Rockstars `n` Kisses - Sontje Beermann - E-Book
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Rockstars `n` Kisses E-Book

Sontje Beermann

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Beschreibung

Die komplette New Adult Rockstar Romance um die »Angels & Demons« in einem Sammelband.

Anouk kellnert und singt, wenn die Gäste weg sind. Bis Sam, ein verdammter Rockstar, sie hört. Und sie um Hilfe für seine Band bittet.

Freya liebt ihren Bandkollegen Tristan vom ersten Tag an, doch er will ihre Freundschaft nicht aufs Spiel setzen. Nur wie soll sie ihn sich aus dem Herzen reißen?

Noemi soll Phils Image aufpolieren und trifft auf Widerstand, denn keine Frau darf über sein Leben bestimmen. Allerdings bietet er ihr bald einen Deal an – er kooperiert, wenn sie sich auf einen Kuss einlässt.

Yvanna ist seit dem ersten Handkuss von Logan fasziniert, deswegen lässt sie sich auf eine leidenschaftliche Nacht mit ihm ein. Aber warum ist er am nächsten Tag noch da? Verführt sie immer wieder und sogar mit einem Song?

4 Bände in einem - 1.400 Taschenbuchseiten

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Rockstars `n` Kisses – Uncover Me
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Rockstars `n` Kisses – Realize Me
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Rockstars `n` Kisses – Want Me
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Rockstars `n` Kisses – Adore Me
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Epilog
Mein Buchtipp

 

 

 

 

 

 

Rockstars 'n' Kisses - Complete Edition

 

 

 

Von Sontje Beermann

 

 

 

 

 

 

Buchbeschreibung:

Anouk kellnert und singt, wenn die Gäste weg sind. Bis Sam, ein verdammter Rockstar, sie hört. Und sie um Hilfe für seine Band bittet.

 

Freya liebt ihren Bandkollegen Tristan vom ersten Tag an, doch er will ihre Freundschaft nicht aufs Spiel setzen. Nur wie soll sie ihn sich aus dem Herzen reißen?

 

Noemi soll Phils Image aufpolieren und trifft auf Widerstand, denn keine Frau darf über sein Leben bestimmen. Allerdings bietet er ihr bald einen Deal an – er kooperiert, wenn sie sich auf einen Kuss einlässt.

 

Yvanna ist seit dem ersten Handkuss von Logan fasziniert, deswegen lässt sie sich auf eine leidenschaftliche Nacht mit ihm ein. Aber warum ist er am nächsten Tag noch da? Verführt sie immer wieder und sogar mit einem Song?

 

Die New Adult Rockstar Romance rund um die "Angels & Demons".

 

 

Über die Autorin:

Sontje Beermann mitihrer Familie im Herzen des Ruhrgebiets und das Schreiben ist seit Teenagerzeiten ihre größte Leidenschaft.

Ihre facettenreichen, romantischen Geschichten würzt sie am liebsten mit Humor, Musik und einer Prise aufregendem Prickeln.

Sie schreibt Romane, die ans Herz und unter die Haut gehen. Weil sie an die großen Gefühle und Chancen im Leben glaubt.

 

 

 

 

 

 

 

Rockstars 'n' Kisses - Complete Edition

 

 

Von Sontje Beermann

 

 

 

 

Impressum

1. Auflage, 2023

© Sontje Beermann – alle Rechte vorbehalten.

Sontje Beermann / Katie McLane

c/o easy-shop

K. Mothes

Schloßstr. 20

06869 Coswig (Anhalt)

 

[email protected]

https://katie-mclane.de/Weitere-Romane/Sontje-Beermann/

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung, auch auszugsweise, ist nur mit schriftlicher Zustimmung der Autorin zulässig.

Die unerlaubte Verbreitung des E-Books ist untersagt und Diebstahl geistigen Eigentums, also strafbar. Darüber hinaus drohen zivilrechtliche Konsequenzen wie Schadenersatzansprüche.

Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Rockstars `n` Kisses – Uncover Me

 

 

Musik berührt da, wo Hände nicht hinkommen.

 

Unbekannt

 

1.

Ohrenbetäubender Rock schallt durch das Hurricane, vermischt mit dem Hintergrundlärm der Gästegespräche, ab und zu unterbrochen von Gelächter. Die Bassgitarre des Songs vibriert durch meinen Körper, und auf dem Weg zurück zur Theke summe ich mit. Den Drang zu singen kann ich bis später unterdrücken, aber das nicht. Außerdem macht das Arbeiten so viel mehr Spaß.

Kaum habe ich die leeren Gläser neben dem Spülbecken abgestellt, stellt Sabrina mir zwei volle Biergläser auf ein anderes Tablett.

Ich sehe sie mit hochgezogener Braue an. »Ich habe doch noch gar nichts bestellt.«

»Ben ist da, er sitzt an seinem üblichen Tisch.« Meine ehemalige Kollegin und inzwischen Vorgesetzte nickt zu der Nische zwischen Tür und Tresen.

»Alles klar, dann sieh dir wenigstens schon mal meine Bestellung an.« Ich lege den Block auf die Arbeitsfläche, schnappe mir das Tablett und schiebe mich durch die Menge zu besagtem Tisch.

Sabrinas Freund ist Musikproduzent und Songwriter, ein Schweizer, aber seit Dezember wohnt er bei ihr in Hamburg. Inzwischen kommt er regelmäßig mit Kunden zu uns, so wie heute auch. Ich mustere den blonden Surferboy, der nicht viel älter sein kann als ich, mit einem schnellen Blick und trete an den Tisch.

»Hallo zusammen!«

Der Schönling strafft seine Haltung und schenkt mir ein strahlendes Lächeln, das ich ignoriere. Stattdessen werfe ich ihm einen Bierdeckel hin und stelle ein Glas darauf.

»Hey, Anouk, wie geht es dir?«

Ich wende mich Ben zu und stelle ihm das zweite Bierglas hin. Mir fällt erneut auf, wie viel markanter sein Gesicht wirkt, seitdem er sein braunes Haar hat kurzschneiden lassen. Wegen Sabrina.

Mann, ist das eine emotionale Sache gewesen!

»Super, danke!« Ich schenke ihm ein Lächeln und lasse auch den Blonden etwas davon abhaben.

»Wie laufen die Vorlesungen?«

Ich seufze und stemme das leere Tablett in die Hüfte. »Sind Ende des Monats vorbei, endlich! Und dann heißt es für die Prüfung lernen.«

»Du schaffst das schon.«

»Ich weiß.« Ich grinse, verabschiede mich und tauche in der Gästemenge unter. Auf dem Weg zur Bar werfe ich einen schnellen Blick auf die Uhr, gleich elf. Lange kann es nicht mehr dauern, bis die Leute ins Hamburger Nachtleben verschwinden.

Ich behalte recht. Ab Mitternacht leert es sich, Viertel vor eins schließe ich die Tür hinter dem letzten Gast ab. Nun sitzen nur noch Ben und sein Begleiter an der Theke.

Jens, der Barkeeper, hat die Musik minimal leiser gedreht. Gerade läuft ein alter Rocksong, und der Text bahnt sich wie von selbst seinen Weg aus meinem Kopf über den Mund hinaus in den Raum, halblaut.

Ich sammele die restlichen leeren Gläser ein, wische den Tisch ab und sehe mich um. Gut, alles abgeräumt. Mit dem Tablett auf der linken Hand laufe ich zum Tresen, lasse Jens mit den leeren Flaschen durch und begebe mich an die Spüle. Die gesäuberten Gläser räume ich auf den Ablauf, dann fange ich von der anderen Seite der Reihe an, sie zu polieren.

Ich werfe den beiden Männern einen unauffälligen Blick zu, vergleiche sie unwillkürlich mit einander. Sie sind gut gebaut, trainiert und echt heiß, aber jeder auf eine andere Weise. Na, wahrscheinlich muss man so aussehen, wenn man in der Musikbranche Erfolg haben will. Hässliche Typen findet man eher selten auf der Bühne, oder?

Ich vertiefe mich in die Aufräumarbeiten, lausche der Musik und mit halbem Ohr dem Gespräch.

»Macht ihr heute Abend noch was?«, will der Surferboy wissen.

»Sabrina will in einen Club.«

»Rock-Disco«, ergänzt sie und stellt, dem Geklapper nach, die Behälter mit Glasdekoration in die untere Kühlung. »Möchtest du mit?«

Er lacht. »Ich bin ungerne das dritte Rad am Wagen.«

»Anouk, warst du schon mal im Molotow? Rock’n’Roll Dancefloor?«

Ich werfe Sabrina einen Blick zu und nickte. »Ja, ist ganz nett.«

»Hast du heute Abend schon etwas vor?«

»Nein, warum?«

»Wir wollten Sam mitnehmen, aber der traut sich nicht allein mit einem verliebten Pärchen.«

Ich halte inne, hebe eine Braue und sehe von Ben zu Sabrina und diesem Typen. »Wir kennen uns doch gar nicht.«

»Dann lernt ihr euch halt kennen. Komm schon, ist nur eine lockere Runde!«, wendet Sabrina ein.

Surferboy strahlt mich an. »Also, ich würde mich freuen.«

Ich fühle einen Anflug von Wärme in meinen Wangen. »Na ja, also, wenn es sein muss …«

»Hey, ich kann sogar ganz passabel tanzen! Du musst dich in meiner Gesellschaft nicht schämen.«

Ich muss lachen und schüttele den Kopf. »Das ist natürlich ein Argument. Okay, ich komme mit.« Ich widme mich den letzten Gläsern und sortierte sie ins Regal.

Ein neues Lied erklingt, und ich erkenne »The One« schon bei den ersten Tönen. Der Lovesong, den Ben für Sabrina geschrieben hat. Den er mit Harrisson vorgetragen und inzwischen veröffentlicht hat, der Rockband ihres leiblichen Vaters, den sie auch erst im letzten Sommer kennenlernen durfte. Ich drehe mich um und beobachte die beiden, wie sie sich anschauen. Ben hatte Schiss, sie aufgrund seines Musikerlebens in einer Metal-Band zu verlieren, und Schluss gemacht. Sabrina war danach nicht mehr sie selbst, aber Gott sei Dank hatte er seinen Fehler bald bemerkt.

Sabrina beugt sich über den Tresen, und die beiden versinken in einem zärtlichen Kuss. Mann, ich möchte am liebsten aufseufzen. Ein Lächeln stiehlt sich auf meine Lippen, und ich wende den Blick ab. Er bleibt an dem Blonden hängen, wie hat Sabrina ihn genannt? Sam.

Er grinst mich an, und ich erwidere es. Dann beeile ich mich, weiter aufzuräumen und das sehnsuchtsvolle Gefühl zu unterdrücken, das sich jedes Mal in meiner Brust ausbreitet, wenn ich den Song höre.

So gesehen ist es eine Erleichterung, als er endlich endet und »Goldeneye« von Tina Turner erklingt. Ich drehe den Regler nach rechts, schließe für einen Moment die Augen. Wie von selbst bilden sich die Töne und Worte in meinem Mund, und ich singe mit Tina im Duett, während ich die Aufräumarbeiten beende. Den letzten Refrain haue ich voller Inbrunst heraus, drehe mich um und halte mit einem Ruck inne, verstumme.

Dieser Sam starrt mich an, mit großen Augen und offenem Mund.

Mein Blick fällt auf Bens breites Grinsen und Sabrina, die eine Hand über ihren Mund gelegt hat, um es zu verbergen. Aber ihre Augen verraten ihre Belustigung.

»Was?«, frage ich, etwas schärfer als beabsichtigt.

»Wahnsinn!«, entfährt es dem Surferboy.

Ich verdrehe die Augen, sammele die Geschirrtücher ein und bringe sie nach hinten, um sie zum Trocknen aufzuhängen. Dann gehe ich in den Umkleideraum, mache mich frisch und tausche Arbeitsbluse gegen Tunika und dicken Strickcardigan, Sneakers gegen Stiefeletten. Verdammt, ich hätte in Anwesenheit des Fremden nicht anfangen dürfen zu singen, das zieht nur dumme Bemerkungen nach sich. Auf die ich gerne verzichte.

Ich zerre das Haargummi aus meinem Pferdeschwanz und bürste mein langes, rotblondes Haar. Die Locken, die ich vor der Arbeit hineingedreht habe, haben sich wieder aufgelöst, nun hängt es nur noch schwer und glatt herab. So wie immer. Manchmal hasse ich mein Haar. Ich lege die Bürste in den Spind, puste mir den Pony aus den Augen. Tusche mir die Wimpern, um meine haselnussbraunen Augen zu unterstreichen, und lege einen Hauch Parfum auf. Dann nehme ich Mantel und Tasche aus dem Metallspind, schließe ihn ab und gehe zurück in den Gastraum. Sabrina kommt mir entgegen.

»Ich beeile mich, und Jens schließt alles ab, wir können also gleich los.«

»Keine Hektik«, murmele ich und bleibe am offenen Ende der Theke stehen. Ich streife den Mantel über, ziehe mein Haar darunter hervor und schnüre schon mal den Cardigan zu. Die beiden Männer stehen bereits vor dem Haupteingang der Bar, doch ich warte auf Sabrina, um zu ihnen zu gehen.

Auf dem Gehsteig davor mummeln wir uns alle in die Winterjacken und Mäntel, dann marschieren wir los. Sabrina und Ben gehen voran, Hand in Hand, und so verlangsamt der Surferboy neben mir seine Schritte. Was jetzt wohl kommt?

»Ich bin Sam Tyler«, meint er und streckt mir die Hand hin.

Ich ergreife und schüttele sie, sehe zu ihm auf. »Anouk Harding.«

»Hallo, Anouk.«

Ich lächele und lasse seine Hand los. »Hallo, Sam.«

»Interessanter Name, wo kommt er her?«

»Den kennt man in vielen Regionen. Frankreich, Niederlande, bei den Eskimos.« Ich grinse, und er lacht.

»Kann man dich irgendwo singen hören?«

»Nein.« Ich stopfe meine Finger tiefer in die Manteltaschen und vergrabe das Kinn im Kragen.

»Nein? Warum nicht?«

»Darum.«

»Du willst mir doch nicht erzählen, dass du dein Talent nicht nutzt!«

Ich rolle mit den Augen. »Willst du mir irgendetwas verkaufen? Bist du Talentscout oder sowas?«

Er wirft den Kopf zurück und lacht, es klingt irgendwie melodisch. »Nein, überhaupt nicht. Ich bin Musiker und habe eine Band.«

»Aha.«

»Deine Stimme ist echt der Wahnsinn, glaub mir! Ich habe schon einiges gehört, aber selten so eine Rockröhre wie dich. Dein Duett mit Tina war der Hammer!«

Ich fühle die Hitze in meinen Wangen und werfe ihm einen skeptischen Blick zu. Nein, er will mich nicht verarschen, er meint es tatsächlich ernst. »Oh … okay, danke.«

»Deswegen solltest du dein Talent nicht verschwenden. Schon mal daran gedacht, in einer Band zu singen? Oder solo?«

Ich schüttele den Kopf. »Weder noch.«

»Dann hätte ich einen Vorschlag …«

Ich hebe die Hand. »Spar’s dir, okay? Ich will das nicht und auch nichts davon hören.«

»Aber …«

»Nichts, aber! Lass es einfach!«

»Okay, schon gut, tut mir leid.«

Ein paar Minuten gehen wir schweigend nebeneinander her. Ich beobachte das Paar vor mir und spüre, wie Sehnsucht in mir aufwallt. Einen Wimpernschlag lang denke ich an Sebastian und was er mir angetan hat, dann reißt Sam mich aus meinen trüben Gedanken. »Darf ich denn wenigstens wissen, warum du nicht professionell singen willst?«

Ich mustere sein Gesicht und versuche zu ergründen, was er denkt. »Warum willst du das wissen?«

»Ich bin nur neugierig, echt!« Er hebt beide Hände.

Ich seufze und sehe wieder nach vorn. »Ich habe keinen Bock auf den Leistungsdruck.«

»Also hast du es schon einmal ausprobiert.«

Ich nicke und denke an die Band aus Schülern meines Gymnasiums, ein Mädchen aus meinem Musikkurs hatte mich zum Mitmachen überredet. »Und das eine Mal hat mir vollkommen gereicht.«

 

*

 

»Ich bin echt froh, dass du mitgekommen bist«, grölt Sabrina mir über die Musik ins Ohr.

Ich schränke meine Bewegungen ein und beuge mich zu ihr. »Warum?«

»Sonst würde ich jetzt allein oder gar nicht tanzen.« Sie lacht und nickt in Richtung unseres Stehtisches. Ich sehe hinüber, kann aber durch die Menge nicht viel von Ben oder Sam erkennen. Sie trinken Bier und unterhalten sich, sofern das bei der Lautstärke überhaupt möglich ist.

Ich zucke die Schultern und wiege mich zum nächsten Lied, »My Favourite Game« von den Cardigans. Ich weiß, dass Ben nicht gerne tanzt, weil er meint, er könne es nicht. Ab und zu lässt er sich zu einem Kuschelblues überreden, aber den Rest der Zeit verbringt Sabrina meist allein auf der Tanzfläche, wenn sie in einen Club gehen.

Ich gehe nicht oft aus, aber wenn ich schon mal den Weg in einen Club finde, koste ich es auch bis zum letzten aus.

»Machen wir mal ne Pause?«, will die Frau, die der Geschäftsführer vor einigen Wochen zur Betriebsleiterin gemacht hat, nun wissen.

Ich streiche mir den Pony aus dem Gesicht, höre den Übergang zu »Give It Away« von den Red Hot Chili Peppers und schüttele den Kopf. »Ich komme gleich.«

Ich schließe die Augen, stelle die Füße auseinander und lasse mein Haar fliegen. Gott, es tut so gut, mal an nichts Anderes zu denken als den nächsten Song!

Am Ende richte ich mich auf, werfe das Haar zurück und erschrecke. Vor mir steht Sam und grinst. »Tanzt du jetzt auch mal mit mir?«

Ich runzele die Stirn und lache. »Das hier ist ein Club, kein Tanztee. Da tanzt jeder für sich.«

Er beugt sich zu mir, und ich kann sein Parfum oder After Shave riechen, ein aufregender Duft irgendwie. »Schade eigentlich!«

Ich beuge mich zurück, sehe ihn mit hochgezogener Braue an, doch bevor ich etwas erwidern kann, leitet der DJ zu einem Song von Def Leppard über. Ich juchze, werfe die Hände über den Kopf und röhre den Text aus vollem Hals mit. So wie Sam und die anderen auf der Tanzfläche auch. Hier hört und versteht mich eh keiner, also kann ich auch alles rauslassen.

Wir rocken noch durch ein paar weitere Songs, mir bekannte und unbekannte, und schließlich bin ich total ausgelaugt. Ich mache das Zeichen für Trinken, und Sam nickt und folgt mir durch die Menge zurück zum Tisch. Ich kann seine Präsenz hinter mir spüren, und einmal sogar seine Hand in meinem Rücken, aber ich versuche, es zu ignorieren.

Bei Sabrina angekommen wedele ich mir mit dem Saum der Tunika Luft darunter und puste mir den Pony aus dem Gesicht.

»Gut, dass ihr kommt. Wir wollten uns langsam verabschieden und deine Tasche nicht allein lassen.« Sie hält mir meine Handtasche entgegen.

»Oh, ich dachte, wir trinken noch was zusammen.« Ich sehe von ihr zu Ben.

»Nee, sorry.«

»Na, dann trinken wir eben noch ein oder zwei Bier zusammen«, höre ich es schräg hinter mir, und schon wieder landet seine Hand auf meinem unteren Rücken. Ich spüre seine Hitze und mit einem Mal ist da dieses Prickeln, das sich von seiner Berührung aus in mir ausbreitet. Ich schlucke und erwidere mit Verzögerung Sabrinas Abschiedsumarmung.

»Finde ich super von dir, Sam. Wir sehen uns!« Sabrina hebt die Hand, schiebt die andere in Bens, und nach einem letzten Gruß verschwinden die beiden in der Menge.

»Wollen wir irgendwo hingehen, wo man auch reden kann?«

Ich sehe ihn an, wie er sich mit der Hand durchs kinnlange, blonde Haar fährt, und dabei ziemlich viel Sexappeal und Selbstbewusstsein versprüht. Nein, ich sollte nicht noch etwas mit ihm allein trinken, schon gar nicht bei den gegensätzlichen Gefühlen, die gerade meine Mitte in Aufruhr versetzen. Aber er ist Bens Geschäftspartner oder was auch immer, und ich will nicht unhöflich sein. Also nicke ich und bedeute ihm, vorzugehen.

Meine Augen gleiten von ganz allein über seine breiten Schultern und den muskulösen Rücken, nur um sich dann an seinem Knackarsch in der perfekt sitzenden Jeans festzusaugen.

Vergiss es, der spielt außerhalb deiner Liga!

Ich presse für einen Moment die Augen zusammen und verfluche mal wieder meine viel zu weiblichen Kurven. Wahrscheinlich sind auch sie der Grund dafür gewesen, dass Sebastian sich nebenbei noch mindestens zwei Hungerhaken gehalten hat.

Nein, ich will jetzt nicht an meinen ersten und letzten Freund denken, das würde mir nur die Laune verhageln. Ich atme tief durch und zwinge mich, wieder nach oben zu sehen.

Keine Sekunde zu früh, denn Sam bleibt am Durchgang zum nächsten Bereich stehen und dreht sich zu mir um. »Kennst du dich aus? Gibt es hier eine Bar ohne Tanzfläche?«

»Ich glaube, schon, aber ich bin nicht so oft hier. Lass uns einfach gucken.«

Wir streifen durch den nächsten Raum und finden dahinter einen etwas ruhigeren Bereich, mit zwei freien Hockern an der Theke. Wir setzen uns, Sam wendet sich mir zu. »Was trinkst du?«

»Erstmal Apfelschorle.«

»Apfelschorle? Dein Ernst?« Seine Augenbrauen berühren beinahe seinen Haaransatz.

»Ja, mein Ernst. Ich habe Durst.« Ich schmunzele und hänge die Handtasche an einen Haken unterhalb der Tresenplatte.

Also schüttelt er den Kopf und bestellt Bier und Apfelschorle.

Kaum stehen die Gläser vor uns, hebt er mir seins zum Anstoßen entgegen. »So, und nun möchte ich endlich mal wissen, was du sonst so treibst.« Er stellt sein Glas zurück, dreht sich auf dem Hocker zu mir um und stützt sich mit dem Ellbogen auf die Theke. Seine Knie streifen meinen Oberschenkel und hinterlassen einen Anflug von Gänsehaut.

»Du bist ganz schön neugierig.« Ich lache und lecke mir über die Lippen, stelle das Glas weg.

»Ja, bin ich. Aber nur, wenn ich so interessanten Leuten begegne wie dir.«

Ich kann das Lachen nicht zurückhalten. »Klar, super interessant natürlich.«

Sam runzelt die Stirn. »Warum sagst du das so? Ich finde dich wirklich interessant.«

»Weil ich nur eine stinknormale Studentin bin, die nebenbei kellnert. Das wars.« Ich grinse ihn an.

»Und was studierst du?«

»Anglistik und Amerikanistik. Ich mache den Master und bin im vorletzten Semester.«

»Fachrichtung?«

»British and American Cultures: Texts and Media.«

»Wow, und du sagst, du seist nicht interessant.« Er schüttelt den Kopf. »Was willst du nach dem Abschluss tun?«

»Als Lektorin in einem Verlag arbeiten.«

Er nickt. »Das klingt nach einem Plan. Du liebst also nicht nur Musik, sondern auch Literatur.«

»Allerdings! Aber nur Belletristik, mit der hohen Literatur habe ich es nicht so.«

»Was ja nicht schlimm ist. Ich habe früher auch ganz gerne gelesen, aber seitdem meine Band zum Vollzeitjob geworden ist, bleibt mir nur noch selten Zeit dazu.«

Ich höre sein ehrliches Bedauern und kann es gut nachvollziehen. »Und du und Ben arbeitet zusammen?« Ich trinke einen weiteren Schluck.

»Ja, er wird unsere nächsten beiden Alben produzieren.«

»Cool.«

»Deshalb muss ich mich jetzt nach einer Wohnung umsehen und den Umzug organisieren.«

»Woher kommst du denn?«

Sam lacht. »Oh, das ist etwas kompliziert. Ich wohne zurzeit in Berlin, aber meine Familie kommt aus der Nähe von London. Mein Vater ist bei der Army und war in meiner Kindheit in Nordrhein-Westfalen stationiert. Von da aus ging es noch in ein paar andere Länder, aber ich wollte in Deutschland bleiben, an einem Musikinternat. Daher kenne ich auch ein paar Leute, mit denen ich die Band gegründet habe.«

»Ach, und ich habe gedacht, das sei ein Künstlername, weil du ohne Akzent sprichst!« Ich schüttele den Kopf und grinse. »Und jetzt zieht ihr alle nach Hamburg?«

»Die anderen leben schon längst hier, aber ich war der Meinung, in Berlin spielt das Musikerleben. Was sich als falsch herausgestellt hat. Zumindest für unsere Musikrichtung.«

»Was spielt ihr?«

»Symphonic Metal.«

Ich nicke anerkennend. »Hört sich interessant an.«

»Du kannst nichts damit anfangen?«

»Nein.« Ich lache.

»Das sollten wir ändern. Ich schicke dir mal unser letztes Album.«

»Okay, mach das.« Ich greife nach meinem Glas und schüttele innerlich den Kopf. Irgendwie klingt Surferboy ziemlich selbstverliebt.

»Nein, ehrlich! Oder noch besser - wenn ich das nächste Mal hier bin, bringe ich dir eines. Vielleicht können wir dann wieder was trinken gehen? Oder essen?«

Ich blinzele und starre ihn an. »Warum?«

Seine Mundwinkel ziehen sich in ein breites, strahlendes Grinsen, das tolle Zähne entblößt, und seine klaren, himmelblauen Augen funkeln mich regelrecht an. Er stellt einen Fuß auf die untere Querstange meines Hockers und beugt sich vor. »Weil ich dich echt süß finde.«

Die Hitze schießt mir ins Gesicht, mein Unterkiefer klappt herab. »Oh«, entfährt es mir, und ich sehe auf mein Glas, umschließe es mit beiden Händen.

Was soll das werden? Flirtet er mit mir? Er sollte das lieber lassen, ich bin eine Niete darin. Vielleicht hat er aber auch nur Spaß daran, mit mir zu spielen. Vermutlich ist es ziemlich amüsant für ihn, dass ein weibliches Wesen nicht sofort auf sein Geschäker anspringt.

Ich stürze den Rest meines Getränks hinunter und knalle das leere Glas etwas zu fest auf die Theke.

»Möchtest du jetzt ein Bier?«

»Nein, ehrlich, ich glaube, ich gehe jetzt besser.« Tatsächlich spüre ich die Müdigkeit in mir hochkriechen, eine willkommene Ausrede, um seiner irritierenden Gesellschaft zu entkommen.

»Sehr schade, aber okay, dann bringe ich dich nach Hause.« Er trinkt aus und steht auf.

»Das brauchst du nicht, ich wohne nur ein paar Straßen weiter.«

»Dann tue ich es erst recht. Ich kann dich nicht allein durch die dunklen Straßen laufen lassen.«

Ich runzele die Stirn und sehe zu ihm auf. »Das tue ich sonst auch.«

»Aber nicht, wenn wir zusammen unterwegs sind.«

Ich überlege, ob ich ihn darauf hinweisen soll, dass wir gar nicht wirklich zusammen unterwegs sind, belasse es aber dabei. Ich rutsche vom Hocker, folge ihm zur Garderobe und zum Ausgang. Am Ende der Schlange vor der Kasse nimmt Sam mir die Getränkekarte aus der Hand.

»Hey!«, protestiere ich und will sie ihm aus der Hand reißen, doch er hält sie außerhalb meiner Reichweite.

»Ich lade dich ein.«

Ich rolle mit den Augen. »Was soll der Scheiß? Ich kann sehr gut für mich allein aufkommen.«

»Das glaube ich dir gern.«

»Na, also, dann gib mir meine Karte zurück! Das hier ist kein Date.« Ich funkele ihn an, die Hand ausgestreckt.

Sein Lächeln verblasst, doch es dauert einige Sekunden, in denen er mich anstarrt, bis er sie mir endlich gibt. »Ich wollte dich nicht beleidigen.«

Ich schweige, starre geradeaus und bewege mich mit der Schlange zur Kasse. Sein Gehabe kann er sich sonst wo hinstecken! Wen will er hier beeindrucken?

Vor dem Club versperrt er mir den Weg. »Darf ich dich trotzdem nach Hause bringen?«

»Wozu?«, knurre ich und verschränke die Arme vor der Brust.

»Weil ich es möchte.«

Ich starre ihn an und überlege, wie ich aus der Nummer rauskommen soll, ohne ihn zu beleidigen oder Ben in Verlegenheit zu bringen. Der eisige Januarwind weht mir ein paar Haarsträhnen ins Gesicht und lässt mich frösteln. Ich komme zu keinem Ergebnis, also gehe ich den Weg des geringsten Widerstandes.

»Meinetwegen.« Ich wende mich nach rechts und marschiere los, unterdrücke den Drang, davonzulaufen.

Wenige Minuten später, in der Unterführung zum Nobistor, bin ich wiederum froh, ihn dabei zu haben, und verringere mein Tempo. Der Tunnel ist schlecht ausgeleuchtet und die widerhallenden Geräusche sind mir immer unheimlich, selbst tagsüber.

Ich weiß nicht so recht, worüber wir reden sollen, mir ist das alles irgendwie peinlich. Ihm vermutlich ebenso, denn er schweigt vor sich hin. Mann, was für eine bescheuerte Situation!

Trotz seiner Begleitung meide ich die Abkürzung durch den Park, behalte aber die Umgebung im Auge, die Finger in meiner Manteltasche um das Pfefferspray geschlungen. Als wir meinen Block erreichen, wallt Erleichterung in mir auf. Den Schuss Bedauern darin ignoriere ich geflissentlich.

»Da vorne ist es«, murmele ich.

Sam räuspert sich. »Ist alles cool zwischen uns?«

»Wie bitte?« Ich nehme die Stufen hinunter zum Hauseingang, krame im Dunkeln nach meinem Hausschlüssel und sehe ihn an. »Warum fragst du mich das?«

»Weil ich mir keine Ohrfeige einhandeln will.«

Ich verziehe das Gesicht in Unverständnis. »Was redest du denn da? Warum sollte ich dir eine Ohrfeige verpassen?«

»Weil ich dich jetzt küssen werde.« Er tritt auf mich zu.

»Was?«, japse ich auf.

Sam legt die Hände um mein Gesicht und drückt mich gegen die Wand, und ehe ich reagieren kann, küsst er mich. Und wie!

Ich kralle die Finger in seine Jacke, mein Hausschlüssel scheppert zu Boden.

Seine Lippen sind so unglaublich weich und doch fordernd, öffnen sich und bringen meine ebenfalls dazu. Seine Zunge gleitet zwischen meine Lippen, neckt, lockt, erforscht. Ich erschauere und kann gar nicht anders, als den Kuss zu erwidern.

Verdammt, Sam küsst einfach göttlich und versetzt alles in mir in Aufruhr. Unwillkürlich stöhne ich auf, ich fühle mich wie berauscht. Er riecht fantastisch und schmeckt ganz leicht nach Bier, doch was meine Temperatur ansteigen lässt, ist, dass sein Körper sich der Länge nach an meinen presst. Gott, es ist schon so lange her!

Seine Hände lassen von meinem Gesicht ab, und ich spüre, wie sie über meine Arme hinab und über die Rippen wieder hinauf wandern. Unvermittelt fühle ich seine Hände unter meinem Mantel, unter der Strickjacke, an meiner Taille und auf dem Weg nach oben. Die Erregung schießt durch meinen Körper, meine Nippel werden hart und drängen gegen den dünnen Stoff meines BHs.

Verdammt, was tut er da? Und warum reagiere ich so sehr darauf? Ich muss ihn aufhalten, bevor ich mich blamiere.

Ich stemme mich gegen seine Brust, nur ganz leicht, bis er seinen Mund von meinem löst und seine Hände auf meiner Taille verharren. Ich denke an das, was sich genau darunter befindet, nur durch eine dünne Stoffschicht von seiner Haut getrennt, und presse für einen Moment die Lider zusammen.

»Nicht, Sam, nicht weiter! Ich … ich kann nicht«, stoße ich hervor und beiße mir auf die Unterlippe, starre auf sein Kinn.

»Was …« Seine Stimme klingt rau, doch ich lege zwei Finger auf diese wundervollen Lippen und schüttele den Kopf.

»Frag nicht, bitte!«, flüstere ich und schlucke krampfhaft an dem Kloß, der sich in meiner Kehle gebildet hat.

Er lässt mich los, tritt zurück, und meine Hände rutschen von ihm.

Ich richte mich auf, meide seinen Blick. Ich will seinen Ärger nicht sehen, oder schlimmer noch, Hohn. Stattdessen lasse ich den Blick über den Boden gleiten, auf der Suche nach meinem Schlüssel.

Aus dem Augenwinkel sehe ich seine Bewegung und hoffe, dass er endlich geht. Scheiße, was soll ich bloß Ben sagen, wenn Sam deswegen ein Fass aufmacht?

Ich entdecke meinen Schlüssel, gehe in die Hocke und greife danach.

Gleichzeitig mit Sam.

Ich starre ihn an und weiß nicht, was ich in seinem Gesicht lesen soll.

Er hält mir den Schlüssel hin. »Anouk …«

Aber ich grapsche nur nach dem Schlüsselbund, springe auf und zur Tür. Das Schicksal meint es gut mit mir, ich finde sofort den richtigen Schlüssel, ohne Umschweife das Schloss und öffne die Tür. Ich schlüpfe in den dunklen Hausflur und gleich um die nächste Ecke, um mich dort rücklings an die Wand zu lehnen. Meine Knie zittern, mein Herz klopft wie wild, ich atme zittrig mehrmals tief durch.

Scheiße, ich habe mich vollkommen idiotisch verhalten. Vermutlich lacht er sich gerade darüber schlapp, dass ich wie ein unreifer Teenager vor ihm weggelaufen bin. Hoffentlich muss ich ihm nie wieder gegenübertreten.

Ich presse die Lider zusammen, aber ich kann sein Gesicht nicht ausblenden. Dieses sexy Lächeln, die blitzenden Augen. Und am allerwenigsten kann ich das Gefühl ignorieren, das sein Kuss in mir hinterlassen hat.

 

*

 

Dieser Kuss hat sie nicht kalt gelassen, das konnte ich spüren. Aber warum hat sie mich dann von sich gestoßen? Sie versteckt etwas, es hemmt sie.

She’s so fucking sweet, ich kann an nichts anderes mehr denken als an ihre sinnlichen Lippen und diese wunderschönen Augen.

Aber, Jesus, ihre Stimme ... sie hat mich mitten ins Herz getroffen. Ich will mehr davon, von allem, von ihr.

Wenn ich nur wüsste, wie ich an sie herankomme!

 

 

 

2.

»Unternehmen wir nachher was? Oder machen wir uns einen faulen Sonntag auf der Couch?« Yavanna räumt den letzten Teller unseres Sonntagsbrunchs in die Spülmaschine und holt ein Tab aus dem Schrank daneben.

Ich muss so herzhaft gähnen, dass ich mir beide Hände vor den Mund halte. »Ich plädiere fürs Chillen«, murmele ich dann. Der Wasserkocher klickt, und ich gieße uns noch eine Kanne Tee auf.

Meine Mitbewohnerin, beste Freundin und Adoptivschwester lacht und startet das Spülprogramm. »Ist es gestern so spät geworden?«

Ich schüttele den Kopf. »Nee, aber ich war noch mit Sabrina im Molotow.«

»Und ihr beiden seid versackt, oder was?«

Die Erinnerung an Sams Kuss durchflutet mich und hinterlässt ein Kribbeln in meinem Bauch. Ich sehe Yavanna an, verziehe das Gesicht und schüttele den Kopf. Sie ist meine Seelenverwandte, seitdem ich mit zwölf in ihre Familie gekommen bin, und sie weiß auch jetzt genau, dass etwas in mir vorgeht.

Mit gehobener Augenbraue wirft sie sich das lange braune Haar über die Schulter zurück und schmunzelt. »Du siehst aus, als ob du reden müsstest.«

Ich nicke, nehme das Tablett mit dem Teegeschirr und gehe ins Wohnzimmer. Yavanna folgt mir mit einer Packung Kekse. Wir machen es uns an den gegenüberliegenden Enden der Couch gemütlich, strecken die Beine aus und teilen uns die große Kuscheldecke.

»Also, erzähl!« Sie führt ihre Tasse an die Lippen und pustet hinein.

Ich schlucke, schlinge die Arme um mich und lege die Wange an die Couchlehne. Sehe sie an und erzähle ihr jedes wichtige Detail des gestrigen Abends.

Yavanna grinst. »Wow, ein feuriger Musiker!«

»Yavi, ich kenne ihn doch gar nicht!«

Sie wischt meinen Protest mit einer Handbewegung beiseite. »Aber er steht auf dich, und du hast den Kuss erwidert. Wo also liegt das Problem?«

»Ich glaube nicht, dass er wirklich auf mich steht«, seufze ich. »Ich denke, er wollte nur mal austesten, wie weit er gehen kann oder so. Ach, ich weiß auch nicht, ich werde nicht schlau draus.

»Es hat dir gefallen, daran gibt es schon mal keinen Zweifel.«

Ich zucke die Schultern, nicke.

»Ist er heiß?«

Ich erwidere ihr Grinsen. »Ja, ziemlich.«

»Dann nutz‹ es beim nächsten Mal aus!«

Ich verdrehe die Augen, weder sie noch ich sind der Typ für One-Night-Stands oder sonstige Abenteuer. »Ich habe keine Kontaktdaten von ihm und werde ihn wahrscheinlich auch nie wiedersehen. Und wenn doch, versinke ich bestimmt im Erdboden.« Da fällt es mir siedend heiß ein, und ich stöhne auf. »Scheiße, Ben produziert ihre nächsten beiden Alben! Und er will herziehen!«

Yavi grinst. »Hat er dich ausgelacht?«

»Nein, ich bin einfach abgehauen.«

»Du hast recht, das war kindisch.« Sie verdreht die Augen.

»Was hätte ich denn tun sollen? Ihn gleich ranlassen?«

Sie kneift die Augen zusammen und fixiert mich. »Hättest du denn gerne?«

Ich schließe die Augen und erinnere mich an das Gefühl, das er in mir ausgelöst hat. Habe ich es gewollt? Scheiße, ja! Aber ich hätte es nicht zugelassen.

Ich blicke meine wunderhübsche, schlanke Schwester an, die all meine Hemmungen und Selbstvorwürfe nicht aus eigener Erfahrung kennt. Sie ist selbstbewusst, selten Single und reizt das Leben bis ins Letzte aus. Und versucht, mich in Sachen Männer zu ermutigen.

»Also?« Sie trinkt von ihrem Tee.

Ich nicke. »Dabei verstehe ich das gar nicht, so etwas habe ich noch nie empfunden, mit Sebastian.«

»Da hat anscheinend die Chemie zwischen euch gestimmt. Vielleicht hat er es auch bemerkt.«

Ich zucke die Schultern und greife nach der Fernbedienung. »Ist doch egal, das war gestern.« Ich zappe durch die Kanäle und bleibe an einem Doku-Sender hängen. »Wollen wir das laufen lassen?«

Yavanna nickt, trinkt ihren Tee aus und greift nach der Tasche mit ihrem aktuellen Häkelprojekt. Ich rutsche tiefer, rolle mich auf der Seite zusammen und starre auf den Bildschirm.

Nein, ich will nicht über die letzte Nacht nachdenken, nicht über den Kuss oder diesen heißen Typen. Das muss aufhören! Ich denke ans Meer, das leise Rauschen von Wellen, und kurze Zeit später übermannt mich gnädigerweise der Schlaf.

 

*

 

»Du denkst an ihn.«

Ich schrecke aus meinen Gedanken und fahre zu meiner Schwester herum. »Was?«

Yavanna hält beim Häkeln inne und erwidert meinen Blick. »Du denkst an diesen Sam, ich kann es sehen.«

Ich stoße die angehaltene Luft aus, nicke und lasse den Kopf hintenüber auf die Rückenlehne sinken. Ja, ich habe schon wieder an ihn gedacht. Wie immer wieder mal in den vergangenen Stunden. Nichts hat mich auf Dauer ablenken können, keine YouTube-Videos, kein Fernsehen, kein Nickerchen.

Ich weiß genau, dass es bescheuert ist, ständig daran zu denken. Es ist vorbei und wird sich nicht wiederholen, was also bringt mir das ewige Erinnern? Genau, nichts!

Außer noch größere Selbstzweifel.

Yavannas Handy klingelt, der Klingelton für ihren Freund Fabian. »Hey«, begrüßt sie ihn mit weicher Stimme, »was gibt’s? … Pizza? Von mir aus gerne … Ja, warte ich frage nach.« Sie nimmt das Smartphone vom Ohr und sieht mich an. »Fabian und seine Mitbewohner wollen Pizza essen gehen. Hast du Lust?«

Ich winke ab. »Nee, lass mal, ich bin gerade keine gute Gesellschaft. Geh du nur.«

»Bist du sicher?«

»Klar.«

»Okay, ich ziehe mich an und komme.« Sie schickt ihm noch einen Kuss durch die Verbindung, dann steckt sie das Häkelzeug weg und geht in ihr Zimmer.

Ich lege mich auf die Seite, strecke die Beine aus und schiebe mir die Hände unter den Kopf. Auf ZDFinfo läuft »Die Glorreichen 10: Die schlechtesten Deals aller Zeiten«, und auf Platz 6 geht es um den Rattenfänger von Hameln. Normalerweise liebe ich solche Sendungen, leichte Unterhaltung und doch lehrreich, manchmal sogar fürs Studium zu gebrauchen. Aber heute …

»Ich bin dann mal weg«, ruft Yavanna aus dem Flur.

»Viel Spaß!«, antworte ich, und die Tür fällt hinter ihr ins Schloss.

Ich seufze, starre auf den Bildschirm und überlege, ob ich schon mal anfangen soll, die Unterlagen fürs Lernen zu sortieren. Leider fehlt mir auch dazu die Motivation.

Ich nehme mein Smartphone vom Couchtisch und rufe Facebook auf. Mal sehen, was die Anderen so tun. Die rot unterlegte 1 beim Symbol für Freunde lässt mich stutzen. Eine neue Freundschaftsanfrage? Ich rufe sie auf und mir wird heiß.

»Sam Tyler – privat« hat mir eine Freundschaftsanfrage geschickt.

Ach. Du. Scheiße!

Ich schlucke, in meinem Kopf schießen die Gedanken quer. Ich tippe auf sein Profil und glotze auf das Bild, ein Schnappschuss von ihm am Strand. Er ist tatsächlich ein Surferboy! Der Neoprenanzug hängt von seinen Hüften, entblößt diesen anbetungswürdigen, drahtigen Oberkörper. Er hält ein Surfbrett im Arm, streicht sich mit der anderen Hand das vom Wind zerzauste Haar aus der Stirn und strahlt in die Kamera.

Mein Herz beginnt zu hämmern. Warum, zum Teufel, schickt er mir eine Freundschaftsanfrage? Damit zeigt er doch, dass er sich nicht über mich lustig machen will. Oder?

Ich setze mich auf und schlage die Beine unter, scrolle durch sein nichtssagendes Profil, entdecke sein Geburtsdatum. Er ist bis auf zwei Tage nur drei Jahre älter als ich.

Hat er Interesse an mir? Wenn ja, in welcher Form? Für ein Abenteuer? Für unverbindliche Treffen? Oder will er mich wieder in Sachen Singerei belatschern?

Ich stoße die Luft aus, zögere noch einen Moment und tippe dann auf »Bestätigen«.

Okay, wenn er mir doof kommt, kann ich ihn immer noch blockieren.

Ein Messenger-Fenster ploppt auf.

 

Sam: Hey, Anouk! Freut mich, dass du meine Freundschaft angenommen hast.

 

Ich schicke ihm einen blauen Daumen. Und stecke mir den eigenen in den Mund, um am Nagel zu kauen. Zum Glück bemerke ich es früh genug und senke die Hand wieder.

Die drei Punkte bewegten sich wellenartig, er schreibt.

 

Sam: Was machst du heute?

 

Ich: Chillen.

 

Sam: ich auch. Bin zurück in Berlin und surfe gerade durch das Hamburger Wohnungsangebot. Kannst du mir ein Viertel empfehlen?

 

Ich überlege. Kommt drauf an, wohin du willst, und was dein Konto hergibt.

 

Sam: Welches Viertel ist denn angesagt?

 

Okay, das ist leicht zu beantworten. Schanze, Altona. Du solltest dir die Viertel vielleicht erst einmal ansehen, bevor du dich entscheidest.

 

Sam: Würdest du sie mir zeigen?

 

Oha! Warum?

 

Sam: Warum nicht?

 

Ich rolle mit den Augen. Hast du niemand anderen dafür?

 

Sam Warum bist du so abweisend?

 

Was soll ich ihm darauf antworten? Dass ich ihm nicht über den Weg traue? Weil ich nicht schlau aus ihm werde?«

 

Sam: Ist es wegen gestern?

 

Ich: Sam, bitte!

 

Sam: Gib mir deine Handynummer, ich rufe dich an.

 

Ich: Nein.

 

Sam: Was? Warum nicht?

 

Panik schießt in mir hoch, ich schließe das Fenster und logge mich aus. Dann werfe ich das Handy auf den Tisch, stehe auf und räume das Geschirr in die Küche. Ich schalte den Wasserkocher ein und tigere auf und ab, kaue auf meinem Daumennagel.

Ich will ihm meine Nummer nicht geben, weil ich Angst davor habe, seine Stimme zu hören. Die mich noch mehr an alles erinnern wird. Trotzdem fühle ich einen gewissen Sog, der mich dazu bringt, mein Laptop zu holen. Ich setze mich auf die Couch, das Laptop auf dem Schoß. Während es hochfährt, nippe ich an meinem Tee und stelle die Tasse dann auf den Couchtisch. Meine Füße packe ich daneben.

Ich gebe seinen Namen in die Suchmaschine ein. Die Bilderflut ist höllisch, und ich kann ihn nicht auf Anhieb entdecken. Also füge ich »Metal« hinzu, und siehe da …

Bilder von Sam und seiner Band erschienen, Musikalben, Live-Auftritte. Ich klicke auf ein Bild, das aussieht wie ein Logo, und gelange zur Homepage der Band. Angels & Demons.

Sam steht vorn in der Mitte, flankiert von zwei Frauen rechts und drei Männern links. Alle tragen schwarze Kleidung, Kombinationen aus Leder und Stoff, mystisch angehaucht. Sam hat die Arme vor der Brust verschränkt und die Lippen zu einem arroganten Lächeln verzogen, seine Augen funkeln. Mein Schoß zieht sich zusammen, so unverschämt sexy ist er.

Mit fliegenden Fingern klicke ich zurück, fühle mich ertappt, und scrolle durch die vielen Bilder, die ihn nicht nur mit seiner Band zeigen, sondern auch mit Frauen. Vielen verschiedenen Frauen. In unverfänglichen und eindeutigen Situationen.

Scheiße, ich habe es doch gewusst! Er ist ein verdammter Rockstar, anscheinend ziemlich bekannt. Und Rockstars nutzen es aus, von willigen Frauen umschwärmt zu werden.

Scheiße, jetzt ist mir die vergangene Nacht noch viel peinlicher.

Oder nicht? Vielleicht sollte ich stolz darauf sein, ihn aufgehalten zu haben. So bin ich nicht zu einer von vielen geworden.

Ich schließe die Augen, seufze und lege den Kopf an die Lehne. Was für ein Mist, ich habe mit einem Rockstar rumgemacht! Mich davon einlullen lassen, dass er mich süß findet. Pah! Wenn das mal nicht gelogen ist! Und jetzt will er meine Handynummer, um mich weiter zu bearbeiten? Weil er es nicht vertragen kann, abgewiesen zu werden?

»Arsch!«, murmele ich und schließe den Browser.

Mein Handy klingelt, und ich melde mich mit einem viel zu grantigen »Hallo?«

»Ich werde mich nicht für gestern entschuldigen«, höre ich seine Stimme, und das heiße Ziehen schießt durch meinen Körper. Ich beiße mir auf die Unterlippe.

»Ich bereue keine Sekunde, aber wenn du das anders siehst, werde ich es akzeptieren.«

Ich schlucke, vollkommen verwirrt von seinen Worten. »Woher hast du meine Nummer?«

»Von Ben und Sabrina. Bitte mach ihnen deswegen keinen Ärger, ich habe ihnen ein paar Lügen aufgetischt, um sie zu bekommen. Ich wollte das nicht so zwischen uns stehen lassen.«

»Aha.« Das Wort kommt in einem heiseren Krächzen, und ich greife nach meinem Tee und trinke gierig davon. Zu spät bemerke ich, dass er noch viel zu heiß ist, er brennt sich durch meine Speiseröhre. Ich unterdrücke ein Stöhnen.

»Alles cool?«

»Ja. Klar. Alles cool.« Ich räuspere mich.

»Okay.« Sam seufzt, und ich kann seine Erleichterung hören. »Also, hilfst du mir bei der Wohnungssuche?«

»Kann ich gerne tun, aber bei mir stehen Prüfungen an, und ich muss arbeiten.«

»Kein Problem, ich richte mich nach dir.«

»Und wann willst du umziehen?«

»So schnell wie möglich. Ich könnte zum Wochenende wieder rüberkommen.«

»Na ja, ich arbeite Freitag und Samstag.« Ich zögere. »Aber am Samstag hätte ich bis drei Uhr Zeit, wenn du willst.«

»Perfekt. Dann melde ich mich die Tage, wenn ich ein paar Objekte gefunden habe.«

»Gut.«

»Okay.« Ich kann seiner Stimme anhören, dass er grinst, und sein Strahlen schiebt sich vor mein inneres Auge. »Dann wünsche ich dir noch einen schönen Abend, ja?«

»Oh, ja. Danke. Dir auch.« Ich muss mich räuspern.

»Mach’s gut.«

»Du auch.«

Ich nehme das Handy vom Ohr und lege auf. Mein Blick geht ins Leere, ich verliere mich in meinen Gedanken. Und ein Satz geht mir nicht mehr aus dem Sinn: Er bereut es nicht.

Und mein Herz flippt regelrecht aus deswegen.

 

3.

Ich schaffe es nicht, meine Schritte zu verlangsamen. Dafür bin ich viel zu nervös. Deshalb erreiche ich das Riverside Hotel zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit und bleibe vor dem Haupteingang stehen. Die Hände in den Taschen vergraben lege ich den Kopf in den Nacken und schaue an der hypermodernen Fassade hinauf. Netter Schuppen.

Zum Auftakt für unsere Immobilientour hat Sam mich zum Frühstück in sein Hotel eingeladen, und hier stehe ich nun und frage mich, ob es Absicht ist, dass es nur fünfzehn Minuten Fußweg von meiner Wohngemeinschaft entfernt liegt.

Bilde dir bloß nichts ein, ranze ich mich innerlich an und nehme mir trotzdem vor, es herauszufinden. Da mir auf dem Gehweg viel zu kalt ist, beschließe ich, in der Eingangshalle auf ihn zu warten. Ich marschiere durch die Automatiktüren und bleibe wenige Schritte später wie gebannt stehen.

»Wow!«, flüstere ich und kann nur starren. Die Lobby öffnet sich nach oben über mehrere Etagen, ein architektonischer Hingucker.

»Guten Morgen!«, erklingt es an meinem Ohr. Ich zucke zusammen und erschauere gleichzeitig wegen seiner Stimme und seinem Atem, der mich streift.

»Hey!« Ich drehe mich zu ihm und lächele. Aber mein erster Impuls ist, mir über die Lippen zu lecken. Das royalblaue Hemd mit dem in Silber stilisierten Löwen auf rechtem Ärmel und Brust sitzt wie angegossen und zeigt jedes Muskelspiel. Das kinnlange wellige Haar hat er sich locker nach hinten gestylt.

Er rückt die Jacke über seinem linken Arm zurecht und deutet zu den Aufzügen. »Wir müssen zum Restaurant ein paar Etagen nach oben.«

»Okay.«

Wir steigen mit einigen anderen Gästen ein und finden hinten zwei Plätze über Eck. Ich mustere Sam aus dem Augenwinkel, wie er lässig an der Wand lehnt, die Arme verschränkt, die Füße an den Knöcheln gekreuzt. Dagegen stehe ich da, als ob ich einen Stock verschluckt hätte. Verdammt!

Die Gedanken an den Kuss letzte Woche lassen mich immer mehr verkrampfen. Als der Aufzug das Restaurant ankündigt, werfe ich ihm einen Blick zu und erstarre. Er hat mich beobachtet. Und grinst mich nun frech an. Kann er mir etwa ansehen, an was ich gedacht habe? Hitze schießt mir ins Gesicht, ich wende mich ab.

Wir steigen aus, folgen den Mitfahrern, und wieder spüre ich seine Hand in meinem unteren Rücken, gefährlich weit unten, gefährlich nah an meinem Hintern.

Da ist es wieder, das glühende Prickeln in meiner Mitte. Gott, es ist so unfair!

Wir geben unsere Jacken an er Garderobe ab, und Sam dirigiert mich am Empfangspult vorbei bis ganz nach hinten zur Fensterseite. Die Gäste hier tragen elegante Kleidung, und ich bin froh, zu der Jeans wenigstens schicke Stiefel und eine Bluse unter dem offenen Cardigan angezogen zu haben.

Auf dem letzten freien Tisch steht ein Reserviert-Schild mit seinem Namen. Kaum, dass wir Platz genommen haben, steht auch schon eine Servicemitarbeiterin mit schwarzer Bluse und lila Bistroschürze neben uns.

»Guten Morgen, was darf ich Ihnen zu trinken bringen?« Sie schenkt Sam ein Strahlen, dann mir ein höfliches Lächeln.

Dumme Pute, denke ich und antwortete: »Einen Earl Grey, bitte.«

»Gerne. Und für Sie?«

»Einen Café Creme, schwarz. Und Orangensaft und Sekt für uns beide.«

»Natürlich, sehr gerne.«

Sie dackelt ab, und ich stoße die Luft aus. Sie hätte ruhig etwas subtiler sein können.

Ich lasse den Blick schweifen, die Einrichtung besitzt trotz der modernen Linie Stil. »Echt stylisch. Wohnst du immer hier?« Ich lächele ihn an.

»Nein, das ist das zweite Mal. Die Lage ist für dieses Wochenende ideal.«

Aha? Sehe ich da ein Lächeln in seinem Mundwinkel?

Mann, hör auf damit!

»Das wird doch auf Dauer ziemlich teuer, oder? Die ganzen Hotels.«

»Deswegen sitzen wir ja hier.« Sam grinst und zieht sein Smartphone aus der Tasche, entsperrt es und legt es zwischen uns auf den Tisch. Er streicht sich das Haar zurück und öffnet seinen Kalender, zeigt mir die Termine und die dazu gehörigen Bilder der Wohnungen. Der erste Termin soll in einer Stunde stattfinden, der letzte um 14 Uhr.

»Wow, du bist gut organisiert.« Ich lächele ihn an.

»Das muss ich sein, ich manage die Belange der Band.«

»Echt? Ich hätte erwartet, dass ihr einen Manager habt.«

»Wir haben uns letztes Jahr von ihm getrennt, seine Ziele waren nicht unsere.«

»Aber das ist doch bestimmt sehr zeitaufwendig, wie schaffst du das alles?«

»Ich schränke mein Privatleben so weit wie nötig ein.« Sein Lächeln nimmt einen traurigen Zug an und er zuckt die Schultern. »Die Band ist mein Lebenstraum und den lasse ich mir nicht durch das falsche Management versauen. Ich hoffe, dass die Zusammenarbeit mit Ben uns weiterbringt, auch in Sachen Management.«

Ich nicke und lehne mich zurück, um der Kellnerin Platz zu machen, die uns die Getränke serviert. Wir bedanken uns, und Sam hält mir direkt das Sektglas zum Anstoßen entgegen.

»Auf einen erfolgreichen Tag! Und nochmals Danke für deine Hilfe.«

»Gerne!« Ich trinke einen Schluck und stelle das Glas schnell wieder hin, ich muss einen klaren Kopf behalten.

»Okay, dann lass uns doch mal zum Buffet gehen!« Er schiebt seinen Stuhl zurück, und ich folge seinem Beispiel.

Sam steuert zielsicher auf Behälter mit Rührei, Speck und anderen heißen Köstlichkeiten zu, doch ich sehe mir erst einmal das gesamte Angebot an. Ich hole mir einen Teller und bestücke ihn mit Obst, zwei Mini-Croissants und Honig. Dann gerate ich ins Stocken.

Wie viel darf ich essen, ohne zu verfressen rüberzukommen? Ich will nicht, dass er meint, ich sei zu fett, weil ich so viel esse. Auf der anderen Seite kann ich verdammt ungemütlich werden, wenn ich Hunger leide. Ich schlucke und legte die Gebäckzange wieder hin. Nach dieser Portion werde ich mir noch etwas Rührei holen, das muss reichen, bis ich wieder zu Hause bin. Da kann ich mich dann sattessen.

Zurück am Tisch nehme ich den Teefilter aus der Kanne und gieße mir eine Tasse ein. Seine Band interessiert mich, aber ich darf ihm auf keinen Fall verraten, dass ich ihn bereits gegoogelt habe. »Erzählst du mir etwas über deine Band? Wie habt ihr euch gefunden und so?«

Sam lächelt und schluckt den Bissen hinunter. »Phil, unser Schlagzeuger, und Tristan, Leadgitarre, waren mit mir auf dem Musikinternat. Wir haben schnell herausgefunden, dass wir dieselbe Musik mögen, vorrangig AC/DC und die Scorpions. Also haben wir uns in unserer freien Zeit zusammengetan, gespielt und unseren eigenen Stil entwickelt. Wir haben einen Bassisten aus der Kleinstadt gecastet, in der sich das Internat befindet, das war Logan. Dann haben wir Klinken geputzt, Auftritte organisiert und so weiter. Unser Stil entwickelte sich bald zu Symphonic Metal, deshalb haben wir vor zwei Jahren Freya dazu genommen, sie spielt E-Violine. Und Queenie, für die Background Vocals.«

»Habt ihr Erfolg mit diesem Konzept?«

Er hält inne, grinst mich an und forscht in meinem Gesicht.

Verdammt, steht etwa auf meiner Stirn, dass ich das Internet bereits durchforstet habe? Und selbst wenn, woher soll ich wissen, ob sie erfolgreich sind? Ich hebe die Brauen und versuche, möglichst locker zu wirken.

»Ja, das könnte man so sagen.«

»Schön.« Ich spieße ein Stück Ananas auf und schiebe es mir in den Mund, kaue. »Aber es war am Anfang bestimmt hart, oder? Oder konntet ihr sofort davon leben?«

Er schüttelt den Kopf und trinkt von seinem Kaffee. »Nein, wir haben alle noch etwas anderes dazu gelernt oder studiert.«

»Musik, nehme ich an.«

»Ja, bei den anderen ging es in die Richtung.«

»Bei dir nicht?«

Er lacht. »Nein.«

»Jetzt spann mich doch nicht so auf die Folter! Oder ist es etwas Peinliches?« Ich beuge mich vor.

»Musikmanagement.«

Ich reiße die Augen auf. »Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt. Warum ausgerechnet das?«

»Weil ich mich von niemandem über den Tisch ziehen lassen will.«

»Gesunde Einstellung.« Ich stehe auf und gehe zum Buffet, noch immer überrascht, welche Facetten sich von ihm zeigen.

Ich nehme mir zwei Löffel Rührei, schließe den Deckel und drehe mich um. Um ein Haar stoße ich mit Sam zusammen, der ziemlich dicht hinter mir steht. Ich zucke zusammen und kann gerade noch verhindern, dass mein Rührei vom Teller auf sein Hemd rutscht.

Dafür entwischt mir ein Klecks davon auf der anderen Seite des Tellers und trifft mich.

»Scheiße!«, fluche ich leise und sehe an mir hinab.

»Mist, tut mir leid, ich wollte dich nicht erschrecken. Hat es dich schlimm erwischt?«

»Halt mal!« Ich drücke ihm den Teller in die Hand und beuge mich vor. »Ist nur die Jeans, ich schaue mal, was ich ausrichten kann.« Ich eile zu den Toiletten und bin angenehm überrascht. Die Räume sind, wie erwartet, luxuriös ausgestattet, und auf der Ablage über den Waschbecken stehen kleine Körbchen mit einer Auswahl kleiner Helferlein. Gesichtsreinigungstücher, Handcremes, Kosmetika und sogar Fleckenmittel. Ich bearbeite mein Hosenbein mit einem gegen Eiweiß und Fett und halte meinen Oberschenkel anschließend unter einen Handtrockner. Wie es aussieht, wird ein Rand zurückbleiben, aber zu Hause werde ich mich noch einmal damit beschäftigen.

Ich kehre an den Tisch zurück, und Sams Blick fällt auf mein Bein. »Es ist nicht rausgegangen, oder?«

Ich setze mich auf meinen Stuhl und versuche zu ignorieren, dass sein Blick auf meinem Bein, so nah an meinem Schoß, mich erregt. »Äh, nein. Ich kümmere mich zu Hause darum.«

»Ich ersetze dir die Hose«, bietet er an, und ich schaue ihm in die Augen.

»Das ist doch Quatsch.«

»Vergiss es. Also, welche Marke trägst du?«

»Äh … S.Oliver.«

»Gut.« Er nickt, steht auf und greift nach meinem Teller. »Und jetzt hole ich dir frisches Rührei.«

 

*

 

»Hast du noch Zeit für einen Tee? Oder musst du direkt los?«

Sam hält die Tür des Wohnhauses auf und lässt mir den Vortritt. Der letzte Termin liegt hinter uns, und ich atme tief durch. Der Himmel hat sich zugezogen, der Wind ist schärfer geworden. Ich werfe einen Blick auf meine Armbanduhr und ziehe dann die Schultern bis zu den Ohren hoch. »Ich habe noch Zeit.«

»Da unten habe ich eine Bäckerei mit Café gesehen, ist das okay?« Er deutet mit dem Daumen über seine Schulter.

Ich lachte. »Klar! Warum sollte es nicht?«

Wir laufen den Gehsteig entlang. »Na ja, ich muss ja erst noch lernen, welche Ansprüche du hast.«

»Das hört sich total bescheuert an.« Ich verziehe das Gesicht. Nein, ich bin keines von diesen Püppchen, die nur einen auf Schickimicki machen. Sieht er das etwa nicht?

»Sorry, aber ich habe schon so meine Erfahrungen gemacht.«

Ich denke an all die Weiber, mit denen er abgelichtet wurde. Mit denen er rumgeknutscht hat. Oder gevögelt. Eifersucht zieht meine Brust zusammen.

»Keine Angst, du musst mich nicht beeindrucken.«

»Mir ist auch noch nichts eingefallen, womit ich das könnte.« Er lacht, hält mir die Tür zum Café auf und folgt mir hinein. Eine gemütliche Wärme hüllt uns ein, durchzogen von den verlockenden Düften nach Brot und süßem Gebäck. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen.

»Möchtest du etwas essen?«

Ich ignoriere mein Magenknurren und schüttele den Kopf. »Ich möchte nur eine heiße Schokolade mit Sahne, und vielleicht einen Cookie oder so.«

Er grinst. »Kakao und Kekse, das hatte ich seit Ewigkeiten nicht mehr. Super Idee!«

Sam trägt das Tablett mit den Tassen und einem Teller voller Cookies zu einem freien Nischentisch. Wir setzen uns einander gegenüber, legen die Jacken neben uns ab und widmen uns dem Kakao. Ich rühre die Sahne unter, nehme einen Schluck und stippe dann einen Keks kurz hinein, beiße ab.

Ich sehe ihm dabei zu, wie er es genauso tut, und bemerke das warme Gefühl in meiner Brust. Irgendwie fühle ich mich unglaublich wohl mit ihm, und für einen Moment verliere ich mich in einer Vision von uns beiden in der zuletzt besichtigten und schönsten Wohnung. Gemütlich auf die Couch gefläzt. Oder in der großen Eckbadewanne, auf einem Fell vor dem Kamin.

Verdammt, dieses Wunschdenken wird immer stärker. Woher kommt das? Bin ich wirklich so verzweifelt und liebeshungrig? Oder will ich nur Sex? Etwas, das ich bisher so noch nie in Betracht gezogen habe.

»Schmeckt irgendwie nach zu Hause, oder?«

Ich blinzele und schaue ihn an.

Ein Schmunzeln hängt in seinen Mundwinkeln. Und ein Stückchen Schokolade. Es zuckt in meinen Fingern, ich will die Schokolade wegwischen. Mit den Fingerspitzen über seine Lippen streichen. Scheiße.

»Mh-hm.« Ich senke den Kopf und tunke die andere Hälfte des Kekses in meinen Kakao.

»Okay, dann sag mir doch mal, welche Wohnung dir am besten gefallen hat. Und warum.«

»Hey, sie muss dir gefallen, nicht mir!« Ich lache.

»Trotzdem, sag’s mir einfach.«

Ich beiße mir auf die Unterlippe und lasse alles noch einmal Revue passieren. Eigentlich muss ich nicht lange überlegen, das Loft, das wir gerade gesehen haben, ist mein absoluter Favorit. Es ist großzügig geschnitten, verfügt über ein riesiges Wohnzimmer mit Kamin und teilweise mit Stein verblendeten Wänden, eine offene Küche, ein modernes Bad mit besagter Eckbadewanne und zwei Schlafzimmer. Außerdem gibt es eine Dachterrasse, und die Aussicht aus dem sechsten Stock ist rundum großartig. Und die Wohnung liegt zentral zwischen Altona und Ottensen.

»Das Loft gerade gefällt mir am besten. Der Schnitt, die Aussicht, die Ausstattung sind toll. Und sie passt irgendwie zu dir.« Ich zucke die Schultern und nehme mir noch einen Keks.

Sam hebt eine Augenbraue. »Sie passt zu mir? Wie kommst du darauf?«

»Bauchgefühl.«

»Das sagt dir dein … Bauch, ja?« Wie er das Wort Bauch betont, lässt mich erschauern, und an seine Hände darauf denken. Mir wird heiß und kalt. Beim Anblick meines Bauches würde er eher davonlaufen als seine Hände darauf legen. Nein, das wird definitiv niemals passieren. Ich straffe die Schultern und lege den Keks auf die Untertasse, mir ist der Appetit vergangen.

»Genau. Mit der Miete muss es natürlich auch passen.«

Er nickt. »Vielen Dank für deine Hilfe, ich werde mir später alles durch den Kopf gehen lassen.«

»Klar, gerne.« Ich trinke aus und seufze. »Ich muss dann mal los.«

»Ich rufe ein Taxi, ich kann dich zu Hause absetzen. Und keine Widerrede!« Er hebt die Hand und grinst, bevor ich einen Einwand erheben kann.

»Okay. Danke.«

 

*

 

Das Pling meines Handys reißt mich am frühen Abend aus der Lithargie, in die ich beim Gläserpolieren abgedriftet bin. Es ist noch ruhig im Hurricane, und das hat meinen Träumereien Tür und Tor geöffnet. Für meinen Kopf und mein Innenleben ist das mal gar nicht gut.

Ich lege das Glas im Geschirrtuch zur Seite, ziehe das Handy aus meiner Gesäßtasche und entsichere es mit meinem Fingerabdruck.

Eine Nachricht von Sam.

 

Sam: Bist du schon in der Bar?

 

Ich: Ja, warum?

 

Sam: Ich habe vergessen, dir etwas zu geben. Komme gleich auf dem Weg zum Bahnhof vorbei.

 

Ich: Okay.

 

Ich stecke das Smartphone wieder weg und grübele, aber ich komme nicht drauf, was es sein könnte. Nun ja, ich werde es erfahren.

Vielleicht eine halbe Stunde später hält ein Taxi auf dem Gehsteig vor den Fenstern. Ich räume gerade einen freigewordenen Tisch auf und werfe einen Blick hinaus. Eine dunkle Silhouette springt aus der Beifahrertür und kommt zur Tür.

Ich drehe mich um, es ist Sam, der eintritt und sich umsieht. Ich schwöre, bei seinem Anblick gerät mein Herz aus dem Takt und zieht das Tempo an.

Als er mich entdeckt, kommt er herüber und bleibt dicht vor mir stehen, hält mir etwas hin. »Hier, die hatte ich dir versprochen,« sagt er gerade laut genug, dass ich ihn höre.

Ich erkenne eine CD und greife danach, mustere das Cover. Das Logo sticht mir direkt ins Auge, darunter das Bild der Band, das ich schon auf der Homepage entdeckt habe. Ich schaue auf und in seine Augen, lächele. »Danke, daran habe ich gar nicht mehr gedacht.«

Er nickt. »Ich halte meine Versprechen.«

»Okay.«

Ich sehe, dass er zögert, und runzele die Stirn. »Ja?«

»Ich melde mich die Tage bei dir.«

Ach ja? In meinem Magen flattert es. »Okay.«

»Okay.« Er lächelt. »Dann bis bald, ja?«

Ich nicke.

Noch ein Zögern, dann legt er mir eine Hand auf die Schulter, beugt sich vor und – mein Herz beginnt zu rasen – küsst mich. Auf die Wange. Hauchzart.

Mich durchflutet eine Mischung aus Kribbeln und Enttäuschung, doch ich lasse mir nichts anmerken. Er richtet sich wieder auf, zwinkert mir zu und geht.

Und ich, ich stehe nur da und starre ihm nach. Seinen Duft in meiner Nase, das Gefühl seiner Lippen auf meiner Haut.

Arbeiten, ich muss arbeiten!

Ich zwinge mich dazu, den Tisch abzuwischen und mit dem Tablett zur Theke zu gehen. Ob Jens etwas bemerkt hat? Nein. Und wahrscheinlich ist es auch gut, dass Sabrina noch hinten im Büro arbeitet. Ihr wäre das gerade eben nicht entgangen.

Ich trete in die nächste Nische und halte die CD unters Licht, begutachte das Cover und Sams Gesicht. Lese die Titel auf der Rückseite und öffne dann die Hülle, um das Booklet einmal durchzublättern.

Dabei fällt etwas heraus, und ich hebe es schnell auf, halte es ebenfalls unters Licht.

Ein Gutschein von S.Oliver. Über 200 Euro.

 

*

 

Noch nie hat mir ein Abschied so viel ausgemacht. Ich muss mir etwas einfallen lassen und sie so bald wie möglich wiedersehen.

Es muss einen Grund geben, warum ich uns beide schon in diesem Loft gesehen habe. Im Bett, beim Frühstück, beim Fernsehen. Beim Zähneputzen.

Dieser Tag war ... Ich habe mich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt, bei ihr kann ich einfach nur Sam sein. Es geht mir gut, wenn sie da ist. Ich verstehe nur noch nicht, woran genau das liegt. Aber ich werde der Sache auf den Grund gehen, so schnell gebe ich nicht auf. Und vor allem will ich mit ihr singen, seit unserem Kennenlernen.

Ich weiß nur noch nicht, wie ich sie dazu überreden soll.

 

4.

Beim Blick in den Spiegel wallt das Gefühlschaos wieder auf und steigert meine Unsicherheit. Was, zur Hölle, tue ich hier eigentlich? Ich bin sauer auf Sam, und trotzdem habe ich einem Treffen zugestimmt.

Aber nur, um ihm die Meinung zu sagen!

Ich packe die Tunika am Saum und zerre sie mir über den Kopf, für mein Vorhaben ist sie auf jeden Fall zu schick. Also schlüpfe ich in eines meiner Lieblings-T-Shirts, mit dem Krümelmonster vorne drauf, und eine schwarze Kapuzenjacke. So, schön neutral, alle Kurven verhüllt. Perfekt!

Ich gehe ins Bad, um mir das Haar in einen seitlichen Zopf zu flechten, und denke an Montag zurück. Sam hat Wort gehalten und sich gemeldet. Um mich auf einen Burger und etwas Spaß einzuladen, wie er sagte. Da er am Wochenende geschäftlich mit seiner Band unterwegs sei, bleibe aber nur der Donnerstag. Und ich blöde Kuh habe zugesagt, weil ich am Freitag keine Vorlesung mehr habe.