3,49 €
Die Abenteuer des jungen Ragnor entführen Sie auf die ferne Welt des Planeten Makar, der begleitet von zwei Monden, einsam um eine rote Sonne kreist. Auf dieser mittelalterlich geprägten Welt, auf der es nicht nur Menschen gibt, erlebt der junge Mann, dessen Herkunft zunächst im Dunkel liegt, vielfältige Abenteuer. Dabei spielt die Quasar-Magie der Hüter Amas, der Paladine des Lichts, eine zunehmend wichtige Rolle, wobei Ragnor, Stück für Stück, deren Macht zu meistern lernt. Dies ist auch dringend geboten, denn die dämonischen Heerscharen Ximons, des Gottes der Finsternis, lauern bereits an den Portalen des Orcus, begierig in Bälde über die Bewohner Makars herzufallen.
In Band 8 der Saga wird Ragnor nach einer Auseinandersetzung mit dem neuen König überfallen und betäubt. Er erwacht als Galeerensklave ohne Gedächtnis mit einem Schild um den Hals - Ronga Massenmörder - Auf der Pirateninsel Krala kämpft er sich aus den Kampfgruben hoch zum Führer der Piraten, bis er nach einer Exkursion ins Inselinnere sein Gedächtnis wieder findet. Doch hat er keine Zeit in sein altes Leben zurückzukehren, denn eine große Schlacht gegen die Ximonpiraten aus Gromor muss erfolgreich bestanden werden.
Wer sich dafür interessiert, wie es weitergeht, kann gerne auf meiner Homepage: ragnor.de vorbeischauen.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
„Was gibt es Neues aus dem Westen?“, fragte Xitroca, der Hohepriester Ximons, wie jeden Morgen, wenn sein Sekretär kurz nach Sonnenaufgang seine Gemächer betrat.
„Heute Nacht sind wieder neue Nachrichten eingetroffen, Euer Exzellenz“, antwortete der, in einen blauen Seidenkaftan gehüllte, Khitarer. Er überreichte Xitroca ehrerbietig drei Schriftrollen. Der Protektor des finsteren Gottes grinste in sich hinein, während sein Gesicht dabei völlig reglos blieb. Ah, er liebte diese unterwürfige, gelbhäutige Menschenrasse, welche das große Kaiserreich im Osten bewohnte. Während er seinem Lakaien mit einer ungeduldigen Handbewegung bedeutete, dass er sich wieder entfernen sollte, wandte sich der Priester des dunklen Gottes den Schriftrollen zu. Gleich die erste der Papyrusrollen erfreute ihn überhaupt nicht. Sie bestätigte erneut das Scheitern seiner Bemühungen, Zephir zu unterwandern. Das zweite Schriftstück war da schon sehr viel besser, denn seine Gewährsleute berichteten darin aus dem Sultanat Gheitan. Dort war es ihnen gelungen, durch massive Bestechung, Zugang zum zweiten Sohn des Sultans zu bekommen. Dieser war nur zu gerne bereit gewesen für die Unterstützung seiner Herrschaftsansprüche, mit dem mächtigen Khitara zu paktieren. Der dritte Bericht schließlich erfreute ihn über alle Maßen. Die Ximonpiraten in Gromor hatten inzwischen ihre Stützpunkte weitgehend befestigt. Sie waren nun dabei, die Herrschaft über den Norden des Binnenmeeres an sich zu reißen. Lediglich ihre Konkurrenten, die Piraten von der Insel Krala, leisteten offenbar noch erbitterten Widerstand. Der Hohepriester Ximons überlegte einen kurzen Moment, griff dann zur Feder und schrieb: „Hiermit weise ich Euch an, Euer Augenmerk auf die Vernichtung der Kralapiraten zu richten. Ich erwarte, dass Ihr sie vollständig auslöscht und ihre Basis ‚Amaoppidium‘ alsbald erobert.“ Xitroca schüttelte sich voller Ekel, bei der Niederschrift des verhassten Namens „Festung Amas“.
So eine Stadt gehörte in seinen Augen bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Waren die Kralapiraten erst ausgeschaltet, dann stand seinen Plänen nichts mehr im Wege, vom Seehafen Samarkand in Gheitan aus, seine Armeen auf den Nordkontinent übersetzen zu lassen. Dieses Mal würde er diesen verfluchten Hüter nicht davon kommen lassen. Wenn er das nächste Mal vor den Mauern von Vidakar stand, beabsichtigte er alle dämonischen Mittel, welche ihm zur Verfügung standen, einzusetzen. Dann würde diesem Amaknecht auch seine lächerliche Festung nichts mehr nutzen. Doch bis dorthin war es noch ein weiter Weg. Zunächst musste er hier in Khitara die Amabruderschaft vernichten.
Welch ein Anblick! Moron, die Hauptstadt des Königreiches Lorca, hatte sich anlässlich der Krönung von Kronprinzessin Mirana da Maneca aufs Prächtigste herausgeputzt. Ralph da Caer, der Thronfolger des benachbarten Königreiches, welcher zusammen mit seinem Vater und seiner Schwester zu den Krönungsfeierlichkeiten angereist war, war begeistert von dem, in bunte Fahnen gehüllten, Traum aus weißem Marmor. War sie doch so ganz anders als die bürgerliche Strenge der, aus roten Ziegeln erbauten, Bürgerhäuser von Caerum. Doch nicht nur die Stadt war zu diesem freudigen Ereignis in festlicher Manier hergerichtet worden. Auch die Leibregimenter der Königin, in ihren blank polierten Panzern aus Chromstahl, begeisterten den Prinzen. Er nahm sich vor, umgehend mit Ragnor da Vidakar darüber zu verhandeln, Rüstungen für seine Reichsritter aus diesem prächtigen Material in dessen mercanschen Werkstätten fertigen zu lassen. Seine Ritterschaft sollte zu Kämpfern in schimmernden Harnischen werden. Alle Welt sollte sie nicht nur fürchten, sondern vor allem auch bewundern.
Während der Prinz seinen Plänen von Macht- und Prachtentfaltung nachhing, hatte sein Vater eingehend die zufriedenen Gesichter der Menschen betrachtet, in welchen sich die Begeisterung über das Ende der Schreckensherrschaft der Großkanzlerin, Cesarina, widerspiegelte. Noch vor einiger Zeit hätte er nicht einmal im Traum daran gedacht, eines Tages als willkommener Gast durch die Straßen von Lorcas glanzvoller Metropole reiten zu können. Jahrhunderte lang hatte eine erbitterter Feindschaft, die zudem auch zu mehreren blutigen Kriegen geführt hatte, zwischen den beiden Königreichen geherrscht. Nun hatte sich durch die Machtübernahme von Ragnors Mündel alles grundlegend geändert und es war gut so. Seit Ragnor da Vidakar auf der Bildfläche erschienen war, hatte der Anbruch einer neuen Ära für den Nordkontinent Makars begonnen. Der betagte König war mehr als dankbar, seinem Erben eine bessere Welt hinterlassen zu können, als er sie bei seiner eignen Krönung vorgefunden hatte.
„Freust du dich auf den morgigen Tag?“, fragte Ragnor sein Mündel Mirana just in demselben Moment, als er, zusammen mit Ansgar da Ratzenstein, die Anprobe der prächtigen Krönungsrobe verfolgte. Die junge Frau hob ob der Frage ein wenig hilflos die Schultern, was unter der schweren Robe aus Samt und Brokat alles andere als einfach war.
„Wenn du mich schon so fragst, hab ich eher ein wenig Angst davor. Die vielen Menschen und all die hohen Gäste. Obwohl ich jetzt bereits mehr als sechs Monde hier bin, bin ich es immer noch nicht gewöhnt, so im Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit zu stehen!“
Diese ehrliche Antwort entlockte ihrem Ziehvater ein aufmunterndes Lächeln und Ansgar, Miranas Verlobter, strich ihr liebevoll übers Haar, um ihr ein wenig von ihrer Nervosität zu nehmen.
„Weißt du“, fuhr Mirana fort, ihren Liebsten mit einem strahlenden Lächeln ob der zärtlichen Geste bedenkend, „das Ganze wäre wesentlich leichter für mich, wenn wir beide morgen gleich heiraten könnten. Dann fühlte ich mich nicht so einsam auf diesem furchterregenden Thron!“
„Nun, da wirst du wohl noch die vier Jahre abwarten müssen. Das Standesrecht von Lorca bestimmt nun mal, dass du erst am Tage deines zwanzigsten Geburtstages eine Ehe eingehen darfst.“
Als er sah, dass bei seinen Worten bereits wieder ein paar kleine Tränchen in den Augenwinkeln Miranas schimmerten, setzte Ragnor in liebevollem Ton hinzu: „Es gibt keinen Grund, deshalb traurig zu sein. Ansgar ist dein Gefährte. Du wirst sehen, dass sich gar nichts ändern wird, wenn ihr in vier Jahren schließlich heiratet.“
Der Herzog von Caer war vor etwas mehr als zwei Wochen in Lorca angekommen. Er hatte die letzten zwei Monde in Zephir jenseits des Binnenmeeres bei seiner Liebsten, Ferai al Raschid, verbracht. Dort war es ihm gelungen, mithilfe der Söldnerarmee, welche er von Lorca nach Zephir hatte verschiffen lassen, die Macht des neuen Kalifen, Achmed al Raschid, entscheidend zu festigen. Diese Streitkräfte sicherten nun die Nordgrenze nach Gromor und hatten inzwischen bereits damit begonnen, die heruntergekommenen Grenzforts zu bemannen und wieder in Stand zu setzen. Auf Anraten Ragnors hin, hatte der Kalif den Söldnern einen Streifen von fünfzig Meilen diesseits der Grenzforts zur freien Nutzung zur Verfügung gestellt. Dort war ihnen das Recht verliehen worden, Bauern anzusiedeln und Abgaben von diesen zu erheben. Dieser kluge Schachzug hatte dazu geführt, dass General Toros, der Anführer der Söldner, daraufhin beschlossen hatte, zur Sicherung dieses Gebietes, die Errichtung eines Grenzwalles ins Auge zu fassen. Diese Pläne wurden im Land bekannt gemacht. Sie hatten tatsächlich zur Folge, dass sich Freiwillige fanden, welche bereit waren, sich in dem fruchtbaren Gebiet unter dem Schutz der Söldner anzusiedeln. Da Ragnor die Bezahlung der Söldner für das erste Jahr übernommen hatte, war es dem Kalifen leicht gefallen, Baumaterial und Handwerker für dieses Vorhaben kostenlos bereitzustellen. Überdies machte er General Toros zum Wali der neuen Grenzprovinz Frontera, was in Caer etwa der Stellung eines Barons entsprach.
Diese Veränderung der Machstrukturen in Zephir nahm nun auch den Druck von Prinzessin Ferai, unbedingt einen der Söhne des Hochadels von Zephir ehelichen zu müssen. So konnten sie und Ragnor einige Wochen unbeschwerten Glücks miteinander verbringen, die auch dem letzten Heiratskandidaten den Mut nahmen, die Prinzessin doch noch für sich gewinnen zu können. Wer von ihnen konnte und wollte ernsthaft mit einem Hüter Amas konkurrieren?
Kalif Achmed war ganz schön überrascht gewesen, als Ragnor, zwei Wochen vor der Ankunft der Transportflotte in Rujaka, bei ihm in Baghapur aufgetaucht war, um ihn vom Kommen der Söldner in Kenntnis zu setzen. Natürlich war er hoch erfreut gewesen, denn er hatte bereits seit mehreren Monden versucht, nennenswerte Kontingente von Söldnern anzuwerben, ohne dass ihm allzu großer Erfolg beschieden gewesen war. Als Achmed Ragnor die Rückerstattung des vorgestreckten Soldes anbot, welchen Ragnor General Toros bereits in Duralum übergeben hatte, hatte dieser abgelehnt. Stattdessen hatte er als Kompensation seiner Aufwendungen die Erlaubnis für die Errichtung von Freihandelskontoren erbeten. Frohen Gemüts hatte der junge Kalif zugestimmt. Er hatte dadurch die dringend benötigten Mittel, für die Aufrüstung seiner Streitkräfte und die Errichtung von Befestigungen an der Grenze, zu seinem unruhigen Nachbar Gromor, freibekommen.
Als Ragnor dann schließlich, kurz vor seiner Abreise nach Lorca, bei seinem alten Handelspartner, Karim al Wasir, vorbeischaute, war dieser zunächst alles andere als erfreut gewesen, als ihm der junge Herzog von seinem Handelsabkommen mit dem Kalifen berichtet hatte. Als ihm dieser dann aber eine Partnerschaft vorschlug, war Karim sogleich Feuer und Flamme. Die Leitung der zephirischen Mercator Gesellschaft und ihrer Niederlassungen in Zephir würde ihm nicht nur großen Reichtum, sondern auch den lang ersehnten, gesellschaftlichen Aufstieg einbringen. Er würde dann häufig mit Ali Pascha, dem neuen Großwesir des Kalifen, verhandeln müssen. Damit würde er über kurz oder lang die Chance bekommen, ebenfalls in den Adelsstand erhoben zu werden, was schon sehr lange sein sehnlichster Wunsch war.
Dann war der Tag der feierlichen Krönung in Moron schließlich gekommen und Ragnor konnte sich nicht erinnern in seinem bisherigen Leben jemals an einem derart prächtigen Fest teilgenommen zu haben. Ein Meer von Blumen schmückte den Thronsaal, in welchem die hohen Gäste Aufstellung genommen hatten, um der Krönung von Mirana da Maneca durch den obersten Amapriester Lorcas beizuwohnen.
Ralph da Caer, der mit seinem Vater als höchster geladener Staatsgast auf den vorderen Plätzen saß, war zunächst wie geblendet von dieser Pracht aus weißem Marmor und Gold. Doch all dies verblasste, als die Kronprinzessin den Saal betrat. Gekleidet in ein Kleid aus roter Seide, die Haare hochgesteckt, schien sie förmlich durch den Saal zu schweben, sodass der Prinz es kaum fassen konnte. Diese wunderschöne junge Frau sollte die kleine, magere Mirana sein, welche er einstmals versucht hatte, in seinem dummen Rachefeldzug gegen Ragnor zu vernichten? Er hatte natürlich im Vorbeigehen nur einen kurzen Blick auf ihr Gesicht werfen können, doch als sie sich, die Krone auf dem Haupt, der jubelnden Menge zuwandte, traf es ihn wie ein Blitz. Seine Fassungslosigkeit erhöhte sich, als die tiefblauen Augen der Königin bei ihrem Rundblick über die Menge, ihn kurz fixierten und dabei sogar, für einen Moment, auf seinem Gesicht zu verweilen schienen. Plötzlich war da ein enges und doch wunderschönes Gefühl in seiner Brust, welches er bisher nie kennengelernt hatte. Er wusste plötzlich, diese Frau musste die Seine werden, koste es, was es wolle.
Die Verwirrung des, ansonsten eher kalten, Prinzen vertiefte sich noch, je weiter der Krönungsball fortschritt. Er wusste dabei nicht einmal so recht, ob seine Freude über den Tanz, den ihm Mirana da Maneca geschenkt hatte, oder der Ärger über Ansgar da Ratzenstein, dem für jeden sichtbar ihr Herz gehörte, überwogen hatte. Dies war ihm in aller Schärfe klar geworden, als die Königin, kurz nach ihrer Inthronisierung, Ansgar zum Grafen von Burgos, dem Stammland ihrer Familie, gemacht hatte.
Ralph da Caer, der sich nie viel aus anderen Menschen und deren Gefühlen gemacht hatte, litt wie ein Hund, wenn die Königin in Ansgars Armen durch den Saal schritt. Je mehr ihm die Vertrautheit und das Glück der beiden bewusst wurde, desto mehr begann er, Ansgar dafür zu hassen. Er hatte ihn ja schon früher nicht ausstehen können, aber nun begann, ein fast irrationaler, tiefer Hass in ihm zu wachsen. Welch ein Glück, dass Mirana da Maneca noch vier Jahre warten musste, bevor sie diesen Emporkömmling würde ehelichen können!
Bei diesem Gedanken stahl sich ein böses Lächeln in die Mundwinkel des Prinzen. Vier Jahre waren eine lange Zeit. Da konnte so einiges geschehen!
Am nächsten Tag, auf ihrer Rückreise nach Caer, beobachtete der König, sichtlich amüsiert seinen Sohn. Dieser gab sich zunächst recht wortkarg und brütete nur so vor sich hin. Selbstverständlich war seinem Vater nicht entgangen, mit welcher Vehemenz der Anblick von Mirana da Maneca Ralph aus der Bahn geworfen hatte. Noch nie hatte er seinen arroganten Sprössling so unsicher gesehen, als zu diesem Zeitpunkt. Doch gerade das machte ihm Mut, Ralph könnte sich vielleicht zum Besseren verändern. Doch weit gefehlt. Die Pläne, welche sein Sohn aufgrund seiner hoffnungslosen Leidenschaft für die junge Königin in seinem Kopf zu schmieden begann, hätten seinen aufrechten Vater wohl zutiefst entsetzt. So war es ganz gut so, dass sie ihm verborgen blieben. Der Prinz richtete indes sein Augenmerk darauf, sich Ansgar und Mirana zu Freunden zu machen, um zum einen seine Angebetete reich beschenken zu können und zum anderen seinen verhassten Rivalen erst einmal in Sicherheit zu wiegen. Es war ihm nur zu klar, dass niemals nur der Schatten eines Verdachtes auf ihn fallen durfte, sollte Ansgar da Burgos, tragischer Weise, etwas zustoßen.
Ragnor war indessen in den Straßen Morons zwischen den hohen Bürgerhäusern mit den prächtigen Marmorfassaden unterwegs, um sein dortiges Mercator Kontor aufzusuchen. Alberto Kordes, der bisher das Kontor geführt hatte, war in den aktiven Militärdienst zurückgekehrt. Es galt nun, den Nachfolger in sein Amt einzuführen. Da Auguste Malleine ebenfalls wieder in den Dienst der Krone getreten war, beglückwünschte sich Ragnor dazu, dass er Miranas Onkel Massimo dafür hatte gewinnen können, die Leitung seiner lorcanschen Kontore zu übernehmen.
Der vormalige König war richtig glücklich gewesen, dass Ragnor da Vidakar ihm angeboten hatte, eine derartig wichtige Aufgabe zu übernehmen. So konnte er in Moron und vor allem in der Nähe seiner Nichte bleiben, ohne ihr auf der Tasche zu liegen. Massimo hatte keine eigenen Einkünfte mehr, seitdem er das Erbe seines Vaters, des Barons von Loco, ausgeschlagen und einem seiner Neffen aus der väterlichen Linie den Besitz übertragen hatte. Dies war ihm nur als recht und billig erschienen, da seine Mutter seinen Vater ja kaltblütig ermordet hatte, als er ihren ehrgeizigen Plänen im Weg gestanden hatte. Um es Massimo zu gestatten, möglichst viel Zeit in Moron zu verbringen, hatte Ragnor, auf dessen Bitte hin, kurzerhand beschlossen, den Hauptsitz der Handelsgesellschaft von der Hafenstadt Duralum in die Hauptstadt zu verlegen.
Als er schließlich am Kontor anlangte, erwartete ihn Massimo da Loco bereits am Eingangstor seiner Niederlassung, welche in der Oberstadt nahe dem Palast gelegen war. Der schlanke, zurückhaltende, junge Mann mit dem schütteren, blonden Haar war richtiggehend aufgeblüht, seit sich in Moron alles zum Guten gewendet hatte. Ragnor drückte ihm wortlos die dargebotene Hand. Der Blick des Einverständnisses, welchen beide Männer miteinander wechselten, bedurfte keiner weiteren Worte. Der junge Herzog mochte Miranas Onkel, denn er hatte ihn als einen aufrechten, warmherzigen Menschen kennengelernt, welcher unendlich unter der Machtgier seiner Mutter gelitten hatte. Es bereitete Massimo auch heute noch gelegentlich schlaflose Nächte, wenn er darüber nachgrübelte, welche Verbrechen wohl noch in seinem Namen an den Lorcanern verübt wurden.
Zur Feier des Tages hatte es sich die junge Königin nicht nehmen lassen, ein kleines festliches Essen zu Ehren ihres Onkels zu geben. Nachdem der offizielle Teil, die Übergabe der Geschäfte an Massimo, beendet war und die Königin wieder in den Palast zurückgekehrt war, trafen sich Ansgar, Massimo und Ragnor im Hauptbüro des Kontors, um über die Neugründung einer Niederlassung in Ansgars Grafschaft, Burgos, zu beraten. Die Haupteinnahmequelle dieser Grafschaft war die Verarbeitung von Schafswolle, welche in großen Mengen im angrenzenden Ordensland produziert wurde. Vor etwa zwanzig Jahren hatten einige mercansche Handwerker, welche zu dieser Zeit in Burgos gelebt hatten, neuartige Webstühle und effiziente Walkmühlen entwickelt, sodass dort schnell die Herstellung von Wollstoffen zu einer guten Einnahmequelle geworden war.
Durch die Vertreibung der Mercaner, beginnend vor etwas mehr als zehn Jahren, hatte dieser Wirtschaftszweig jedoch mehr und mehr stagniert, da die zurückbleibenden Lorcaner nicht in der Lage gewesen waren, die Webstühle und Walkmühlen instand zu halten, geschweige denn, neue zu bauen.
„Wir sind uns also einig, dass es möglich wäre, die Herstellung von hochwertigem Wolltuch mehr als zu vervierfachen, wenn es uns gelänge, einige hundert neue Webstühle zu fertigen und ein halbes Dutzend neue Walkmühlen zu errichten“, resümierte Graf Ansgar das Ergebnis ihrer Analyse dieser ehemaligen Haupteinnahmequelle seiner Grafschaft.
Massimo da Loco nickte zustimmend und fügte hinzu: „Ja, das sehe ich genauso. Was meint Ihr, mein lieber Ragnor. Seht Ihr eine Möglichkeit, uns die Webstühle bauen und liefern zu lassen und einige mercansche Mühlenbaumeister zu motivieren, für einige Zeit nach Burgos zu kommen, um neue Walkmühlen für Graf Ansgar zu errichten?“
Ragnor hatte interessiert zugehört, aber bisher recht wenig mit dem Textilhandel zu tun gehabt. So bat er Miranas Onkel, welcher sich gut auf diesem Gebiet auszukennen schien, ihm zunächst einmal kurz zu erklären, welche Arbeitsschritte zur Herstellung guter Wollstoffe notwendig waren.
Dieser Aufforderung kam dieser nur zu gerne nach und erläuterte dem jungen Herzog die wichtigsten Schritte: „Zweimal im Jahr kommen die Schafe im Ordensland unters Messer und werden von ihren Besitzern geschoren. Bis zu fünf Kilogramm Wolle fällt dabei pro Jahr und Schaf an. Die anschließende Reinigung der Wolle geschieht nur mit Regenwasser und Kernseife. Die schonende Reinigung ist sehr wichtig, denn nur so bleibt das wertvolle Wollfett Lanolin in der Wolle erhalten, macht diese geschmeidig und erhöht damit die Lebensdauer. Nach der Trocknung wird die Wolle vorsichtig mit Steppendisteln gekämmt. Dabei werden die restlichen Verunreinigungen, wie zum Beispiel Pflanzenfasern, entfernt und die Wolle bekommt eine luftige Struktur, in der man sie gut weiterverarbeiten kann.
Anschließend wird die Wolle auf den Spinnrädern im Ordensland und in Burgos zu Garn gesponnen, und dann auf den Webstühlen in Burgos zu Stoffen weiterverarbeitet. Danach wird der Stoff gewalkt. Walken bedeutet, dass der Stoff stundenlang von den hölzernen Hämmern der Walkmühlen bearbeitet wird, wodurch er sich zusammenzieht und damit fest- und widerstandsfähig wird.“
Während Massimo da Loco sprach, strich Ragnors Hand nachdenklich über einige Stoffmuster, welche ihm dieser als Anschauungsmaterial mitgebracht hatte. Es reifte in ihm der Entschluss, mit seinen Handelskontoren in den Tuchhandel einzusteigen. Doch noch war ihm nicht so recht klar, welche Gewinne sich in diesem Geschäftszweig erzielen ließen. Also hakte er nach, bevor er bereit war, selbst einen Vorschlag zu unterbreiten: „Welchen Preis erzielt Ihr bei den Händlern für einen Ballen von diesem Tuch?“
„Nun, wenn er von vorzüglicher Qualität ist, wie dieser hier, ungefähr ein Goldtalent“, antwortete Ansgar da Burgos, dem klar gewesen war, dass Ragnor danach fragen würde.
„Welchen Preis kann man dafür, zum Beispiel, in Moron erzielen, mein lieber Massimo?“, fragte Ragnor nach.
Als dieser einen Moment zögerte, weil er offenbar nicht wusste, wie er antworten sollte, munterte ihn Ragnor lächelnd auf: „Ich meine schon den tatsächlichen Preis. Wir beide wollen doch den zukünftigen Prinzgemahl nicht über den Tisch ziehen!“
„Nun, ich denke so an die zehn Goldtalente werden es schon sein!“
Ragnor nickte zufrieden. Nun hatte er die entscheidenden Rahmendaten für seinen Vorschlag beisammen: „Also gut, mein lieber Graf Ansgar. Ich unterbreite folgendes Angebot: Ich bin bereit, dir jedes Jahr einhundert mercansche Webstühle bauen und liefern lassen. Auch werde ich einen meiner Mühlenbaumeister dahingehend motivieren, für einige Zeit nach Burgos, in unser neues Kontor, zu ziehen, bis ein halbes Dutzend neuer Walkmühlen erbaut und die noch Bestehenden repariert wurden. Danach kann er dort bleiben, falls es ihm gefällt, oder Lehrlinge ausbilden, welche seine Aufgabe übernehmen können, falls er wieder zurückkehren möchte. Da ich weiß, dass deine Grafschaft momentan finanziell etwas klamm ist, schlage ich dir eine Partnerschaft vor. Ich finanziere die Webstühle und deren Transport. Du bezahlst die Handwerker. Ich verpflichte mich darüber hinaus, die nächsten fünf Jahre alles Tuch der ersten Qualität zu einem Preis von zwei Goldtalenten pro Ballen abzunehmen und, auf meine Kosten, über die Mercator Handelsgesellschaft weiterzuverkaufen. Nach fünf Jahren, werden wir dann Bilanz ziehen und gegebenenfalls neu verhandeln!“
Ansgar gefiel dieser Vorschlag, denn er wusste, dass Ragnor ihn nicht zu übervorteilen gedachte. Also schlug er ein, obwohl ihm natürlich klar war, dass Ragnor aus ihrem Abkommen ebenfalls einen stattlichen Profit schlagen würde. Insbesondere in Caer waren Wollstoffe dieser Qualität eher rar und darüber hinaus für die Herstellung von Winterkleidung sehr begehrt.
Für Massimo da Loco, den neuen Generalfaktor der Mercator Handelsgesellschaft in Lorca, war es eine durchaus neue Erfahrung, in welchen großen Dimensionen sein neuer Dienstherr plante und investierte. Graf Ansgars Bürger würden schnell in Lohn und Brot kommen, durch die Vorfinanzierung des Caerers. Dennoch glaubte er zu wissen, dass sich das Ganze bereits im dritten Jahr auch für die Mercator Handelsgesellschaft lohnen würde und die ersten Profite eingefahren werden konnten. Dazu kam natürlich noch, dass durch die Aufnahme von Burgos in das Handelsnetz, auch alle anderen Waren aus Ragnors Sortiment dort verkauft werden würden. Also beschloss er einen wirklich guten Mann für die Leitung Burgos auszuwählen. Es war Massimos Ehrgeiz, Herzog Ragnor zu beweisen, dass man durch die normalen Handelserlöse, welche nicht unmittelbar mit der Tuchproduktion zu tun hatten, noch viel schneller die Gewinnzone würde erreichen können.
König Ralph V. ging es auf seiner Rückreise nach Caer, insbesondere auf der Seepassage von Duralum nach Santander, ziemlich schlecht. Sein chronisches Magenleiden, zusammen mit seiner Veranlagung zur Seekrankheit, streckte ihn förmlich nieder. So kam er schließlich krank und völlig entkräftet auf der Insel Kaar an. Graf Rurig, zutiefst erschrocken über den schlechten Gesundheitszustand seines Königs, rief seine besten Feldscher herbei. Diese verfügten einmütig, dass der König wohl für mehrere Wochen das Bett würde hüten müssen, bevor er wieder reisefähig sein würde.
Diesen Umstand nutzte der Prinz, um gemeinsam mit dem Grafen nach Vidakar zu reisen, wo er seit dem letzten Krieg gegen die Lorcaner nicht mehr gewesen war.
Hatte ihn der Ritt über die durchgängig gepflasterte Straße noch nicht sonderlich beeindruckt, so war der Prinz überwältigt, als Vidakar altus am Horizont auftauchte. Natürlich hatte die Stadt noch nicht die Größe von Caerum oder Moron, aber dennoch war die Ausdehnung der Stadt für eine Neugründung bereits gewaltig. Das Haupttor mit seinen vorgelagerten Feuertürmen war dabei mehr als imposant. Deshalb entschied der Prinz, für den Grafen ausgesprochen überraschend, im Gasthof zum „Dämonentöter“ Quartier zu nehmen, anstatt auf der Burg zu nächtigen. Er beabsichtigte, sich die neue Stadt des Abends einmal in Ruhe näher anzusehen. Der Graf ritt seinen beiden Leibrittern hinauf zur Festung, während der Prinz den Gastraum des nagelneuen Gasthauses betrat. Indessen kümmerte sich seine Eskorte um die Unterbringung der Pferde.
Als dieser schließlich den Schankraum durch eine, aufwendig mit Messing beschlagene, helle Eichentür betreten hatte, begrüßte ihn der Wirt. Der Mercaner machte eine tiefe, ehrerbietige Verbeugung, das Wappen des Königshauses wohl erkennend.
„Was kann ich für Euch tun, edler Herr?“, fragte er höflich nach des Prinzen Begehr.
„Ich bin Kronprinz, Ralph da Caer. Ich benötige für meine vier Begleiter und mich Eure besten Räume und eine angemessene Bedienung!“, antwortete dieser, in gewohnt hochfahrenden, Ton.
Gänzlich unbeeindruckt davon, aber immer noch freundlich lächelnd, verbeugte sich der stämmige Mercaner erneut, klatschte in die Hände und rief: „Herbei Ihr Mägde, bitte geleitet unseren hochgeborenen Gast, den verehrten Kronprinzen von Caer, in die Fürstenkammer!“
Dort angekommen, staunten der Prinz und seine Begleiter nicht schlecht, als ihm eine junge hübsche Magd die, aus drei hellen geräumigen Räumen bestehende, äußerst komfortabel ausgestattete, Unterkunft zeigte. Insbesondere die Tatsache, dass der Vorraum eine eigene Wasserzapfstelle, anstelle des sonst üblichen Wasserkruges besaß, beeindruckte die Gäste zutiefst. Nicht einmal die königlichen Paläste in Caer und Moron besaßen etwas Derartiges.
Wirklich überrascht wurde der Prinz aber an einem Ort, wo er es am wenigsten erwartet hätte, nämlich auf dem Abtritt. Als er ihn nach dem hervorragenden Mahl aufsuchte, hatte er sich gleich gewundert, dass der, ansonsten dort übliche dumpfe, Gestank fehlte. Er hob den Verschluss des merkwürdigen Sitzes. Tatsächlich schien das Gefäß darunter einigermaßen sauber zu sein.
Also setzte er sich darauf und verrichtete sein Geschäft. Da lag es nun in der Schüssel und stank, wie es eben immer stank. Als Ralph da Caer neugierig an der, rechts vom Sitz angebrachten Kette zog, erschrak er zunächst, als mit lautem Getöse Wasser in die Schüssel stürzte und die Fäkalien mit sich nahm. So etwas hatte er noch nie in seinem Leben gesehen, aber er wusste – das musste er unbedingt ebenfalls haben.
Es war unglaublich, wie viele Neuerungen in Caer Einzug gehalten hatten, seit Ragnor da Vidakar die Mercaner ins Land geholt hatte. Es war wirklich ärgerlich, dass sein Vater es verpasst hatte, nach der Vertreibung dieser Volksgruppe aus Lorca, diese in der Grafschaft Caer anzusiedeln. Aber das war nun mal nicht mehr zu ändern. Der oberste Kämmerer seines Vaters hatte ihm überdies mitgeteilt, dass die Mercaner äußerst loyal zu Vidakar standen. Bei einigen, durchaus lukrativ dotierten, Versuchen, begabte Metallurgen abzuwerben, waren diese höflich aber bestimmt abgelehnt worden.
Als Ralph am folgenden Tag Herzog Ragnor seine Aufwartung machte, hatte er eine lange Liste an Wünschen im Gepäck. Ragnor war sehr erfreut darüber, dass der stolze Prinz, Ralph da Caer, gedachte, einen erheblichen Teil der fleißig sprudelnden Einnahmen aus seiner neuen Diamantenmine für Vidakarer Waren auszugeben.
Prinz Ralph, Graf Rurig und Herzog Ragnor saßen nach den Einkaufsgesprächen mit verschieden verantwortlichen Mercanern auf der Burg beim gemeinsamen Mittagsmahl in Ragnors Rittersaal. Während sich die Männer über den Rehrücken hermachten, schwärmte der Prinz mit großer Begeisterung von den Chromstahlrüstungen, welche er in Vidakar für seine Reichsritter in Auftrag gegeben hatte.
Ragnor war indes eher glücklich darüber, dass sich Ralph nicht für Rüstungen aus schwarzem Tamiumeisen interessiert hatte, da dieses seltene Metall dringend für seine Waffenproduktion benötigt wurde. Deshalb bestärkte er ihn in seiner Ansicht, dass die psychologische Wirkung auf einen Feind sicherlich überwältigend sein würde, wenn man einer derartig gerüsteten Streitmacht gegenübertreten musste. Das würde ja auch so sein, denn im Gegenlicht würde der Gegner derart geblendet werden, dass eine gezielte Bekämpfung mit Fernwaffen ausgesprochen schwierig sein würde. Dennoch zog Ragnor natürlich die Rüstungen aus Tamiumeisen wegen des geringeren Gewichts und der besseren Schutzwirkung vor. Ama sei Dank, hatte der Prinz noch nie eine derartige Rüstung getragen. So konnte der Herzog seine Vorräte an dem wertvollen und seltenen Metall schonen.
Nachdem Prinz Ralph seiner Begeisterung über die neuen Rüstungen Ausdruck verliehen hatte, meinte er nun einen günstigen Zeitpunkt gefunden zu haben, um Ragnor ein wenig über Mirana ausfragen zu können. Er eröffnete seinen Versuch mit einer freundlichen Bemerkung über die neue Königin von Lorca: „Mein lieber Ragnor, ich war äußerst erstaunt, wie erwachsen Euer Mündel inzwischen geworden ist. Sie hat bei der langwierigen und sicherlich anstrengenden Krönungsprozedur eine wirklich gute Figur gemacht!“
Der Herzog ließ sich sein Erstaunen über den plötzlichen Themenwechsel des Prinzen nicht anmerken und antwortete ganz entspannt: „Ja, das hat sie, in der Tat. Doch Königin werden, war einfach im Vergleich zu der Aufgabe, Königin zu sein!“
„Da habt Ihr sicherlich recht! Aber sie kann Euch ja um Rat fragen, sollte sie diesen benötigen.“
Freundlich aber bestimmt, schüttelte Ragnor den Kopf und entgegnete: „Ich glaube nicht, dass das von Nöten sein wird. Sie hat mit Ramon da Torres und General Malleine ausgezeichnete Berater an ihrer Seite. Im Notfall ist ja Ansgar an ihrer Seite, da kann ihr sicherlich nichts Ernstliches zustoßen!“
Bei der Nennung des Namens seines verhassten Nebenbuhlers zuckte der Prinz leicht zusammen, fing sich aber gleich wieder und entgegnete: „Ja unser Ansgar. Erst Ritter in Kaarborg und dann Graf von Burgos. Wer hätte das gedacht!“
„Nun, jeder, wie er es verdient!“, warf Graf Rurig schmunzelnd ein, wohl erkennend, dass Ansgars steile Karriere dem Prinzen offensichtlich missfiel, auch wenn er versuchte, dies vor Ragnor zu verbergen.
„Was ich Euch eigentlich fragen wollte, mein lieber Ragnor, ist, ob das Königreich Caer etwas tun kann, um die junge Königin zu unterstützen?“
Diese Frage überraschte Ragnor nun wirklich, sodass er einen Moment überlegen musste, bevor er antwortete.
„Nun ich denke, dass es in beiderseitigem Interesse wäre, in Zukunft einen regen, diplomatischen Austausch zu pflegen und insbesondere die Handelsbeziehungen auszuweiten. Lorca braucht vor allem Gelbkorn, da die ehemalige Kanzlerin große Teile der letzten Ernte nach Zephir verkauft hat. Nun herrscht Nahrungsknappheit an vielen Orten. Diesen Umstand schnellstens zu beseitigen, ist für Königin Mirana eine wirkliche Herzensangelegenheit!“
Die nun folgende Reaktion des Prinzen überraschte sowohl den Grafen als den Herzog gleichermaßen. Ralph schlug vor, umgehend mit seinem Vater darüber sprechen zu wollen, ob dieser bereit wäre, einige tausend Tonnen aus der Nahrungsmittelreserve in den Kornspeichern von Caerum nach Lorca verschiffen zu lassen.
Graf Rurig fasste sich zuerst und kommentierte des Prinzen Vorschlag mit den Worten: „Nun, ich denke – das würde Königin Mirana sehr freuen, wenn Ihr Euch dafür einsetzt. Ich denke, Ihr werdet bei Eurem Vater auf jeden Fall für Solches ein offenes Ohr finden!“
„Nun, dann werde ich umgehend nach Kaar aufbrechen, um mit meinem Vater zu sprechen. Sollte er noch nicht reisefähig sein, werde ich selbst unverzüglich nach Caerum eilen, um die Hilfe auf den Weg zu bringen!“
Ragnor konnte kaum glauben, was er da hörte. Der Prinz setzte sich für die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung der einfachen Leute in Lorca ein? Er, der das gemeine Volk eigentlich immer verachtet hatte! Entweder hatte den Prinz nun doch der staatsmännische Weitblick gepackt, oder er hatte sich tatsächlich ein wenig in sein Mündel verguckt. Doch egal, was es nun war, der Vorschlag war gut und nützlich. Der junge Herzog fand es nun an der Zeit, dem Prinzen mitzuteilen, dass es seinem Vater inzwischen wieder gut ging. Er war in der vorherigen Nacht, über seine Domäne nach Kaar gereist und hatte, mittels seinen inzwischen verbesserten Heilerfähigkeiten, die Magenprobleme des Königs beseitigt, sodass dieser wieder wohl auf war.
Dies war ihm recht leicht gefallen, da der Leibarzt der gräflichen Familie in der Lage gewesen war, ihm die Symptome der Krankheit bis ins Kleinste zu schildern. Danach war es nicht schwierig gewesen, die Ursache seiner Leiden, ein offenes Magengeschwür, zu beseitigen.
Nun war es am Prinzen zu staunen, denn er hatte zwar inzwischen sowohl von den Reisemöglichkeiten, als auch den Heilerfähigkeiten Ragnors gehört. Dennoch fiel es ihm schwer, dies alles auch zu glauben. Doch die Selbstverständlichkeit, mit der Graf Rurig Ragnors Bericht hinnahm, ließ eigentlich keinen Zweifel zu, dass dieser die Wahrheit sprach.
Als Prinz Ralph einige Tage später wieder auf der Insel Kaar anlangte, konnte er sich selbst davon überzeugen, dass sein Vater sich gut erholt hatte. Auf seine Frage hin, wie Ragnor das gemacht hatte, konnte ihm dieser aber keine befriedigende Antwort geben. Offenbar war der junge Herzog „nur“ an des Königs Bett gesessen und dabei dessen Hand gehalten, während er, versehen mit einem starken Schmerzmittel, geschlafen hatte. Am nächsten Morgen waren die Schmerzen dann wie weggeblasen gewesen. Der greise Monarch hatte sich sogar in der Lage gesehen, ein opulentes Frühstück einzunehmen, ohne dass es ihm danach wieder übel geworden wäre.
Natürlich war der König, auf die Bitte seines Sohnes hin, welche ihn im Gegensatz zu Ragnor und Rurig nicht erstaunte, gerne bereit gewesen, das erbetene Gelbkorn zur Verfügung stellen zu lassen. Er war keineswegs verwundert darüber, dass sein Sohn darauf bestand, den ersten Konvoi persönlich nach Lorca zu bringen. Es war jedoch erstaunlich, was die Gefühle für eine Frau aus einem jungen Mann wie ihm machen konnten. Er tat plötzlich Dinge, für die er früher nur ein verächtliches Lächeln übrig gehabt hätte.
Doch Prinz Ralph hatte noch viel mehr vor, bei seinem bevorstehenden Besuch in Lorca. Er wollte der schönen Königin ein überaus wertvolles Collier, gefertigt aus den schönsten Diamanten seiner Mine, schenken. Vielleicht gab es doch noch einen Weg zum Herzen Miranas.
Auf Vidakar machte sich Ragnor so seine Gedanken über die wundersame Wandlung des Prinzen. Er erkannte dabei durchaus die Gefahr, welche aus Ralphs offensichtlichem Interesse für Mirana erwachsen könnte. Doch momentan konnte man nichts anderes tun, als abzuwarten, wie sich die Geschichte weiterentwickeln würde.
Mit diesem, durchaus beunruhigenden, Gedanken wandte sich der junge Herzog nun wieder seinen vielfältigen Aufgaben zu, von denen eine ganze Menge durch die Hochzeit liegen geblieben war. Es musste so Vieles auf den Weg gebracht werden, bevor er sich wieder einmal einen Besuch bei seiner Geliebten, Ferai, leisten konnte. Also Schluss mit dem Gegrübel und ran an die Arbeit!
Derweil machten sich in Lorca Mirana und ihre Berater daran, die Schäden zu beseitigen, welche unter der, allseits verhassten, Kanzlerin angerichtet worden waren. Dafür mussten zuerst die Gouverneure der Provinzen ausgetauscht und das unrechtmäßig angeeignete Vermögen der willfährigen Vasallen Cesarinas eingezogen und den rechtmäßigen Besitzern zurückgegeben werden. Um sicherzustellen, dass dies auch zügig geschah, hatte die Königin ihren alten Generalstab wieder eingesetzt. Sie hatte diesen, mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet, in diese Provinzen geschickt, um dort für Ordnung und Gerechtigkeit zu sorgen.
Das Problem, die Nahrungsmittelversorgung zu beheben, erwies sich hingegen als erheblich schwieriger, auch wenn der Palast umgehend seine Vorratskammern für das Volk öffnete. Ama sei Dank, reagierte ihr Ziehvater prompt und schickte eine erste, kleine Handelsflotte, bis zum Schanddeck mit Gelbkorn beladen. Seine Handelsgesellschaft erwies sich als äußerst nützlich, um die Transporte ins Binnenland professionell und schnell zu organisieren. Dies war die erwartete Hilfe aus Kaarborg gewesen. Doch groß war das Erstaunen in Moron, als einige Wochen später, erneut eine weitere, weitaus größere, Handelsflotte in Duralum einlief – unter der Führung von Prinz Ralph.
Entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten, eilig und dem Wagentransport voraus gen Moron zu stürmen, zog der Prinz mit dem ersten großen Wagenkonvoi, bestehend aus mehr als einhundert Planwagen, gemütlich durch das Land. Er wollte diesen unbedingt persönlich in Moron abzuliefern, womit er gedachte, so richtig Eindruck bei seiner Angebeteten zu schinden. Da der Prinz und sein kleines Gefolge von acht Leibrittern dem langen Wagenzug voranritten, konnte er sich zudem im Ruhme seiner guten Tat sonnen. Die zahlreichen Menschen entlang ihrer Reiseroute jubelten ihm dankbar zu und bewirteten ihn und seine Reisegefährten auf freundlichste Art.
Der Hof in Moron, wo man natürlich bereits wusste, dass der Thronfolger des Nachbarkönigreiches große Mengen Nahrungsmittel ins Land hatte bringen lassen, bereitete sich darauf vor, den Wohltäter standesgemäß zu empfangen. Lediglich Ansgar und Mirana, die Prinz Ralph ja aus der Vergangenheit recht gut kannten, konnten sich keinen rechten Reim darauf machen, warum der Prinz mit dem langsamen Wagenzug durch ihr Land zog.
„Ich werde nicht so recht schlau aus ihm“, bemerkte Ansgar, als er zu später Stunde mit seiner geliebten Mirana ein kleines Abendessen in ihrer Kemenate einnahm, „was bezweckt der Kerl mit seinem Auftritt?“
„Nun, vielleicht will er Buße tun, für seine Rolle beim Prozess gegen Fukur da Seeborg!“, mutmaßte Mirana mit einem Augenzwinkern.
„Ach Quatsch!“, widersprach Ansgar heftig, „Da muss etwas anderes dahinter stecken. Aber was es auch sei. Seine Aktion hat auch eine gute Seite. Sie wird die Aussöhnung zwischen Lorca und Caer massiv beschleunigen. Die Menschen in Lorca werden nicht vergessen, dass Caer ihnen aus der Hungersnot geholfen hat!“
„Da hast du auf jeden Fall recht, mein Liebster“, stimmte ihm Mirana zu. „Wir werden ihn jedenfalls mit einem prächtigen Fest gebührend empfangen. Dann werden wir vielleicht herausfinden, was Ralphs wundersame Wandlung zum Wohltäter des einfachen Volkes hervorgerufen hat!“
Als einige Wochen später der Prinz an der Spitze seines Wagenzuges Moron erreicht hatte, badete er huldvoll im Jubel der Menge, welche die Straßen säumte. Eine derartige Begeisterung für seine Person war ihm in Caer noch niemals entgegengebracht worden. Er fand durchaus Gefallen daran, so enthusiastisch vom einfachen Volk bejubelt zu werden.
Selbst Ansgar, der, vom Söller des Schlosses aus, die Ankunft des Wagenzuges beobachtete, musste zugeben, dass Ralph und seine Leibritter in ihren nagelneuen, blitzenden Chromstahlpanzerungen wirklich etwas hermachten.
Also beschloss er, den eitlen Prinzen am Tor in seiner, zum Teil vergoldeten, aber ansonsten schwarzen Rüstung aus Tamiumeisen zu begrüßen. Schließlich sollte Ralph da Caer sehen, dass man in Lorca auch zu repräsentieren verstand.
Als dieser dann schließlich mit seinen Leibrittern in gemessenem Schritt zu Pferde das Tor zur Königsburg passierte, erschallten auf Ansgars Zeichen hin die Fanfaren. Dann ließ der Zeremonienmeister der Königin seine laute Stimme erschallen: „Im Namen von Königin Mirana, begrüßt der Graf von Burgos, den hohen Gast aus Caer. Mögen er und seine Begleiter sich an unserer Gastfreundschaft erfreuen!“
Währenddessen stand Ansgar am Fuße der Freitreppen, welche zum Hauptpalais hinaufführten, in voller Rüstung, den Helm unter dem Arm und das Schwert zum Begrüßungssalut erhoben. Ralph zügelte sein Pferd, etwa zehn Schritt vor Ansgar, öffnete sein Visier und hob ebenfalls kurz sein Schwert zum Gruße, um es dann wieder wegzustecken und durchaus behände abzusteigen. Dann schritt er klirrend auf Ansgar zu, zog seinen rechten Panzerhandschuh ab und reichte diesem breit lächelnd die Hand mit den Worten: „Hallo Ansgar – schön dich wiederzusehen. Ich hoffe, die Königin ist wohlauf!“
„Danke der Nachfrage. Ich darf Euch in Ihrem Namen aufs herzlichste willkommen heißen und Euch bitten, mir in Eure Gemächer zu folgen, damit ihr Euch von Eurer langen Reise etwas ausruhen könnt!“, antwortete Ansgar etwas hölzern, von Ralphs offen demonstrierter Vertrautheit überrumpelt.
Ralph grinste ob Ansgars Förmlichkeit, sagte jedoch nichts, sondern folgte seinem Gastgeber die Treppe hinauf. Oben angekommen, meinte er dann leicht tadelnd: „Warum so förmlich, mein lieber Ansgar. Kennen wir uns nicht dafür schon zu lange, um uns wie Fremde zu behandeln?“
„Da magst du recht haben, mein lieber Ralph. Aber schließlich bist du der Thronfolger von Caer. Nach diesem Einzug in Moron fand ich ein wenig feierliche Förmlichkeit durchaus angebracht!“
Ralph grinste in sich hinein, da es ihm gelungen war, Ansgar aus der Fassung zu bringen. Aber das war schließlich schon früher, während ihrer Jungritterzeit, nicht allzu schwierig gewesen. Es musste doch mit Ximon zugehen, wenn er nicht in der Lage sein sollte, diesen Bauerntölpel aus dem Herz dieser begehrenswerten Königin zu vertreiben.
Am Abend gab die junge Königin einen Empfang für den hohen Gast, zu dem jeder, der Rang und Namen hatte, eingeladen worden war.
Prinz Ralph war aufs Neue von ihrer Erscheinung hingerissen und seine Augen klebten förmlich an ihrer lieblichen Gestalt. Mirana da Maneca betrat den Festsaal durch eine kleine Tür, rechts vom Thronpodest gelegen, in Begleitung Graf Ansgars, nachdem alle geladenen Gäste ihre Plätze eingenommen hatten und der Haupteingang des Festsaales wieder geschlossen worden war. Die Königin trug ein prächtiges Kleid aus lavendelfarbener Seide und ein dazu passendes, mit Saphiren besetztes, Diadem im Haar. Sie überstrahlte mit ihrer frischen, jugendlichen Schönheit alle anderen Damen des Bankettes, welche mit ihren weiß geschminkten Gesichtern eher wie Staffagefiguren wirkten.
Die Art, wie der Prinz seine Liebste anhimmelte, blieb Graf Ansgar nicht verborgen. Er fragte sich, was wohl in dem, ansonsten so kühlen, Ralph vorging, der bisher nie ein großes emotionales Interesse für irgendeine Frau gezeigt hatte, und machte sich sogleich Sorgen, genau deshalb.
Königin Mirana verzichtete darauf, sich auf ihren Thron zu setzen, sondern steuerte, an Ansgars Arm gehängt, direkt auf den Kronprinzen von Caer zu. Dieser erhob sich umgehend, als er ihre Absicht bemerkte, verbeugte sich und küsste ihr, ausgesprochen galant, die Hand.
„Mein lieber Ralph“, begann Mirana mit ihrem strahlenden Lächeln, „wir sind glücklich, Euch wieder in Moron begrüßen zu dürfen. Wir bitten Euch, Eurem Vater unseren aufrichtigen Dank für die umfangreiche Gelbkornlieferung auszusprechen. Seid versichert, dass das Königreich Lorca binnen einer Jahresfrist diese Schuld begleichen wird!“
Kronprinz Ralph verbeugte sich erneut und antwortete mit lauter klarer Stimme, sodass ihn jeder im Saal, in dem es nun Mucksmäuschen still war, verstehen konnte: „Es ist mir eine Freude und Ehre, Lorca in dieser Stunde der Not zur Seite stehen zu können. Ich darf Euch von meinem Vater ausrichten, dass Caer die Kornlieferungen als seinen Beitrag zum Wiederaufbau von Lorca ansieht. Er hofft, dass Euer Königreich, Dank dieser kleinen Unterstützung, schnell zu alter Stärke zurückfindet. Ich hoffe, Ihr werdet dieses Geschenk annehmen. In nicht allzu ferner Zukunft werden unsere beiden Königreiche wieder gefordert werden, den Horden Ximons erneut gemeinsam entgegenzutreten!“
Nach einem kurzen Blickwechsel mit Ansgar, antwortete die junge Königin mit fester Stimme: „Wir nehmen diese großzügige Gabe gerne an. Wir verpflichten uns gegenüber Eurem Vater, unsere Milizregimenter, so schnell es nur geht, wieder in Dienst zu stellen und geeignet auszurüsten. Wir wollen bereit sein, an Caers Seite in den Kampf zu ziehen, wenn die Khitarer kommen!“
Ob dieser erfreulichen Nachricht erhoben sich alle Gäste und spendeten begeistert Beifall.
Einige Stunden später, nachdem die offizielle Audienz und das Festessen beendet waren, empfing die Königin den Prinzen im kleinen Kreis in ihren Privatgemächern. Neben Graf Ansgar da Burgos nahmen Großkanzler, Ramon da Torres, sowie der Generalsstabschef, Auguste Malleine, an dem Treffen teil. Nachdem man noch einmal intensiv über die Bedrohung, welche sich offenbar im fernen, aber mächtigen, Khitara zusammenbraute diskutiert hatte, hob Ansgar da Burgos das Glas mit zephirischem Rotwein und brachte einen Tost aus: „Auf Lorca und Caer. Möge die alte Feindschaft auf ewig begraben bleiben und künftig nichts als Freundschaft zwischen unseren Reichen herrschen!“
„Das ist unser aller Wunsch“, stimmte Prinz Ralph ehrlichen Herzens zu, um sich sogleich mit einer überraschenden Bitte an die Königin zu wenden: „Eure Majestät, ich möchte die Gelegenheit nutzen, hier und heute, auch zwischen Euch und meiner Person reinen Tisch zu machen. Deshalb möchte ich Euch in aller Form um Verzeihung bitten, für meine Rolle in dem Prozess, den Fukur da Seeborg nach seinem Anschlag auf Euch, gegen Euch geführt hat. Ich war verblendet und habe ihn, wider besseren Wissens, gegen Euch unterstützt.“
Bei diesen Worten beugte der Kronprinz von Caer vor der jungen Königin das Knie. Man sah ihm an, was ihn diese Worte gekostet hatten. Impulsiv ging Mirana einen Schritt nach vorne, nahm den Prinzen bei den Schultern und zog ihn wieder hoch. Dann sah sie ihm einen kurzen Moment prüfend in die Augen. Sie sah, dass Ralph da Caer es offenbar ehrlich meinte, deshalb sagte sie in versöhnlichem Ton: „Ich verzeihe Euch, auch wenn es für das kleine Mädchen, das ich damals gewesen bin, eine gar schreckliche Erfahrung war. Aber wir beide werden wohl – so Ama es will – für einen längeren Zeitraum gemeinsam über unsere Länder herrschen. Da ist gegenseitiges Vertrauen im Kampf gegen Ximons Horden wohl unser wichtigstes Gut.“
Prinz Ralph verbeugte sich erneut, äußerst dankbar, dass seine Angebetete seine Entschuldigung so positiv aufgenommen hatte. Noch nie war dem stolzen Prinzen etwas so schwer gefallen, wie diese Bitte um Verzeihung. Dennoch würde er es zu jeder Zeit wieder tun. Nein, er war bereit, sprichwörtlich alles für Mirana zu tun, wenn sie ihn nur erhörte.
Doch nun war es Zeit für sein Gastgeschenk. Also griff er in die Innentasche seines Wappenrocks und zog eine, mit rotem Samt beschlagene, Schatulle hervor. Der Prinz öffnete diese und enthüllte vor Miranas erstaunten Blick ein Diamantcollier, wie sie es prächtiger noch niemals gesehen hatte. Dann sagte er, mit Demut in der Stimme: „Zum Zeichen meiner Reue und meiner Hoffnung, dass wir vielleicht irgendwann, trotz des Vergangenen, sogar Freunde werden können, bitte ich Euch, dieses kleine Geschenk anzunehmen. Ich habe es aus den schönsten Steinen meiner Diamantenmine, für Euch bei den Mercanern von Vidakar fertigen lassen. Ich kann mir keine bessere Verwendung für diese wunderbaren Brillanten vorstellen, als dass sie von Euch getragen werden!“
Graf Ansgar erkannte mit gemischten Gefühlen, dass Mirana von dem wunderschönen Geschenk geradezu überwältigt war. Auch wenn er zugeben musste, dass sich Prinz Ralph nicht hatte lumpen lassen. Zuerst die Entschuldigung, die ihn fast erwürgt hätte und dann ein mehr als beachtliches Geschenk, welches mehrere Tausend Goldtalente wert war.
Als Ansgar dann später in seinem Bett lag, ließ er den Abend noch einmal Revue passieren. Welch ein unerwarteter Auftritt des Prinzen. Man hätte mit dem Ergebnis eigentlich äußerst zufrieden sein müssen, wenn da nicht der sich verstärkende Verdacht gewesen wäre, dass Prinz Ralph nicht nur an guten Beziehungen zu Lorca, sondern vor allem an einer engen Beziehung zu Mirana interessiert war. Dieser Gedanke gefiel Ansgar ganz und gar nicht. Nicht dass er glaubte, dass sich Mirana aufgrund des wertvollen Geschenkes in Ralph verlieben würde. Nein, das war es nicht. Aber solche Gefühle konnten, falls sie nicht erwidert wurden, auch schnell ins Gegenteil umschlagen und gefährlich werden. Graf Ansgar war es nur zu klar, dass er in den Augen des Prinzen nun ein, vor allem höchst unerwünschter, Nebenbuhler war.
Ganz anders waren die Gefühle des Prinzen an diesem Abend. Dieser stand am Fenster seiner Kemenate und sah hinauf zu den beiden Monden, welche gegen Mitternacht einträchtig am Firmament Makars standen. Dabei jubilierte er innerlich. Heute hatte er wahrlich einen guten Anfang gemacht. Er hatte vor allem das lange private Gespräch mit seiner Angebeteten sehr genossen, das sie mit ihm geführt hatte, nachdem er ihr das kostbare Collier überreicht hatte.