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Die Sprache ist die innere Basis des Menschseins. Sie ermöglicht uns Bewusstsein, Vorstellungen und Gedanken fest zu halten und zielgerichtet einzusetzen. Die Schrift ist dabei ein wichtiger Schritt in der individuellen Bewusstseinsentwicklung des Menschen. Im Erstschreibunterricht lernen wir die Grundlagen. Es geht nicht nur um informative Sinneinheiten, sondern auch um Gefühle, Empfindungen, Willensimpulse und existentielle Sinnbezüge. Das zeigt sich schon, wenn jemand die Laute "AAH" oder "UUH" zum Ausdruck bringt. Im ersten Fall schwingt in der Sprache ein Staunen mit, im zweiten vielleicht eine Empfindung der Furcht. Die Seelengesten des Menschen sind auch in der Sprache enthalten und sollten beim "Schreiben lernen" nicht gänzlich verloren gehen. Wir beschreiben deshalb eine Methode des Erstschreibunterrichtes, in der dieser Aspekt mit berücksichtigt wird. Im weiteren Verlauf des Erwerbs der schriftlichen Sprache gilt es die Verschriftungsregeln einer Sprache zu erwerben. Jedes Kind hat dabei seine eigenen Strategien. Wenn ein Schüler beispielsweise das Wort "bequem" mit "bkwm" verschriftet, kann das seinen guten Grund haben. Er dachte sich vielleicht " Am Anfang hör ich ein "b", dann höre ich den Laut "k" und schließlich "w" und "m", deshalb "bkwm". Allerdings unterscheidet das Kind nicht den Namen eines Buchstabens und seine Lautung. Jede Verschriftung – auch eine "falsche" hat ihren Grund. Deshalb werden im zweiten Kapitel Verschriftungsstrategien behandelt. Im dritten Kapitel steht der künstlerische und gemüthafte Aspekt der Sprache und Schrift im Vordergrund. Da findet man Vorschläge zur Pflege der Erzähl, Schreib und Lesekunst. Verschiedenste Schreib und Lesespiele werden aufgeführt, die die Fähigkeiten des Einzelnen auf lockere Weise anregen.
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Seitenzahl: 132
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© 2018 Hans-Albrecht Zahn
Umschlaggestaltung: Hans-Albrecht Zahn
Lektorat: Anne Zahn
Korrektorat: Günther Blank
Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg
978-3-7469-4157-8(Paperback)
978-3-7469-4158-5(Hardcover)
978-3-7469-4159-2 (e-Book)
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
SCHREIB-LESE-WERKSTATT
ÜBUNGEN UND SPIELE ZUR SCHREIBKUNST(Erstschreibunterricht, Schreibstrategien, Sprachspiele)
Heilsamer Umgang mit Schreib-Leseproblemen und Legasthenie
Inhalt
SCHREIB-LESEWERKSTATT
Vorwort:
Einleitung: Vom Geheimnis der Sprache und Schrift
1) WESENHAFTES SCHREIBEN LEREN
1.1 Der Wesensausdruck der Sprache
1.2 Wesensausdruck der Laute und Buchstaben
1.21 Einführung Vokale
1.22 Einführung Konsonanten
2. ENTWICKLUNG DER SCHREIBSTRATEGIEN
2.1 KOMPLEXE LAUTE
2.2 ÄHNLICHE LAUTE
2.3 GLEICHE GRAPHEME
2.4 LANGE UND KURZE LAUTE
SCHÄRFUNGEN
DEHNUNGEN
2.5 GLEICHE LAUTUNG – UNTERSCHIEDLICHE BEDEUTUNG
2.6 WORTGLIEDER - WORTTEILE
2.7 WORTSTRUKTUREN
2.8 UNTERSCHIEDLICHE SINNSTRUKTUREN
2.9 VERWANDTSCHAFTEN
2.10 GROSS - KLEINSCHREIBUNG
2.11 ZUSAMMEN – GETRENNTSCHREIBUNG
2.12 FREMDWORTE
ÜBUNGSFORMEN
Vorgehen
Entwicklungspsychologische Gesichtspunkte
3 SPRACHÜBUNGEN UND SPIELE
3.1 PFLEGE DER ERZÄHL UND SCHREIBKUNST
3.2 PFLEGE DER LESEKUNST
3.3 SPRACHSINN UND TEXTVERSTÄNDNIS
3.4 DIFFERENZIERUNG DER SPRACHELEMENTE
3.41 Bewusstes Schreiben und Lesen
3.42 Bewusstes Differenzieren der Laute und Buchstaben
3.43 Differenzieren von Wort, Silbe, Rhythmus
3.5 BEGRIFFSVERSTÄNDNISUND LAUTFOLGEN
3.6 BEWEGEN UND FORMEN VON SPRACHELEMENTEN
3.7 WORT UND SILBENRÄTSEL
Schluss:
Vorwort:
Mit dem Erlernen der Sprache beginnt unsere Bewusstseinsentwicklung. Wir werden fähig, die Welt und uns selbst innerlich zu erfassen und zu gestalten. Mit der Erfindung der Schrift kommt ein weiterer, wichtiger Schritt in der menschlichen Entwicklung dazu.
Das Erlernen des Sprechens und Schreibens ist auch heute noch ein elementarer Baustein der geistig-seelischen Entwicklung des Menschen. Lebendige Sprache wird in Schriftzeichen gefasst. Es gilt einen Zusammenhang von Begriffen, Lauten und Buchstabenzeichen herzustellen. Beim Lesen ist der umgekehrte Vorgang nötig. Die „toten“ Schriftzeichen werden wieder zur „lebendigen“ Sprache „erweckt“.
Im ersten Kapitel dieser Arbeit wird der Erstschreibunterricht dargestellt. Das Erlernen der Schrift besteht äußerlich darin, Morpheme (Sinneinheiten), Phoneme (Lautstrukturen) und Grapheme (Buchstabenzeichen) in einen funktionellen Zusammenhang zu bringen.
In der Sprache steckt aber viel mehr. Es geht nicht nur um Informationen, akustische Laute und visuelle Zeichen, sondern auch um Gefühle, Empfindungen, Willensimpulse und existentielle Sinnbezüge. Die Laute „aah“ oder „uuh“ haben auch einen Gefühls- und Wesensausdruck. Im ersten Fall schwingt ein Öffnen und Staunen mit, im zweiten eher die Empfindung Abwehr und Furcht.
Ich halte es für wichtig, diesen Aspekt der Schrift mit einzubeziehen. Wir begnügen uns nicht mit einer intellektuell- informativen Erstschreibmethodik, sondern beschreiben eine wesenhaft- empfindungsgetragene Methode.
Im weiteren Verlauf des „Schreiben Lernens“ werden die Verschriftungsregeln der Sprache erworben. Im zweiten Kapitel beschreibe ich die verschiedenen Möglichkeiten, einen Laut in Schriftform darzustellen. Den Laut „x“ könnte man z.B. „ks“, „gs“, „cks“, „chs“ oder „x“ schreiben. Wir verwenden bei Stammworten im Deutschen nur die letzten beiden Möglichkeiten. In den slawischen Sprachen wird für den „x-Laut“ durchaus auch die Buchstabenfolge „ks“ angewandt. Die Verschriftungsstrategien der verschiedenen Sprachen unterscheiden sich erheblich.
Im dritten Kapitel steht der künstlerische und gemüthafte Aspekt der Sprache und Schrift im Vordergrund. Verschiedene Vorschläge zur Pflege der Erzähl, Schreib und Lesekunst werden gemacht. Schreib und Lesespiele werden beschrieben, die die Fähigkeiten des Einzelnen auf lockere Weise anregen können.
Jeder, der mit dem Erlernen der Schrift zu tun hat, also Kinder, Eltern, Lehrer, Lerntherapeuten usw., wird auf die hier vorgeschlagenen Übungen zurückgreifen können. Kinder, die oft schon alle Lust am Schreiben und Lesen verloren haben, können wieder Freude an der Sprache und am Schreiben entwickeln. Auch in der Legasthenie-Therapie sind die Übungen gut zu verwenden.
In diesem Sinn wünsche ich freudiges Entdecken und viel-Erfolg.
Hans-Albrecht Zahn
Einleitung: Vom Geheimnis der Sprache und Schrift
Die Sprache ist die Basis des Menschseins. In den alten spirituellen Kulturen wird sie als der Ursprung des Seins dargestellt. In der Bibel (Altes Testament) heißt es, dass alle Dinge durch die Sprache (“das Wort“) Gottes geschaffen wurden: „Und Gott sprach es werde Licht und es war Licht …„“.1 Der ganze Kosmos, die Erde, die Pflanzen, Tiere und der Mensch entstehen nach dem biblischen Bericht aus dem Wort Gottes. Hier wird die Sprache als die Quelle der Schöpfung geschildert.
Im Neuen Testament, in dem von einer Neuschöpfung der Welt durch Christus die Rede ist, wird die Sprache ebenfalls als der Ursprung der menschlichen Entwicklung dargestellt. Da heißt es im ersten Kapitel des Johannesevangeliums: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. Dasselbe war im Anfang bei Gott. Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist……. Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“2
Auch nicht religiös orientierte Menschen müssen die grundlegende Bedeutung der Sprache im Bereich der Bewusstseinsentwicklung und Sozialisation des Menschen anerkennen.
In den alten religiösen Kulturen wurde das geistige Wissen mündlich tradiert. Die heiligen Schriften und Mythen sind von Generation zu Generation über die gesprochene Sprache weitergegeben worden. In Indien wurden die Inhalte der Bhagavadgita und der Veden über viele Jahrhunderte mündlich weiter erzählt, bevor sie in Schriftform gegossen wurden. Die Edda, als heilige Schrift des germanischen Kulturkreises, ist gar erst im dreizehnten Jahrhundert in Island niedergeschrieben worden.
Lange scheute man sich, religiöse Texte schriftlich zu fassen. Die geistige Welt wird in erster Linie imaginativ und inspirativ erfasst. Dafür ist die gesprochene Sprache besser geeignet.
In der Zeit, in der die erste Schrift entstand, verblasste sowohl die Wahrnehmung der geistigen Welt, als auch die umfassende Erinnerungsfähigkeit. Die Schrift war die einzige Möglichkeit Erkenntnisse den nachfolgenden Generationen weiter zu geben. Dabei benutzte man verschiedene Wege.
In den Bilderschriften wurde an die innere imaginative Bildfähigkeit des Menschen angeknüpft. Gehörte Sprache wurde in bildhafte Zeichen gebracht. Im alten Ägypten sind die Hieroglyphen entwickelt worden, in China war es die chinesische Bilderschrift. Beim Lesen einer Bilderschrift assoziiert man eher lebendige bildhafte Vorstellungen, weniger abstrakte Begriffe.
In den modernen Kulturen nimmt man als Grundelemente der Schrift die Sprachlaute genommen. Diesen werden bestimmten Schriftzeichen, die Buchstaben, zugeordnet. Bei den Buchstabenschriften stehen die Lautgebilde im Vordergrund. Auch dabei gibt es alle möglichen Varianten. In der hebräischen Schrift hat man z.B. keine Vokale geschrieben. Die Konsonanten müssen genügen, um das gehörte Wort zu rekonstruieren. In den verschiedenen Sprachen gibt es die unterschiedlichsten Laute, für die jeweils eigene Buchstabenzeichen gefunden werden müssen. Außerdem werden die verschiedensten Schriftzeichen, wie die arabischen, hebräischen, griechischen, kyrillischen Buchstaben benutzt.
In den Silbenschriften werden Wortteilen (Silben) entsprechenden Schriftzeichen zugeordnet. Sprachen mit einer überschaubaren Anzahl von gleichen Silben sind dazu besser geeignet als andere.
In der biographischen Entwicklung der Schreibfähigkeit des einzelnen Menschen spiegeln sich gewisse historische Phasen der Sprach- und Schreibentwicklung wieder. Das Kleinkind lebt noch ganz in der gesprochenen Sprache. Etwas später kann es sein, dass ein Erwachsener dem kleinen Kind z.B. „PAPA“ vorschreibt und dazu sagt, dass diese Zeichen „Papa“ bedeuten würden. Manchmal greift das Kind das auf und betrachtet dieses graphische Gebilde als ein Symbolbild für Papa. Es ist aber deutlich, dass nicht die einzelnen Buchstaben unterschieden werden, sondern das ganze Zeichengebilde als ein Bild für den Vater angesehen wird. Es nimmt die Schrift noch bildhaft wahr.
Ich hatte einmal ein Kind zu begutachten. Der Schüler war in der dritten Klasse und zeigte mir voller Stolz sein Schreibheft. Bald stellte sich heraus, dass das Kind die gesamten Texte, die es geschrieben hatte, mit „affenartiger“ Geschwindigkeit zeichnerisch von der Tafel oder dem Nachbarsheft abgezeichnet hatte. Es hatte gar keine Vorstellung von Lauten und Buchstaben entwickelt, sondern meinte „Schreiben sei abzeichnen von Zeichenfolgen in Verbindung mit einem Sprachinhalt, der vorher besprochen wurde.“
Ähnlich gehen oft auch jüngere Kinder vor. Ein kleines Kind in unserer Verwandtschaft, das noch lange nicht in der Schule war und schreiben konnte, wurde von der Mutter aufgefordert, auf eine Karte einen Brief an Oma zu schreiben. Das Kind setzte sich brav hin, machte mit einem Stift von links nach rechts Auf- und Abwärtsbewegungen und sagte dabei vor sich hin „Liebe Oma, schade dass du nicht da bist, ich war heute mit Mama auf dem Spielplatz usw.“ Sein Verständnis von Schreiben war „jemanden etwas erzählen und dabei fortlaufende Auf und Abwärtsbewegungen machen.“
Je nach Lebensalter entwickelt das Kind verschiedene Verschriftungsstrategien. Immer aber geht es beim Schreiben darum, einen Zusammenhang von gehörter Sprache in Schriftzeichen vorzunehmen.
Im Erstschreibunterricht bringt man den Kindern die Grundlagen des Schreibens bei. Es wird nun im ersten Kapitel eine wesenhaft künstlerische Methode des Schrifterwerbs beschrieben.
1 Luther Bibel 1.Mose 1 Vers3
2 Luther Bibel Johannes 1
WESENHAFTESSCHREIBENLERNEN
1) WESENHAFTES SCHREIBEN LEREN
(Vom Laut zum Buchstaben)
1.1 Der Wesensausdruck der Sprache
1.11 Innerlich meditative und äußerlich funktionelle Sprachbetrachtung
In erster Linie richten wir unsere Aufmerksamkeit auf das ganzheitliche Spracherleben. Das erfordert weniger ein analytisches, intellektuelles Verstandesdenken. Ein ganzheitlich künstlerischer Zugang und eine meditative Sprachbetrachtung ist nötig. Der Empfindungs-und Gefühlsausdruck der Sprachphänomene muss erweckt werden.
Der Begriff „Wolke“ hat im Englischen und Französischen einen ganz anderen Wesensausdruck als im Deutschen. Im einen Fall spricht man von „cloud“, im anderen Fall von „nuage“. Versucht man sich zu dem Lautausdruck „nuage“ eine Wolke vorzustellen, dann ist das eher ein zartes, rosa gefärbtes Schleierwölkchen. Der englische Lautausdruck ruft dagegen eher ein kompaktes abgeschlossenes Wolkengebilde hervor. Beim deutschen Lautgebilde Wolke dagegen ballt sich eher eine Haufenwolke zusammen, die sich anstaut und schließlich wieder umbildet.
Als weiteres Beispiel sei das Wort „Kopf“ genannt, das in den drei Sprachen sehr verschiedene Empfindungsassoziationen hervorruft
Beim deutschen Lautgebilde „Kopf“ hat man etwas hartes Rundes vor sich. Die Formgestalt steht im Vordergrund. Deswegen kann man einen Begriff wie „Salatkopf“ bilden. Das französische Lautgebilde „tete“ bezieht sich mehr auf das, was der Kopf macht, nämlich das „testieren“. Mit dem französischen „Kopf“ bezeugt man, dass etwas so oder so ist. Bei dem englischen Lautgebilde „head“ hat man eher ein „Organisationszentrum“ im Bewusstsein. Der englische „Kopf“ ist dasjenige, was dem übrigen Leib vorgibt, was zu tun ist. Deswegen kann man einen Begriff wie „headquarter“, also eine Hauptgeschäftsstelle, bilden.
Bei der rein äußerlichen Sprachbetrachtung gehen diese Empfindungs- und Wirkqualitäten verloren. Der informative Aspekt der Sprache steht im Vordergrund. Der ganzheitliche Erlebnisrahmen wird nicht ins Bewusstsein genommen. Der imaginative und intuitive Aspekt der Sprache ist ausgeklammert. Das lebendige Sprachempfinden wird reduziert auf isolierte Sinneinheiten, akustische Lautgebilde und abstrakte Buchstabenzeichen.
Eine äußerlich-funktionelle Sichtweise ist für die technische Beherrschung der Sprache notwendig. Man kann kein Sprachprogramm auf einem Computer installieren, wenn die Sprachphänomene nicht funktionell und isoliert ins Bewusstsein genommen werden.
Auch im üblichen Erstschreibunterricht wird heute weitgehend die technische Beherrschung der Schreibfertigkeit in den Blick genommen. Dazu genügt es die Sprachlaute als phonetische Lautgebilde zu betrachten, denen entsprechende Zeichen – Grapheme – zugeordnet werden müssen. Der Lehrer wird dann vielleicht noch versuchen, die Laute und Zeichen mit allen möglichen äußeren Empfindungen „kindgerecht“ aufzupäppeln. Das geschieht beispielsweise dadurch, dass auffällige Farben für einzelne Buchstaben verwendet oder zu den Formen der Buchstaben gegenständliche Assoziationen dazu gefügt werden, z.B. ein Hirtenstab für ein „I“ oder ein Hausdach für ein „A“ usw. Den abstrakten Lauten und Zeichen werden nachträglich Bilder und Empfindungsnuancen hinzugefügt. Bekannt sind die Anlauttabellen, in denen den einzelnen Lauten typische Worte zugeordnet werden, z.B. A – Apfel, B – Bach, D –Dach, usw. Solche Zuordnungen sind willkürlich und dienen in erster Linie dazu, sich Laute und Buchstaben besser einprägen zu können. Das Bewusstsein ist auf den intellektuellen Zusammenhang von äußerem Sprachlaut und Buchstabenzeichen gerichtet und nicht darauf, die unterschiedlichen Qualitäten der einzelnen Sprachlaute zu erleben.
Ein wesenhaft-künstlerischer Ansatz der Sprachphänomene sieht anders aus. Es gilt die Sprachlaute nicht nur äußerlich zu analysieren, sondern innerlich zu „meditieren“.
Dann lautet die Fragestellung: „Was für eine Qualität hat dieser Laut?“. Was wird gefühlsmäßig wahrgenommen, wenn der entsprechende Laut authentisch gesprochen wird. Das Bewusstsein ist nicht darauf gerichtet, wie der Laut funktioniert, sondern welche Eigenschaften dieser Laut hat. Man fragt nach dem Wesen des Lautes.
1.2 Wesensausdruck der Laute und Buchstaben
(Der Beginn des Schreiben Lernens)
Bei der Einführung der Buchstaben geht es um einen gefühlsmäßigen Bezug zu den einzelnen Lauten, der auf innerlich meditative Weise errungen wird. Daraus ergeben sich Bilder und Empfindungen, die in Zusammenhang mit dem Wesensausdruck der einzelnen Sprachlaute stehen. Mit einem solchen Zugang wird der Lehrer individuell entsprechende Bilder, Geschichten, Spruchgut oder typische Bewegungsgesten für den jeweiligen Buchstaben entwickeln können.
Die erarbeiteten Wesensqualitäten der Sprachlaute können dabei ganz verschieden sein.
Einige werden vielleicht beim Meditieren des Lautes „A“ so etwas wie „Staunen und Verehrung“ empfinden, andere erleben mehr die Qualität der „Offenheit und Neugier“. Jedenfalls können die Betreffenden erspüren, dass andere Empfindungsqualitäten beim „A“ mitklingen als bei einem „E“ oder „U“. Die Ergebnisse einer meditativen Betrachtung sind relativ offen, aber nicht beliebig. Es gilt sie dann entsprechend aufzubereiten. Idealerweise kann eine Geschichte vom „A“ erfunden werden, ein Bild vom „A“ erzeugt oder ein körperlicher Ausdruck für den Laut gefunden werden, in der die entsprechende Qualität zum Ausdruck kommt. Entscheidend ist, dass der Schüler eine tiefe, innere, emotionale Verbindung zu den Lauten und Zeichen bekommt.
Die funktionellen äußeren Hilfsmittel, wie Lesekasten, Schiefertafel, Schreibgeräte, Lesebücher, Schreibfibeln und Arbeitsblätter, welche dann zur Festigung und Sicherung der Laute und Buchstaben dienen, haben im zweiten Schritt ihre volle Berechtigung.
Bei den Vokalen geht es in erster Linie um innere Empfindungsqualitäten. Bei den Konsonanten stehen Form und Bewegung im Vordergrund. Bei dem Laut „W“ kann man eine wiegende, wogende Wellenbewegung nachempfunden werden. Bei dem Laut R eine flatternde, rasselnde Bewegung usw.
In der Waldorfpädagogik wurde diese Methode sehr detailliert entwickelt.3 R. Steiner, dem Gründer dieser Pädagogik, war es wichtig, dass die Lehrer selbst die Empfindungsqualitäten entdecken und nicht von anderen äußerlich imitieren. Viele Anregungen zur Qualität der Laute kann man aus der Bewegungskunst der Eurythmie bekommen, die in der Anthroposophie zur gleichen Zeit entwickelt wurde.4
1.21 Einführung Vokale
Am Beispiel des Lautes und Buchstabens „A“ soll ein solches Vorgehen geschildert werden.
Die Vorbereitung des Lehrers besteht darin, sich zu fragen: „Was empfinde ich, wenn ich den Laut „A“ in mir erklingen lasse? Welche Situationen kann ich mir vorstellen, aus welcher ich wirklich aus dem Herzen und nicht aus dem Kopf heraus „A“ sagen kann? Was für Assoziationen, Erlebnisse oder Bilder tauchen in mir auf?
Vielleicht erscheint dann „etwas Schönes“, „etwas Staunenswertes“, ein Naturbild, ein schöner Sonnenuntergang, eine schöne Blume, ein Kunstwerk, oder Ähnliches. Möglicherweise gesellen sich zu den inneren Bildern und Empfindungen auch noch Gedanken dazu. Griechische Philosophen sagten, dass das „A“ der Anfang aller Wissenschaft und Philosophie sei. Sie waren überzeugt, dass nur Erkenntnis über die Dinge möglich ist, wenn eine Haltung des Staunens und der Offenheit gegenüber der Welt eingenommen wird.
Nun arbeitet der Lehrer die gefundene Empfindungsqualität des „Staunen und inneren Öffnens“ didaktisch auf. Er erfindet eine Geschichte, in der eine solche Stimmung wirksam ist. Er beschreibt nun, wie er im Frühling einmal spazieren ging. Da sah er plötzlich aus dem harten Boden ein schönes Blümchen hervorsprossen. Er beugte sich hinunter und in seiner Seele klang es wie ein „A“. Seine geöffneten Arme – angesichts des kleinen Blümchens gaben diese Empfindung wieder.
Diese Geschehen wird nun in einem Bild wieder gegeben, indem der Mensch mit einer öffnenden Armgebärde erscheint.
Will man nun die Form des Buchstabenzeichens A noch detaillierter ausgestalten, so kann man etwas von einem Tuch erzählen, das der Wind über die ausgebreiteten Arme geblasen hat. Der Querstrich des A wird so noch begründet.
Nun kann der Lehrer davon sprechen, dass dieses Formgebilde ein Zeichen für den „Staunelaut A“ ist. Jetzt gilt es das „A“-Zeichen noch „auf die Füße zu stellen“ und zu erwähnen, dass dies Form auch eckig gezeichnet werden kann.
Auf diese Weise entsteht eine gefühlsmäßige Verbindung zu dem Buchstabenzeichen A. Eine empfindungsmäßige Verbindung zu dem abstrakten Lautzeichen A wird hergestellt.