ich konnte nicht jede x-beliebige Frau mit der Freundin meines Lieblingsmusikers vergleichen!
»Ah. Du musst Maria sein«, sagte sie, kein bisschen schockiert darüber, dass ich sie beim Klauen überrascht hatte. Sie zog einen kleinen Block aus ihrer Rocktasche und kritzelte etwas darauf. »Hallo. Du kennst mich sicher.«
Auf dem Zettel, den sie mir entgegenstreckte, stand einfach nur »Kali«.
»Ähm, nein?« Ich verschränkte meine Arme vor der Brust und starrte das fremde Mädchen an. Sie war ein paar Zentimeter kleiner als ich und ungefähr in meinem Alter. »Wer um alles in der Welt bist du?«
Überrascht ließ sie den Arm sinken. Dabei fiel mir ihr Tattoo auf: eine schwarze Feder, welche sich an der Spitze in einen Schwarm Vögel verwandelte. Sie kniff die schwarz geschminkten Augen zusammen. »Nein? Aber du bist doch ein Empathica-Fan.«
Sie machte einen Schritt zur Seite und präsentierte meinen Desktophintergrund. Er bestand aus einem Foto der fünf Mitglieder von Empathica, welches man auf der Rückseite des zweiten Albums finden konnte. Brandon stand genau in der Mitte und strahlte diesen Charme aus, der mein Herz vor Wollust in meiner Brust herumtoben ließ.
So langsam verstand ich, worauf sie hinauswollte. »Ich bin in keinem Fanforum oder ähnlichem angemeldet, ähm … Kali. Ich bin nicht eine von diesen Fans.« Ich war nur ein Fan ihrer Musik und wollte um alles in der Welt Brandons Herz für mich gewinnen.
»Ähm.« Kali schien nicht zu wissen, was sie sagen sollte. »Ähm ja. Dann ist das ja egal.« Sie knüllte den Zettel zusammen und warf ihn in den kleinen Papierkorb neben meinem Laptop. »Ich bin Zoey. Deine passive Mitbewohnerin.«
Das überraschte mich. »Was soll das heißen? Passiv?«
Zoey lehnte sich gegen den Tisch. »Durch irgendeinen Fehler hat man mir den Schlüssel zur Wohnung in die Hand gedrückt.« Sie hielt tatsächlich einen Zimmerschlüssel hoch. Dann hatte ich doch nicht vergessen, die Tür abzuschließen! Ich hatte zwar kaum etwas, das man als »wertvoll« bezeichnen konnte, aber ich hasste es, wenn jemand in meinen Sachen herumwühlte. »Ich habe aber ein schönes Zimmer bei meinem Bruder und meiner Schwester im Ho- ähm Haus. Sie leben nicht so weit von der Uni entfernt und außerdem darf ich bei ihnen ohne Probleme meinen Freund halten.«
»Oookay.« Ihren Freund halten, so wie eine Katze oder einen Hund? Sollte das ein Scherz sein? Sollte ich lächeln oder sogar lachen?
Sie plapperte munter weiter. »Vielleicht schaue ich ab und zu vorbei. Meine Geschwister und ihre Partner können einem ziemlich auf die Nerven gehen. Nicht zu vergessen die anderen …«
»Die anderen?«, fragte ich nach. »Lebst du in einer Kommune?«
»Oh nein! Obwohl … Nein. Es ist nur ziemlich kompliziert.« Sie verdrehte die Augen. »Die Freundinnen meiner Schwester gehen mir ab und zu ziemlich auf den Keks und das Schlimmste ist, dass sie auch alle im Haus wohnen. Ich hätte beim letzten Essen beinahe meinen Bruder k.o. geschlagen, weil es zu wenig Pizza gab. Nicht zu vergessen, dass alle so aufgedreht sind.« Sie seufzte kurz, fuhr aber sofort mit dem Monolog weiter. Ich nutzte die Zeit, um ihre schwarzen Schuhe mit roten Schleifchen und Nieten zu bewundern. »Eine ihrer Freundinnen schreibt gerne und dann liest sie das alles vor. Die andere spielt so etwas wie Theater und manchmal schreit sie durch das ganze Ho … ähm Haus ihren Text. Mein Freund«, mir entging nicht ihr kleines Lächeln, »ist zurzeit Praktikant und muss viel arbeiten und ich habe also keinen, mit dem ich reden kann. Darum rede ich auch so viel.«
»Aha.« Kopfweh! »Bist du aus der Gegend?«, fragte ich. Das war doch so eine Smalltalk-Phrase oder? »Du hast einen komischen Akzent.«
»Ich bin aus Europa.« Sie zögerte. »Österreich.«
Ich schnaubte. Mit Österreich verband ich nicht den Ersten oder Zweiten Weltkrieg, Mozart oder Kellerräume, sondern nur eines: Ellen Kramer.
»Soll schön dort sein«, sagte ich abwertend. »Gutes Land zum Skifahren.«
»Es ist vor allem langweilig dort. Ich mag Amerika lieber. Ich war letzten Sommer schon einmal hier und bin durch halb Amerika getou … ähm, getigert.«
Pah! Ich hatte gleich geahnt, dass Zoey etwas wohlhabender als ich war. Allein ihr Outfit hatte sie verraten. Die Schuhe kosteten mindestens achtzig Dollar. Meine Lieblingsschuhe waren alte Converse, die ich mit ein bisschen Stoff und Nieten in ein ganz annehmbares Schuhwerk verwandelt hatte.
Ich hatte mit Zoey nichts mehr zu reden. Hoffentlich würde ich sie nicht so oft an der Uni sehen, denn sie schien mir irgendwie seltsam zu sein. Nicht nur, weil mir ihr Kleidungsstil ohne Ausnahme gefiel.
Irgendetwas war komisch an ihr, aber ich kam einfach nicht darauf, was meinen Bauch so in Aufruhr versetzte.
»Du piepst«, sagte sie plötzlich und deutete auf mich. »Ich glaube das ist dein Wecker.«
»Upps.«
Ich schlug einmal gegen mein Blackberry, das sofort verstummte. Alte Handys bekamen mit den Jahren immer neue Special Effects.
Langsam löste ich den Haarturban auf meinem Kopf.
»Oh du meine …«, japste Zoey. »Ich will dich jetzt nicht erschrecken, aber deine Haare sind-«
»Strahlend Pink? Ja, das wollte ich auch erreichen.«
Als ich sie das erste Mal gefärbt hatte, war meine Reaktion so ähnlich wie die von Zoey ausgefallen. Eigentlich hatte ich mir eine rote Tönung gekauft, doch statt rot hatten meine Haare nach dem Einwirken pink geleuchtet. Da ich kein Geld für eine zweite Haarfarbe hatte, war ich eine Zeit lang mit diesem Farbton auf dem Kopf herumgelaufen, so lange, bis ich mich daran gewöhnt und sogar Gefallen daran gefunden hatte.
»Ach so.« Zoey zupfte eine schwarz-rote Strähne hinter ihrem Ohr hervor. Auch an ihrem Hals prangte ein schwarzes Tattoo: Musiknoten. »Ich bin dann weg. Heute gibt es Schokoladen-Pancakes und ich will meinem Freund nicht mit der Gabel ein Auge ausstechen, nur weil ich zu spät gekommen bin. Ich hoffe, wir sehen uns morgen an der Uni.«
»Bye«, sagte ich einfach und schloss die Tür hinter meiner passiven Mitbewohnerin. Womit hatte ich das nur verdient?
Das Gute an der Uni war, dass mich zwar jeder anstarrte, aber keiner auch nur ein abfälliges Wort über mein Outfit verlor. Dabei trug ich nur ein Top mit Glitzer-Aufdruck in Lippenform und eine Jeans mit Löchern und passenden Strasssteinen in Weiß und Pink. Meine Schuhe waren mit kleinen eckigen Nieten in Schwarz und Rosa bedeckt. Ganze zwei Tage lang hatte ich wegen den Nieten an einem mörderischen Muskelkater in den Armen leiden müssen.
»Aber das hat sich gelohnt«, sagte ich und blickte auf mein Meisterwerk hinab. »Ihr seid jeden einzelnen schmerzenden Muskel wert.«
Vielleicht starrten die anderen Studenten aber auch, weil ich mit meinen Schuhen redete.
»Maria! Hey, Maria!«
Obwohl ich die Stimme erst seit einem Tag kannte, stellten sich sofort meine Nackenhaare bei ihrem Klang auf. Ich senkte den Kopf – hallo, Schuhe! und marschierte schnell den gepflasterten Weg entlang.
Meine passive Mitbewohnerin sollte mich einfach in Ruhe lassen! Ich hatte fast mein ganzes Leben lang allein verbracht und da brauchte ich nicht so eine stinkreiche Labertasche mit zugegebenermaßen gutem Musikgeschmack.
Plötzlich standen zwei schwarze Chucks vor mir und versperrten den Weg. Ich sah auf und blickte in Zoeys Gesicht. Sie hatte die Hände vor einem schwarz-roten Flanellhemd verschränkt. Verdammt! Warum war diese Frau nur so darauf versessen mit mir zu reden?
»Okay, was habe ich gestern getan, dass du mir aus dem Weg gehst? Habe ich zu viel gelabert? Tut mir leid, aber ich musste mal mit jemanden reden. Weißt du, wie viel Auslandsgespräche kosten? Und zum Skypen kann sich keiner aufraffen.«
Sie redete schon wieder viel zu viel …
»Warum läufst du mir nach?«, fragte ich sie.
Sie schien verwirrt zu sein. »Du bist die Einzige, die ich kenne und … du … du …«
»Was?«
»Ich habe Probleme mit anderen Freundschaft zu schließen.« Sie köpfte mit ihren Schuhen ein Gänseblümchen, das einen Weg durch das Pflaster gefunden hatte. »Ich dachte, dass wir vielleicht miteinander abhängen könnten. Du studierst doch auch Mathematik im ersten Semester, oder? Wir haben den gleichen Plan, können gemeinsam zu den Vorlesungen gehen und haben zur selben Zeit Pause.«
»Ich kapiere immer noch nicht, was du von mir willst.«
Ehrlich, ich verstand sie wirklich nicht. Genau deshalb bevorzugte ich es, allein zu sein. Ich verstand andere Menschen nicht wirklich. Sie wollte mit mir abhängen, hieß das, dass sie Freundschaft schließen wollte?
»Du bist Empathica-Fan und diese Band hat mein Leben auf den Kopf gestellt. Du studierst Mathe und ich studiere Mathe. Du hast Ahnung von Mode und ich habe Ahnung von Mode, auch wenn ich pink eigentlich meide.«
Zugegeben, das ergab sogar Sinn.
»Ich hasse es, allein zu sein und da kommst du ins Spiel. Würdest du mit mir auf ein Konzert meiner Lieblingsband gehen?«
Ich war noch nie auf einem Konzert von Empathica gewesen und wenn ich weiterhin auf keines gehen würde, würde ich nie die Chance haben, Brandon kennenzulernen. Der Rockstar würde sicherlich nicht am helllichten Tag irgendwo in New York herumspazieren und dann ein Gespräch mit mir anfangen. Es war höchste Zeit Initiative zu ergreifen und das bedeutete, dass ich mein innerstes Fangirl herauslassen musste.
»Wenn es – Äh, ich meine gern! Das nächste Konzert in New York ist in ein paar Wochen, aber leider sind die Karten restlos ausverkauft. Wir müssen wohl noch ein bisschen warten.«
»Gut, dass ich Sie hier treffe.« Mr Dale, der Typ, dem ich das hier irgendwie zu verdanken hatte, schritt auf uns zu. Zuerst dachte ich, dass er mit mir reden wollte, aber dann wandte er sich Zoey zu.
»Ich wollte Sie nur daran erinnern, dass sie keine Sonderrechte haben, Miss K-«
»Nennen Sie mich doch Zoey«, warf sie schnell ein. »Ich bin zu jung, um mit ›Sie‹ und ›Miss‹ angesprochen zu werden.«
»Na gut, dann Zoey.« Er schien nicht glücklich zu sein, sie nicht mehr siezen zu dürfen. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass du dich lautstark beschwert hast, dass du ein Zimmer zugewiesen bekommen hast. Das war ein Fehler, aber das heißt nicht, dass du dich wie eine Diva aufführen musst. Wir alle wissen, wer du bist und woher du kommst. Alles klar?«
Zoey nickte brav, aber sobald Mr Dale verschwunden war, fing sie lautstark zu fluchen an. »Was war das denn? Nur, weil ich mich ein bisschen aufgeregt habe? Die Uni sollte froh sein, so eine Studentin wie mich zu haben!«
»Du meinst eine Österreicherin?«
»Äh … ja, genau.«
Wir beide schlenderten zu dem Gebäude, in welchem unsere erste Vorlesung stattfand. Zoey kaufte sich noch eine maßlos überteuerte heiße Schokolade.
»Also, warum magst du Empathica so?«, fragte sie, während sie mit einer Hand ihre Unisachen aus ihrer schwarzen Tasche holte. »Die Songs, die Bandmitglieder oder das, was die Bandmitglieder unter zu viel Alkoholeinfluss treiben?«
»In erster Linie mag ich die Songs. Manche Lyrics erinnern mich an mein Leben und das gibt mir so ein Gefühl« – oh jetzt wurde es kitschig! »Du weißt schon! Und Brandon Jackson ist echt heiß.«
Zoey verschluckte sich an ihrer heißen Schokolade. »Findest du?«
Ich lächelte ein wenig, als in meinen Gedanken Brandons gebräuntes Gesicht mit den wuschelblonden Haaren, den schokoladenbraunen Augen und den Grübchen auftauchte. Es gab nur einen Mann, mit dem ich mir vorstellen konnte, morgens aufzuwachen, ihm mein ganzes Herz auszuschütten.
Brandon war außerdem der Einzige, der mich verstehen würde.
»Du denn nicht?«
»Ich glaube, er kann ganz schön nervig sein.« Sie schnaubte leise. »Kannst du dir das nicht vorstellen? Er hat ja diese Vorliebe für Zombie-Spiele. Äh, das hast du sicher mal gelesen, oder? Ich würde durchdrehen, wenn jemand die ganze Zeit Untote im Fernseher abknallen würde. Und hast du ihn mal deutsch reden hören? »Elfkchen, du siehst sow wunderschon heut Abend aus.«
Ich rammte meinen Kugelschreiber tiefer in den Block. Brandon schwärmte dauernd davon, wie schön Ellen war. Immer dann, wenn er nicht gerade erzählte, dass er sie über alles in der Welt liebte. Ab und zu sagte er auch offen und ehrlich, dass der Sex mit Ellen der beste in seinem Leben war.
Mir hatte noch nie jemand so etwas in der Art gesagt.
»Wie ist denn dein Freund so?«, fragte ich, weil sie Brandon nicht sehr zu mögen schien.
Das brachte sie nun zum Grinsen. »Eigentlich ist er der totale Idiot.« Häh? »Alex hat sich extra für mich in Amerika ein Praktikum gesucht. Nur, damit er bei mir sein kann. Okay, er will sicherlich nicht ein Jahr auf Sex verzichten.«
»Ähm. Ihr seid schon länger zusammen, oder?«
»Zwei Jahre«, antwortete sie mir freudestrahlend. »Es ist erstaunlich, wie schnell die Zeit vergeht.«
Wir konnten nicht mehr weitersprechen, da unser Professor den Saal betrat.
Ich sah kurz zu Zoey, die an ihrem iPhone herumspielte. Auf ihrem Block stand »Viel Spaß an der Uni. Hab dich lieb. E.« Hieß ihr Freund nicht Alex?
***
»Gut, dass ich jetzt weiß, dass eins plus eins tatsächlich zwei ist«, jammerte Zoey mir beim Verlassen des Gebäudes vor. »Ich will ja nichts sagen, aber das Mathematik-Studium hatte ich mir ein klein bisschen anders vorgestellt.«
»Ich auch«, grummelte ich und nippte an einem Latte Macchiato, den ich mir bei der unieigenen Cafeteria einfach mal gegönnt hatte. »Aber hey, ich kann mit dem Wissen jetzt endlich in die Vorschule.«
Meine Leidensgenossin kicherte.
Vielleicht, aber nur vielleicht, entwickelte ich gerade Sympathie für Zoey. Sie war echt okay und es war eine Abwechslung nicht alleine angestarrt zu werden. Sie zog genauso viel Aufmerksamkeit auf sich, wie ich – wenn nicht noch ein bisschen mehr. Dabei sah sie ein ganzes Stück normaler aus.
»Hey.« Ganz plötzlich schob sich ein riesiger Kerl mit schwarzen Haaren und grünen Augen zwischen uns. Er trug eine blaue Weste seiner alten Highschool und eine ausgeleierte Jeans, die mir in den Augen wehtat. »Ich weiß, dass es eine blöde Frage ist, aber bist du-«
»Nein, bin ich nicht«, fauchte Zoey sofort zurück. »Und jetzt verschwinde!«
Sie packte mich am Arm und schleifte mich von dem Kerl weg. »Was war denn das?«
»Ach, mich hält anscheinend jeder für jemanden, der ich nicht bin.« Sie seufzte. »Du weißt gar nicht, wie das nervt. Ich will nur in Ruhe studieren, wenn ich schon zuhause keine Ruhe hab.«
»Immer noch Stress mit deiner Schwester?«
»Nein, mit der verlobten Freundin meiner Schwester. Die Hochzeit findet in einem Jahr statt und sie dreht jetzt schon durch! Und meine Schwester und die restlichen zwei drehen mit. Sie sind irgendwelche ›Mandarinen‹. Ist etwas Mexikanisches und steht für Brautgehilfinnen oder so.«
Ihr Schnauben ließ mich darauf schließen, dass sie entweder auf die Freundin ihrer Schwester oder auf Hochzeiten nicht viel gab. Vielleicht auch auf beides.
»Warte … Mexikanisch?«, fragte ich. Mit Mexiko verband ich nicht nur Sombreros und Tequila, sondern auch den attraktiven Drummer der Band: Jack. Aber dieser war nicht verlobt. Außerdem müsste das bedeuten, dass Zoey …
Ich musterte die Österreicherin aus dem Augenwinkel noch einmal genauer: Weiße Haut, schwarzes Haar und dunkelbraune Augen. Aber Ellen hatte dunkelbraune Haare und war viel größer als Zoey. Außerdem: Was wäre das für ein Zufall? So etwas war einfach unmöglich. Ellen hatte keine kleine Schwester, oder?
»Äh, die anderen Freundinnen deiner Schwester … Eine davon war Schauspielerin, oder?«
»Ja. Oh nein!«
»Ja oder nein?«
»Wir müssen hier weg«, sagte Zoey und deutete auf ein schwarzes Auto mit getönten Scheiben, das nur ein paar Meter von uns entfernt am Uni-Parkplatz stand. »Sonst gibt’s Tote.«
»Was?« War das ein dummer Scherz?
»Das meine ich voll ernst.« Erneut packte sie mich am Arm und sprintete zu den Vorlesungsgebäuden zurück. »Gibt’s hier irgendwo einen anderen Ausgang? Ich muss zur U-Bahn.«
»Oh Gott, du bist eine österreichische Spionin, oder?«, rief ich ihr zu. »Und der Kerl im Auto ist ein Profikiller, habe ich Recht? Wir sind tot! So was von tot!«
»Schön wär’s!«
Wir hatten in der Zwischenzeit eine andere Möglichkeit gefunden, dem Unigelände zu entschlüpfen und standen nun völlig aus der Puste am Gehsteigrand.
»Was bist du dann? Die Tochter eines Politikers? Oh Gott, du bist der Profikiller!« Zoey sagte nichts, sondern marschierte die Straße entlang. »Hey, ich will wissen, was hier los ist. Ich habe keine Lust, eines Morgens ausgeblutet in einer dunklen Straße aufgefunden zu werden!«
Plötzlich hielt das Auto, vor dem wir eigentlich geflüchtet waren, genau vor uns an und versperrte uns den Weg. Ich sprang mit einem Aufschrei zurück, während Zoey irgendetwas in ihrer Muttersprache fluchte.
Die Fenster wurden heruntergelassen. Bald würde ich sehen, wer mich so bald wie es nur ging, um die Ecke bringen würde.
»Soll ich euch mitnehmen?«, fragte niemand geringeres als Ian Kramer. Ian war Ellen Kramers kleiner Bruder und mit Natalie, der Sängerin von Empathica und damit Brandons Adoptivschwester zusammen. Er war neben Cadence der einzige in der Clique, der nichts mit Musik zu tun hatte, da er als Softwareentwickler bei Apple angestellt war.
»Ähm … Äh.«
»Du bist so …« Zoey suchte offenbar nach den richtigen Schimpfwörtern. »Du bist einfach …«
»Ein nerdiger Nerd-Nerd?«, fragte Ian.
»So ein Idiot!«, schrie ihn Zoey zusammen. »Du bist so ein Idiot! Ich hab gesagt, dass mich keiner abholen soll. Weder du, noch Ellen noch Alex!«
»Was ist bitteschön so schlimm daran, seine kleine Schwester von der Uni abzuholen?«
»Sag jetzt ja nicht, dass wir uns ähnlich sehen.«
Ich konnte nicht anders, als die beiden Geschwister anzustarren. Von Anfang an hatte ich Zoey mit Ellen verglichen und das offensichtlich nicht ohne Grund: Sie war mit ihr genauso verwandt wie Ian. Die drei waren Geschwister!
Einerseits war ich froh, dass ich nicht verrückt wurde und in allem und jedem den Teufel – äh, Ellen sah, andererseits war ich gerade megastinkig, dass mir Zoey nicht erzählt hatte, wer sie wirklich war. Sie hatte mich zwar nicht belogen, aber sie hatte mir bewusst die Wahrheit verschwiegen!
Doch warum regte mich das eigentlich so auf? Durch sie konnte ich vielleicht an Brandon herankommen. Das war dann auch der einzige Grund gewesen, warum ich mich zu den beiden in die kleine Limo gesetzt hatte. Ich brauchte keine Freundin. Ich brauchte einzig und allein Brandons Liebe und diese würde ich mir jetzt erkämpfen können.
»Ihr seht euch nicht ähnlich«, log ich, obwohl die Ähnlichkeit unleugbar war. Die beiden hatten kohlrabenschwarzes Haar und dieselben Augen wie auch Ellen. Auch ihre Gesichtsform war ähnlich, Ians Züge waren nur ein bisschen kantiger und er war ungefähr einen Kopf größer als seine Schwester.
»Ich muss mich nicht vorstellen, oder?« Ian lächelte mich freundlich an. Er erinnerte mich an eine Mischung aus Jordan Witzigreuter von The Ready Set und Beau Bokan von blessthefall. Seine Haarspitzen berührten beinahe seine Schultern und die eckige Brille mit dem schwarzen Gestell minderte sein gutes Aussehen in keinster Weise. Nur seine Klamotten bereiteten mir Bauchweh: ein weißes T-Shirt mit dem Spruch »I heart Pixel«, nur mit einem roten Quadrat statt einem Herz und eine gewöhnliche Jeans.
»Ian, das ist Maria. Sie studiert mit mir Mathe.« Beschämt senkte sie den Kopf. »Maria, das ist mein nerdiger Nerd-Bruder Ian.«
Ich sagte das Erste, das mir in den Sinn kam. »Ich habe nicht gewusst, dass Ellen eine kleine Schwester hat.«
»Was? Du wusstest nicht, dass Zoey Ellens Schwester ist?«, fragte Ian erstaunt. »Zoey hat zwar momentan die Nase von ihrer Rockstarkarriere voll, aber sie ist immer noch ziemlich bekannt.«
»Warte.« In meinem Kopf setzten sich ein paar Puzzleteile zusammen. »Du bist Kali. Deine Band hat vor einem Jahr Empathica supportet.«
Ich hatte ganz vergessen, dass in der Bandgeschichte eine Kali existiert hatte. Das hieß wiederum, dass ihr Freund Alex auch ein Rockstar war und dass sie Ellen mit Brandon verkuppelt hatte.
Hatte sie mir bei unserem ersten Zusammentreffen ein Autogramm andrehen wollen?
»Genau, die bin ich«, gab sie kleinlaut zu. »Aber an der Uni bin ich nur die kleine Schwester von Ellen. Ich hätte nie gedacht, dass mir Ellen mal die Show stiehlt.«
War das der Grund, warum sie nicht wollte, dass ich wusste, wer sie war? Und war das Neid in ihrer Stimme? In meinem Kopf sponn ich einen kleinen Plan zusammen: Ich würde Zoey gegen Ellen aufbringen und dann würde ich die Beziehung zu Brandon attackieren. Das war die Lösung!
»Hey, warum hast du mich eigentlich abgeholt?«, fragte Zoey ihren Bruder.
Er rutschte auf dem Sitz herum. »Tally und Brandon haben ein mehrstündiges Interview. Es ist langweilig im Hotel.«
»Dann mach was mit den anderen! Siesta mit Jack oder Irish Stepdance mit Nigel! Oder mach Liebe mit deinem Mac.«
»Jack spielt die ganze Zeit irgendwelche Spiele auf Spanisch und Nigel ist zum Flughafen gefahren, um Cadence abzuholen. Ich mach lieber etwas mit meine-«
»Hey Leute«, unterbrach ich die beiden und lächelte mein bestes Strahlelächeln. »Darf ich die Band kennenlernen?«
***
Nur zehn Minuten später stand ich mit Zoey und Ian im Aufzug des Horizon Hotels, während sie ununterbrochen irgendetwas von ihrem Freund und Gale, dem Manager der Band, schwafelte. Entweder hatten die beiden ein Verhältnis miteinander oder Gale trug Alex viel Arbeit auf.
Ich hörte nur mit einem Ohr zu, weil ich meinen Plan immer und immer wieder in meinem Gehirn durchkaute: Zuerst würde ich mir Zoeys Vertrauen erschleichen und so tun, als wäre ich ihre Freundin. Ich würde ein Auge auf Brandon haben, aber keiner würde merken, dass ich heimlich in ihm verliebt war. Dann würde ich Zoey und Ellen gegeneinander aufhetzen. Und ehe ich mich versah, gehörte Brandon mir.
Es machte »Pling« und die Aufzugtür des Hotels ging auf. Eine ganze Etage des Fünf-Sterne-Hotels gehörte der Band und sie durfte sich nach Herzenslust dort austoben.
»Noch ein paar Details, bevor ich dich auf die anwesenden Bandmitglieder loslasse.« Zoey stellte sich vor mich hin. Ian klopfte ihr auf die Schulter und verschwand mit einem »Weck mich, wenn Tally kommt« in einem der Zimmer.
»Es ist wie in einem Museum: Du darfst sie ansehen, aber fass sie nicht an. Einige von denen würden wahrscheinlich sogar beißen. Und es tut mir leid, dass wir bald deine Vorstellungen über Rockstars zerstören müssen. Sie sind ziemlich zahm geworden, seit sich die meisten ein Weibchen zur dauerhaften Paarung gesucht haben.«
Mit »den meisten« meinte sie alle, bis auf den zweiten Gitarristen der Band Chris. Er hatte zwar momentan eine Freundin, tauschte diese aber so oft aus, wie ich die bunten Bänder an meinen Handgelenken.
»Das ist unser Wohnzimmer«, erklärte sie mir und stieß eine weiße Tür auf. Im Zimmer standen drei riesige schwarze Sofas, ein großer Fernseher mit Boxen und eine kleine Bar. Die Wände waren weiß gestrichen und mit Bildern dekoriert. »Hier hängen alle ab, wenn ihnen langweilig ist und sie keinen Bock auf ein Schäferstündchen haben. Und da sehe ich schon das erste Pärchen in freier Wildbahn.« Sie stellte sich neben das Sofa und ich folgte ihr unbeholfen. Ich hatte kein Interesse an den anderen Bandmitgliedern, aber ich wollte nicht, dass Zoey erkannte, dass ich eigentlich nur wegen ihres Fast-Schwagers hier war. »Das ist der Grund, warum England so weit von Mexiko entfernt liegt.« Mit der Hand deutete sie auf zwei Personen, die auf einer schwarzen Couch lagen: Kristin Morgan und Jack Garcia. Sie lag praktisch auf seinem Bauch und er hatte einen Arm um seine Freundin geschlungen. Was mich jedoch stutzig machte, war, dass beide Playstation-Controller in den Händen hielten. »Die Natur will nicht, dass sich mehr von jenen, wie die zwei hier, paaren. Man sieht ja, wie die sich in der Brunftzeit verhalten.«
Die beiden richteten ihre Augen auf uns. Kristin hatte grüne Augen, während Jacks dunkelbraun waren. Von allen Pärchen-Variationen, die es in der Band gab, ähnelten sich die beiden am wenigsten: Kristin war klein, extrem blass und hatte blaugefärbte Haare. Jack war über eins achtzig groß, hatte einen olivfarbenen Teint und dunkelbraune, beinah schwarze Haare. Obwohl … anscheinend hatte die Britin wie der Rocker eine Vorliebe für Ohrpiercings entwickelt.
Eingeschüchtert hob ich eine Hand und winkte ihnen zu.
Jack murmelte irgendetwas.
»Fluch auf Spanisch. Das hört sich nicht nur viel sexier an, vielleicht lerne ich so auch, mich mit jemandem aus seiner Familie zu unterhalten. Weißt du, was mein erster spanischer Satz war?«, richtete Kristin das Wort an mich.
Nach einer gefühlten Ewigkeit schüttelte ich den Kopf. Unterhielt sich Kristin Morgan, Ellens beste Freundin, gerade wirklich mit mir?
»Sagen Sie das bitte meinem Handy.« Sie schnaubte und befreite sich aus Jacks Umklammerung. »Ich bin Kristin«, stellte sie sich vor. Ihr britischer Akzent war ziemlich stark. »Und das ist mein Verlobter Jack.« Als sie nach hinten deutete, blitzte der blaue Edelstein an ihrem Ring im Licht.
»Kristin!«, ermahnte sie dieser streng.
»Ach komm schon!« Sie drehte sich zu ihm um. »Das ist eine von Zoeys Freundinnen. Sie wird niemandem erzählen, dass wir verlobt sind.«
»Wie wäre es, wenn du aufhörst, so offen über deine Verlobung und die Hochzeit zu reden?«, schlug Zoey vor. »Ich dachte, ihr beide wollt das um jeden Preis geheim halten.«
»Kristin kann nichts geheim halten«, murmelte Jack genervt.
»Ich freue mich doch nur, mit dir verlobt zu sein«, schmollte die blauhaarige Journalismusstudentin und plötzlich konnte ich mir vorstellen, warum Zoey ein bisschen genervt von den Freundinnen ihrer Schwester war.
»Dich nenne ich Pinky!«
Ich drehte mich um, nur um vor Schreck sofort einen Schritt zurück zu hüpfen. Vor mir stand die Schauspielerin Cadence O’Callaghan, früher Fitzpatrick, und lächelte mich glücklich an. Hinter ihr stand ihr Mann Nigel O’Callaghan, der zufällig der Bassist der Band war. Normalerweise war ich nicht so schreckhaft, aber man stand nicht jeden Tag vor einer Berühmtheit wie Cadence. Außerdem war sie eine dieser Frauen, die eigentlich zu schön waren, um zu existieren: Eine makellose gebräunte Haut, blonde Locken und große blaue Augen, rosarote Lippen und strahlendweiße Zähne. Und nicht zu vergessen: Sie war groß und schlank. Sie strahlte eine ähnliche Überlegenheit aus wie Ellen.
»Caddy, du bist wieder da!« Ich durfte mit ansehen wie Kristin die Schauspielerin beinahe zu Boden warf. »Hast du die Rolle? Hast du?«
Und genau in diesem Moment tauchte sie auf. Wie eine Königin mit Bluetooth-Headset statt einer Krone, schritt Ellen Kramer ins Zimmer. »Wissen Sie was, mich interessiert nicht, welche Rockgrößen sich sonst noch um diesen Werbedeal reißen. Ich biete Ihnen Brandon Jackson und wenn Sie ihn nicht wollen, dann haben Sie eben Pech gehabt. Guten Tag.«
Ich bemerkte erst, dass ich meine Fingernägel in meine Handflächen gebohrt hatte, als es so richtig wehtat.
Ellen Kramer war seit einem Jahr mit Brandon zusammen. Warum gab er sich mit so einer ab? Natürlich war Ellen schön, das waren doch all diese Promis! Aber schon allein dieser Auftritt zeigte, dass sie die größte Zicke auf dem Erdball sein musste. Und dann trug sie auch noch so ein armes Vieh um den Hals. Wer rannte bei über zwanzig Grad mit einem dunkelbraunen Pelzkragen herum, der darüber hinaus nicht einmal zu dem dunkelroten Kleid passte, das sie trug? Das arme Ding, das für ihr Accessoire hatte herhalten müssen, war außerdem so richtig – Hatte es sich gerade bewegt?
»Meine Schwester und ihr Kinderersatz«, flüsterte mir Zoey zu. »Das ist unser zahmes Frettchen Ronnie. Er spielt gerne Pelzkragen.«
»Trollchen!«, flötete Cadence. Kristin hing immer noch wie eine Christbaumkugel an dem weißen Kleid der Schauspielerin. »Auf dich habe ich gewartet.«
»Und hast du die Rolle?«, fragte Ellen nüchtern. Sie strich sich eine dunkelbraune Strähne aus dem Gesicht.
Das Frettchen richtete sich kurz auf und rieb seinen Kopf an Ellens Wange.
»Ratet mal, wer die neue »A« ist, Schlampen.« Cadence warf ihre Haare zurück. »Ich habe für eine Staffel eine Zusage.«
Kristin kreischte, alle anderen verzogen das Gesicht. »Mädelsabend? Ich gebe auch einen aus oder zwei oder drei! Egal! Wo ist Streifenhörnchen? Keine Party ohne mein Streifenhörnchen.«
»Natalie kommt erst später wieder«, sagte Ellen. »Wartet kurz.« Sie schaltete das Headset wieder an. »Ich dachte mir schon, dass Sie zurückrufen würden. Schicken Sie mir die Verträge, die Brandon unterschreiben soll. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.«
»Wer bist du eigentlich?« Nigel war der erste, dem meine Anwesenheit wieder eingefallen war. Der rothaarige Ire hatte einen leichten Akzent. Cadence war zwar mit ihm aufgewachsen, sprach aber ohne jeglichen Dialekt oder ähnlichem.
»Ich nenne sie auf jeden Fall Pinky«, kam mir Cadence zuvor.
»Das ist Maria, eine Studienkollegin von mir«, erklärte Zoey. »Sie ist Fan von Empathica und ich wollte ihr die Band vorstellen.«
Ich hob erneut die Hand und winkte. »Hi.«
»Hi, Pinky!«, sagte Cadence.
Ja, ich konnte mir nur zu gut vorstellen, dass Zoey bei all diesen Leuten ein klein wenig durchdrehte.
Ellen hatte mich nicht eines Blickes gewürdigt. »Ich sage Nat, dass wir uns um zehn im Kenyon treffen, weil Cadence wieder einmal eine Fernsehschlampe spielen darf.«
»Komm, lass uns gehen«, sagte Zoey und berührte mein Handgelenk. Schnell zog ich meinen Arm zurück, was sie aber nicht zu bemerken schien. »Cadence wird jetzt von ihrem Casting reden und das willst du dir sicher nicht anhören.«
Ich nickte und folgte ihr wieder zum Aufzug.
»Bis bald, Pinky!«, rief mir Cadence noch hinterher.
»Du kannst jederzeit vorbeikommen«, bot mir Zoey an, als wir auf den Aufzug warteten. »Alex kommt meist erst um acht oder neun ins Hotel und ich habe Beklemmungsgefühle, wenn ich mit den Freundinnen meiner Schwester abhänge und –«
Ein lautes Stöhnen und ein schrilles Kichern drangen an mein Ohr. »Chris, lass das. Das ist ein Aufzug!«
»Das ist mir egal.«
»Herrgott, Chris, reiß dich zusammen!«, kreischte Zoey, kaum dass die Tür offen war.
Ich lugte in das Innere des Aufzugs und erkannte eine knapp bekleidete Brünette, an der ein braunhaariger Blutegel klebte. Hey Moment, das war kein Blutegel, das war nur Kristins Zwillingsbruder Chris. Von allen in der Band interessierte mich das neueste Mitglied am wenigsten. Er war einfach stinknormal: Ein reicher Brite, der nun in einer Rockband spielte.
Er riss den Kopf nach hinten. »Sei doch keine Spielverderberin, Zoey.«
»Sei doch kein Arsch, Chris.«
Chris schlang eine Hand um die Hüfte seiner Begleiterin und verließ den Aufzug.
Für einen kurzen Moment kreuzten sich unsere Blicke.
»Nette Haare.«
Sorgfältig zupfte ich die Haarsträhnen, die sich aus meinem Haarknoten gelöst hatten, mit einer Klammer wieder zurecht. Eigentlich trug ich meine Haare lieber offen, aber nachdem sich mal jemand über lange pinke Haare im Toast beschwert hatte und ich die Schuld nicht auf den glatzköpfigen Koch schieben konnte, blieb mir keine andere Wahl.
»Nette Haare«, hörte ich Christian in meinem Kopf sagen und seine grünen Augen blitzten vor mir auf.
Mehr hatte er nicht gesagt, denn seine »offizielle Freundin« Aline, deren Job wohl professionelle Promi-Freundin war, hatte einen genervten Laut von sich gegeben und er war mit ihr in ein Hotelzimmer verschwunden.
Was zur Hölle hatte er damit gemeint? Nette Haare – lass uns vögeln?
Natürlich hatte er genau das gemeint, gab ich mir selbst die Antwort. Christian Morgan nutzte sein gutes Aussehen und seinen Rockstarstatus, um die Frauen scharenweise ins Bett zu bekommen. Er war zwar mit Aline zusammen, aber das hielt ihn nicht davon ab, sich gelegentlich mit anderen Frauen zu vergnügen. Manchmal auch mit mehreren gleichzeitig.
Es schien so, als wollte er seinem Bandkollegen Brandon nacheifern, der vor Ellen ein ähnliches Verhalten an den Tag gelegt hatte. Ellen …
»Ich bezahle dich nicht dafür, dass du dich den lieben langen Tag im Spiegel ansiehst!«
Erschrocken ließ ich meinen kleinen Handspiegel auf die Theke fallen. Vor mir stand mein Chef John. Er war um die dreißig Jahre alt, ziemlich attraktiv und sein teurer Anzug deutete darauf hin, dass er nur herumkommandierte und nie nur den kleinen Finger rührte. Er hatte die Bar von seinem Vater geerbt, wie er mir bei meinem Vorstellungsgespräch mit Stolz erzählt hatte. Die Bar war eigentlich nur der umfunktionierte Keller eines alten Wohnhauses, aber John tat so, als wäre es die bestbesuchteste Bar in ganz NY. Die roten Hocker waren abgewetzt, die Tische mit Brandspuren von Zigaretten verziert und die Vorhänge würden wohl für immer nach Rauch miefen.
Ich hielt meinen Mund und tat das, was mein Chef von mir verlangte. Die Bezahlung war gut, dank des zusätzlichen Trinkgelds, welches ich wiederum durch den großzügigen Ausschnitt meines knallpinken und engen Tops erhielt. Zusätzlich bekam ich pro Schicht eine gratis Mahlzeit von Nick, dem Koch.
»Ich gehe nach Hause«, sagte er und drückte mir einen Lappen in die Hand. »Wisch die Theke ab. Wenn in einer halben Stunde keiner mehr aufkreuzt, kannst du auch gehen. Nick sperrt den Laden für dich ab.«
Ich nickte und nahm sogar ein Glas als Alibi in die Hand, aber als John verschwunden war, kramte ich einen abgewetzten Skizzenblock aus der Tasche zu meinen Füßen. Beinahe zärtlich strich ich über die erste Seite des Blocks. Es war Wochen her, dass ich an meinem neuesten Projekt weitergearbeitet hatte. Der Umzug und die Sommerkurse, die ich für die Uni belegt hatte, hatten mich viel Zeit und auch Kraft gekostet.
Ich hatte gerade einen Strich gezogen, als die Bartür mit vollem Schwung aufgerissen wurde. Aus Angst, dass John etwas vergessen hatte, versteckte ich den Block wieder in meiner Tasche.
»Der Pinky, der Pinky und der Brain, Brain, Brain, Brai-«
»Cadence!«
Ich seufzte und ließ meine Stirn gegen die unteren Barschränke knallen. Am liebsten wäre ich auf allen Vieren weggekrochen, aber die schwarze Hose hatte nicht nur viel gekostet, es hatte mich sicher einen Liter Schweiß gekostet, die pinken Bändchen an den Seiten des Kleidungsstückes zu befestigen.
»Hi.«
Vor mir standen die vier Reiter der Apokalypse mit Sonnenbrillen auf der Nase und Designerfummel am Körper: Natalie, Kristin, Cadence und Ellen. Ihre Mäntel spiegelten ihre Lieblingsfarben wider: Schwarz, blau, weiß und rot. Natalie hatte ich bis jetzt nur in Zeitungen und in Videos gesehen. In natura war sie allerdings nicht so beeindruckend und angsteinflößend wie ich gedacht hatte. Ich schätzte sie auf ungefähr eins fünfundsechzig, ein paar Zentimeter kleiner als ich. Passend zu ihren hellblauen Augen trug sie blaue Strähnchen in ihrem schwarzen Haar. Ihre Lieblingsfarbkombination in Sachen Klamotten war schwarz mit ein bisschen blau – das Äquivalent zu Kristins Modegeschmack.
Ihre Lebensgeschichte konnte man in zwei Wörtern zusammenfassen: Brandons Adoptivschwester. Natalies Eltern hatten Brandon vor nicht einmal einem Jahr adoptiert. Er und Natalie waren jahrelang beste Freunde gewesen, waren wie Geschwister aufgewachsen, weil Brandons Eltern ihn als Kind im Stich gelassen hatten. Sie hatten ihn nie geliebt.
»Du bist also Zoeys neue Freundin?«, fragte der Rockstar.
Sie streckte die Hand aus und mein Blick blieb an der schwarzen Kette mit dem N-Anhänger kleben. Kristin hatte eine ähnliche Kette in blau und ich war mir sicher, dass Cadence eine in weiß und Ellen eine in rot besaß. Ehrlich? Freundschaftsbändchen in dem Alter? War das nicht ein bisschen kindisch?
»Seid ihr hier, um etwas zu trinken?«
Meine Stimme klang genervt und ehrlich gesagt war ich auch ziemlich angepisst. Alle vier waren Promis! Natalie war eine Rockgöttin, Cadence eine weltberühmte Schauspielerin, Kristin gehörte einer der wichtigsten Promiblogs und Ellen war wie schon so oft erwähnt Model und Brandons PA. Warum hingen sie dann nicht wie die anderen ihrer Spezies in Clubs und Bars ab, die ein Normalsterblicher wie ich nie betreten würde?
Natalie zog die Hand zurück und sah verunsichert zu Cadence hoch, die ratlos mit den Schultern zuckte. Was zur Hölle sollte ich denn machen? Mich in Natalies Arme werfen und so tun, als würde ich sie mögen, obwohl ich sie nicht einmal kannte? Glaubte sie, dass ich ihre Freundin werden wollte? Dann sollte sie aufpassen, denn ich würde das Herz ihres Bruders brechen – natürlich nur zu seinem Besten!
»Also, wir nehmen vier Tequila. Ein Guinness für Caddy, ein Bier für Nat, ich nehme eine Margarita und Elli hätte gerne ein leeres Glas für ihren Rotwein. Und gibt’s hier Erdnussflips? Ich hätte so gerne Erdnussflips!«
Ich sah zu Ellen hinüber, die eine Flasche Rotwein wie ein Baby an ihre Brust presste. So einen Psycho küsste mein Brandon?
»Ist das in Ordnung? In den anderen Bars hat man uns rausgeworfen, weil Ellen ihren Rotwein nicht mitnehmen durfte.«
»Nein, nein. Ist schon in Ordnung«, knurrte ich und warf den feuchten Lappen über meine Schulter. Erst viel zu spät fiel mir ein, dass ich mit dem Stück Stoff schon mehr als eine Sauerei aufgewischt hatte.
»Okay, wo war ich stehengeblieben?«, plapperte Cadence drauflos. »Also, ich hab die Tür versehentlich zu sehr aufgerissen. Ich ließ mir aber den kleinen Fehler nicht anmerken, ging rein und sagte so ›Ich bin zurück, ihr Schlampen‹. Mehr wollten die nicht von mir hören!«
Die vier Freundinnen verzogen sich ausgerechnet auf den Platz, der am weitesten entfernt von der Tür, aber auch von der Bar, lag.
Murrend befüllte ich vier Schnapsgläser mit Tequila, steckte Zitronenscheiben ins Glas und nahm ein Fläschchen Salz mit. Eigentlich durfte ich mit meinen achtzehn Jahren keinen Alkohol ausschenken, aber John sah das mit dem Gesetz nicht so eng. Außerdem sah ich mindestens wie einundzwanzig aus.
»Wir brauchen wirklich einen neuen Club«, sagte Ellen, als ich den Alkohol auf den Tisch stellte. Die Rotweinflasche lag auf den Tisch und sie streichelte das Glas so, als wäre es eine Hauskatze! »Sie wissen genau, dass ich fast ausschließlich Barbera trinke und was ist? Nie haben sie meinen Rotwein da! Jetzt muss ich dieses billige Gesöff von der Tankstelle trinken.«
Uh, das hörte sich verdammt nach einem Alkoholproblem an. Ob Ellen oft einen über den Durst trank? War sie schon so weit, dass sie einen Entzug brauchte? Armer Brandon. Was würde er tun, wenn Ellen Monate bei Celebrity Rehab verbrachte? Bei wem würde er sich ausheulen? Wer würde ihn verstehen?
»Wir könnten unsere Jungs aus der Hotelbar verbannen«, schlug Natalie vor. »Dann suchen die sich eine neue Bar und wir müssen nur den Aufzug finden, wenn wir mal wieder zu viel gesoffen haben.«
»Aber an der Hotelbar hängen auch immer Chris und Aline ab.« Kristin schüttelte es am ganzen Körper. »Ich will nicht mitansehen, wie mein kleiner Bruder diese Zicke halb auffrisst. Sie oder einen anderen Groupie.«
»Du frisst dein Karamellbärchen auch immer auf«, warf Cadence ein.
Ich nahm einfach mal an, dass ein Karamellbärchen keine Leckerei war, sondern eine Anspielung auf Jack und seinen dunklen Teint.
Als ich mit den anderen Getränken wiederkam, hatten sie das Gesprächsthema bereits wieder gewechselt.
»Ach ja, eure Hochzeit.« Cadence wackelte mit den Augenbrauen und pikste Kristin mit dem Ellbogen in die Seite. »Hast du dich jetzt festgelegt? Britisch oder mexikanisch?«
»Ich will auf keinen Fall eine englische Hochzeit«, erwiderte die blauhaarige Britin laut und schlug mit ihrer Hand auf den Tisch. Da war wohl einer nach dem ersten Tequila schon leicht erheitert. »Habt ihr schon mal die Sendung Die perfekte Hochzeit gesehen?«
»Ungefähr fünf dutzend Mal«, murmelte Ellen und schenkte sich selbst Rotwein ein. Sie schwenkte das Glas und trank dann den Inhalt auf Ex aus. »Falls du es vergessen hast: Ich muss mir die Sendung immer mit dir ansehen.«
Kristin fuhr unbeirrt fort. »Britische Hochzeiten sind immer lahm und versnobt. Und dann lästern alle darüber wie lahm und versnobt die Hochzeit war. Ich gebe mein Geld sicher nicht für eine lahme und versnobte Hochzeit aus!«
Ich kam ein drittes Mal an den Tisch, um Natalie und Kristin ihre Getränke zu servieren. Für den Getränkewunsch der Journalistin hatte ich am längsten gebraucht, weil ich mir erst eine Anleitung zum Margarita-Mixen per Handy aus dem Internet runterladen musste.
»Seien wir ehrlich, du willst nur ein strahlendblaues Kleid anziehen.« War das schon Ellens drittes Glas? »In Mexiko tragen Bräute farbige Kleider.«
»Okay, es ist eine Klamottensache«, gab Kristin zu. »Aber ein blaues Kleid hätte ich so oder so getragen. Der wahre Grund ist, in Mexiko tragen die Bräutigame keine Anzüge.«
Die restlichen drei Mädchen stöhnten.
»Was denn? Was denn? Eure Freunde sehen nicht wie ein Latino-Slenderman aus, wenn sie einen Anzug tragen!«