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Auf einer Feier lernt die zweihundert Jahre alte Vampira Lydia eine ihresgleichen kennen, die in derselben Ära aufgewachsen ist. Fanny und Lydia verbringen einige heiße Stunden miteinander und wollen einander wiedersehen. Doch später meldet sich Fanny nicht mehr ... Eine lesbische erotische Kurzgeschichte, größtenteils mit genderneutraler Sprache. Umfang: rund 11.000 Worte (ca. 37 Buchseiten)
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Rost und Rosen
Über die Autorin
Impressum
Rost und Rosen
eine lesbische erotische Vampirgeschichte
von Amalia Zeichnerin
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Inhaltswarnungen/Content Notes
Explizite Sexszenen (teilweise auch in Gruppen), Blut, (Vampir-)Biss, Spoiler zu Dracula von Bram Stoker und Carmilla von Sheridan Le Fanu, Gefühle von Einsamkeit, Langeweile, Verzweiflung (im weitesten Sinne Depressionen). Nur erwähnt, nicht gezeigt werden: Alkoholsucht, suizidale Gedanken, missbräuchliche Beziehung, Leichen.
Rost und Rosen
Ich wandere allein durch einen dunklen Park in Raventon, in dem zu dieser Stunde nicht einmal Straßenlaternen für ein wenig Licht sorgen. Die Luft ist frostig kalt, aber das macht mir nichts aus. Dazu der Geruch von feuchter Erde und ein wenig Moder. Zu Lebzeiten hätte ich einen solchen Spaziergang nie gewagt. Aber ich habe keine Furcht mehr vor der Dunkelheit, sie ist mir im Laufe der vielen Jahrzehnte so tröstlich und vertraut geworden wie eine liebe Freundin. Ich bin eine Vampira. Und während ich so durch die Grünanlage schlendere, denke ich wieder einmal über mein untotes Leben nach.
Vieles von dem, das sich Menschen so über uns Kinder der Nacht erzählen, ist wahr. Weihwasser? Sorgt für böse Verbrennungen. Wir halten uns lieber fern von Kirchen, Tempeln und anderen geweihten Stätten. Im Licht der Sonne würde ich nach wenigen Sekunden zu Staub zerfallen. Knoblauch mag wohl niemand von uns. Aber es ist nicht wahr, dass wir alle Menschen jagen, um ihr Blut zu trinken. Klar, ein paar Unverbesserliche von uns tun das noch heute, aber die meisten sind auf Tierblut oder Blutkonserven umgestiegen. Das ist viel sicherer und wir müssen anschließend keine Leichen entsorgen.
Meine Nachbarschaft ist nicht die beste, aber immerhin lassen mich die Leute aus der Umgebung in Ruhe. Meine Fenster habe ich mit einer Spezialfolie abgedunkelt, die nach außen hin transparent wirkt. Da ich anders als manche andere von uns schon längere Zeit keine menschlichen Vertrauten mehr habe, die für mich tagsüber Besorgungen machen könnten, bestelle ich alles, was ich brauche, online. Mit der Notiz, die Lieferung in meiner Garage abzustellen. Das klappt bisher erstaunlich gut und immerhin gibt es hier auch einzelne Geschäfte, die bis spätabends geöffnet haben.
Meine Gedanken wandern weiter und kommen wieder mal an einen schmerzenden Punkt: Nach fast zweihundert Jahren als Vampira muss ich mir mittlerweile eingestehen, dass ich mich ziemlich langweile. Im 19. Jahrhundert habe ich gezeichnet und Gedichte geschrieben, ich habe sogar einige Gedichtbände veröffentlicht und hin und wieder Kundschaft für meine Kunstwerke gefunden. Aber das ist inzwischen viele Jahrzehnte her und nach meinen dichterischen Ergüssen und den feinen schwarz-weißen Zeichnungen kräht heute kein Hahn mehr. Und so hat sich meine Muse irgendwann aus dem Staub gemacht, leider ...
Und ein weiterer wunder Punkt schiebt sich in mein Bewusstsein: Ich bin nicht immer allein gewesen, habe mehrfach Beziehungen mit anderen Vampiras gehabt. Aber früher oder später sind all diese Beziehungen wieder auseinander gegangen und je älter ich werde, desto weniger verspüre ich die Lust, mich auf jemanden mit Haut und Haaren einzulassen. Meine letzte Exfreundin hat mich ziemlich misstrauisch werden lassen, wenn es um Beziehungen geht. Auf der anderen Seite nagt immer öfter ein Gefühl von Einsamkeit an mir ...
Gelegentlich habe ich mit dem Gedanken gespielt, mir eine Arbeit zu suchen, der ich nachts nachgehen kann. Doch das hat sich als schwierig erwiesen. Eines der Probleme ist, dass mich die meisten Jobs, die nachts stattfinden, nicht wirklich reizen oder sich angeblich nicht für Frauen und als Frauen gelesene eignen. Das andere Problem: Die Tage sind mir wegen der Sonne gänzlich verwehrt, aber sie sind immer länger als die Nächte. Und eine Arbeit mit täglich acht Stunden würde bedeuten, dass ich nachts zu nichts anderem mehr kommen würde. Im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts habe ich allerdings genug Geld angehäuft, um auf Jahrzehnte hin davon leben zu können. Ich bin nicht stolz darauf, ich habe damals regelmäßig die Geldbörsen meiner Opfer geplündert oder die Sparschweine und andere Geldreserven in ihren Wohnungen. Aber diese Zeiten liegen hinter mir, seit ich auf Tierblut umgestiegen bin. Heutzutage vertrödele ich meine Nächte gern damit, Bücher zu lesen und nächtliche Spaziergänge zu machen. Aber die Frage bleibt – was soll ich mit meinem untoten Leben noch anfangen?
Im vergangenen Jahr hatte ich mehrere Verabredungen mit einer Vampira, die ich eigentlich ziemlich süß fand. Zum Anbeißen gewissermaßen. Aber daraus hat sich nach einem One-Night-Stand letztendlich nicht mehr ergeben. Vielleicht lag es an unserem Altersunterschied. Sie war erst in den 1980ern zu einem Kind der Nacht geworden und allein schon unser Musikgeschmack unterschied sich erheblich. Mit Pop aus den Achtzigern kann ich einfach nichts anfangen, sie dagegen liebt diesen. Sie hat gelacht, als ich ihr erzählte, dass ich Social Media meide. »Dafür gibt es einen Namen, weißt du? Ich hab ihn im Urban Dictionary gelesen. Du bist ein Social Media Ghost.«
»Von mir aus«, habe ich in jener Nacht schmunzelnd geantwortet.
Mit Geschichten über unseresgleichen, die von Menschen erdacht wurden, stehe ich auf Kriegsfuß. Einer Freundin von mir, die zurzeit in New York City lebt, geht es ähnlich. Sie hat sich den ersten Twilight-Film im Kino angesehen und musste ständig kichern, vor allem, als Edward Cullen im Sonnenlicht anfing zu glitzern. Ihr Gelächter wurde so stark, dass ein genervter Mitarbeiter des Kinos sie aus dem Saal warf.
Ich selbst kann es Bram Stoker nicht verzeihen, dass seine Figur Dracula von Vampirjägern zur Strecke gebracht wurde. Dasselbe passiert letztendlich bei Sheridan Le Fanus Carmilla. Diese Geschichten haben unangenehme Erinnerungen in mir geweckt, denn im 19. Jahrhundert war ich tatsächlich mehr als einmal auf der Flucht vor selbsternannten Vampirjägern. Düstere Zeiten.
Als ich schließlich nach Hause zurückkehre, schaue ich wie jede Nacht in den Briefkasten. Meistens ist er leer, doch diesmal ist ein Umschlag darin. Ich greife danach und lese im Schein einer Straßenlaterne den Absender: ein gewisser Linus Aventinus. Der Name sagt mir nichts, auch die Adresse kenne ich nicht. Seltsam ...
Ich gehe ins Haus und wärme mir in einem Wasserbad auf dem Herd etwas Rinderblut auf, das ich von einem kleinen Schlachthaus in der Nachbarschaft beziehe. Ich zahle gut und der Schlachter stellt mir keine Fragen. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen angesichts des köstlichen Duftes. Das aufgewärmte Blut gieße ich in meinen Lieblingsbecher und trinke es langsam, genieße dabei jeden Tropfen.
Ich öffne den Brief und entfalte einen Briefbogen, dessen Text offenbar mit einem Computer verfasst worden ist.
Liebe Lydia,
mein Name ist Linus Aventinus und ich habe vor kurzem eine alte Villa in der Nähe von Raventon bezogen. Um meinesgleichen aus der Nachbarschaft näher kennenzulernen, lade ich dich hiermit zu einer Feier in meinem Haus ein.
Daraufhin folgen ein Datum und eine Uhrzeit. Die Feier soll bereits in zwei Wochen an einem Samstag stattfinden. Neugierig geworden, lese ich den weiteren Text.
Diese Einladung geht auch an alle Vampirpersonen in der Umgebung. Deine Adresse habe ich von einer gemeinsamen Bekannten erhalten, Selina White.
Rund um Raventon leben einige von uns, es gibt auch ein kleines Werwolfsrudel in der Gegend. Mehrere von meinesgleichen sind Mitglied in einer geheimen Facebookgruppe. Das habe ich von meiner Freundin Selina aus Richmond erfahren, die in dieser Gruppe Mitglied ist. Aber ich misstraue diesem sozialen Netzwerk. Die Angst vor Entdeckung durch die Menschen sitzt mir seit Jahrzehnten im Nacken. Ich kann zwar ganz gut mit dem Internet umgehen und das ist gut so, wegen meiner online Bestellungen. Aber um die Social Media mache ich lieber einen Bogen. Da Selina und ich uns nicht oft sehen, videochatten wir meistens über Skype. Ich frage mich, wie sie wohl diesen Linus kennengelernt hat und lese weiter:
Ich möchte ganz offen sein, ich wünsche mir eine sinnliche Feier, bei der sich die Gäst*innen miteinander vergnügen können, wenn sie dies wünschen. Das ist natürlich kein Muss, nur ein Angebot. Für Getränke werde ich sorgen. Die Kleiderordnung: Bitte trage, wenn möglich, Kleidung wie aus der Zeit, als du noch ein Mensch warst. Auf diese Weise können sich Gäst*innen finden, die in denselben Epochen aufgewachsen sind. Nach meiner Erfahrung lässt sich auf diese Weise einiges an Gesprächsstoff finden.
Diese Worte lasse ich einen Moment lang auf mich wirken. Die meisten von uns, die ich im Laufe der Zeit kennengelernt habe, sind sinnliche Wesen, die oft und gern Sex haben – mit Menschen oder anderen unseresgleichen. Manche verbinden den Sex gern mit dem Bluttrinken, aber das ist nicht immer so. Ich bin dennoch überrascht. Bisher habe ich noch nie eine Einladung zu einer solchen Feier erhalten ... wie soll ich es sagen? Es klingt fast so, als ob sich dieser Mr Aventinus eine Orgie wünscht. Sein Name klingt lateinisch. Ob er aus dem antiken Rom stammt? Waren Orgien damals üblich? Oder waren das nicht eher religiöse Riten aus dem antiken Griechenland? Vielleicht sollte ich danach googeln ...
Eine solche Feier kommt mir eigentlich sehr gelegen. Ich denke an die Leute meinesgleichen hier in der Gegend, die ich nur flüchtig kenne. Bis auf die aus den 1980ern, mit der ich auch einmal im Bett gelandet bin. Aber vielleicht hat dieser Linus auch noch Leute aus anderen Städten eingeladen, so wie Selina?