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Der Harz ist sicher die sagenreichste Region Deutschlands, wobei der Nordharz mit seiner weltgeschichtlichen Bedeutung, den Kultur- und Naturschätzen glänzt. Dabei war die heutige Weltkulturerbestadt Goslar einst das Zentrum des Reiches, Kaiserpfalz und ergiebigste Stätte für Erz- und Silberabbau mit dem anliegenden Rammelsberg. Weit vor den Römern, in der Bronzezeit, begann hier das Schürfen unter Tage und das Anlegen erster, fester Siedlungen. - Zum Schutze dieses Reichtums in den Bergen, begann Heinrich IV damit, die größte Feste des Harzes, die damals als uneinnehmbar geltende Harzburg, zu errichten. Solche glanzvolle Größe auf der einen Seite und die Armut und Not der einfachen Leute auf der anderen, sorgten seit gut 1000 Jahren für Neid, Unruhe und große Umbrüche. - Auch Wernigerode, die Bunte Stadt am Harz, besticht nicht nur wegen ihrer Nähe zum höchsten Gipfel, dem sagenumwobenen Blocksberg. Hunderte von wunderbar verzierten, skurrilen Fachwerkhäusern, die Wehranlagen und nicht zuletzt das wunderschöne Schloss, warten aufs Bestaunen. Ich höre die Brockenbahn tausend Geschichten erzählen, wenn sich dieses dampfende Eisenross auf die verschneite Brockenspitze schnauft. Heute befahren wir die Berge um auszuruhen, durchwandern still die anmutige Natur, um wieder ganz in unserer Mitte anzukommen. Vor vielen hundert Jahren aber schaute man mit bangem Blicken in die unwirtliche Wildnis der rauen und zerklüftenen Täler. Das Oker- und Ilsetal besuchte man nur, um Holz zu schlagen, zu jagen oder Pilze und Beeren zu sammeln. Doch wem, wäre hier wohl zumute, inmitten der Gefahr, von Räubern überfallen zu werden oder viel schlimmer, eine Wohnstatt von Nixen, Elfen, Riesen oder Zwergen zu betreten? Viele jener Orte wurden vom neuen Glauben, mit einer Kirche überbaut, oder, wo das nicht möglich war, verteufelt. Heute wissen wir, dass auf so mancher Klippe, nicht nur die Hexen und Unholde tanzten, sondern unsere Ahnen ihre altheidnischen Feste feierten: So auf der Klus, dem Treppenstein und beim Alten der Oker, dem Elfen- und dem Ilsestein, der alten Wallburg unter der Harzburg und dem Krodoquell, der Harburg und vielen anderen mehr. Jene sagenumwobenen Orte wurden seit tausenden von Jahren von den Menschen als Kraftplätze aufgesucht und noch heute spüren wir: Der Harz ist magisch ..., auf dessen Gipfeln ist man seinem Gott näher ... und, wer den hier dargestellten 100 Sagen und Märchen mit dem Herzen zu lauschen versteht, dem entblättern sich seine Geheimnisse.
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Seitenzahl: 223
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Einleitung
Sagen aus Goslar
Der Name Rammelsberg
Teufelsbergwerk im Rammelsberg
Der Sudemerberg
Die Kaiserin und ihr Kämmerer
Der Saal im Petersberg
Der Bitzschlag im Kaiserhaus
Der Schatz unterm Birnbaum
Das beste Mahl der Welt
Wie Goslars Bergleute eine Burg eroberten
Wie Goslar verraten wurde
Das Teufelsbecken
Die Schuhhof-Linde
Gott sei’s gedankt
Der Ochsenweg
Das Freischießen
Der Kinderbrunnen
Das Ende einer Prozession
Der Teufelsturm
Das zweite Gesicht
Der Spukgeist im Mönchehaus
Die Strafe der Dummheit
Scharfrichter Kraft
Der Dukatenscheißer
Die Butterhanne
Der Bergmönch
Der lange Tanz
Sagen aus dem Okertal
Das Mythenreich der Kästenklippen
Der Riese & die Klus
Die Feigenbaumklippe
Die Verlobungsinsel
Der Okerhund
Das kleinste Königreich der Welt
Der Zauber vom Brautstein
Sagen aus Bad Harzburg
Das Geheimnis von Winuwuk
Winuwuk und Sonnenhof
Barbara von der Harzburg
Die Rabenklippe
Das Wesen Krodo
Der Sturz des Krodo
Die Krodoquelle
Der Köhlerjunge
Der ganze Stolz
Die weiße Jungfer
Der Basilisk vom Burgberg
Der Schlangenkönig
Hans von Hackelberg
Der Glasermeister und der Teufel
Marie und ihr Schimmelchen
Die Raubritter der Harzburg
Die Springwurzel am Scharfenstein
Vom Elfenstein
Der Bursche und die Elfe
Das Zauberbuch der Rabenklippe
Bergherr Achtermann
Der Juliusstau
Der Jungbrunnen Bad Harzburgs
Ilsenburger Sagen
Die Sintflut am Harzrand
Die schöne Ilse
Prinzessin Ilse & der Köhler
Die Wolfsklippen
Das Bischofsgrab im Wienberg
Die Hexe im Bruchberg
Die Nagelhütte
Räuber vom Schimmerwald
Die entführten Mädchen im Kloster Drübeck
Der Herr der Stapelburg
Die Mittagsfrau
Die gestohlene Gans
Drei schwarze Haare
Das beherzte Mädchen zu Osterwieck
Der Nachtwächter von Darlingerode
Der sagenhafte Sachsenstein
Die Vogelmiere
Wernigeröder Sagen
Von der Entstehung Wernigerodes
Die Sage von der Harburg
Der Teufel und der Brunnenbauer
Die Hexe im Bielerturm
Die Zwerge
Vom Armeleuteberg
Wie das Rathaus entstand
Der verfluchte Bürgermeister
Das schiefe Haus
Feuersbrunst
Der ruhelose Pastor der Johanniskirche
Das nächtliche Orgelspiel
Mönchslagerstätte
Hexe und Mönch
Der Weinkeller in der Himmelpforte
Hexensabbat am Brocken
Die Hippelwiese nahe der Steinernen Renne
Die rote Forelle
Zur Rothen Mühle
Die Kraft des Eichbergs
Literaturverzeichnis
Dankes- & Sponsorenliste
Der Harz ist sicher die sagenreichste Region Deutschlands, wobei der Nordharz mit seiner weltgeschichtlichen Bedeutung, den Kultur- und Naturschätzen glänzt. Dabei war die heutige Weltkulturerbestadt Goslar einst das Zentrum des Reiches, Kaiserpfalz und ergiebigste Stätte für Erz- und Silberabbau mit dem anliegenden Rammelsberg. Weit vor den Römern, in der Bronzezeit, begann hier das Schürfen unter Tage und das Anlegen erster, fester Siedlungen. - Zum Schutze des Reichtums der Berge, begann Heinrich IV damit, die größte Feste des Harzes zu errichten. Solche glanzvolle Größe sorgte seit gut 1000 Jahren für Neid, Unruhe und große Umbrüche. - Auch Wernigerode, die „Bunte Stadt“ am Harz, besticht nicht nur wegen ihrer Nähe zum höchsten Gipfel, dem sagenumwobenen Blocksberg. Hunderte von wunderbar verzierten, skurrilen Fachwerkhäusern, die Wehranlagen und nicht zuletzt das wunderschöne Schloss, warten aufs Bestaunen. Ich höre die Brockenbahn tausend Geschichten erzählen, wenn sich dieses dampfende Eisenross auf die verschneite Brockenspitze schnauft.
Heute befahren wir die Berge um auszuruhen, durchwandern still die anmutige Natur, um wieder ganz in unserer Mitte anzukommen. Vor vielen hundert Jahren aber schaute man mit bangem Blicken in die unwirtliche Wildnis der rauen und zerklüftenen Täler. Das Oker- und Ilsetal besuchte man nur, um Holz zu schlagen, zu jagen oder Pilze und Beeren zu sammeln. Doch wem, wäre hier wohl zumute, inmitten der Gefahr, von Räubern überfallen zu werden oder viel schlimmer, eine Wohnstatt von Nixen, Elfen, Riesen oder Zwergen zu betreten? Viele jener Orte wurden vom neuen Glauben, mit einer Kirche überbaut, oder, wo das nicht möglich war, verteufelt. Heute wissen wir, dass auf so mancher Klippe, nicht nur die Hexen und Unholde tanzten, sondern unsere Ahnen ihre altheidnischen Feste feierten: So auf der Klus, dem Treppenstein und beim Alten der Oker, dem Elfen- und dem Ilsestein, der alten Wallburg unter der Harzburg und dem Krodoquell, der Harburg und vielen anderen mehr. Jene sagenumwobenen Orte wurden seit tausenden von Jahren von den Menschen als Kraftplätze aufgesucht und noch heute spüren wir:
Der Harz ist magisch ..., auf dessen Gipfeln ist man seinem Gott näher ... und, wer den hier dargestellten 100 Sagen und Märchen mit dem Herzen zu lauschen versteht, dem entblättern sich seine Geheimnisse. Das größte Geschenk dabei ist m.E. unsere Achtsamkeit. Wenn wir den kleinen Geschichten große Aufmerksamkeit entgegenbringen (ihnen mit dem Herzen lauschen) können, lernen wir, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen!
Das wünsche ich uns, Ihr Sagen- & Märchenerzähler Carsten Kiehne
Einst hörte ich den Wind von einem Ort erzählen, an dem sich die Tage aufhalten, bevor sie auf die Welt kommen und zu dem sie wieder gehen, sind sie vergangen. An diesem Ort gibt es eine weite Ebene, auf der zum Einbruch der Dämmerung alle Tage zusammen kommen, um von den neuesten Geschehnissen auf der Erde zu hören. Der Tag, der eben auf der Erde war, erzählte nun von all den Dingen, von denen er meinte, sie würden ihn zu einem wirklich großen Tag machen … und die anderen Tage lauschten gebannt: „Ein Flugzeug wurde entführt. Woanders gab es ein gewaltiges Erdbeben. Und ein Königspaar hat geheiratet.“
„Wenn ich einmal auf der Welt bin, werde ich sicher auch ein großer Tag!“, sagte der kleine Tag selbstbewusst, „Hundert Flugzeuge werden abstürzen, die stärksten Erdbeben, Tsunamis und Tornados werden überall wüten und Millionen Menschen werden klatschen, weil hundert Königskinder das Licht der Welt erblicken!“ Die Eltern des kleinen Tages waren auch große Tage gewesen: Als sein Vater auf der Erde war, schlossen zwei Völker Frieden, die viele Jahre miteinander im Krieg gewesen waren! Seine Mutter war der Tag an dem Kolumbus Amerika entdeckte. Seine Tante hatte die erste Mondlandung mitangesehen und sein Onkel erschütterte die Menschen durch einen Vulkanausbruch, dessen Aschewolken ganz Italien zwei Wochen lang in Dunkelheit verhüllte. „Mein Sohn, du musst kein guter Tag werden!“, sagte der Vater stets mahnend zum kleinen Tag und ergänzte „Hauptsache ist, dass was Gigantisches geschieht, dass sich alle Menschen immer an dich erinnern!“
Nach langer Zeit des Wartens, war es dann so weit: Der Morgen graute und der kleine Tag würde nun endlich auf der Erde sein. Unzweifelhaft, es würde sein großer Tag werden! Wie schön die Welt war: Grüne, dichte Wälder, hohe Berge und Klippen, plätschernde Bäche, spiegelglatte Seen und überall auf den Straßen der alten, geschichtsträchtigen Städte tummelten sich die Menschen. „Hey, hallo, freut ihr euch, mich zu sehen?“, fragte der kleine Tag einige Ilsenburger, die schon früh auf den Beinen waren. „Was für ein Mistwetter heute, nass und kalt, das ist doch kein Sommertag!“, motzten sie, „Und es ist erst Dienstag! Weißt du wieviel Arbeit heute auf mich wartet …? Dreckstag!“ Und wohin der kleine Tag auch schaute, nirgends sah er heitere Gesichter. Vergebens bat er die Sonne über dem Harz zu scheinen, doch die Wolkendecke war zu dick. Behäbig klebten die Wolken pechschwarz am Brocken und hatten so gar keine Lust, sich zu bewegen, schüttelten sich nur manches Mal und übergossen die Täler sintflutartig. - Wie der kleine Tag aber weitersuchte, da fand er doch einige lächelnde Menschen. Da war ein steinaltes aber noch munteres Pärchen, das sich vom Regen nicht abschrecken ließ und Hand in Hand die steinerne Renne hochkraxelte, nur um am Gasthaus stehen zu bleiben, in die Weite hinunter zu gucken und sich dicht aneinander zu schmiegen. Der kleine Tag hörte nur, wie der Mann zu seiner Frau flüsterte: „Vor 50 Jahren haben wir uns hier die Liebe geschworen, nun will ich den Schwur erneuern.“, sagte der Alte und küsste seine Frau, als wäre es eben das erste Mal. „Wie schön, dass sich Menschen noch nach solcher Zeit, verliebt und träumend in die Augen schauen!“, dachte sich der kleine Tag, ... als er am Ilsestein einen Kletterer sah, der es in diesem Moment zum Gipfel geschafft hatte. Wie der Mann am eisernen Kreuze saß, da kroch die Sonne nur für ihn einen kurzen Augenblick aus den Wolken hervor und liebkoste sein friedvoll ermattetes Gesicht. Im Kurpark Bad Harzburgs sah der kleine Tag eine Frau, die heute zum ersten Mal allein, wieder einen Fuß vor den anderen setzte und unendlich langsam an der frischen Luft spazieren ging. Viele Wochen hatte sie nach einem Unfall im Bett liegen müssen, eingesperrt in einem engen, sterilen Raum. Nun atmete sie sich satt, spürte den Wind auf ihrer Haut und die kleinen Regentropfen, die auf ihrem Körper Rinnsale bildeten. Aus vollen Zügen, genoss sie jeden Atemzug und, wie wundervoll das Leben ihren Körper wieder wachkitzelte. „Ein unvergesslicher Moment!“, dachte sie, als ihr ein Tränlein des Glücks über die blasse Wange lief. Und dort …, in Goslar an der Alten Schule am Hohen Weg, da stand ein Junge umringt von seinen Freunden und zeigte ihnen stolz sein neues Fahrrad. „Wo hast du das denn her, das sieht ja toll aus! Dürfen wir damit heute auch mal fahren?“, fragten sie alle durcheinander, worauf der Junge lachte und sagte: „Das Fahrrad habe ich geschenkt bekommen – heute ist doch mein Geburtstag – der tollste Tag im Jahr! Und freilich, könnt ihr nachher auch mal ‘ne Runde drehen!“ Auch der kleine Tag drehte noch so manche Runde und verabschiedete sich schließlich ganz erfüllt von der Erde, nur um in der Versammlung der Tage schon sehnlichst erwartet zu werden. „Und wie war’s?“, wollten die anderen Tage wissen. „Was ist passiert“ – Und der kleine Tag erzählte alles: Von dem langen Kuss der alten Leute, vom Bergsteiger und dem Sonnenstrahl, von der atmenden Frau und dem lachenden Kind … und wie er in die Gesichter der anderen Tage blickte … da sah er Langeweile! „Ist denn nichts Spannendes passiert? Gar nichts?? Kein Überfall, keine Toten, nicht mal eine kleine Überschwemmung???“ – „Aber ich habe euch doch von dem großartigen Liebesschwur erzählt!“, versuchte sich der kleine Tag zu rechtfertigen aber die anderen lachten bloß und würdigten ihn keines Blickes mehr.
Viel Zeit war vergangen. Die Versammlung der Tage interessierte den kleinen Tag überhaupt nicht mehr, er war lieber mit sich allein, weil die anderen ihn ja doch nicht verstanden …, da kam seine Mutter zu ihm und sagte: „Hey mein Kleiner! Weißt du, was heute geschehen ist? Ich habe gerade in der Versammlung der Tage gehört, dass die Menschen sich vor ein paar Stunden in einem Weltrat einstimmig dafür entschieden haben, dich zu einem großen Tag zu machen. Als du nämlich auf der Welt warst, ist überhaupt nichts Schlimmes passiert. Das war das einzige Mal, dass es überall friedlich war. Deshalb haben sie dich heute zum Weltfriedenstag ernannt!“ Da lächelte der kleine Tag, wusste er doch immer, dass er im Grunde seines Herzens ein ganz Großer war! (aufgeschrieben nach Eicke)
Als Kaiser Otto I. auf der Harzburg Hof hielt und im unwegsamen Harzgebirge jagen ließ, begab es sich, dass sein vornehmster Jäger, Ramm mit Namen, ausgeschickt ward, um einem weißen Hirsch nachzustellen. Das war wahrlich eine sagenumwobene und darum kostbare Trophäe. Dieser Hirsch ließ sich aber nur manchmal im Vollmond blicken, worauf man dessen silbernes Fell trotz dunkler Nacht von weitem schimmern sehen könne.
Einmal ritt der Ritter Ramm nun in einer weißen Winternacht bei vollem Monde einen steilen Berg empor und sah inmitten zwischen den Klippen das silberne Fell des begehrten Tieres aufblitzen. Da spornte er sein Ross zu immer schnellerem Lauf den Berg hinauf, bis das Pferd am Steilhang keinen Schritt mehr in die Höhe steigen wollte. Kurzerhand band er es an einem Baume fest und folgte dem Hirsch zu Fuß. Ramm sah dessen Fährte ganz deutlich im Schnee, watete hintendrein und war kurz davor, den Hirsch einzuholen, sah ihn schon, hatte seinen Bogen gespannt, als das Tier doch wieder und wieder schnell im Unterholz verschwand. Geduldig stellte Ritter Ramm dem Hirsch noch nach, bis die Sonne im Osten über die Berge lugte, da war es Zeit, zurück zum Ross zu eilen, aber siehe da …
… sein Pferd hatte ungeduldig auf seinen Herren wartend den Schnee zu den Vorderfüßen weggescharrt. Zum Vorschein kam viel silbernes Gestein, ja, ein ganzer Erzgang ward so freigelegt, wovon Ramm dem Kaiser eine Stufe Silber mit an die hohe Tafel brachte. Was das für eine Freude war, kann man sich wohl denken. Gleich ließ der Kaiser erfahrene Bergleute aus dem Frankenlande kommen, die aus dem großen Berg tatsächlich viel kostbares Gestein zu Tage förderten. Man verkündete dem Kaiser gar, dass die unterirdischen Reichtümer so gewaltig wären, dass man tausend Jahre graben könne und sie doch nicht dem Ende zugingen. Am Fuße des Berges begründete Otto I. eine Ansiedlung mit fester Burg, die später den Namen Goslar tragen sollte. Dem Ritter ward die Ehre zuteil, dass man den Berg nach ihm benannte. Noch heute trägt die Anhöhe bei Goslar den Namen „Rammelsberg“.
Noch oft sah man den Ritter Ramm in den Vollmondnächten auf den Rammelsberg rei-ten, nicht aber um den Hirsch zu schießen, vielmehr um dem Tier zu danken. (aufgeschrieben nach Henninger & Harten)
Die Bergwerke zu Goslar liegen alle im kleinen Rammelsberg, im großen aber steckt noch viel mehr Gold und Silber als in allen jenen zusammengenommen; aber den darf jetzt niemand befahren und so oft man auch einen Schacht hineingetrieben, es ist Alles sogleich wieder eingestürzt und hat die Bergleute in den Gruben begraben.
Das kommt aber daher, dass der Böse früher den Bergbau hier und in der Umgegend betrieben, weshalb man auch zahlreiche mit Schlacken angefüllte Gruben, sogenannte Graufkaulen, im Holze findet, in denen er die Erze geschmolzen. Diese Gruben hat er nämlich unten mit Holz gefüllt, hat dann die Erze darauf gelegt und Alles oben mit Erde zugedeckt, dann hat er Feuer angemacht und so das Silber gewonnen. So hat er auch den Rammelsberg bearbeitet und die Bergleute der Gegend haben ihm dabei geholfen, wofür er ihnen allwöchentlich ihr Lohn ausgezahlt.
Einmal aber haben sie lange warten müssen, da er ausgeblieben, und Einer hat sich in seinem Unmut auf das Zahlbrett gesetzt und hat es beschmutzt. Da ist endlich der Böse gekommen, hat sie Alle von dannen gejagt und in seiner Wut gesagt, nun solle der große Rammelsberg nicht eher bebaut werden, als der kleine ausgebaut sei, und so oft man daher einen Schacht hineingeschlagen, über Nacht ist alles wieder eingestürzt oder, wie Andere sagen, es dürfen höchstens sechs Bergleute in einer solchen Grube arbeiten, den Übrigen wird der Hals umgedreht; drum mag sich keiner dahin wagen. (aufgeschrieben nach Pröhle)
Kaiser Heinrich III hat sich viel und gern in Goslar aufgehalten und man weiß dort noch manches von ihm zu erzählen. Vor Allem aber, sagen sie, sei es zu verwundern gewesen, von welch herrlicher Schönheit seine Frau war, so dass sich der Kaiser auch kaum trösten konnte, als sie gestorben war. Als aber sein Schmerz sich etwas gelegt, da hat er seine eigene Tochter, die ihre Mutter an Schönheit noch übertraf, freien wollen und tat ihr sein sündhaftes Verlangen kund. Sie erschrak furchtbar über des Vaters Wunsch, vermochte aber ihm mit ruhiger Stimme vorzutragen, doch lieber erst an die Höfe aller Könige und Herzöge in Europa zu ziehen, ob dort nicht vielleicht eine Gemahlin zu finden sei, die schöner wäre als sie. Heinrich reiste weit und breit umher, kehrte dann aber heim und verkünde, es sei nirgends eine Schönere zu finden.
Aber auch jetzt widerstand sie noch seinen Bitten und Liebkosungen, so dass er endlich die Bedingung machte, wenn sie eine Decke wirken könne, auf welcher alle Tiere, die sich auf dem Erdboden fänden, zu schauen wären, dann wolle er von seinem Begehren absehen. Da ging sie in die kleine Kapelle in der oberen Stadt und bat inbrünstig zu Gott, fand aber keine Beruhigung darin, weshalb sie in ihrer Verzweiflung endlich den Teufel anrief. Der erschien auch sogleich und meinte hohnlachend, er wolle ihr die Decke bringen, wenn er sie nach drei Tagen und drei Nächten noch immer wach vorfände.
Da nahm sie ihr Hündlein mit in die Kapelle und betete hier ohne Unterbrechung. Als aber nach der dritten Nacht der Morgen graute, da hat sie der Schlaf fast überwältigt und im selben Augenblick kam auch der Teufel daher. Das Hündlein, welches ihn vor dem Erscheinen erspürte, zerrte sie so heftig am Kleide, dass sie sogleich erwachte und aufsprang. Da Teufel fand die Holde also wachend vor und wusste, er hatte die Wette wegen dem Kleffer verloren. Zornig übergab er die versprochene Decke, ergriff aber das kleine Hündlein und flog mit ihm von dannen, ihn unter den Sudemerberg zu bannen.
Die Trauer um ihr Hündlein, konnte nur gutmachen, dass ihr Vater (als er die Decke unter Tränen bestaunte und sich damit gleichsam seines grausamen Wunsches besann) von allem sündigen Verlangen abließ und sie ferner bloß als Tochter sah und herzte.
Rund um Goslar, wie auch auf dem Sudemerberg, in dem noch heute das Hündlein sitzen soll, hat er Wehrtürme zum Schutz der schönen Stadt errichten lassen. Die Mannen darauf, sollten nicht nur vorm Nahen der weltlichen Feinde künden, sondern auch vor der Wilden Jagd warnen, wenn sie nebenwallend und donnergrollend auf die Stadt zurollte, denn ihr – wusste jeder – stand der Teufel vor. „Bimm, bamm – zieht die Türen fest an – bimm, bamm – das Böse rollt heran!“, kündeten die Glocken aller Kirchtürme der Stadt, worauf die frommen Leute, gleich drei Kreuze an ihre Türen malten, alle Fensterläden schlossen und in ihren guten Stuben immer gen Sudemerberg lauschten. Solange sie von dort, das gebannte Hündlein kleffen hörten, solange war der Unhold noch in ihrer Nähe.
Wer dem Hund beim Wandern begegnet und keine Angst in seinem Herzen trägt, der kann sich von ihm unter den Berg führen lassen. Hier käme man in einen großen, prunkvollen Saal, in dem die Kaiser alter Zeiten sitzen würden. Sie laden die mutigen Menschen an ihre Tafel ein und lassen keinen, ohne ein kostbares Geschenk mitzugeben, wieder ans Tageslicht gehen. (aufgeschrieben nach Grässe)
Der Kaiserin, die ansonsten so wunderschöne Gemahlin des Kaisers Heinrich II., entgleisten ihre Gesichtszüge. Ihr anmutiger und abgeklärter Blick verwandelte sich in schiere Verrücktheit und tobsuchtartig rannte sie den Flur hinab: „Wache, Wache … zum Teufel nochmal…Wache, ich bin bestohlen worden!“ Als sich endlich das Gesinde traute, ihr entgegenzutreten, da war Aufregung im ganzen Kaiserwort, alles rannte und suchte Botschaften zu überbringen und bald waren Schlosswache, Schlosshauptmann, Amtsschöffe und Richter im großen Saal verschüchtert schweigend versammelt und aus der Kaiserin Agnes platzte es nur so heraus:
„Ich bin bestohlen worden. Meine Diamanten, goldene Ringe und Armreife, alles fort. Der dreiste Dieb aber ist ertappt, denn zu meiner Kemenate hab nur ich den Schlüssel …, nur ich und mein Kämmerer!“
Da schluckte alles, die einen atmeten erleichtert auf …, das Gesinde aber schaute geschockt zum Kämmerer, der seine Unschuld auf den Knien, langsam zur Kaiserin rutschend, wieder und wieder beteuerte. „Schweige der Halunke!“, herrschte sie den Mann an, der ihr viele Jahrzehnte lang treue Dienste geleistet hatte. Als sich der einberufene Rat einig war, dass wirklich nur der Kämmerer als Dieb in Frage kam, errichtete man eiligst einen Galgen, zeigte dem Verbrecher den Strick vor, drängte ihn, doch die Wahrheit zu sagen, zu bereuen, zu verraten, wo die Schätze versteckt wären, wollte er einen schnellen Tod genießen. Der Kämmerer aber schwor auf alles was ihm heilig war, unschuldig zu sein, bat um Gnade, flehte bis zu seinem letzten abgedrosselten Atemzug. „Recht vor Gnade? … Da könnte ja jeder kommen und mich bestehlen.“, sprach Agnes zufrieden, als der Mann sein Leben aushauchte.
Am anderen Morgen aber, als die Kaiserin aus dem Fenster ihrer Kemenate schaute und der Tag versprach, wundervoll zu werden, öffnete sie die Fenster, atmete die frische Bergluft tief in ihre Brust und ließ ihre Blicke über die nahen himmelhohen Bäume schweifen. Plötzlich stutzte sie. Was blinkte und blitzte da, das Sonnenlicht reflektierend, in der Krone der alten Linde? - „Es wird doch nicht …!“, dachte sie und rief das Gesinde rasch zu sich, man solle doch einmal die Linde dort ersteigen und schauen, was die Raben in ihrem Nest versteckt hielten. Wie ein geschickter Mönch vorsichtig in die Baumkrone kletterte und ins Nest hineinschaute, da glaubte er seinen Augen nicht zu trauen:
Da lagen doch tatsächlich alle der Kaiserin gestohlenen Schätze. Die teuflischen Federviecher waren die Diebe gewesen! Als Kaiserin Agnes davon erfuhr, ward ihr schwarz vor Augen. Da hatte sie einen Unschuldigen, einen Freund über die Klinge springen lassen …, war nicht ihrem Herzen gefolgt, sondern ihrem Zorn auf den Leim gegangen.
In ihrer Not fragte sie ihren Beichtvater, was sie tun könne, um ihre Schuld zu sühnen.
Schließlich ließ sie auf dem Kalkberg im Osten der Stadt ein Kloster errichten. Sie widmete es dem Apostel Petrus, wovon der Petersberg heute noch seinen Namen hat.
Im nahen Felsen ließ sie eine Kluskapelle aushauen, in welcher fromme Priester täglich für ihr Seelenheil beten sollten, auch für den Kämmerer, der am Fuße des Felsens anständig und mit allen Ehren seine letzte Ruhestätte fand.
(aufgeschrieben nach Henninger & Harten)
Am Petersberge bei Goslar, worauf früher auch das Peterskloster gestanden hat, welches heute ganz in Trümmern liegt, pflückte ein zartes Mädchen einst eine Blume. Da tat sich plötzlich an der Höhlentüre der Berg vor ihr auf und es kam in einen Saal, wo viele herrliche Pferde mutig herumtrabten und wieherten. Dort war alles reich geschmückt, der Boden und die Säulen aus Marmor. An einer langen Tafel sah sie viele alte Männer mit langen Bärten sitzen, die von goldenem und silbernem Geschirr aßen. Alle Speisenden hatten goldene Kronen auf den Häuptern, wirkten ganz vornehm, hochadelig und sie hatte fast ein wenig Angst, an ihren Tisch zu treten. Da aber bemerkten sie die Kleine und begannen zu lächeln. „Nimm dir ruhig mit nach Haus', was du brauchst und grüße uns draußen die Lebenden. Sag, regiert gerade ein guter Kaiser das heilige, deutsche Land?"
Wie sie kurz überlegte und gerade darauf Antwort geben wollte, gewahrte sie, dass sie wieder draußen vor der Felsentüre stand. Hatte sie nur geträumt, fragte sie sich, an dem Erlebten zweifelnd, bemerkte aber plötzlich einen silbernen Teller von der Tafel in ihrer Hand. Den Felsenraum und die hohen Herren waren also Wirklichkeit gewesen. Schnell lief sie zu ihren Eltern, die ihr Kindlein mit aufs Rathaus nahmen. Der Bürgermeister von Goslar wollte die Geschichte wieder und wieder hören, um es als Lug zu entlarven und herauszubekommen, woher das Kind den Teller gestohlen hätte, bis das Mädchen plötzlich entgeistert von Wand zu Wand schaute. „Da sind sie, da sind sie!", schrie sie übermütig und deutete auf die angemalten Männer im Huldigungssaal des Rathauses. Jetzt glaubten ihr auch die Ratsherren.
Ein großer Tross an Menschen machte sich auf zum Petersberg. Wie man dort aber mit viel Mühe versuchte, die Zauberblume zu finden, und die Türe zum Felsen zu öffnen - es war vergebens. (aufgeschrieben nach Pröhle)
Als der Sohn des tyrannischen Kaisers Heinrich IV in seinem Schlafgemach im Kaisersaal lag, da fuhr mit aller Gewalt die Wilde Jagd über Goslar her. Es blitzte und donnerte so allgewaltig, dass alle gottesfürchtigen Menschen auf den Knien hockten und den Vater im Himmel um Beistand anflehten. Zack…da war wieder ein Blitz in die Pfalz eingeschlagen und das Grummeln ließ die Erde erbeben. Die Dienerschaft rannte wie wild umher, nur um zu schauen, ob nicht doch schon ein Feuer ausgebrochen wäre. Zack – wieder ein Blitz, Zack – ein Dritter der von tosendem Donner begleitet, das Schlafgemach des Kaisersohnes in ein teuflisch grelles Licht versetzte. „Heinrich, Heinrich!“, schrien die Diener in höchster Angst und Not, war ihnen doch der junge Mann, der das einfache Volk viel besser zu verstehen schien als dessen grimmiger Vater, wahrlich von Herzen lieb und teuer. Als Heinrich aber noch immer keine Antwort gab, erbrachen sie die Tür des kaiserlichen Schlafgemachs und fanden den Jüngling selig schlafend in seinem Bette vor.
Über der Bettstatt aber hingen Schwert und Schild von ihm, an denen noch immer blaue Flammen tänzelten, weil der Blitz in das Kriegszeug gefahren war. Vorsichtig weckte man den Kaisersohn, der mit einem Male hellwach das Wunder gewahrte, sich rasch ankleidete und seine jetzt rot glühenden und zusammengeschmolzenen Waffen zur Schmiede schaffen ließ. Hier nahm er sich selbst einen Schmiedehammer, entfachte noch einmal tüchtig die Glut und fertigte sich sein Schwert und Schild neu. In einem wundersamen blauen Licht funkelten da Heinrichs neue Waffen, worauf aller Zweifel in dem Jüngling erstarb: Gott war in dieser Nacht höchstselbst in sein Eisen gefahren und er war auserkoren, Schild der Armen und Unterdrückten zu sein und die Fürsten gemeinsam zum Schwert gegen seinen Vater Kaiser Heinrich IV zu rufen.
Tatsächlich gelang dem jungen Heinrich mit den vom Himmel gesegneten Waffen alles: Der Sturz des Vaters, jedes von sechzig Gefechten, die Erweiterung des Reiches, die Kirchenreform, das gemeinsame Herrschen mit den Fürsten. Ja, der Sohn schien aus den Fehlern des alten Kaisers gelernt zu haben, worauf sich das Reich wieder einte und man endlich gemeinsam mit 30.000 Rittern gegen Italien zog. Ein viel zu leichtes Spiel mit Gottes Waffen. Jetzt wollte sich Heinrich in Rom zum neuen Kaiser krönen lassen, viele Bischöfe aber protestierten, hätte es doch bedeutet, dass der Kirche mit der Krönung viele Rechte genommen werden würden. Immer lauter wurden die Einwände, dass man die heilige Zeremonie abbrach und Heinrich schrie: „Seht die von Gott mir gegebenen Waffen und seid stille, sonst werdet ihr sie zu spüren bekommen!“ Als der Papst sich dennoch weigerte fortzufahren, nahm Heinrich ihn in der Peterskirche gefangen und erzwang die Krönung. Mit dieser Tat im Jahre 1111 verloren seine Waffen ihr bläuliches Leuchten. Alle Hoffnung und Anerkennung der Armen und der Reichen, büßte Kaiser Heinrich V. damit ein. (aufgeschrieben von Henninger & Harten)
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