Sagenhaftes Aschersleben - Carsten Kiehne - E-Book

Sagenhaftes Aschersleben E-Book

Carsten Kiehne

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Beschreibung

Aschersleben, du älteste urkundlich erwähnte Stadt Sachsen-Anhalts, Asche auf mein Haupt, dass ich so lange achtlos an dir vorbei gefahren bin, trotz deiner Schönheit und der Vielfalt deiner Sagen. Wer sich einmal mit offenen Augen in dein Zentrum wagt, das weiß ich heute, ist verblüfft, von den kleinen zauberhaften Schätzen im Inneren. Auch bekomme ich einen starken Eindruck deiner Wehrhaftigkeit im Mittelalter, laufe ich entlang der Stadtmauer, an der noch heute so viele Türme weit ins Land hinausblicken. Dein ehemaliger Wassergraben ist heute eine liebliche Flaniermeile, in der ich gerne verweile, um mich in längst verflossene Zeiten hineinzuspüren. Von hier aus gründete Albrecht der Bär die Mark Brandenburg und Berlin. Aus dir sind kluge Köpfe erwachsen, wie Adam Olearius. Du hast Großes gesehen und einst durch aufgeklärte Menschen zu wahrer Größe gefunden - du schönes, sagenumwobenes Aschersleben!

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Carsten Kiehne gehört seit vielen Jahren zu den renommiertesten Kennern der Harzer Sagenwelt. Als Autor und Herausgeber vieler Bücher wie „Kräutersagen aus dem Harz", „Sagenhaftes Glück" & „Bäume – heilig & heilsam" sowie TV- Auftritten wie im ZDF & MDR ist er überregional bekannt. Als Initiator der Interessensinitiative „Sagenhafter Harz" gibt er Vorträge, Workshops & Führungen zum Thema im gesamten Harz, sowie Erzähler-Ausbildungen. (Dipl.SozPäd., Psychotherapeut HP, Meditationslehrer, Erzähler)

All Jenen gewidmet,

die ihre Heimat lieben!

Vom sagenhaften Inhalt

Vorwort

Einleitung

Der Riesenstein

Stadtnamen & Wappen

Die alte Burg

Der Teufel & der Bär

Der Bär im Wappen

Wie Narretei heilt

Was Liebe vermag

Heilsamer Johannisquell

Geld regiert die Welt

Der Johannistorturm

Schmaler Heinrich

Dumme Gänse

Unglücksvögel am Rabenturm

Vom Tuten & Blasen

Spuk am Hexenturm

Keine Hexe, weit & breit

Unter aller Sau am Sautor

Vertreibung durchs Sautor

Die Bärenjäger

Schadeleber Bärenschießer

Möhrenköppe

Eulenspiegel als Kürschner

Die eiserne Elle

Ziegen an der Rathausuhr

Der Teufel im Ratskeller

Das Katharinenhospital

Die Nonne im Spukgrund

Das Sieben-Uhr-Läuten

Mordtat im Kirchhof

Pflichten & Freuden

Der Schäferbrunnen

Die Burgmühle Ascaniens

Der Geist der Malzmühle

Die Nixe Undine

Der Graue Hof

Die Blaue Gans

Die Speckseite

Der Ermsleber Nagelstein

Was Steinkreuze erzählen

Unkontrollierter Groll

Verfluchte Konradsburg

Das Adalbertkreuz

Der Teufel als Fürsprech

Henkerskraut Wiesensalbei

Friedhofskanonen

Den nahen Tod erkennen

Aufrührer Thomas Müntzer

Verhasste Barfüßer

Die schwarzen Horden

Was der Vogelflug verrät

Ist’s Pein oder

Anzeichen des Todes

Die arme Susanne

Ein Hexenhäuschen

Der weise Adam Olearius

Mädelsprung von Schierstedt

Die Welbsleber Höhle

Der gestörte Tanz

Die Fehde Goldhans

Tückische Arnsteiner

Geister auf Burg Arnstein

Der ewige Faden

Die Mönchslinde

Der Mönch im Brauhaus

Vom Gundermann Alterodes

Die Schlüsseljungfer

Der Kuttenzins

Lichtermännchen

Korndämonen ringsum

Der verschlafene Mönch

Vom Wesen der Bäume

Frecklebens Schlossturm

Der Schatz

Der Meisdorfer Bierkrieg

Der große Turm

Wilddieb Gangloff

Wilder Jäger Hackelnberg

Quenstedts Donarsteine

Die Tut-Ursel

Das Grundlos im Hakel

Der Schatz der Domburg

Die rettende Feste

Der Namen Winningen

Der Gatersleber See

Froser Seeschlacht

Hoyms Untergang

Der Schatz im Schmökeberg

Warum das Hohe Tor fiel

Das Sedanfest

Einmal um die Welt

Literaturverzeichnis

Dankes- & Sponsorenliste

Vorwort: Aschersleben ist sagenhaft

Sagen sind weit mehr als einfache Erzählungen aus vergangenen Zeiten. Sie sind das kulturelle Erbe einer Gemeinschaft, in dem sich die Hoffnungen, Ängste und Träume der Menschen widerspiegeln.

Aschersleben befindet sich im Kernland deutscher Geschichte und Kultur. 753 n. Chr. erstmals urkundlich erwähnt spielte für die Entwicklung der ältesten Stadt Sachsen-Anhalts einst vor allem das ungemein fruchtbare Umland eine bedeutende Rolle. Zu einer Zeit, in der Naturkräfte noch unmittelbar erfahrbar waren, wuchs hier aus den Böden nicht nur Nahrung, sondern auch ein außerordentlicher Geschichtenreichtum. Dieser überlieferte Sagenschatz ist jedoch im Laufe der vielen Jahre zum Großteil in Vergessenheit geraten.

Für uns Menschen können Sagen von großen Wert sein. Sie dienen nicht nur der Unterhaltung, sondern auch der Bildung und der Identitätsfindung. Sie zeigen uns ein Stück weit, wer wir sind und woher wir kommen, und sie verbinden uns mit unseren Wurzeln. In einer Zeit, in der sich die Welt rapide verändert und alte Traditionen oft in Vergessenheit geraten, können uns Sagen Halt geben und uns daran erinnern, was wichtig ist.

Das Buch „Sagenhaftes Aschersleben“ möchte dazu beitragen den Aschersleber Bürgerinnen und Bürgern und den Gästen der Stadt die hiesige Sagenwelt nahezubringen und einen Einblick in die reiche mythologische Landschaft dieser Region zu gewähren. Es soll dabei helfen das kulturelle Erbe unserer Stadt zu bewahren und für zukünftige Generationen zu erhalten.

Bleiben Sie neugierig

Matthias Poeschel

(Vorstand Aschersleber Kulturanstalt)

Dieser Sagenschatz entstand u.a.

mit der Unterstützung des

Verschönerungsvereins Aschersleben e.V.

Der Verschönerungsverein Aschersleben e.V. steht für ein beispielhaftes bürgerliches Engagement. Wie sagte einst Ascherslebens Ehrenbürgerin Hildegard Ramdohr: „Eine Stadt ist immer nur so schön, wie ihre Bürger sie machen.“ In diesem Verständnis arbeitet der Verein und engagiert sich vielfältig: Mein Baum für Aschersleben, Frühjahrsputz, Tomatengarten, Nachhaltigkeitswoche und World Cleanup Day, Meine Bank für Aschersleben u.v.m. Und passend zu Sagenhaft engagiert sich der Verein auch für den Hexenturm. Neugierig?

Machen Sie einfach mit: www.verschoenerungsverein-aschersleben.de

Einleitung zum Buch des „Harz-Tores“

… der ältesten urkundlich erwähnten Stadt Sachsen-Anhalts: Aschersleben – wahrlich, mich fasziniert diese kleine unscheinbare Perle, nicht nur wegen ihres Alters oder ihrer ehemaligen Bedeutung, sondern wegen der Vielfalt an Sagen, von denen du, lieber Leser, dir gleich selbst ein Bild machst!

Natürlich möchte ich dich, vorm Lesen des Sagenbüchleins deiner Heimat auf einiges hinweisen, durch das sich Sagen und Legenden auszeichnen: Sie sind nicht wahr! Zwar steckt in jeder Geschichte ein Funken Wahrheit und manches ist mit den Chroniken der Stadt tatsächlich abgleichbar; anderes wiederum ist bloßes „Hörensagen“. Wer aber wäre ich zu urteilen: „Das lohnt sich zu erhalten, weil es Fakt ist; und dies hier gebe ich alles nicht weiter, weil es bloß Erlebtes oder Geglaubtes ist!“

Sagen sind so viel mehr als blanke Geschichte: Sie waren und sind stets Gesellschaftskritik gewesen (Kritik an den Edlen, Mächtigen und Reichen); sie enthalten einen mahnenden, moralischen Zeigefinger (stecken voller pädagogischer Werte); sie dienen zur Selbstreflexion (indem du dich in ihnen erkennst); sie weisen über den in der Sage beschriebenen Ort auf lokale Kraft- und Kultplätze unserer Vorfahren hin; über sie gab man Wissen weiter und erfuhr etwas aus seiner Heimat; und nicht zuletzt waren sie Mittel der Gemeinschaftsbildung, denn sie erzählte man sich am knisternden Lagerfeuer oder abends in der Spinnstube. Genau das wünsche ich mir von dem Buch: es soll uns zusammenführen, uns die Heimat ans Herz bringen. Bitte lass‘ dich dabei nicht davon abschrecken, dass du manche Geschichte anders in Erinnerung hast – jede einzelne Sage hat so viele Varianten. Für jeweils eine habe ich mich entschieden und hoffe von Herzen, dass dir diese Auswahl gefällt. Dein Sagenerzähler

Die Sage vom Riesenstein

Viele tausend Jahre ist es her, dass Riesen noch die Welt bevölkerten. Ihre Knochen findet man hier und dort noch heute und hält sie für versteinerte Bäume. Auch in unsere Gegend verschlug es einen dieser großen Gestalten, von der Viktorshöhe kam er mit großen Schritten, in eiligem Tempo, so dass die ganze Gegend bebte. Hätten hier schon Häuser und Höfe gestanden, alles wäre unter den Erschütterungen zu Bruch gegangen. Manche seiner Fußspuren sieht man noch heute. So tief hat sich die Erde unter der Last des Riesen eingedrückt, dass diese Löcher nun vollgelaufen und zu Seen geworden sind. Und dort, wo jetzt Aschersleben liegt, dort hielt das Ungetüm kurz inne. Irgendetwas störte beim Laufen und zwickte im Schuh, seit einer ganzen Weile schon, doch weil der Kopf bei Riesen so weit weg von den Füßen ist und noch dazu darin nur ein erbsenkleines Gehirn verborgen liegt, stieg der Schmerz im Riesen nur ganz langsam auf. „Aua“, schrie er ungestüm, „was ist das? Was schmerzt mich?“, und wie er das rief, hätte es für uns Menschen heute so geklungen: „affwawaffasafawwadfffaaa“ – Ja, genau. Wie ein böser Sturmwind, der über freie Felder weht, klingt Riesensprache fürs Menschenohr.

Der große Kerl ließ sich auf seinen Hintern plumpsen, dass es selbst die Zwerge im tiefen Erdreich zu spüren bekamen und ihre unterirdischen Gänge mit aller Kraft abstützen mussten, dass sie wegen der Last und den Erschütterungen nicht zu Bruch gingen. Wo vorher schönster Eichenwald war, war nun eine kahle Fläche, denn der Hintern des Riesen hatte alles plattgemacht. Jetzt zog sich der Große seine Schuhe aus und auch dabei hättest du nicht dabei sein wollen, denn es stank dermaßen, dass alle Blumen eingingen und die Tiere nah und fern in Ohnmacht fielen. Logisch, oder? Einst gab es keine Waschmaschinen und solch große Geräte für die Socken von Riesen gibt’s nicht mal heute. Dem Riesen war der Gestank auch egal, denn seine Füße waren ausreichend weit von der Nase weg. Jetzt schüttete er den Riesenschuh aus, worauf so viel Geröll und Erdmasse herausfiel, dass unser Burgberg entstand und darauf noch manch großer Steinblock zu stehen kam. Manche dieser Steine hat man für die Burg verbaut, andere zu Denkmälern (wie dem Bismarckstein) aufgestellt.

Stadtnamen und Wappen

„So ist’s beschlossen, wir siedeln hier“, sagte Asceger, der Warnenhäuptling und blickte ernst in die Runde, den Blick nach einem suchend, der seinen Beschluss kritisieren und ihn damit zum Kampf auffordern würde. Da, er hat’s doch geahnt: Eromir schien aufzubegehren. „Sprich“, rief Asceger in die Rune. „Warum hier, mein Fürst?“ – „Sieh dir diesen Berg an: er ist günstig gelegen. Hier von einem Fluss geschützt, dort von einem abfallenden Gelände. Wir haben Wasser, also Fisch und guten Boden. Nahende Feinde sehen wir von Weitem.“ – „Aber die anderen ziehen weiter …“ – „Um, was zu suchen? Was gibt es, was du nicht hier finden könntest? Zieht es dich und deine Sippe fort, so geh‘. Willst du mich bloß in Zweifel ziehen, so zieh‘ den Speer gegen mich, und wir werden sehen, ob Odin dich für einen Häuptling hält“, sagte Asceger deutlich, sich für einen Kampf bereitend. „Nein, mein Fürst“, antwortete Eromir rasch und verbeugte sich. Niemand aus dem Stamm hätte gewagt, seine Waffe gegen den Häuptling zu ziehen, trug der seinen Namen, der Waffen- oder Speerfrohe, bei Odin, nicht umsonst. Keiner hatte ihn bisher besiegt. „Ich frage mich nur“, sagte Eromir beschwichtigend, „ob es genug fruchtbares Land für alle gibt und, wie wir es untereinander aufteilen!“ – „So, wie immer mein Freund, durch das Los wird’s gerecht durch die Götter entschieden, beim morgigen Thing!“

So ließ sich der Stamm des Ascegers hier nieder, errichtete Langhäuser, Äcker und Weiden, legte Seen an und bald auch eine feste Wallanlage oben auf dem heutigen Burgberg, denn die Gegend erblühte und zog immer wieder Neid und Missgunst Fremder auf den Plan. Solange Asceger aber lebte, wurde die Siedlung niemals angegriffen. Wer hätte es auch gewagt gegen ihn den Speer zu erheben? So wurde es binnen einer Generation mächtig, unser „Ascegers-leben“ und als der alte Fürst starb, ging dessen Erbteil (germanisch „laiba“) über auf seinen ältesten Sohn, woraus der Name unserer heutigen Stadt Aschersleben entstand. – Erst durch eine falsche Übersetzung ins Lateinische, kam der Begriff „Ascharia“ in Umlauf, woraus bald Askania entstand, worauf wiederum sich die Herzöge von Anhalt, die die Stadt einst regierten, Askanier nannten. (nach Franz & Ritzau)

Freilich weiß der Volksmund auch anderes zu erzählen, woraus der Name sich hätte ableiten können: zum Beispiel habe es in Aschersleben sehr häufig gebrannt – die Stadtchronik ist voll Jahreszahlen, in denen Flammen schlimmes Unheil über Land und Leute brachten: so u.a. 1175, 1601, 1628, 1649, 1665, 1680, 1705, 1721, 1733! Die Stadt aber wäre aus der Asche, wie ein Phönix, immer wieder auferstanden und zu neuem Leben gekommen, also „Asche“ und „Leben“, darum Aschersleben!

Andere wiederum leiten den Namen davon ab, dass hier die Asen – eines der Göttergeschlechter der Germanen, die ihren Hauptsitz in Asgard haben – leben würden. Es war wohl ein Ort besonderer Energien, an dem man sich den alten Gottheiten nahe fühlen könne, weshalb Asceger, der Eschen-Speerträger, hier um ca. 500 v. Chr. ein altes Heiligtum errichtete. Vielleicht wuchsen hier auch himmelhohe Eschen, aus denen die Siedler ihre Speere fertigten, immerhin war jener Baum laut Edda ein Sinnbild von Yggdrasil, der Weltenesche. [Anmerkung vom Verfasser: gemeint war beim Yggdrasil vermutlich die „Nadelesche“, also die Eibe!]

Daher nämlich würde der Baum im Wappen kommen, meint Franz. Eigentlich wäre eine Esche und keine Eiche gemeint gewesen. Die Raben links und rechts wären Hugin und Munin, Gedanken und Gedächtnis, die den Gottvater Wodan stets begleiten. Der dritte Rabe symbolisiere den Adler, der oben auf Yggdrasil hocke und alles überschaue. Die Burg selbst im Wappen wäre Asgard und Aschersleben somit schützend von den Asen umgeben. (Selbstredend gibt es auch andere, rationalere Erklärungen! )

* * *

Die Alte Burg

Noch lange bevor die frühen Fürsten Anhalts, Schloss und Stadt Ascanien – das heutige Aschersleben – zu bauen begannen, thronte wenig entfernt davon, südlich gelegen, eine uralte Burg. Zur einen Seite war sie geschützt durch einen steilen Hang, der herunter zum Flusse Eine führte; zur anderen aber durch zwei vorgelagerte Wälle auf denen einst himmelhohe Pallisaden standen und jeden Angreifer schon von Ferne schreckten. So alt ist die Fliehburg, dass nicht einmal die Ältesten Geschichten davon erzählen. Ausgrabungen ergaben, dass dieses Gelände über der Stadt schon 5.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung besiedelt war. Ist das nicht unglaublich? – Sitzt du heute an dem steinernen Burgfried, pfeift bloß der Wind ein altes Lied …

Bis in die Ferne hatte es sich herumgesprochen, dass die Erde Ascaniens, reiche Früchte trug und darum hier viel zu holen sei.

Schon damals also gab es Gesinde, was sich schwer tat mit ehrlicher Arbeit schmutziger Hände und lieber schmutzige Geschäfte vorzog, wie das des Plünderns und Brandschatzens. Was ein Leid kam immer wieder über die braven Bauern des Umlandes, als wilde Räuberbanden oder fremde Völkerscharen zunichte machten, was man mit viel Fleiß und Liebe errichtet hatte. „Genug ist genug, wir müssen uns und unsere Habe schützen. Wir werden eine Trutzburg bauen, hinter dessen Wällen wir uns verstecken und dem Feinde trotzen können. Ein hoher Turm wird darin sein, von dem man aus den Feind schon von Weitem nahen sieht und der Alarm gibt, im Fall der Fälle.“ – „Gut gesprochen“, sagte ein anderer der Bauern, wobei er zu bedenken gab: „doch wer soll oben stehen? Wer allzeit Ausschau hält, kann sein Feld nicht bestellen. Wer eine Waffe trägt, kann keine Sense schwingen.“ – „Jeder von uns wird seinen Anteil geben, so wie er kann, damit die Mannen, die uns beschützen, von allem genug zum Leben haben.“ – „Gut gedacht, doch woher Mannen nehmen? Du weißt selbst, wie wenige wir sind!“ – „Ich weiß, doch hier schlägt unser Herz, in diesem Boden liegen unsere Ahnen, sie werden mit uns streiten, wenn’s an der Zeit ist, sich zu erheben.“

Und genau so war es: man beerdigte fortan alle Toten an den Burgwällen und, wenn ein Angriff kam, hörte ich die Winde raunen, standen sie aus ihren Gräbern hoch, klopften sich die nasse Erde von den Knochen und kämpften Seite an Seite mit und für die Lebenden! Welcher Feind wäre da nicht erschrocken und suchte das Weite, wenn ein Toter den Tod bringt? – Ich weiß nicht, ob dies stimmt, doch ließen die Bauern das Gerücht mit ihren Waren in alle Himmelsrichtungen verbreiten. Allein schon diese Geschichte machte großen Eindruck auf all Jene, die erwogen, ins Umland einzufallen. Vielleicht mochte alles eine ehrbare Lüge sein, doch klingt alles früher oder später wahr, hört man’s nur wieder und wieder aus vielerlei Münder! Viele Jahrhunderte war darum Frieden in Ascanien und die Fliehburg, kaum war sie gebaut, ward nie gebraucht! Heute bietet die Burg vielen Tieren Unterschlupf und ist im Zoo von Aschersleben integriert! (nach Stolle u.a.)

* * *

Der Teufel und der Bär

Nur einmal hat sich der Teufel an Aschersleben versucht, nämlich als er die Seele von Albrecht dem Bären zu gewinnen gedachte. Noch lange bevor dieser der Begründer des mächtigen Hauses Anhalt wurde, ahnte der Höllenfürst, was einmal aus dem Spross des Ballenstedter Grafen Otto und dessen Gemahlin Eilika (aus dem starken Hause der Billunger) werden würde. Solch eine Seele wäre der beste Fang, den der Teufel sich denken konnte: „Ist Albrecht nämlich auf meiner dunklen Seite, wie viele werden seinem Beispiel folgen?“

In der schwächsten Stunde Albrechts, nämlich kurz nach dem Tode seines geliebten Vaters, kam der Teufel nächtlich vom Harz herab und zog als dicker Nebel in die Kemenate von Burg zu Aschersleben, in der der frisch gebackene Graf von Ballenstedt und eben unserer schönen Stadt gedankenschwer vorm Kamin herumsaß. Das war ein Zischen und Tosen, als der Nebel sich verdichtete, sich wie zu einem Tornado zu drehen begann und aufschwang und daraus der Fürst der Hölle hervortrat. Albrecht stutzte nur kurz, bevor er sich wieder – vollkommen entspannt, als wüsste er genau, was geschieht – dem Kaminfeuer zuwendete. Niemand hatte es bisher gewagt, das leibhaftige Böse dermaßen zu ignorieren, dass der Teufel beinahe an die Decke gegangen wäre, nur um dann diesem Albrecht den Hals herumzudrehen. In letzter Sekunde aber besann sich Urian, hatte er doch schließlich andere Pläne: „Auf ein Gespräch von Fürst zu Fürst“, begann er süß um Aufmerksamkeit zu buhlen und hörte nur ein Schlichtes „Sprich, wenn er’s sich nicht verkneifen kann!“ – Oh, da begann selbst der Teufel zu kochen, verkniff sich’s wiederum und lockte: „Ich weiß, was du vollbringen wirst mit meiner Hilfe: wirst Markgraf der Lausitz …! Du könntest aber auch noch Markgraf der Nordmark werden, Markgraf in Brandenburg und Herzog in Sachsen, wenn …!“ – „Wenn, was?“, fragte Albrecht. „Ach, wenn du nicht so viele starke Gegner hättest, den Löwen zum Beispiel“, grinste der Teufel, wohl wissend, dass er den Fisch nun an der Angel habe. „Ein Löwen zum Gegner? Du sprichst von einem Welfen, Heinrich mit Namen, oder? Ein Kind ist er noch und dennoch gefährlich. Ich träumte davon, was sein wird, in vielen Jahrzehnten“, sagte Albrecht …

… und schaute dem Bösen unerschrocken ins Angesicht. „Was aber willst du von mir, weshalb bist du hier?“ – „Ich?“, fragte der Teufel theatralisch. „Ich bin nur hier, um dir zu helfen. Ich mache dich zum mächtigsten Mann, wenn du für mich tust, was ich nicht alleine kann: Ich bekomme deine Seele und viele Seelen derer, die dich wählen!“ – „Und dafür machst du mich zum stärksten Mann?“, fragte Albrecht machthungrig und keine Angst davor habend, irgendwann einmal ins Fegefeuer zu müssen. „Jaaa“, lachte der Teufel, sich seines Sieges schon sicher. „Aber ein Mann ist nicht stark. Ein Löwe ist mächtig, ein Ochse, ein …!“ – „Ein Bär!?“, fragte der Teufel und rieb sich die Hände. „Ja, du wirst meine Seele bekommen, wenn du mich groß und stark machst, wie einen Bären – dies ist mein Wille!“ – „Nichts leichter als das“, meinte Urian, sprach eine Zauberformel und hüllte Albrecht in schwefligen Dunst und schon war’s geschehen.

Du hättest die Verwandlung sehen sollen: Albrecht war immer noch ein Mensch und ein Mann, doch dahinter, im Schatten des flackernden Kerzenlichts, da sahst du wohl, was noch in ihm steckte: ein großer Brauner, so gewaltig, wie du noch nie einen zu Gesicht bekommen hast. Wenn Albrecht nun seine Muskeln spielen ließ, dann platzten ihm beinahe die Gewänder, dann passte er kaum mehr durch irgendeine Tür im Schloss. – Mit sich selbst vollkommen zufrieden, grinste der Teufel und begehrte Albrechts Blut, den Pakt nun zu besiegeln. Der Bär jedoch, richtete sich vor dem Höllenfürsten auf, und gab diesem so tüchtige Schellen links und rechts und wieder links, dass dem Beelzebub die Hörner kläglich klirrten. Dann nahm er das Böse und hieb es an die Wände, dass hässliche Flecken entstanden und die Burgwälle zu wackeln begannen. Endlich riss sich der Gepeinigte los, verwandelte sich zum Nebel als der er kam und floh, floh aus Aschersleben zurück in den Harz. Und Albrecht? Der setzte sich wieder an den Kamin, brummte beseelt und freute sich auf die Zeiten, die da vor ihm lagen. Er wusste nur zu gut, dass der Teufel (der sich bloß in einen Hund verwandeln kann), es nie vermag, einen Bären zu besiegen. Das würde nicht einmal einem Löwen gelingen, weshalb Aschersleben – wegen, Albrecht dem Bären – fortan vorm Teufel sicher war.

* * *

Der Bär im Wappen

Dass der Bär im Berliner Wappen auf unseren ersten Grafen zurückzuführen ist, konnte bisher nie belegt, aber auch nicht widerlegt werden! Somit ist zumindest den Aschersleber klar, dass BÄR-lin ohne Albrecht den Bären gar nicht denkbar gewesen und die deutsche Hauptstadt darum auch bloß ein Ortsteil von Aschersleben, der ältesten Stadt Sachsen Anhalts, ist!

Es war nämlich Albrecht der Bär, der die Expansionspolitik der Askanier entscheidend vorantrieb, indem er mit Pribislaw, einem Abkömmling der Hevellerfürsten Kontakte knüpfte: „Du willst also neuer Fürst der Heveller werden?“, fragte Albrecht in ernstem Ton. „Was habe ich davon, wenn ich dich in deinem Streben unterstütze und mit meiner Streitmacht deine verhasste Familie vom Thron schlage?“ – „Eine berechtigte Frage, guter Albrecht. Ihr bekommt ein starkes Bündnis. Ein Bündnis im Osten, das auch eure Feinde bishin zu Kaiser Lothar erzittern lassen wird. Zudem habe ich keine Kinder, und mir auch in den Kopf gesetzt, ferner mein Leben nicht durch Plagen zu erschweren, und nachher noch hinterrücks von ihnen ermordet zu werden, nein. Mein Thron, mein Land, meine Macht, das alles sollt – nach meinem Tode – ihr erhalten!“

Wie versprochen kam es denn: nach Pribislaw dahinscheiden, im Jahre 1150, übernahm Albrecht die Residenz der Heveller, die uneinnehmbare Feste Brandenburg, ohne einen einzigen Schwerthieb. Kaiser Lothar, dem zwar die wachsende Macht des Bären ein Dorn im Auge war, konnte aber nicht anders als ihn auch noch zum Markgrafen der Nordmark zu machen!

* * *

Wie Narretei heilt

Albrecht der Bär, der unter anderem Graf von Aschersleben und Ballenstedt war, war gefürchtet bei seinen Feinden, bei seinen Untertanen aber bekannt als strenger, jedoch gutherziger und obendrauf weiser Mann, dem mitunter ein wahrer Schalk im Nacken saß.

Einmal ritt er mit einigen Waffenknechten durch seine Grafschaft, als der ganze Tross abrupt zum Stehen kam. Vor dem Pferd des Herrn lag eine Kuh quer über den ganzen Weg gestreckt, die wohl ihre besten Zeiten weit hinter sich hatte und eben im Begriff war zu verenden. „Kann sich das Viech nicht einen anderen Platz zum Verrecken suchen?“, schimpfte einer der Landsknechte Albrechts die am Boden knieende und weinende Bäuerin an, „Sieh sie zu, dass sie das Schlachttier vom Wege kriegt, sonst kriegt sie eine …!“ „Haltet an euch, Ritter“, platzte Albrecht dazwischen, als er die verängstigte Frau sah, die ohnehin gerade größte Not zu leiden schien.

„Was ist mit deiner Kuh?“, fragte der Markgraf. „Mein Herr, verzeiht, sie hat gerade am Wegesrand etwas Schlechtes gegessen und ist zu Boden gegangen und rührt sich nicht mehr. Herr, wir haben nur das eine Tier. Lieber Gott, was ist mit ihr?“ - „Frau, du weißt, ich bin als Medicus bekannt!“, sagte der Graf, worauf sie still nickte, „Von einem alten Heiler im Orient, habe ich Solches erfahren, dass man heilend‘ Wunder tun kann, wenn man dreimal im Kreise, entgegen der Sonne, nackend um den Kranken springt und ruft: ‚Stück für Stück, drehe sich die Zeit zurück!‘, dann dreimal zum Himmel gestreckt und sich dreimal zur Erde gebückt, dann ist jedes Heilstück geglückt!“ – „Danke, tausend Dank mein Herr!“, rief die Frau mit einem Tränlein auf der Wange, entkleidete sich auch gleich vor all den Reitern und tat, wie ihr geheißen. Grinsend, aber ihren Augen nicht trauend, besahen die Leute dies‘ Possenspiel und auch die Kuh hob verwundert ihren Kopf. Als die Bäuerin dann aber nackend vor der Kuh kniete, hustete und prustete sie so, dass sie den verschluckten Gegenstand aus dem Rachen herausbekam und nach kurzer Zeit tatsächlich wieder auf den Beinen stand.

Die Bäuerin weinte vor Freude und dankte jedem Einzelnen der sich in Bewegung setzenden Reiter. Du kannst dir sicher vorstellen, dass die hohen Herren rechte Mühe damit hatten, sich das lautstarke Losprusten zu verkneifen, wie sie an der nackten Närrin vorbeigaloppierten.

Einige Monate später versank das Land in Trauer, denn in jedes Dorf war die Kunde getragen worden, dass der Markgraf unheilbar erkrankt wäre und es bisher keinem Heiler gelang, die rechte Medizin gegen sein Leiden zu finden. Die Not Albrechts kam freilich auch der Bäuerin zu Ohren, deren einst geheilte Kuh draußen auf der Wiese selig das frische Grün aufschmatzte. Alsgleich machte sich die gute Frau auf den Weg zum Ballenstedter Schloss, stahl sich durch die Wachen hindurch ins Schlafgemach des Grafen, der dort bleich im Bette lag, umgeben von dutzenden der besten Heiler im Land.