Ruthless Monarch - Ava Harrison - E-Book
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Ruthless Monarch E-Book

Ava Harrison

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Beschreibung

Ich dachte, ich hätte dich verloren. Ich dachte, du wärst tot. Du bist alles für mich. Du bist mein Leben.

Vivians Leben wird schon immer von ihrem Vater bestimmt, der mit allen Mitteln seine politische Karriere verfolgt. Nun steht er vor dem größten Coup: er wird seine Tochter mit dem Mafiaboss Salvatore Amante verheiraten, der ihm zu noch mehr Macht verhelfen wird. Vivian erkennt schnell, dass sie auch nach ihrem College Abschluss nicht frei sein, sondern weiterhin der Spielball ihrer Familie sein wird. Und noch dazu mit einem Monster verheiratet.

Dann macht ihr Matteo Amante ein Angebot: er wird Vivian heiraten und sie vor ihrem Vater und seinem skrupellosen Cousin beschützen. Sie wird in Sicherheit sein, auch, wenn es eine Vernunftehe ist und er sie niemals lieben wird.

Vivian muss sich entscheiden: geht sie den Pakt mit dem Bösen ein?

USA Today-Bestsellerautorin Ava Harrison endlich auch auf Deutsch erhältlich! Alle Titel der "Corrupt Empire" Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Danke, dass Sie sich für einen Titel von »more – Immer mit Liebe« entschieden haben.

Unsere Bücher suchen wir mit sehr viel Liebe, Leidenschaft und Begeisterung aus und hoffen, dass sie Ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubern und Freude im Herzen bringen.

Wir wünschen viel Vergnügen.

Ihr »more – Immer mit Liebe« –Team

Über das Buch

Ich dachte, ich hätte dich verloren. Ich dachte, du wärst tot. Du bist alles für mich. Du bist mein Leben.

Vivians Leben wird schon immer von ihrem Vater bestimmt, der mit allen Mitteln seine politische Karriere verfolgt. Nun steht er vor dem größten Coup: er wird seine Tochter mit dem Mafiaboss Salvatore Amante verheiraten, der ihm zu noch mehr Macht verhelfen wird. Vivian erkennt schnell, dass sie auch nach ihrem College Abschluss nicht frei sein, sondern weiterhin der Spielball ihrer Familie sein wird. Und noch dazu mit einem Monster verheiratet.

Dann macht ihr Matteo Amante ein Angebot: er wird Vivian heiraten und sie vor ihrem Vater und seinem skrupellosen Cousin beschützen. Sie wird in Sicherheit sein, auch, wenn es eine Vernunftehe ist und er sie niemals lieben wird.

Vivian muss sich entscheiden: geht sie den Pakt mit dem Bösen ein?

USA Today-Bestsellerautorin Ava Harrison endlich auch auf Deutsch erhältlich! Alle Titel der "Corrupt Empire" Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden. 

Über Ava Harrison

USA Today Bestsellerautorin Ava Harrison liebt das Schreiben. Wenn sie sich nicht gerade neue Romances ausdenkt, kann man sie bei einem ausgiebigen Schaufensterbummel, beim Kochen für ihre Familie oder mit einem Buch auf der Couch antreffen.

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Ava Harrison

Ruthless Monarch

Aus dem Amerikanischen von Ivonne Senn

Übersicht

Cover

Titel

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Titelinformationen

Grußwort

Informationen zum Buch

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Zitat

PROLOG — Matteo

1. KAPITEL — Ein Jahr später …

2. KAPITEL — Viviana

3. KAPITEL — Matteo

4. KAPITEL — Viviana

5. KAPITEL — Matteo

6. KAPITEL — Viviana

7. KAPITEL — Matteo

8. KAPITEL — Viviana

9. KAPITEL — Matteo

10. KAPITEL — Viviana

11. KAPITEL — Matteo

12. KAPITEL — Viviana

13. KAPITEL — Matteo

14. KAPITEL — Viviana

15. KAPITEL — Matteo

16. KAPITEL — Viviana

17. KAPITEL — Matteo

18. KAPITEL — Viviana

19. KAPITEL — Matteo

20. KAPITEL — Viviana

21. KAPITEL — Matteo

22. KAPITEL — Viviana

23. KAPITEL — Matteo

24. KAPITEL — Viviana

25. KAPITEL — Matteo

26. KAPITEL — Viviana

27. KAPITEL — Viviana

28. KAPITEL — Matteo

29. KAPITEL — Viviana

30. KAPITEL — Matteo

31. KAPITEL — Viviana

32. KAPITEL — Matteo

33. KAPITEL — Viviana

34. KAPITEL — Matteo

35. KAPITEL — Viviana

36. KAPITEL — Matteo

37. KAPITEL — Viviana

38. KAPITEL — Matteo

39. KAPITEL — Viviana

40. KAPITEL — Matteo

41. KAPITEL — Viviana

42. KAPITEL — Viviana

43. KAPITEL — Matteo

44. KAPITEL — Viviana

45. KAPITEL — Matteo

46. KAPITEL — Viviana

47. KAPITEL — Matteo

Epilog — Viviana

Impressum

Lust auf more?

Wenn du den Feind und dich selbst kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten. Wenn du dich selbst kennst, doch nicht den Feind, wirst du für jeden errungenen Sieg eine Niederlage erleiden. Wenn du weder den Feind noch dich selbst kennst, wirst du in jeder Schlacht unterliegen.

Sun Tzu, Die Kunst des Krieges

PROLOG

Matteo

Ich kann den in der Luft liegenden Tod riechen. Sein beißender Gestank dringt mir stechend in die Nase, als ich durch das Lagerhaus schlendere.

Jeder Schritt durch dieses blutrote Terrain erinnert mich an alles, was ich verloren habe, und daran, warum ich jetzt hier bin.

Mein Vater ist gestorben.

Meine Mutter ist gestorben.

Verdammt, selbst mein Bruder ist gestorben.

Der Krieg um die Kontrolle der Ostküste war lang, blutig und voller Verluste.

Aber am Ende habe ich gewonnen.

Das tue ich immer.

Ich weiß, diese Atempause von der Gewalt wird nicht lange anhalten. Irgendein Feind lauert immer im Schatten. Die Unterwelt ist wie eine Hydra. Man schlägt einen Kopf ab und an seiner Stelle wachsen zwei neue.

Dieses Mal ist es nicht anders. Ich muss mich auf den Krieg vorbereiten.

Ich zahle viel Geld dafür, um über die Geschäfte meines Cousins auf dem Laufenden gehalten zu werden.

Es ist keine Frage, dass er es auf mich abgesehen hat. Das hat er seit Jahren. Seit mein Vater gestorben ist und ich sein Erbe angetreten habe. Er glaubt, er hätte der Nachfolger sein sollen. Er sieht mich nicht als den rechtmäßigen Erben an.

Technisch gesehen hat er damit recht. Hätte sein Vater überlebt, wäre dieses Königreich jetzt seins.

Doch egal, was hätte sein können, nun stehe ich an der Spitze und habe die Leitung inne.

Mit fünfunddreißig habe ich bereits länger gelebt als die meisten. Über die Hälfte meines Lebens bin ich dazu ausgebildet worden, den Familienbetrieb zu übernehmen.

Laut unseren Büchern sind wir ein legales Unternehmen.

Dahinter gehört uns alles.

Die Tür schwingt auf, und mein Cousin Lorenzo, meine rechte Hand, tritt ein.

»Was hast du für mich?«, frage ich anstelle einer Begrüßung.

Er verengt die Augen, und ich weiß, dass irgendetwas nicht stimmt. Die Sache ist die: Er arbeitet nicht nur für mich, er ist auch wie ein Bruder, weshalb mich sein kalter, starrer Blick sofort in Alarmbereitschaft versetzt.

»Nichts Gutes«, antwortet er trocken. Keine Spur von seinem üblichen Humor.

Ich lehne mich in meinem Stuhl vor. »Erzähl.«

»Er zieht nach Chicago.«

»Was zum Teufel soll das heißen?« Mit einem tiefen Atemzug versuche ich, mich zu beruhigen, aber Sauerstoff allein kann dieses Problem nicht lösen. Ich hätte den Scheißer umbringen sollen, als ich die Möglichkeit dazu hatte. Vielleicht ist es noch nicht zu spät.

»Er hat jeden korrupten Politiker in der Tasche, und sogar der Gouverneur hört auf ihn. Wir mögen Boston gewonnen haben, aber er hat die Iren auf seiner Seite.«

»Fuck.«

»Was bedeutet das für uns?«

»Es bedeutet, dass er noch nicht fertig ist.«

»Was hast du jetzt vor?«

Ich lehne mich zurück und lächle bitter. »Wir müssen ihn ausschalten, bevor er Erfolg hat.«

1. KAPITEL

Ein Jahr später …

Trotz allem habe ich Chicago verloren.

Das hat gereicht, um meinem Ego einen Schlag zu verpassen und meinen Blutdurst anzufachen. Doch das war noch nicht alles. Gerüchte besagen, dass Salvatore einen neuen Versuch an der Ostküste wagen will.

Damit überschreitet er eine Grenze.

Die Ostküste gehört mir.

Es ist mir egal, für wen er sich hält. Das hier werde ich mir von ihm nicht wegnehmen lassen.

Die Tür zu meinem Büro geht auf, und der Klang von italienischen Lederslippern auf dem Marmorfußboden hallt durch den Raum. Ich muss nicht aufschauen, um zu wissen, dass es Lorenzo ist. Und so, wie er reingestapft kommt, hat er keine guten Nachrichten.

»Was ist nun schon wieder?« Ich hebe den Blick von meinen Papieren auf dem Schreibtisch und sehe direkt in seine finstere Miene. Im vergangenen Jahr ist er erwachsener geworden und längst nicht mehr der fröhliche, unbekümmerte Typ von früher.

Lorenzo fährt sich mit der Hand über das Gesicht und stößt einen Seufzer aus. »Es ist schlimm.«

»Wie schlimm?«

»Wir müssen unseren Scheiß auf die Reihe kriegen schlimm. Während wir uns darauf konzentriert haben, die Verbindung mit den Iren zu halten, hat Salvatore sich auf unser Terrain fokussiert.«

Ich packe die Kante meines Chromschreibtisches so fest, dass meine Fingerknöchel weiß hervortreten und die Platte sich leicht biegt. »Hör auf, in Rätseln zu sprechen, Lorenzo, und spuck es aus.«

»Gouverneur Marino.«

Nach diesen Worten scheint die Welt für einen Moment stillzustehen.

Erst meine Faust, die auf den Tisch knallt, löst die schwere Anspannung im Raum. Lorenzo zuckt leicht zusammen, denn er weiß, wie gnadenlos und komplett gefickt wir sind.

Frank Marino, der Gouverneur von New Jersey, war schon immer ein Stachel in meinem Fleisch. Seit er meinen Antrag auf Zugang zum Hafen abgelehnt hat und ich mich über ihn hinweggesetzt und eine Einigung mit dem Gouverneur von New York erzielt habe, sind wir keine Freunde mehr. Dazu kommt, dass ich von seinen Geschäften mit meinem verstorbenen Onkel weiß. Aber dass mein Cousin mit ihm Business macht, ist noch schlimmer.

»Sprich.«

Lorenzo schüttelt den Kopf, und ich weiß, was auch immer er mir jetzt sagen wird, es wird mir nicht gefallen. Seine Schultern sind angespannt, was nur selten der Fall ist. Ich bin mir sicher, niemand anderem würde es auffallen, aber für mich ist er wie ein offenes Buch. So wie ich für ihn. In gewissen Situationen macht es das einfacher, weil wir uns ohne Worte verständigen können.

»Gouverneur Marino ist mit Salvatore im Gespräch. Wenn das, was ich gehört habe, stimmt, gewährt Marino ihm Zugang zum Hafen.«

»Fuck.«

»Ja.« Er nickt.

Ich deute auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch. »Setz dich. Aber hol vorher den Scotch. Wir haben viel zu besprechen.«

Lorenzo geht zum Beistelltisch und nimmt mit einer Hand die Karaffe, mit der anderen zwei Gläser. »Soll ich mir überhaupt die Mühe machen, Eis zu holen?«

»Nein. Selbst die Gläser sind übertrieben.« Ich muss mich zusammenreißen, um nicht auf den Boden zu spucken.

Normalerweise trinke ich Scotch auf Eis, aber im Moment brauche ich einfach einen Drink, und es ist mir egal, ob der mit Zyanid serviert wird.

Als unsere Gläser voll sind, setzt Lorenzo sich, und ich weiß, er braucht den Drink genauso sehr wie ich.

Krieg mag zu meinem Geschäft gehören, aber das bedeutet nicht, dass ich gerne in die Schlacht ziehe. Doch diese Schlacht ist ein notwendiges Übel. Um sie zu gewinnen, muss man grausam sein.

»Also, Salvatore hat Zugang zu den Häfen, und wir können nichts dagegen unternehmen«, knurrt Lorenzo.

»Nicht unbedingt«, stoße ich durch zusammengebissene Zähne aus.

»Was meinst du damit? Marino hasst dich. Er versucht seit Jahren, dich aus dem Geschäft zu drängen. Und wir ihn.«

»Wir müssen etwas finden, das wir ihm anhängen können.«

Unter meinem barschen Ton spannt Lorenzo sich an. Dann stellt er sein Glas ab, und einfach so ist mein Trinkkumpan vor meinen Augen verschwunden und wird durch den Underboss ersetzt. »Das habe ich versucht.« Er strafft die Schultern und richtet sich auf. »Ich habe ihn gründlich durchleuchten lassen. Der Mann ist rein wie ein Babypopo.«

»Niemand ist so rein. Vor allem niemand, der mit meinem Cousin ins Bett steigt. Wir müssen etwas finden. Sieh dir seine Familie an. Seine Frau. Seine Tochter. Da muss etwas sein.«

»Okay, wird gemacht.«

»Und wenn du schon dabei bist, ruf Cristian an und vereinbare ein Treffen. Wir brauchen neue Waffen, und jetzt, wo Alaric Prince sich zur Ruhe gesetzt hat, muss ich mit Cristian darüber sprechen, wie wir unsere Geschäftsbeziehungen in der Zukunft gestalten.«

»Okay. Sonst noch was?«

»Hol Marco für mich ans Telefon. Vielleicht weiß er, was Salvatore vorhat.«

Lorenzo verzieht kurz den Mund, bevor sein Blick wieder ausdruckslos wird. Er und Marco können sich überhaupt nicht leiden. Marco ist auch ein Cousin von mir. Er ist älter. So alt, dass er in den Krieg zwischen meinem Dad und Salvatore verwickelt war. Er ist loyal, aber Lorenzo vertraut ihm nicht. Mir geht es genauso. Aber wie alle möglichen Feinde sehe ich zu, dass er dicht an mir dran ist. Je dichter, desto besser kann ich erkennen, ob er eine Schlange ist wie Salvatore.

Es ist alles gesagt. Lorenzo verlässt mein Büro.

Ich nehme mein Handy in die Hand und wähle eine Nummer, die ich schon lange nicht mehr angerufen habe.

»Hallo Matteo. Ich habe mich schon gefragt, wie lange es wohl dauern wird.«

»Hör auf mit dem Scheiß.«

»Wenn du nicht mit mir reden willst, warum rufst du mich dann an, lieber Cousin?«

»Das weißt du ganz genau.«

»Wieso so ernst?« Er schnalzt mit der Zunge wie der Joker, und seine Stimme klingt heiter. »Vielleicht musst du mal wieder flachgelegt werden. Ist es das? Das vertreibt den ganzen aufgestauten Stress. Brauchst du mich, um dir bei der Suche nach jemandem zu helfen …?«

Bei seinen Worten beiße ich die Zähne zusammen, denn ich weiß genau, worauf er anspielt.

»Francesca ist inzwischen ein wenig alt, aber ich wette, sie kann immer noch …«

»Halt dein verdammtes Maul!«, brülle ich.

Er lacht leise. »Habe ich da einen Nerv getroffen?«

»Willst du nicht besser sein als dein sadistischer Vater? Hast du nicht genug vom Krieg? Wenn du dich jetzt zurückziehst, lasse ich dich am Leben.«

»Keine Chance. Ich will, was mir gehört …« Er hält kurz inne. »Und ich bin bereit, zu tun, was immer nötig ist, um es zu kriegen.«

»Du weißt schon, dass das eine Kriegserklärung ist?«, frage ich leise. Geschmeidig. Von hier aus gibt es kein Zurück. Ehrlich gesagt will ich das auch gar nicht.

»Ich schätze schon.«

Ich hole aus und schleudere das Handy durch den Raum. Der Klang hallt durch die Luft, als es gegen die Rigipswand knallt.

Jetzt muss ich mir zwar ein neues Telefon kaufen, aber zum Glück verbrauchen wir so viele Prepaid-Handys, dass wir quasi einen Handyladen eröffnen könnten.

Nur wenige Minuten später kommt Lorenzo zurück. Er sieht erst mich an, dann die Wand.

»Probleme?«, fragt er und zeigt auf das Handy.

»Ich habe meinen Cousin angerufen.«

Wut verschleiert seinen Blick und seine Miene wird steinhart. »Ist nicht gut gelaufen, was?«

»Was hat mich verraten?«, frage ich sarkastisch.

»Vielleicht das Loch in der Wand.« Lorenzo zuckt mit den Schultern.

Ich lehne mich auf meinem Bürostuhl zurück. »Was hast du herausgefunden?«

»Was Marco angeht, noch nichts. Bei Cristian konnte ich Waffen bestellen. Wir müssen uns treffen, um Menge und Modelle zu besprechen. Er will, dass wir nach New York in sein Lagerhaus kommen und uns ansehen, was er hat. An wie viele dachtest du?«

»Hunderte. Wir müssen sowohl das Anwesen als auch das Lagerhaus ausstatten und uns auf alles vorbereiten. Wir brauchen nicht nur Waffen, sondern auch Tränengas und Granaten.«

»Das sage ich ihm, wenn wir das Treffen ausmachen. Sonst noch was?«

Ich schüttle den Kopf. »Komm zurück, wenn du mit Marco gesprochen hast.«

Stunden später starre ich auf die Karte mit den Orten, an denen meine Männer diese Woche eintreiben müssen, und überlege, wen ich wohin schicken werde. Ich muss meine Leute zusammenrufen, um mit ihnen zu besprechen, was vor sich geht, aber das mache ich erst, wenn ich mehr Informationen habe.

Wie auf Kommando öffnet sich die Tür. Lorenzo ist zurück. In den Händen hält er ein iPad.

»Was hast du herausgefunden?«

»Viel«, antwortet er.

»Ruf alle zusammen.« Ich führe nicht aus, wen ich damit meine, aber Lorenzo weiß, dass ich meine wichtigsten Männer über alles informieren will: meinen Underboss, meinen Capo und meinen Consigliere.

Lorenzo schickt eine Textnachricht ab, und eine Minute später betreten Roberto und Luka mein Büro.

»Also, das Erste, was wir herausbekommen haben, ist, dass Marinos Frau seit über zwölf Jahren Geld auf das Konto der Familie von Ana Checklov einzahlt«, sagt Roberto. Er ist das, was die meisten als Consigliere bezeichnen würden. Mein Ratgeber und einer der klügsten Männer, die ich kenne. Bevor er seine Rolle in meinem Unternehmen eingenommen hat, hat er Jura studiert. Er steht mir nach Lorenzo am nächsten.

Lorenzo nickt und reicht mir das iPad. Darauf sehe ich die Dokumente, die Jaxson Price, der Computerhacker, den ich regelmäßig beauftrage, geschickt hat.

»Und wer ist Ana Checklov?«

Er streckt die Hand aus und wischt über das Display. Hinter den Kontoauszügen finden sich Dokumente über die fragliche Frau.

»Eine Affäre?«, frage ich.

Luka schüttelt den Kopf. »Nein. Laut Unterlagen war sie das Kindermädchen von Marinos Tochter.«

»Interessant. Warum sollte der Gouverneur die Nanny zwölf Jahre lang bezahlen?«

»Vielleicht doch eine Affäre«, sagt Lorenzo lachend.

»Was haben wir über sie?«, frage ich.

»Nicht viel.« Lorenzo scrollt weiter durch die Daten. »Warte mal. Sieh dir das an.« Er zeigt auf das Dokument auf dem Display. Da, direkt vor uns, ist eine Sterbeurkunde.

»Die kleine Ana Checklov ist tot.«

»Sieht so aus. Und hiernach ist sie vor zwölf Jahren gestorben.«

»Und die Zahlungen haben die ganze Zeit über stattgefunden?«

»Ja.«

»Wenn das nicht interessant ist …«

»Lasst uns der Sache auf den Grund gehen. Warum bezahlt der Gouverneur Anas Familie? Luka, du sprichst mit allen, die sie kennen – Nachbarn, ehemalige Angestellte. Finde heraus, was Marino verheimlicht. Es ist mir egal, was es kostet. Ich muss das am besten schon gestern wissen.«

»Okay«, sagt er und steht auf, um sich sofort an seine Aufgabe zu machen.

Ich wende mich an Roberto. »Du musst Marco herbringen.«

»Kein Problem. Ich habe auch mit Cyrus gesprochen.«

»Und? Ist von meinem Geld noch was übrig?«, frage ich lachend, um die Stimmung zu lockern. »Oder hat mein Banker mir alles geklaut?«

»Ersteres. Aber er ist echt nervtötend. Ich habe lieber mit Maxwell zu tun«, stöhnt er, und ich kann es ihm nicht verdenken. Cyrus Reed, auch bekannt als Banker der Unterwelt, ist eines der größten Arschlöcher da draußen, aber er ist verdammt gut in seinem Job.

»Ich bin mir sicher, dass dein Wunsch sich bald erfüllt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er sich komplett zur Ruhe setzt.«

»Können wir sonst noch was für dich tun?«, fragt Lorenzo.

»Nein.«

Beide Männer wenden sich zum Gehen, und ich lehne mich in meinem Stuhl zurück. Das wird eine lange Nacht.

An der Tür bleibt Lorenzo stehen und sieht mich an. »Das habe ich ganz vergessen, dir zu sagen: Dein Treffen mit Cristian bezüglich der Waffenlieferung findet diese Woche statt.«

Ich nicke. »Komm zurück, wenn du mehr Informationen für mich hast.«

»Mache ich.«

Dann gehen die Jungs, und ich bleibe mit dem iPad allein in meinem Büro zurück.

Ich ziehe es zu mir heran und wische über das Display.

Was verbirgst du, Marino?

Ich schaue mir die Bilder des Gouverneurs an und presse unwillkürlich die Zähne zusammen, als ich den Mann betrachte. Seine dunklen, seelenlosen Augen starren mich von jedem Foto an. Er ist Mitte sechzig – so alt, wie mein Vater jetzt wäre –, hat grau melierte Haare und einen olivfarbenen Teint. Ich kann mir vorstellen, dass Frauen ihn attraktiv finden, trotz der Falten, die sein verwittertes Gesicht durchziehen. Aber so ist das, wenn man Macht und Geld hat.

Ich scrolle weiter. Das nächste Bild lässt mich innehalten, denn auf dem ist er nicht allein.

Er steht zwischen seiner Frau und seiner Tochter.

Und seine Tochter macht mich sprachlos.

Sie ist umwerfend.

Eine Schönheit mit langen dunkelbraunen Haaren, die ihr in losen Wellen über die Schultern fallen.

Sie wirkt komplett anders als die Frauen, mit denen ich sonst zu tun habe …

Es fällt mir schwer, den Blick von ihr zu lösen, um mir den Rest des Ordners anzusehen.

Zweiundzwanzig Jahre alt.

Einen Meter siebenundfünfzig klein.

Gute Ausbildung.

Die ganze Zukunft noch vor sich.

Was für ein Jammer.

2. KAPITEL

Viviana

Nur noch eine Woche. Dann habe ich meinen Abschluss.

Ich kann nicht glauben, dass der Tag beinahe da ist. Danach werde ich mich endlich befreien können. Ich werde einen Job finden. Werde nicht mehr unter der Fuchtel meines Vaters stehen.

Ich muss nur noch eine Woche durchhalten.

Nein, das stimmt nicht.

Ein Job. Meine Rechnungen bezahlen.

Ein schweres Gewicht legt sich auf meine Brust. Ich werde ihm niemals entkommen. Mein Vater wird mich als sein Pfand benutzen. Wie immer. Sobald ich die Uni verlasse, wird er dafür sorgen, dass ich nicht aus der Reihe tanze, indem er mich für sich arbeiten lässt.

Und ich habe keine andere Wahl …

Vielleicht eines Tages.

Die Tür zu meiner Wohnung geht auf, und ich muss nicht von meinem Computer aufschauen, um zu wissen, wer es ist.

Ganz offensichtlich Julia. Sie ist die Einzige, abgesehen von meinen Eltern, die einen Schlüssel hat.

»Hey Babe«, höre ich sie sagen, während ihre Schritte durch die Wohnung hallen, als sie zu mir ins Wohnzimmer zum Sofa kommt.

»Hi.« Ich hebe den Blick. »Ich wusste nicht, dass du so früh kommst.«

»Äh, du hättest mich aber erwarten sollen.« Sie verdreht die Augen, was mich zum Lachen bringt. »Wir gehen heute aus, weißt du noch? Zeit zum Vorglühen.«

»Vorglühen? Wirklich, Julia, sind wir auf dem College?«

Sie stöhnt dramatisch auf. »Du ja. Zumindest für eine Woche. Du bist noch nicht bereit für die reale Welt. Ich habe gehört, da gibt es Arbeit und Steuern und allen möglichen Unsinn. Bitte sag mir, dass du es nicht vergessen hast und heute Abend mitkommst.«

Einen Moment lang schaue ich sie nur an. Wenn sie lacht, erinnert sie mich so sehr an ihre Mutter! Sie hat die gleichen hellbraunen Haare und blauen Augen, aber noch mehr ist es ihr Lächeln. Es ist das gleiche Lächeln, das Ana hatte, wenn sie mit mir die Puppen im Puppenhaus hin und her geschoben hat.

Mein Herz zieht sich zusammen.

»Erde an Viv! Wo bist du?« Jules schnippt mit den Fingern und holt mich aus meinen Erinnerungen.

Was hat sie noch gesagt? Ach ja, dass wir heute Abend ausgehen.

»Wie könnte ich das vergessen? Du hast mich diese Woche jeden Tag daran erinnert.« Ich tue, als würde ich schmollen, aber in Wahrheit liebe ich sie.

»Wir müssen ja schließlich deinen Abschluss feiern.«

»Den ich noch nicht in der Tasche habe.«

»Ach, Haarspalterei.«

Ich verdrehe die Augen.

Aber sie hat recht. Auch wenn ich mein Diplom noch nicht habe, bin ich offiziell mit dem Studium fertig. Es ist mein letztes Wochenende hier, und nächste Woche werde ich meinem Vater sagen müssen, dass ich nicht vorhabe, Teil seines Zukunftsplans zu sein.

Seit ewigen Zeiten hat er mich als Druckmittel bei Verhandlungen eingesetzt. Indem ich mich fürs Studium entschieden habe, ist es mir gelungen, ihn mir ein paar Jahre vom Leib zu halten, aber Dad stammt aus einer traditionellen sizilianischen Familie, und seiner Meinung nach sollte ich längst verheiratet sein. Und zwar mit einem Mann, den er für mich ausgesucht hat.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis er wieder über mein Leben bestimmt.

So verrückt es klingt, ich erwarte jede Minute einen Anruf bezüglich meines mir bevorstehenden Schicksals.

Ich weiß seit geraumer Zeit, dass mein Vater versuchen wird, mich mit irgendwem zu verheiraten, von dem er glaubt, dass er ihm nützen wird.

Aber da will ich nicht mitmachen.

»Wann ziehst du zurück nach Hause?«, fragt Julia, während sie in die Küche geht und den Kühlschrank aufmacht. Eine Minute später kehrt sie mit einer Dose Cola light in der Hand zurück und setzt sich neben mich aufs Sofa.

»Hoffentlich nie«, murmele ich.

»Ja, weil Daddy Marino das zulassen wird.«

»Ein Mädchen wird ja wohl noch träumen dürfen.« Ich stoße einen sehnsüchtigen Seufzer aus.

»Das ist kein Traum, Liebes. Das ist eine Fantasie. Eher friert die Hölle zu, als dass Marino dich aus den Augen lässt. Ich bin überrascht, dass er dich nicht schon zu sich gerufen hat. Scharrt er nicht mit den Hufen, um dich zu verheiraten?«

»Das tut er.« In meiner Kehle sitzt ein Kloß, der mit jeder Sekunde größer wird.

»Und wer ist der glückliche Galan?« Sie lacht. Das Ganze ist zu einem Spiel geworden. Ich fahre zum Abendessen mit meiner Familie, Dad versucht, eine Ehe für mich zu arrangieren, und dann treffe ich mich mit Julia und erzähle ihr alle grausamen Einzelheiten.

»Keine Ahnung. Aber auf den Streit freue ich mich nicht. Ich muss mir einen Plan überlegen.«

»Hast du genügend Geld gespart, um es allein schaffen zu können?«

»Nein«, gestehe ich. Und der Kloß in meiner Kehle wird so groß, dass ich Schwierigkeiten habe, zu atmen.

»Ich wünschte, ich könnte dir helfen …«

Ich beuge mich vor und vergrabe mein Gesicht in den Händen. »Ich weiß. Und dafür liebe ich dich.«

Das tue ich. Julia und ich sind Freundinnen, seitdem wir Kinder waren. Ihre Mutter war meine Nanny, und sie und ihr Bruder sind gemeinsam mit mir auf dem Anwesen aufgewachsen. Nach dem Tod ihrer Mutter haben wir den Kontakt verloren …

Was wir meinem Vater zu verdanken haben.

Er hat mein Leben bis ins kleinste Detail kontrolliert und mir vorgeschrieben, mit wem ich sprechen darf und mit wem nicht.

Aber als Jules und ich zufällig auf dem gleichen College gelandet sind, ist unsere alte Freundschaft schnell wieder aufgeblüht.

Als ich von einem der Angestellten im Haus meiner Eltern gehört habe, dass Julia auch auf die NYU gehen würde, war ich mir sicher, dass ich sie wiedersehen würde. Und ich hatte recht. Sie hat mich gesucht, und als sie mich endlich gefunden hat, ist sie mir um den Hals gefallen und hat geschworen, mich nie wieder aus den Augen zu lassen.

Sie zum ersten Mal nach dem Tod ihrer Mutter zu sehen war schwer. Die Erinnerungen haben mich so heftig überkommen, dass ich kaum Luft bekommen habe, aber dann hat Jules gelacht, wie sie es immer getan hat, und mir das Versprechen abgenommen, sie nie wieder allein zu lassen.

Dieses Versprechen habe ich nicht ein einziges Mal bereut. Egal, was es mich kostet, ich brauche sie in meinem Leben. Sie ist mein Rettungsring. Die einzige Person, die meine Familie und die Macht, die der »Gouverneur« über mich hat, versteht. Denn auf ihre eigene Art – und ohne ihr Wissen – ist sie ein Teil davon.

Mein Drang, ihr zu helfen, sie zu beschützen und auch für meine Sünden zu büßen, hält mich unter der Fuchtel meines Vaters. Davon weiß sie aber nichts. Und sie wird es auch niemals erfahren.

»Wann musst du dich mit ihm treffen?« Ihre eben noch so sonnige Stimmung ist auf einmal verflogen.

»Morgen ist Familiendinner, wie immer«, gebe ich ausdruckslos zurück.

Wie sehr ich mir wünschte, es wäre anders! Aber mein Vater besteht darauf, dass ich jeden Sonntagabend zum Essen im Kreis der Familie komme. Wo er dann dafür sorgt, dass Fotos gemacht, gepostet und getweetet werden. Er möchte das Bild des perfekten Familienmenschen abgeben. Wenn das nur der Wahrheit entspräche …

Aber das ist meine Rolle: die perfekte Tochter. Alles für die Erreichung des ultimativen Ziels.

Mein Vater hat immer sehr deutlich gemacht, was das ist.

Er hat präsidiale Träume. Und er hat mächtige Freunde, die ihn dorthin bringen können.

Dieser Mann ist ein rücksichtloser Halsabschneider und noch dazu ein echtes Arschloch.

Er hat nicht einen Funken Anstand im Leib.

Er ist die Inkarnation des Teufels.

Wie immer, wenn ich weiß, dass ich ihn sehen und seine Anwesenheit zur Kenntnis nehmen muss, überkommt mich ein Gefühl des Grauens. Das Beängstigendste ist, dass er die totale Kontrolle über mich hat, egal, wie sehr ich versuche, mich zu lösen. Und mit jedem Jahr wird es schlimmer.

Mein Herz zieht sich zusammen, als mir die Galle hochkommt.

Ich hasse diesen Mann.

Und ich bin mir sicher, dass dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruht.

Zwischen uns gibt es definitiv keine Liebe.

Wie von einer höheren Macht heraufbeschworen, piept mein Handy auf dem Couchtisch. Noch bevor ich nachsehe, weiß ich, dass er es ist.

Denn außer Julia ruft mich niemand an. Nicht mal meine Mom. Sie ist die pflichtbewusste Ehefrau. Das perfekte Accessoire eines Politikers. Zu schade, dass sie eine fürchterliche Mutter ist. Wobei fürchterlich untertrieben ist.

Ich nehme das Handy und werfe einen Blick auf das Display. Wie vermutet finde ich dort eine Nachricht von meinem guten alten Dad.

Gouverneur Arschloch: Dinner morgen. 18.00 Uhr. Sei pünktlich, Viviana.

Na super. Er maßregelt mich schon vorab.

Ich zeige Jules die Nachricht, und sie lacht. »Gouverneur Arschloch? Nicht Dad?«

»Um Himmels willen nein. Das würde nicht ansatzweise wiedergeben, wie ich mich fühle, wenn er sich meldet.« Ich lächle. Es ist ein zuckersüßes Lächeln, das zu einhundert Prozent mit Gift versetzt ist.

»Stimmt.« Sie schüttelt den Kopf. »Das würde es nicht.«

Julia weiß, wie sehr ich meinen Vater hasse, aber sie versteht es nicht richtig. Sie versteht nicht, dass das Geld, das meine Familie ihrer zahlt, eher Schweigegeld als großzügige Unterstützung ist. Und sie kennt auch nicht das Geheimnis hinter dem Ganzen …

Als ihre Mutter in unserem Haus gestorben ist, blieben Julia und ihr Bruder als Waisen zurück. Sie wurden von Verwandten aufgenommen, die in ärmlichen Verhältnissen leben. Alles, was ich auf Anweisung meines Vaters je gemacht habe, tat ich nur, um sicherzustellen, dass er ihr und Jonathan hilft.

Schnell schüttle ich den Kopf. Daran darf ich jetzt nicht denken. Denn es gibt für mich keinen Weg, mich seiner Kontrolle zu entziehen. Er übt ständig Druck auf mich aus, um sicherzustellen, dass ich mich ordentlich benehme.

Da ich an etwas anderes denken muss, stehe ich auf und schaue Julia an. »Ich gehe duschen. Ich muss für heute Abend gut aussehen.« Ich grinse, auch wenn es mir in Wahrheit egal ist, wie ich aussehe. Aber meine Schuldgefühle drohen, mich aufzufressen, also muss ich hier weg.

»Ja, du riechst auch ein bisschen.«

Ich lache über ihre Worte und gehe kopfschüttelnd zum Schlafzimmer, während Julia kichernd auf dem Sofa zurückbleibt.

Im Bad ziehe ich mich aus, stelle die Dusche an und stelle mich unter den Strahl.

Das Wasser ist kochend heiß.

Zu heiß.

Es erinnert mich an früher. An die Zeit, in der mein ganzes Leben sich verändert hat. Eine Zeit, die mich selbst jetzt, so viele Jahre später, immer noch als Geisel hält.

Man sagt, Zeit heilt alle Wunden.

Aber was ist, wenn die Wunden immer noch eitern?

Wenn es keine Kur gibt?

Was macht man dann?

Es ist zwölf Jahre her, und immer noch habe ich keine Antwort auf diese Frage. Sie schwebt über mir wie ein schwarzes Loch im dunklen Universum. Ich weiß, dass es mich irgendwann einsaugen und bei lebendigem Leib verschlingen wird. Die Frage ist nur, wann.

Während ich hier komplett in meinen Gedanken verloren stehe, vergesse ich fast, wie heiß das Wasser ist. Der Dampf hängt wie dichter Nebel im Badezimmer, sodass ich kaum die Hand vor Augen sehen kann.

Schnell drehe ich am Wasserhahn. Jetzt fühlt es sich an, als würde Eiswasser über meinen Körper gegossen. Ich zittere, als die Tropfen auf meine Haut prasseln. Doch ich heiße die Kälte willkommen. Sie erledigt ihren Job – zumindest im Moment –, kühlt die Erinnerungen ab und scheucht sie zurück in die dunkelste Ecke meines Gehirns, wo ich sie aufbewahre.

Vielleicht wird sich das bald wieder ändern, aber bis ich nicht etwas unternehmen kann, muss ich es einen Tag nach dem anderen angehen. Ich muss die Folter überleben, der dieser Mann mich aussetzt, selbst wenn das bedeutet, die Kinder seiner Freunde zu unterhalten. Oder wie ein exklusives Escort-Girl herumgezeigt zu werden, dessen einziger Wert darin besteht, die richtige politische Allianz schmieden zu können.

Nach einem tiefen Atemzug wasche ich mir die Haare, dann stelle ich die Dusche ab. Sobald ich mich abgetrocknet habe, starre ich mich in dem beschlagenen Spiegel an. Ich beuge mich so weit übers Waschbecken, dass ich mein Spiegelbild berühren kann. Ich sehe erschöpft aus, abgespannt und so, als hätte ich zu viel gesehen. Auch wenn andere mein Gesicht als perfekt erachten, für mich, mit meinen zweiundzwanzig Jahren, ist es das nicht. Dafür lastet zu viel emotionales Gewicht auf meinen Schultern. Und meine Augen sehen immer aus, als würde ich von den Geistern der Vergangenheit verfolgt.

Werde ich mich je wieder jung und sorgenfrei fühlen?

Du findest schon einen Weg, Viviana.

Alles wird gut. Das muss ich einfach glauben, auch wenn es nicht stimmt.

Ich bin beinahe mit dem Studium fertig. Ich werde mir eine Arbeit suchen. Ja. Das ist es. Sobald ich einen Job habe, wird es vorbei sein. Dann werde ich ihn nicht mehr brauchen.

Ich richte mich auf und straffe die Schultern, denn ich weiß, ich werde ihn nicht gewinnen lassen. Am Ende werde ich als Siegerin hervorgehen.

***

Stunden später sind wir in einem Club.

Ich lasse mir nicht anmerken, dass ich mich nicht wohl fühle. Meine Nerven sind zum Zerreißen gespannt, weil ich nicht weiß, was der morgige Abend bringen wird. Das Wort »sorgenfrei« gehört nicht mehr zu meinem Wortschatz, seit ich zehn Jahre alt war und gelernt habe, in was ich hineingeboren wurde.

Ich weiß, ich sollte mich mit meiner Freundin betrinken und nicht darüber nachdenken, aber das kann ich nicht. Die schwarze Wolke hängt über mir, und ich kann sie nicht beiseiteschieben. Wie auch? Jedes Mal, wenn ich meinen Vater sehe, fordert er etwas Neues. Verlangt etwas von mir, das ich nicht tun will.

Doch egal, um was er mich bittet, ich werde es tun.

Für meine Freunde werde ich willentlich noch ein Stück meiner Seele geben.

Die Musik hallt durch den Club und übertönt einige meiner Gedanken. Ich höre Julia kaum, als sie eine Hand auf meinen Unterarm legt und sagt: »Komm, gehen wir was trinken.«

Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen. Glänzende rote Samtnischen an den Wänden und schwarze Kronleuchter an der Decke.

»Klar!«, antworte ich laut.

Gemeinsam durchqueren wir den Raum und bestellen an der Bar. Der Barkeeper gibt alle Zutaten in einen Shaker und lächelt mich an, als er die Flüssigkeit in die Gläser gießt.

Als ich das Glas zum Mund führe, könnte ich schwören, dass mich jemand vom anderen Ende der Bar aus beobachtet.

Ja. Er sieht mich hundertprozentig an.

Wow.

Er ist attraktiv. Gefährlich attraktiv sogar. Die Art von gut aussehend, von der man nur in Liebesromanen liest.

Hypnotisierende Augen. Pechschwarzes Haar. Ein perfekter Fünf-Uhr-Schatten bedeckt seinen Kiefer, und seine Wangenknochen sind so scharf geschnitten, dass es mich in den Fingern juckt, sie zu berühren.

Doch sein Blick hat etwas Bedrohliches, was dafür sorgt, dass mein ganzer Körper sich anspannt.

»Viv«, höre ich Julia sagen, aber ich bin wie gefesselt von dem Mann. »Viv …«, wiederholt sie, und endlich drehe ich mich zu ihr. »Alles in Ordnung?«, fragt sie.

»Ich war nur … Der Mann da drüben.« Ich nicke mit dem Kopf in seine Richtung.

Jules zieht die Stirn kraus. »Welcher Mann?«

»Auf der anderen Seite der Bar.«

»Da ist niemand.«

»Na da …« Ich drehe den Kopf, aber da ist tatsächlich niemand. Der Platz ist leer.

Verwirrt schüttle ich den Kopf. Er war doch da, oder?

Wieder trinke ich einen Schluck und sehe mich dabei um. Doch da ist niemand, der dem Mann auch nur ansatzweise ähnlich sieht. Ich muss ihn mir wohl eingebildet haben.

»Komm, lass uns tanzen!«, ruft Jules über die Musik hinweg, aber ich schüttle den Kopf.

»Beim nächsten Lied. Ich will erst austrinken.«

Sie nickt lächelnd und verschwindet in Richtung Tanzfläche. Ein Lachen steigt in mir auf, als ich sehe, wie sie sich mit erhobenen Armen und schwingenden Hüften unter die Tanzenden mischt.

»Warum gesellst du dich nicht zu ihr?«

Ich wirble zu der Stimme herum, und als unsere Blicke sich treffen, erstarre ich. Der Atem stockt in meiner Brust.

Er ist es. Der Mann von eben.

Und er redet mit mir.

Obwohl es im Club dunkel ist, kann ich seine Gesichtszüge jetzt besser erkennen. Und wenn ich ihn quer durch den Raum schon anziehend fand, muss ich gestehen, dass er aus der Nähe noch umwerfender aussieht.

Er kommt mir bekannt vor, aber ich weiß nicht, woher. Hoffentlich ist er niemand, der meine Familie kennt. Das wäre eine Schande. Und noch dazu gefährlich. Aber so, wie er mich ansieht, bezweifle ich das. Er hat vermutlich nur eines dieser Gesichter. Und zwar ein absolut hinreißendes.

Selbst aus der geringen Distanz kann ich seine Augenfarbe nicht bestimmen. Wenn ich raten müsste, würde ich blau oder braun sagen. Aber egal wie, sie sind hypnotisierend.

Als könne er meine Gedanken hören, verzieht er den Mund zu einem sündigen Lächeln.

»Ich war nicht in der Stimmung«, antworte ich auf seine Frage.

»Ihr Verlust ist mein Gewinn.« Seine Stimme strahlt Selbstbewusstsein aus, und auch wenn ich das in der Regel unglaublich abtörnend finde, steigt Hitze in mir auf.

Es kommt nicht oft vor, dass ich einfach mal flirten kann. Mit der Uni und einem Vater, der versucht, mich an jeden erfolgreichen Politikersohn – oder schlimmer noch, den Politiker selbst – zu verschachern, habe ich nicht oft Spaß.

Ich drehe mich komplett um, damit ich den Fremden nicht weiter über meine Schulter anschauen muss, und sehe ihn nun zum ersten Mal in voller Größe.

Dieser Mann spielt weit außerhalb meiner Liga.

Ich greife nach meinem Glas und trinke den letzten Schluck.

»Möchtest du noch einen?«

Sollte ich?

Je mehr ich trinke, desto schlimmer werde ich mich morgen fühlen.

Aber wenn ich so an morgen denke, könnte flüssiger Mut genau das sein, was ich brauche.

»Weißt du was? Ja. Bitte«, sage ich, und der Mann gibt dem Barkeeper ein Zeichen, der uns schnell bedient.

Die Musik wechselt zu einem lauteren, schnelleren Song, und ich kann mir vorstellen, dass Jules sich komplett in diesem Beat verliert.

»Deine Freundin hat Spaß«, sagt der Fremde, als er meinen Drink vom Tresen nimmt und ihn mir reicht.

»Ja. Darin ist sie gut«, sage ich.

»Worin?«

»Spaß zu haben.«

»Und du?« Er zieht eine dunkle Augenbraue in die Höhe, und ich beiße mir kurz auf die Unterlippe.

»Nicht so sehr«, gestehe ich dann. »Worauf wollen wir trinken?«

Er hebt sein Glas zum Toast. Selbst seine Fingernägel sind perfekt. Mein Magen macht einen Satz.

»Das bestimmst du, ernstes Mädchen.«

»Auf verrückte Freunde, die einen in einen Club mitschleppen, nur um einen dann dort im Stich zu lassen«, sage ich schulterzuckend.

»Auf Fremde, die an der Bar den Helden spielen«, antwortet er.

»Bist du der Held?«, frage ich spielerisch – der Alkohol macht mich ein wenig leichtsinnig und lässt mich meine Hemmungen vergessen.

»Nicht sonderlich oft.«

»Was bist du dann?«

Und noch wichtiger: Wer bist du?

Er beugt sich vor, bis seine Lippen beinahe mein Ohr berühren … Mein Körper ist sich seiner Nähe nur zu bewusst, und Schmetterlinge fliegen in meinem Magen auf. Das ist nicht gut. Ich sollte seine Hände nicht auf mir fühlen, bevor er mich überhaupt berührt hat. »Ich bin der …«, fängt er an.

Doch in dem Moment legt sich eine Hand um meinen Oberarm und ich werde nach hinten gezogen. Ich reiße den Kopf herum und sehe eine tanzende Jules. »Du hast mir den nächsten Song versprochen!«, ruft sie und wirft die Arme in die Luft.

Ich drehe mich zu dem Fremden um, um mich zu entschuldigen und ihn zu fragen, ob er mit uns tanzen will.

Aber schon wieder ist er verschwunden.

Und wie zuvor frage ich mich, ob ich mir das Ganze nur eingebildet habe.

***

Am nächsten Morgen wache ich mit einem leichten Kater auf. Die Kopfschmerzen sind nicht allzu schlimm, dennoch bin ich froh, dass ich ein Glas Wasser und zwei Tabletten auf meinen Nachttisch gestellt habe, die ich nun schnell herunterschlucke.

Danach schaue ich auf mein Handy.

Es ist schon elf.

Wow, ich muss mehr getrunken haben, als ich dachte.

Anfangs hatte ich gar nicht vor, lange zu bleiben, aber nachdem Jules mich auf die Tanzfläche gezerrt hat, habe ich weitergetrunken.

Jetzt habe ich zu lange geschlafen und muss mich um viele Dinge kümmern, bevor ich zu meinen Eltern fahre.

Ich atme ein paarmal tief durch und gucke dann, ob ich irgendwelche Nachrichten habe. Unglücklicherweise ja.

Gouverneur Arschloch: Sei um 17 Uhr hier.

Mist.

Damit habe ich noch eine Stunde verloren.

Im Wohnzimmer finde ich Julia schlafend auf der Couch. Ihr Mund steht offen, und vermutlich sabbert sie auf mein Kissen.

»Aufwachen, Faulpelz«, rufe ich und setze mich ihr gegenüber auf die andere Couch.

»Wie spät ist es?«, fragt sie stöhnend und fährt sich mit der Hand über die noch halb geschlossenen Lider.

»Elf.«

»Und da weckst du mich? Mein Gott, Viv, sind wir heute ein bisschen arg verspannt?« Trotz ihrer Worte weiß ich, dass sie nicht böse auf mich ist. So ist Julia einfach. Dramatisch bis zum Exzess. Sie trägt das Herz auf der Zunge und hält sich niemals zurück. Deshalb verstehen wir uns auch so gut. Sie ist nicht nur die Familie, die ich nie hatte, sondern auch das totale Gegenteil von mir. Sie drängt mich dazu, das Leben zu genießen, so schwer mir das auch fällt. Ohne sie hätte ich nicht einen Hauch von dem Frieden gefunden, den ich manchmal verspüre. »Wenn du mich schon weckst, hast du dann wenigstens vor, mir Frühstück zu machen?«

»Natürlich. Für wen hältst du mich?«, erwidere ich gespielt entrüstet.

»Na gut. Dann stehe ich auf.« Sie setzt sich auf und sieht total zerzaust aus. Aber auch hinreißend. »Was gibt es denn?«

»Was willst du?«

»Etwas übertrieben Fettiges. Einen Bagel mit Bacon, Ei und Käse.«

Ich hole mein Handy heraus und scrolle durch die Lieferservice-Apps. »Pommes dazu?«

»Äh, ja-ha!«

Ich tippe unsere Bestellung ein.

»Puh, Viv, ich bin so verkatert. Ich werde nie wieder etwas trinken.«

»Lügnerin«, sage ich tonlos.

Jules lacht, hört aber sofort auf, als sie merkt, dass das höllische Kopfschmerzen auslöst. Ich schaue meine zerknitterte Freundin an und fühle mich nicht viel besser, als sie aussieht. Der Drink mit dem Fremden hätte nicht sein müssen.

Wo wir gerade von ihm sprechen …

»Für jemanden, der will, dass ich ausgehe und einen Typen aufreiße, hast du mir meine Chancen gestern ziemlich gut verbaut«, sage ich.

»Was meinst du?« Sie legt den Kopf schief und runzelt die Stirn.

»Den Typen, mit dem ich mich unterhalten habe.«

»Du hast dich mit einem Typen unterhalten?«

»Ja. Das habe ich. Und er war heiß.«

»Hups.«

»Ganz genau. Hups. Jetzt muss ich heute Abend zu meinen Eltern, und wer weiß, vielleicht war das meine letzte Chance auf eine stürmische Affäre. So wie ich Dad kenne, hat er vor, mich zu einem lange verloren geglaubten Verwandten nach Sizilien zu verschiffen.«

Bei meinen Worten verzieht sie das Gesicht. »Das hoffe ich nicht.«

»Ich auch.«

***

Mir graut davor, ihn zu sehen.

Auf dem gesamten Weg nach New Jersey ist mein Magen wie zugeschnürt.

Als wir uns der monströsen Gouverneursvilla nähern, habe ich das Gefühl, von einem schweren Gewicht niedergedrückt zu werden.

Es ist keine Frage, dass mein Vater mich heute um etwas bitten … nein, etwas von mir verlangen wird.

Es war unausweichlich, dass wir über meine Zukunft sprechen, aber jetzt, wo der Zeitpunkt gekommen ist, merke ich, dass ich dazu noch nicht bereit bin.

Bisher habe ich immer nachgegeben. Ich habe die pflichtbewusste Tochter gespielt. Für seine Kampagne gelächelt. Doch nun, wo der Wagen, den er mir geschickt hat, durch das Tor gleitet, habe ich echte Angst.

Ich bin mit dem Studium fertig.

Seine Forderung wird größer sein.

Und ich weiß jetzt schon, dass ich nicht gewillt bin, den Preis zu zahlen.

Auch wenn ich es muss.

Als der Wagen anhält, warte ich, bis der Chauffeur ausgestiegen ist und mir die Tür öffnet.

Es ist pompös und ich hasse es. Aber nur für den Fall, dass sich irgendwo ein Paparazzo in den Büschen versteckt hat, muss ich dieses Spiel mitspielen.

Ich steige aus und streiche mir den Rock glatt. Meine Haare sind perfekt frisiert. Ich bin das Paradebeispiel für die Tochter eines Politikers. Ich weiß, dass mein Vater hochtrabende Pläne hat, und ich weiß auch, dass er mich benutzen wird, um sie voranzutreiben.

Kaum habe ich den ersten Schritt gemacht, schwingt die große Mahagonitür auf. Ein Angestellter meines Vaters nimmt mich in Empfang. Man würde meinen, in meinem eigenen Zuhause könnte ich kommen und gehen, wie ich will, aber das kann ich nicht. Um ehrlich zu sein, das hier ist nicht mein Zuhause, und das war es auch nie.

Ich hatte nie wirklich ein Heim.

Außer bei Ana.

Sie hat sich um mich gekümmert, mich gefüttert, meine Wunden verarztet und stundenlang mit mir gespielt.

Also zumindest vor meinem Fehler.

»Der Gouverneur ist in seinem Büro.«

»Und meine Mutter?«, frage ich, als ich durch die Eingangshalle gehe.

»Sie ist oben.«

Was nicht überraschend ist. Sie ist immer zu sehr damit beschäftigt, die perfekte Ehefrau zu spielen, um eine gute oder auch nur annehmbare Mutter zu sein.

Sie ist nie zu meinen Schulaufführungen gekommen. Oder zu den Elternsprechtagen. Dafür war es ihr zu wichtig, sich im Jetset zu tummeln, mit den Reichen und Schönen zu verkehren und sich zu betrinken.

Zum Glück war Ana in der Zeit, die sie bei uns war, für mich da.

Wenn sie doch nur immer noch hier wäre! Sie würde meine Hand halten und mir Kraft schenken. Aber das ist sie nicht. Also straffe ich die Schultern und tue so, als würde sie mir ins Ohr flüstern: »Plato hat gesagt: ›Mut ist, zu wissen, wovor man keine Angst haben muss.‹ Du hast keinen Grund, dich vor deinem Vater zu fürchten. Er ist auch nur ein Mensch.«

Damals wusste ich nicht, wer Plato ist, aber ich habe darauf vertraut, dass Ana recht hat. Ich habe versucht, mutig zu sein und ihn nicht zu fürchten, und das versuche ich heute noch.

Ich gehe den Flur hinunter und sehe, dass die Tür zum Büro meines Vaters offen steht.

Natürlich.

Er wartet auf mich mit einem Scotch in der Hand, bereit, zuzuschlagen. Das sehe ich in seinen Augen und an seiner Haltung. Er strahlt Gefahr in einer Stärke aus, die illegal sein sollte, und sofort ist der dicke Kloß in meiner Kehle wieder da.

»Komm herein, Viviana.«

Seine Stimme überrascht mich. Ich hatte gedacht, er hätte meine Anwesenheit noch nicht bemerkt.

Aber es sollte mich nicht überraschen.

Mein Vater sieht alles.

Weiß alles.

Zögernd trete ich mit kleinen Schritten ein.

»Beeil dich, Viviana, ich habe nicht den ganzen Abend Zeit. Und es gibt etwas, worüber ich mit dir sprechen muss.«

Schon spüre ich, wie sich in meinem Nacken ein kleiner Schweißfilm bildet. Das Herz hämmert wie wild in meiner Brust, als ich den Raum durchquere und mich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch setze. Seine dunklen, wütenden Augen starren mich an, und er verzieht die Lippen zu einem spöttischen Grinsen.

»Worüber möchtest du mit mir reden?«, frage ich und versuche, stark und selbstbewusst zu klingen.

»Über deinen Abschluss.«

Das Klingeln in meinen Ohren macht es mir schwer, ihn zu hören. Ich atme tief durch.

Keine Angst zeigen.

Gönne ihm nicht die Befriedigung zu sehen, wie du dich innerlich windest.

Während mein Puls sich normalisiert, fährt er fort: »Jetzt, wo du dein Studium beendet hast, erwarte ich, dass du deine Pflicht gegenüber der Familie erfüllst.«

»Meine Pflicht?«

»Ja, Viviana. Deine Pflicht. Deine Mutter und ich haben dich viel zu lange verwöhnt.«

»Was soll das heißen?«

»Wir haben dir erlaubt, aufs College zu gehen. Die beste Bildung zu erhalten. Du bist jetzt eine wortgewandte, gebildete junge Dame …«

»Und?«

»Jetzt ist es an der Zeit, dass du uns hilfst.«

Ich schüttle den Kopf, denn ich verstehe nicht, was er mir sagen will. »Helfen? Wie? Indem ich in deinem Büro anfange?«

Das wäre keine ideale Lösung, aber ich könnte für eine Weile dort arbeiten, um ihn in Sicherheit zu wiegen, während ich Geld spare, um mir ein eigenes Leben aufzubauen. Wobei, ich bin nicht dumm und optimistisch genug, um zu glauben, dass er das wirklich meint.

»Komm schon, Viviana. Sei nicht albern.«

»Albern?« Hinhalten. Hinhalten. Hinhalten.

»Dein Platz ist nicht im Büro. Du kannst an anderer Stelle viel nützlicher sein.«

»Und zwar?«, frage ich bissig.

»Indem du mir hilfst, Allianzen zu schmieden.«

Eis fließt durch meine Adern, während ich darauf warte, was er als Nächstes sagt.

»Ich denke, es ist an der Zeit, dass wir dein Aussehen, deine Persönlichkeit und jetzt auch deine Bildung zu unserem Vorteil nutzen.«

»Äh. Ich verstehe nicht …«

»Wie du weißt, habe ich große Ziele. Sehr große. Und um diese zu erreichen, brauche ich die richtigen Verbindungen. Und die bekomme ich am einfachsten, wenn ich mit gewissen Leuten zusammenarbeite.«

»Okay …«

»Dazu muss ich aber ein gewisses Maß an Engagement zeigen. Ich muss mich an sie binden. Und du bist das perfekte Mittel dafür.«

»Es tut mir leid, Dad, aber ich verstehe nicht, was du meinst.« Was gelogen ist, denn ich verstehe es nur zu gut.

»Ich will, dass du Salvatore Amante heiratest.«

Nun bleibt mir der Mund offen stehen. Und der Kloß in meiner Kehle drückt mir die Luftröhre zu.

»Ich … ich kann ihn nicht heiraten. Ich kenne ihn doch überhaupt nicht«, stoße ich irgendwie aus.

»Viviana, das war kein Vorschlag. Du wirst Salvatore Amante heiraten. Ich brauche ihn. Er wird dafür sorgen, dass wir alles bekommen, was wir uns je erträumt haben.«

»Wir? Meinst du nicht eher du?«

»Du willst das auch, Viviana. So ist es am besten für mich, für dich und auch für Julia.« Er schiebt mir ein Blatt Papier über den Schreibtisch zu. »Lies das, und dann sag mir, wie du dich entscheidest.«

Das Blatt liegt schwer wie ein Mühlstein in meiner Hand. Ich neige den Kopf und überfliege die Wörter. Sie verschwimmen, als mir die Tränen in die Augen steigen. Alte Wunden öffnen sich und fangen an, zu eitern. Und dann habe ich das Gefühl, zu fallen, als ich sehe, was da steht. Mein Herz fängt an zu rasen. Meine zitternden Finger lassen das Beweisstück fallen, das alles verändert. Was ich gerade gelesen habe, ergibt keinen Sinn. Wie kann das sein? Wenn es stimmt … Verwirrung und Verzweiflung pulsieren durch mich hindurch wie nie zuvor.

»Ist das echt?«

»Ja.«

»Du …«

»Schweig!«, brüllt er. »Du wirst mich nicht infrage stellen. Du wirst nicht hinterfragen, was ich getan habe. Aber du wirst dich fügen. Haben wir uns verstanden?« Die Drohung hängt zwischen uns in der Luft. »Vergiss nicht, was mit Ana passiert ist, war deine Schuld. Und was von jetzt an mit ihren Kindern geschieht …« Liegt auch in meiner Hand. Er sagt es nicht, das muss er auch nicht. Ich bin für ihre Leben verantwortlich, und ich habe keine Ahnung, was das für uns alle bedeutet.

Meine Antwort bleibt mir in der Kehle stecken.

Ich werde seinem Befehl nicht folgen, aber das darf ich ihn nicht wissen lassen. Außerdem muss ich herausfinden, ob er mich erneut anlügt.

Mein Vater ist ein Monster. Wenn er das Gefühl hat, dass ich mich ihm widersetze, wird er Rache üben. Ich muss irgendwie Zeit schinden und mir einen Plan überlegen. Es muss einen Weg geben, aus dieser Situation herauszukommen. Ich muss ihn nur finden.

Als wir wenig später um den Tisch im Esszimmer sitzen, gebe ich mein Möglichstes, um den Abend unbeschadet zu überstehen.

Wenn niemand beim Essen reden würde, wäre ich ein sehr glücklicher Mensch. Da es von mir aus nichts zu sagen gibt, halte ich den Kopf gesenkt.

Leider ist meine Mutter nicht meiner Meinung, denn als ich den Salat auf meinem Teller hin und her schiebe, spricht sie mich an. »Viviana. Wann wirst du hierher zurückziehen?«

Ich hebe den Kopf. »Was? Niemand hat etwas davon gesagt, dass ich wieder einziehe«, feuere ich in Richtung meines Vaters ab. »Warum kann ich nicht in meiner Wohnung bleiben?«

»Das wäre nicht angemessen«, erwidert Mom.

Mein Dad wirft mir nur einen gezielten Blick zu, der mir deutlich sagt, dass ich besser keine Schwierigkeiten mache.

»Nun, wo du dein Studium abgeschlossen hast, erwarte ich, dass du wieder hier wohnst.«

»Ich habe noch die Abschlussfeier …«, versuche ich zu argumentieren. Ich greife hier nach Strohhalmen, denn ich brauche jeden nur möglichen Tag, um einen Ausweg aus diesem Schlamassel zu finden.

»Dann erwarte ich dich in einer Woche zurück, junge Dame. Ich kann nicht zulassen, dass die Leute anfangen zu reden.«

Und einfach so wird es mir wieder klar: Mein Wohlergehen interessiert sie überhaupt nicht. Das Einzige, was ihr wichtig ist, ist ihr Ruf. Und nun, wo ich mit dem Studium fertig bin, wäre es für ihre religiösen Freunde ein Skandal, wenn ich weiterhin allein in der Stadt wohnte.

Von mir wird erwartet, als Jungfrau in die Ehe zu gehen. Dafür ist es zu spät, aber sie glauben, wenn sie mich zumindest unter ihrem Dach haben, könnten sie die Gerüchte auf ein Minimum beschränken. Es ist lustig, wie wenig sie über mich wissen.

Seufzend nicke ich. »Gut. Dann nächste Woche.«

Eine sehr lange Stunde später sitze ich wieder in der Limousine und werde zu meiner Wohnung zurückgefahren.

Ich bin mir nicht sicher, was ich tun soll. Meine Möglichkeiten sind begrenzt. Wie immer hat mein Vater mich in der Hand. Wenn ich nicht tue, was er verlangt, werde nicht nur ich leiden. Aber ich habe anderen Menschen schon zu viel Leid verursacht, als dass ich es riskieren könnte, mich zu widersetzen.