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Hallo? rief Rosina so laut sie konnte. Ist hier Jemand? Geh' wieder, bevor Dir Etwas passiert! flüsterte eine Stimme aus dem Nichts. Was soll mir denn passieren? Dasselbe, was Allen hier passiert ist! Und das wäre? Sie sind tot. Alle! Rosina spürte die Angst in der Stimme. Noch immer konnte sie nicht erkennen, wer da sprach. Rosina ist ein kleines Schaf, das davon träumt, ein richtig großes Abenteuer zu erleben! Eines Tages ist es soweit: Sie verlässt den Hof, auf dem sie lebt, und macht sich auf den Weg... Rosinas großes Abenteuer - ein Buch für Alle von 5 bis 107 Jahren, die zauberhafte und spannende Geschichten lieben!
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Seitenzahl: 198
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Christina de Groot wurde in Hamburg geboren. Nach einem mehrjährigen Aufenthalt in Italien beschloss sie, fortan als Schriftstellerin zu leben. Ihre Geschichten sind stets mit großer Phantasie und einer besonderen Liebe zum Wort geschrieben. Es sind Geschichten, die aus dem tiefsten Herzen kommen und zutiefst im Herzen berühren.
Christina de Groot ist Autorin der Bestseller „Der sehr hohe Zaun“, „Die Zaubertinte“ sowie „Die Pilzbibliothek“. Außerdem sind von ihr erschienen: „Jimmie Bohne“, „Die kleine Spinne, die noch übte“, „Detektiv Schnüffel & Co.“, „Die kleine Prinzessin und das Rotkehlchen“, „Die kleine Pfütze“, „Worte am Meer“ sowie zahlreiche Abenteuer mit „Willi Hummel“.
Es war einmal ein kleines Schaf. Es lebte auf einem Bauernhof, auf dem nur kleine Tiere lebten. Wobei sie nicht einfach nur klein waren, sondern vor Allem jung. Sie alle waren kleine Kinder, kleine Kinder, die keine Eltern mehr hatten.
Nun hätte man meinen können, dass das sehr traurig war. Aber das war es nicht. Die Tiere waren alle glücklich, sehr sogar! Wieso das so war - wo sie doch keine mehr Eltern hatten -, das wusste Keiner. Es war einfach so.
Das kleine Schaf, das auf dem Bauernhof lebte, hieß Rosina. Rosina liebte es, jeden Tag spazieren zu gehen. Sie verließ dann den Hof und ging für eine Weile spazieren. Allein. Mal ging sie durch die Wiese an der Südseite des Hofes, mal durch die Wiese an der Nordseite. Und manchmal ging sie auch nach Osten oder nach Westen. Auch dort waren Wiesen. Schöne Wiesen. Aber am meisten liebte sie die Südwiese.
Einmal ging Rosina bis zu dem kleinen Wäldchen, das an die Südwiese anschloss. Sie ging davor auf und ab und schaute hinein. Doch reingehen wollte sie nicht. Im Wald war zu wenig Licht, fand sie.
Meistens ging Rosina so in etwa eine halbe bis eine Stunde spazieren. Manchmal wurde es auch mehr, besonders in der letzten Zeit. Immer jedoch achtete sie darauf, dass möglichst Keiner der Anderen es mitbekam. Denn sie wollte alleine spazieren gehen. Sie wollte einfach nur so für sich selbst glücklich sein.
Eines Tages, als sie auf dem Rückweg war, blieb sie kurz vor der Gartenpforte stehen. „Ich möchte mal länger spazieren gehen.“ dachte sie. „Viel länger. Ganz lange. Richtig lange!“ Sie überlegte. „Ich möchte so lange spazieren gehen, bis ich ein ganz Großes Abenteuer erlebe!“ Glücklich über diesen Wunsch öffnete sie die Gartenpforte und betrat den Hof.
* * *
Die nächsten Tage überlegte Rosina, was sie wohl Alles brauchen würde für ein Großes Abenteuer. „Vor allem was zu Essen!“ dachte sie.
Also begann sie, nach und nach einen kleinen Vorrat anzulegen. Das machte sie, indem sie von jeder Mahlzeit ein kleines oder auch mal ein größeres Stückchen zurückbehielt und dies unauffällig im Stroh unter ihrem Schlafplatz sammelte. Mal war es ein Stück Brötchen, ein anderes Mal fast eine ganze Möhre, je nachdem, was es gerade gab. Außerdem schnappte sie sich, als die Wäsche aufgehängt wurde, ein weiß-blau kariertes Tuch, in das sie die Vorräte einwickelte. Als das Tuch schließlich voll war, beschloss sie, dass es so weit war. Am nächsten Morgen wollte sie zu ihrem Großen Abenteuer aufbrechen.
Der frühe Morgen, genauer gesagt, der sehr frühe Morgen, war der ideale Zeitpunkt dafür, fand sie. Der alte Hahn, das einzige alte Tier auf dem Hof, krähte immer, wenn es noch dunkel war. Und da das Jeder wusste, drehten sich Alle immer nochmal um und standen erst auf, wenn es hell war. Das fanden Alle gemütlicher.
Diesen Moment nach dem ersten Krähen wollte Rosina nutzen. Wenn sie überhaupt ein Auge zubekam in der Nacht, dann würde der alte Hahn sie mit seinem Schrei wecken und sie konnte, während die Anderen noch weiterschliefen, zu ihrem Großen Abenteuer aufbrechen.
Gedacht, getan.
Am Abend legte sie sich wie immer auf ihren Schlafplatz im Stroh. Vorsichtig fühlte sie, ob das Bündel mit den Essensvorräten noch da war. Doch jegliche Sorge war unbegründet! Es lag noch genau so da, wie sie es hingelegt hatte.
„Na, dann: Gute Nacht!“ sagte sie leise zu sich selbst. „Die letzte Nacht vor meinem Großen Abenteuer!“ Dann fielen ihr die Augen zu.
Als am sehr frühen Morgen der alte Hahn zum ersten Mal krähte, war sie sofort hellwach. Zu ihrer Überraschung hatte sie doch tatsächlich geschlafen. Vorsichtig schaute sie sich um und lauschte, ob nicht doch Einer von den Anderen ebenfalls wach war. Aber alles war ruhig.
Sie stand auf und zog so geräuschlos wie möglich das Bündel unter dem Stroh hervor. Das Bündel im Maul tragend, ging sie leise zur Stalltür. Dort blieb sie kurz stehen und drehte sich noch einmal um: „’schüß, Ihr Alle!“ flüsterte sie. „Bis bald!“ Dann öffnete sie das Tor, und schlüpfte hinaus.
So schnell sie konnte, rannte sie um die Ecke des Stalles herum. Dort blieb sie für einen Moment stehen und lauschte. Aber Alles blieb ruhig.
Leise schlich sie an der Stallwand entlang Richtung Gartenpforte. Dort angekommen, wollte sie schon hinausschlüpfen, als sie beschloss, eine Nachricht zu hinterlassen:
BiN AUf GROSeS ABeNTeUA. KOME BAlt WIDA ZURÜK!
ROSiNA
schrieb sie mit der Pfote in den Sand. Dann schlüpfte sie hinaus.
* * *
Die Südwiese lag noch halb im Dunkeln. Es begann zwar bereits zu dämmern, aber der Himmel war voller Wolken, und das Morgenlicht lugte nur ab und zu ein ganz klein wenig hervor.
Am Ende der Südwiese lag der Wald, den Rosina bisher noch nicht betreten hatte. Links davon gab es einen größeren Hügel. Auf den wollte sie.
„Ich muss wissen, was auf der anderen Seite ist!“ hatte sie mehr als einmal gedacht. Und heute wollte sie es herausfinden!
„Aber wenn ich ganz oben stehe und mich umschaue, dann sieht mich vielleicht Jemand vom Hof.“ dachte sie, woraufhin sie ein langes „Mmmmh…“ hinzufügte. Sie beschloss, den Hügel hinauf zu steigen und gleich auf der anderen Seite wieder herunter, aber nur so viel, dass sie gerade nicht mehr zu sehen war und trotzdem einen guten Ausblick hatte auf das, was dann vor ihr lag.
Sie durchquerte die Wiese. Als sie beim Hügel ankam, war sie überrascht, wie hoch er ihr vorkam. „Ich bin noch nie in meinem Leben einen so großen Hügel hinaufgestiegen!“ dachte sie. „Wie mache ich das am Besten?“
„Ich nehme den kürzesten Weg!“ sagte sie zu sich selber und beschloss, geradewegs zur Spitze hoch zu gehen. Dass dies auch der Anstrengendste war, wusste sie nicht. Aber das machte nichts. Schließlich wollte sie nach oben und hatte sich genau für diesen Weg entschieden.
Oben angekommen, staunte sie erneut, wie hoch der Hügel war. Als sie den Hof erkannte, sah dieser ziemlich klein aus und schien ein ordentliches Stück weit entfernt zu sein.
„Ob noch Alle schlafen?“ dachte sie.
Selbst der Hahn schlief ja manchmal bis in die späten Vormittagsstunden, nachdem er kurz vor Sonnenaufgang gekräht hatte.
„Ich gehe trotzdem besser ein Stückchen runter.“ dachte sie. „Ich kann von hier nicht erkennen, ob schon Jemand wach ist und mich vielleicht sieht, und das will ich auf gar keinen Fall riskieren!“
Also ging sie ein paar Schritte bergab und blieb dann stehen. Wenn sie sich jetzt umdrehte, dann konnte sie nur noch die Bergspitze und ganz viel Himmel sehen. „Gut so.“ sagte sie laut.
Vor ihr breitete sich eine Landschaft aus, die vor Allem eins war: grün. So ziemlich alles, was sie sah, war grün.
„Toll!“ flüsterte sie.
Obwohl die Dämmerung noch immer nicht ganz zu Ende war und die Farben der Natur noch nicht voll zur Geltung kamen, konnte sie erkennen, dass inmitten der grünen Wiesen jede Menge Blumen wuchsen. Außerdem gab es Sträucher und Büsche, mal vereinzelt, mal in kleinen Gruppen. Schön sah das Alles von oben aus!
„Und ein Bach!“ flüsterte sie begeistert. „Wie er sich durch alles hindurchschlängelt! Toll! Aber Moment - das sind ja zwei Bäche, ein großer und ein kleiner! Bis zum Horizont schlängeln sie sich! Wie toll sieht DAS denn aus! Da muss ich unbedingt hin! Das muss ich mir von Nahem ansehen! Auf geht’s!“ sagte sie zu sich selbst und ging den Hügel hinunter, wieder auf dem kürzesten Weg.
Unten angekommen schaute sie noch einmal den Hügel hoch. „Wow! Da habe ich aber schon ganz schön was geschafft! Ich finde, es ist Zeit für ein erstes Frühstück!“ Sprach’s, setzte sich ins Gras und aß eine Möhre.
„Wohin gehe ich denn jetzt am Besten?“ dachte sie, während sie das Bündel wieder zuband. Sie beschloss, dem größeren der beiden Bäche zu folgen. Da sie Durst hatte, trat sie ganz dicht ans Wasser und begann zu trinken. Das Wasser war herrlich kühl und schmeckte köstlich.
Da berührte sie Etwas an ihrer Stirn. Erschrocken zog sie den Kopf aus dem Wasser. „Was war das?“ entfuhr es ihr.
„Wie jetzt „Was war das?“ rief es vom Bach. „Hast Du noch nie einen Fisch gesehen?“
Erstaunt schaute Rosina zu der Stelle, an der sie eben noch getrunken hatte: Ein orangefarbener Kopf schaute aus dem Wasser und sah sie an.
„Nein, habe ich nicht.“ antwortete sie.
„Ich bin ein Fisch!“ rief der orangefarbene Kopf.
„Ich sehe nur einen Kopf.“ entgegnete Rosina.
„Moment!“ Der Kopf verschwand. Gleich darauf sprang ein orangefarbenerer Fisch in hohem Bogen aus dem Wasser und tauchte ein Stück weiter wieder unter. Dann tauchte er wieder auf und sprang in hohem Bogen wieder zurück, wobei er Rosina anstrahlte und ihr mit einer seiner Flossen zuwinkte.
„Angeber!“ dachte sie.
Gleich darauf tauchte der Kopf des Fisches wieder vor ihr auf. „Und? Weißt Du jetzt, wie ein Fisch aussieht?“ fragte er.
„Nein!“ antwortete Rosina. „Jetzt weiß ich, wie Du aussiehst!“
Überrascht von der Antwort sah der Fisch sie an.
Dann lachte er. „Fische leben im Wasser.“ sagte er.
„Ohne Wasser sterben sie. Ich heiße übrigens Schwupp! Und wie heißt Du?“
„Ich heiße Rosina.“
„Ich heiße Schwupp, weil ich so gerne springe und dann „Schwupp!“ wieder im Wasser verschwinde. Und warum heißt Du Rosina?“ fragte Schwupp.
„Weil ich eines Tages mit meinen beiden Freunden, den Ferkeln, im Schlamm gespielt habe. Das war toll!
Und da bin ich ganz braun geworden, und da haben die anderen Tiere gesagt, ich sähe aus wie eine Rosine und dass sie mich ab jetzt so nennen wollten.
Woraufhin ich gesagt habe, dann aber Rosina, weil ich ein Mädchen bin. Und seitdem heiße ich Rosina.“
„Eine schöne Geschichte!“ sagte Schwupp. „Und was machst Du hier, Rosina?“
„Ich bin auf Großem Abenteuer!“
„Oh!“ rief Schwupp. „Dann habe ich Etwas für Dich! Moment!“ Und schwupp, war er verschwunden.
„Nanu?“ dachte Rosina. „Was kommt denn jetzt?“
Schwupp tauchte wieder auf. „If ha hi as fü Di!“ rief er. Er nahm etwas kleines Weißes aus seinem Mund und hielt es Rosina auf einer seiner Vorderflossen hin. „Hier! Für Dich!“
Rosina nahm das kleine weiße Etwas entgegen. Es war ein Stein. Er war ganz rund und glatt und glänzte wunderschön. Fast fühlte er sich weich an, so glatt war er. „Der ist aber schön!“ flüsterte sie.
„Das ist ein Wunschkiesel!“ sagte Schwupp. „Die gibt es nur hier an dieser Stelle im Bach. Hier ist die untere Strömung so stark, dass sie die Kiesel ganz glatt und rund spült. Wenn Du Dir Etwas ganz doll wünschst, dann nimmst Du den Wunschkiesel, schaust ihn an und denkst ganz fest an Deinen Wunsch. Dann pustest Du den Wunsch hinein und lauschst, was der Wunschkiesel Dir antwortet. Aber Achtung: Er spricht niemals laut, sondern IMMER mit einer sehr zarten Stimme! Auf Die musst Du hören!“
Beeindruckt von Schwupps Worten schaute Rosina den Wunschkiesel an. „Danke!“ sagte sie und lächelte ihn an. „Danke, dass Du mir so etwas Wunderschönes geschenkt hast!“
„Gern geschehen!“ entgegnete Schwupp. „Ich finde es toll, dass Du auf Großem Abenteuer bist! Du bist echt mutig!“
Rosina verstaute den Wunschkiesel in ihrem Bündel.
„Ich geh’ dann mal weiter.“ sagte sie. „Vielleicht sehen wir uns ja wieder, wenn ich auf dem Rückweg hier vorbeikomme. Allerdings weiß ich noch nicht, wann das sein wird.“
„Das würde mich sehr freuen!“ rief Schwupp. „Für jetzt wünsche ich Dir alles Gute und ein ganz tolles Großes Abenteuer!“
„Danke! Dir auch alles Gute!“ Rosina winkte ihm zum Abschied zu und setzte ihren Weg fort.
Nachdem sie eine Weile gegangen war, bemerkte sie, dass es schon richtig hell geworden war. Sie sah sich um. Sollte sie weiter dem Bach folgen? Viel schien hier ja nicht los zu sein. Aber vielleicht gehörte das zu einem Abenteuer dazu, dass ab und zu auch mal nichts passierte.
„Es zieht mich irgendwie auf die andere Seite!“ dachte sie. „Vielleicht gibt es irgendwo eine Möglichkeit, rüber zu kommen!“
Sie ging weiter.
Bald darauf sah sie in der Ferne Etwas, das aussah, als könnte es ein Weg über den Bach sein. Ob sie dort auf die andere Seite kam? Auf jeden Fall wollte sie sich die Sache mal aus der Nähe ansehen.
Immerhin hatte sie noch nie in ihrem Leben einen Weg übers Wasser gesehen!
Als sie schließlich davor stand, war sie hoch erfreut.
„Tatsächlich!“ rief sie. „Ein Weg über den Bach! Wie toll ist DAS denn?!“
Der Weg war aus Holz und ein wenig nach oben gebogen, was Rosina lustig fand. Der Holzweg stand auf Pfählen, die im Wasser standen und hatte rechts und links eine Art Zaun.
„Ob der Weg mich trägt?“ dachte sie. Vorsichtig setzte sie die Vorderfüße auf das Holz und machte sich vorne ganz schwer. „Sieht aus, als ob er mich aushält.“ sagte sie und ging weiter. „Wenn ich es nicht ausprobiere, werde ich es auch nicht wissen!“
Klack, klack, klack machten ihre Hufe auf dem Holz.
Rosina fand das Geräusch schön. Da der Bach nicht sehr breit war, auch wenn er der größere von beiden Bächen war, war Rosina schon bald auf der anderen Seite.
„Das macht Spaß!“ rief sie, drehte um und ging den Holzweg zurück. Klack, klack, klack, klack, klack. Da sie ja aber auf die andere Seite wollte, da, wo sie eben schon war, musste sie noch ein drittes Mal über den Holzweg.
„Was machst Du da?“ rief eine Stimme.
Erstaunt schaute Rosina sich um, aber sie konnte Niemanden sehen.
„Warum gehst Du immer auf der Brücke hin und her?“
Rosina schaute nach unten. Da saß ein winzig kleiner Spatz und sah sie mit großen Augen an.
„O, hallo!“ rief sie. „Da bist Du!“ Sie lächelte ihn an.
„Und?“ sagte der kleine Spatz. „Wieso machst Du das?“
„Ich mag das Geräusch, wenn ich über das Holz gehe!“ antwortete Rosina. „Es klackert so schön!“
Der kleine Spatz sah sie erstaunt an. „Du bist nicht von hier, stimmt’s?“
Rosina schüttelte den Kopf. „Nein, ich komme von dem Bauernhof hinter dem großen Hügel!“
„Und was machst Du dann hier?“
„Ich bin auf Großem Abenteuer!“ antwortete Rosina.
„Hier gibt es - Große Abenteuer???“ Der kleine Spatz schaute sich ängstlich um. „Hast Du denn schon Eins gesehen?“
„Das weiß ich nicht genau…“ Rosina dachte nach. „Das ist nämlich mein erstes Großes Abenteuer!“
Der kleine Spatz schaute sie mit großen Augen an.
„Hast Du gar keine Angst?“
„Wovor sollte ich denn Angst haben?“
„Davor, dass das Große Abenteuer Dich erschreckt!“
„Warum sollte es das tun?“
„Warum, weiß ich nicht. Aber ich glaube, Große Abenteuer können ziemlich erschreckend sein, besonders, wenn sie Einen überraschen!“
„Mmmmh…“ machte Rosina. „Darüber habe ich noch nicht nachgedacht!“
„Ich jedenfalls würde mir das nicht trauen!“ sagte der kleine Spatz. Er wirkte auf einmal noch ein wenig kleiner, als er sowieso schon war.
„Warum?“
„Na, weil ich so klein bin!“ rief der Spatz.
„Was hat das denn damit zu tun?“
Darauf wusste der kleine Spatz keine Antwort.
„Ich bin doch auch klein!“ sagte Rosina. „Bei uns auf dem Hof sind nur die Entenküken kleiner und Lies und Piet, meine besten Freunde, die Ferkelzwillinge.“
Der Spatz schaute Rosina bewundernd an. „Sooo viel Mut wie Du habe ich nie und nimmer!“
„Warum nicht?“ fragte Rosina überrascht.
„Na, weil ich doch so klein bin!“
„Sag mal, kann es sein, dass Dir das mal Jemand erzählt hat? Vielleicht sogar mehr als einmal? Also, dass Du zu klein für ein Großes Abenteuer bist?“
„Meine ganze Familie glaubt nicht an Große Abenteuer!“ sagte der kleine Spatz. „Sie sagen Alle, dass wir zu klein dafür sind!“
„Ah, daher weht der Wind!“ entgegnete Rosina. „Das ist natürlich dumm, wenn Alle so reden. Da hast Du das natürlich geglaubt.“
Der kleine Spatz schaute sie noch immer mit großen Augen an. Dieses kleine Schaf war so ganz anders als Alle, die er bisher getroffen hatte!
„Ja…,“ sagte Rosina nachdenklich, „dann ist es natürlich schwer, etwas Anderes zu glauben. Mir hat nie Jemand erzählt, dass ich zu klein für irgend Etwas bin. Nicht mal für ein Großes Abenteuer! Und deswegen habe ich Lust, ein Großes Abenteuer auszuprobieren!“
Die Bewunderung in den Augen des kleinen Spatzes wuchs.
„Aber weißt Du was?“ fuhr Rosina fort. „Ich glaube, Du wirst eines Tages auch ein Großes Abenteuer erleben!“
„Meinst Du?“
„Ein richtig Großes Abenteuer, ich sag’s Dir! Wer so viel fragt, der bleibt nicht, wo er ist!“
Darüber musste der kleine Spatz erst einmal nachdenken.
„Und wenn es soweit ist“, fügte Rosina hinzu, „dann denk’ einfach an mich! Ich bin auch klein, und ich bin gerade losgegangen, um ein Großes Abenteuer zu erleben!“
„O, das wünsche ich mir auch!“ flüsterte der kleine Spatz.
„Wenn Du es Dir wirklich wünschst, dann wird es passieren!“ sagte Rosina lächelnd. „Bleib’ einfach dabei, es Dir aus tiefstem Herzen zu wünschen!“
„Das werde ich!“ flüsterte der kleine Spatz. „Das werde ich! Danke!“ Er schien auf einmal ein kleines bisschen größer geworden zu sein.
„Gern geschehen!“ sagte Rosina. „Und jetzt gehe ich mal weiter! Mach’s gut! Und denk’ dran: Nicht aufhören, es Dir zu wünschen!“ Sie lächelte dem kleinen Spatzen zu, nahm ihr Bündel und setzte ihren Weg fort.
Sie ging weiter am Bach entlang. Die Sonne stand jetzt schon ziemlich hoch und die Sonnenstrahlen ließen das Wasser des Baches wunderschön glitzern.
Rosina sah ganz viel Gras, viele Blumen und hier und da ein paar Büsche, ansonsten traf sie Niemanden.
„Eigenartig!“ dachte sie nach einer Weile. „Lebt hier Keiner? Hier ist es doch eigentlich ganz schön. Ich sehe nicht einmal eine Biene, und im Bach scheint kein einziger Fisch zu schwimmen, zumindest sehe ich keinen!“
Der Bach machte eine Kurve nach links. Dann kam eine Kurve nach rechts.
Als Rosina am Ende der Kurve ankam, saß dort eine riesengroße, fette Kröte und versperrte ihr den Weg. Sie war dunkelbraun mit schwarzen Flecken, ein bisschen wie bei einer Kuh, nur dass die Kröte mindestens doppelt so groß und breit war. Ihre Haut war voller dicker, grauer Warzen, und Rosina fand ihren Anblick alles Andere als fröhlich.
„Du kommst hier nicht weiter!“ rief die Kröte mit einer unfreundlichen, knarrenden Stimme.
Rosina ging weiter auf sie zu. „Sagt WER?“
Die glubschigen Augen der Kröte verengten sich zu schmalen Schlitzen. „ICH sage das.“
„Und warum?“
„Du weißt wohl nicht, wen Du vor Dir hast?“ Die Stimme der Kröte hatte einen bedrohlichen Tonfall angenommen.
„Nein.“ antwortete Rosina. „Das weiß ich nicht!“
„ICH - bin Agnostia, die Erste! Ich herrsche hier.
Und hier kommt nur vorbei, wen ich vorbei lasse!“
„Agnostia, die Erste! Was für ein alberner Name!“ dachte Rosina.
„Willst Du mich vielleicht vor Etwas beschützen?“ fragte sie die Kröte. „Vor äußerst gefährlichen Schlammlöchern oder so? Oder vor anderen Lebensbedrohlichkeiten, die auf der anderen Seite lauern? Für ein so kleines Schaf wie mich gibt es ja jede Menge gefährlicher Dinge!“
„Nein!“ fuhr die Kröte sie an, verärgert über die freundliche Absicht, die Rosina ihr unterstellte.
„Dann kannst Du mich ja vorbeilassen!“ rief Rosina fröhlich. „Ich mach’ auch ganz vorsichtig und gehe auf der anderen Seite einfach meinen Weg weiter.“
„Bist Du schwerhörig?“ keifte die Kröte. „NEIN habe ich gesagt!“
„Habe ich gehört!“ antwortete Rosina. „Aber warum?“
„WEIL ICH ES SAGE!“ schrie die Kröte. „DARUM!“
Rosina drehte sich um und ging ein paar Schritte zurück. Sie setzte sich hin und tat so, als wollte sie Etwas essen. In Wirklichkeit griff sie in ihr Bündel und holte den Wunschkiesel heraus.
„Ich möchte an der Kröte vorbei!“ sagte sie leise, während sie den Kiesel ansah. Dann pustete sie ihren Wunsch hinein.
„Mit wem sprichst Du da?“ fauchte die Kröte, die Rosina nicht aus den Augen ließ.
Rosina ignorierte sie. Stattdessen hielt sie sich den Wunschkiesel ans Ohr und lauschte.
Nichts.
„Vielleicht habe ich Etwas falsch gemacht?“ dachte sie.
Sie lauschte erneut.
Es dauerte einen kleinen Moment, aber dann hörte sie eine zarte Stimme sprechen: „Frag’ die Kröte, wo Osten ist!“
Rosina lauschte weiter. Aber mehr war nicht zu hören.
„Na, gut!“ sagte sie und steckte den Kiesel wieder in ihr Bündel. Dann stand sie auf und ging zurück zu der Kröte.
Diese schaute sie misstrauisch an.
„Kannst Du mir sagen, wo Osten ist?“ fragte Rosina.
Überrascht von der Frage sah die Kröte sie an. Was sollte das jetzt? Wozu wollte dieses Minischaf wissen, wo Osten war?
„Wieso willst Du das wissen?“ fragte sie.
Aber Rosina sah sie nur freundlich an und wartete auf die Antwort.
Die Kröte zögerte. Doch dann drehte sie ihren fetten Körper, so weit es eben ging, nach rechts, steckte ihren sehr dicken rechten Arm aus und zeigte auf die andere Seite des Baches. „Dort. Dort ist Osten!“
„Danke!“ rief Rosina. „Du hast mir sehr geholfen!“
Verdutzt drehte die Kröte sich wieder nach vorne.
Wo war das Schaf? Wieso hatte sie dessen Stimme hinter sich gehört? Sie drehte ihren Kopf, so gut es ging, nach hinten.
Da stand Rosina in sicherem Abstand und winkte ihr zu.
„WAS???“ schrie die Kröte. „Wie kommst Du auf die andere Seite? Du hast mich ausgetrickst, Du, Du…!“
„Wie gesagt:“ rief Rosina, während die Kröte vor Wut tobte. „Danke! Du hast mir sehr geholfen!“ Sie drehte sich um und ging ihres Weges.
„Das war knapp!“ dachte sie. „Beinahe wäre ich an dem stacheligen Busch neben der Kröte hängen geblieben. Und die eklige Kröte berühren wollte ich auf keinen Fall! Brrrr!“ Es schüttelte sie bei dem Gedanken daran. „Im ersten Moment sah es wirklich nicht so aus, als ob ich an ihr vorbei käme! Und viel Zeit zum Nachdenken hatte ich auch nicht!“
Sie blieb stehen.
„Aber als die Kröte sich nach Osten gedreht hat, war genau soviel Platz zwischen ihr und dem Stachelbusch, dass ich hindurch gepasst habe! Doll!“
Sie musste lächeln. „Das muss der Wunschkiesel gewusst haben! Was ist der Wunschkiesel eigentlich genau? Ein verzauberter Zauberer?“ Sie war beeindruckt. „Danke, Wunschkiesel!“ sagte sie. „Und danke auch noch mal an Dich, Schwupp!“
Sie atmete tief durch. So einen Wunschkiesel bei sich zu haben war schon eine feine Sache. „Wie es aussieht, kann mir damit nichts passieren!“ rief sie lachend und ging weiter.
* * *
Währenddessen waren die Tiere auf dem Hof aufgewacht, bis auf den alten Hahn, der wieder bis Mittag zu schlafen schien.
Einige der Tiere wunderten sich, dass Rosina nicht zum Frühstück gekommen war. Aber da sie jeden Tag für eine Weile nicht da war, weil sie spazieren ging - die Tiere wussten, dass Rosina dachte, dass sie es nicht wussten -, wunderten sie sich eigentlich nur über den Zeitpunkt. Denn Rosina liebte das Frühstück! Aber Niemand machte sich deswegen Sorgen, denn auf dem Hof hatten Alle großes Vertrauen, was Unerwartetes anging.
Nach dem Frühstück ging Jede und Jeder seiner Aufgabe nach. Die Sonne stieg langsam höher, und es sah aus, als würde es ein richtig sonniger Tag werden.
Plötzlich kam Luisa, die kleine Gans, aufgeregt schnatternd auf den Hofplatz gelaufen. „Sie ist weggegangen!“ rief sie. „Auf ein Großes Abenteuer!“
Die Tiere ließen ihre Arbeit liegen und kamen angelaufen. „Wer? Wer ist weggegangen?“
„Na, Rosina!“ rief Luisa. „Da! Da hinten bei der Gartenpforte, da steht es!“ Sie liefen los.
„Da!“ rief sie aufgeregt, als sie bei der Gartenpforte ankamen. „Da hat sie es hingeschrieben!“
Die Tiere drängelten sich um die Stelle herum, an der Rosinas Nachricht stand:
BiN AUf GROSeS ABeNTeUA. KOME BAlt WIDA ZURÜK!
ROSiNA
„Sie ist wirklich auf Großes Abenteuer gegangen!“ flüsterte Piet, das kleine Ferkel. „Das is ja ein Ding!“
„Und ohne uns Etwas zu sagen!“ fügte seine Zwillingsschwester Lies hinzu.