Schule ist cool und manchmal doof - Margit S. Schiwarth-Lochau - E-Book

Schule ist cool und manchmal doof E-Book

Margit S. Schiwarth-Lochau

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Beschreibung

Vier Jahre lang werden die Schülerinnen und Schüler einer Klasse von ihrer Lehrerin Frau Liebig, einer Förderlehrerin und den Klassenmaskottchen Karlchen und Nina begleitet. In dieser Schulklasse lernen ganz verschiedene Kinder gemeinsam: Ich erzähle euch von Tom, der Startschwierigkeiten hatte, von der ängstlichen Susi und der aufmüpfigen Sofie, vom Förderkind Paul und dem pfiffigen Quatschkopp Pierre, von Maria der Klassenbesten sowie ihren Mitschülern. Einige Eltern der Kinder stammen aus fernen Ländern. Die Vielfältigkeit in einer Klasse ist ganz normal, doch jedes Kind ist etwas Besonderes. Ob Schülerinnen und Schüler die Grundschule als cool oder doof erleben, hängt von vielen Bedingungen ab. Wer Freundschaften schließen kann, anerkannt ist, wissbegierig und erfolgreich lernt, verständnisvolle Lehrerinnen und Lehrer hat, geht gewiss gern zur Schule. Jedoch gibt es in fast allen Klassen Kinder, die beim Lernen zurückbleiben, die unruhig und manchmal frech sind. Wer von sich selbst glaubt: "Das schaffe ich nicht, das kann ich nicht!" oder meint: "Niemand kann mich leiden, immer bin ich schuld!", der wird wenig Lust auf Schule verspüren. Auch die Unterstützung und Geborgenheit im Elternhaus ist wichtig.

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Schule ist cool und manchmal doof

Schule ist cool und manchmal doofVorwort zum SammelbandToms Wandlung Vorwort zu „Toms Wandlung“ Rettung von Nina und Karlchen Tom hat Bauchschmerzen Tom geht zum Kinderarzt Das Elterngespräch in der Schule Wieder in der 1. Klasse Karlchen erzählt Elterngespräch - Frau Winter erzählt Tom und Alex werden Freunde Nina erzählt Ausflug in den Zoo Papa-Wochenende Ein blöder Schultag Tom übernachtet bei Alexander Tom braucht beide Elternteile Einige Wochen später Schule ist cool Nachwort für Eltern, Großeltern und pädagogisch Interessierte Susi Tigerherz Vorwort zu „Susi Tigerherz“ Willkommen in der 2a Die Neue ist komisch Was ist mit Susanne los? Zur Geisterstunde Gespräch in der Schule In der Stadtbibliothek Besuch von Frau Schöne Zeit für Susanne Förderung in der Schule Mutig werden Erfolg macht glücklich Susanne überwindet Angst Einladung zum Geburtstag Weihnachtsferien Nach den Ferien Susi Tigerherz Nachwort für Eltern, Großeltern und pädagogisch Interessierte Sofie die Schreckliche Vorwort zu „Sofie die Schreckliche“ Nach den Weihnachtsferien Eine neue Freundin Das kann ich nicht Nach Schulschluss Ein Streitfall Wieder Ärger Ein Märchen für Sofie Wochenende Am nächsten Schultag Nina erzählt Ist Sofie krank? Arbeit mit Verhaltensplänen Erste Erfolge Geisterstunde Sofies Geschichte Wieder Ärger Am Ziel Nachwort für Eltern, Großeltern und pädagogisch Interessierte Paul der Tollpatsch Vorwort zu „Paul der Tollpatsch“ Förderstunde Mathe Beratungsgespräch Karlchen und Nina Sportunterricht Gemeinsames Lernen Einzelförderung Weihnachtsprojekt Geisterstunde Letzter Schultag Erster Schultag im neuen Jahr Unruhe in der Klasse Missgeschick und Hänseleien Am Montag Gespräche um Mitternacht Fördern bei Frau Nette Überfordert Es geht aufwärts Nachwort für Eltern, Großeltern und pädagogisch Interessierte Pierre der Quatschkopp Vorwort zu „Pierre der Quatschkopp“ Vor Schuljahresbeginn Erster Schultag Am Montagmorgen Zu spät zum Unterricht In der Turnhalle Vertretungsstunde Nichts zu lachen Was ist los mit Pierre? Aufregung um Karlchen Wo ist Karlchen? Bei der Förderlehrerin Verschiedene Meinungen Was ist ADHS? Alles wird besser Nachwort für Eltern, Großeltern und pädagogisch Interessierte Maria die Klassenbeste Vorwort zu „Maria die Klassenbeste“ Lehrerinnengespräche Endlich Geisterstunde Lerneifer Rückblick Vertretungsstunde Streitfälle Mediation - Streitschlichtung Lösungsfindung Beleidigung wegen Hilfsbereitschaft Vorbereitung Abschlusszeitung Wochenende außer Haus Letzte Schulwoche Letzter Schultag Nachwort für Eltern, Großeltern und pädagogisch Interessierte AutorenvitaImpressum

Schule ist cool und manchmal doof

- Sammelband -

Margit S. Schiwarth-Lochau

Vorwort zum Sammelband

Liebe Leserinnen und Leser,

mein Buch „Schule ist cool und manchmal doof“ ist ein Sammelband zu der sechsteiligen Reihe „Schule ist cool“.

Vier Jahre lang werden die Schülerinnen und Schüler einer Klasse von ihrer Lehrerin Frau Liebig, einer Förderlehrerin und den Klassenmaskottchen Karlchen und Nina begleitet. In dieser Schulklasse lernen ganz verschiedene Kinder gemeinsam: Ich erzähle euch von Tom, der Startschwierigkeiten hatte, von der ängstlichen Susi und der aufmüpfigen Sofie, vom Förderkind Paul und dem pfiffigen Quatschkopp Pierre, von Maria der Klassenbesten sowie ihren Mitschülern. Einige Eltern der Kinder stammen aus fernen Ländern. Die Vielfältigkeit in einer Klasse ist ganz normal, doch jedes Kind ist etwas Besonderes.

Ob Schülerinnen und Schüler die Grundschule als cool oder doof erleben, hängt von vielen Bedingungen ab. Wer Freundschaften schließen kann, anerkannt ist, wissbegierig und erfolgreich lernt, verständnisvolle Lehrerinnen und Lehrer hat, geht gewiss gern zur Schule. Jedoch gibt es in fast allen Klassen Kinder, die beim Lernen zurückbleiben, die unruhig und manchmal frech sind. Wer von sich selbst glaubt: „Das schaffe ich nicht, das kann ich nicht!“ oder meint: „Niemand kann mich leiden, immer bin ich schuld!“, der wird wenig Lust auf Schule verspüren. Auch die Unterstützung und Geborgenheit im Elternhaus ist wichtig. Wenn sich Eltern trennen, ist das für die Kinder eine besondere Belastung, die sich auch in der Schule nicht abschütteln lässt.

Vielleicht seid ihr inzwischen in der dritten, vierten oder fünften Klasse und könnt dieses Buch selbstständig lesen. Die jüngeren lassen sich die Geschichten besser vorlesen.

Dabei könnt ihr gleich eure Eltern und Großeltern befragen, was sie in ihrer Grundschulzeit erlebt haben, wie es Kindern ergangen ist, die beim Lernen zurückblieben. Ihr könnt über eigene Erlebnisse berichten.

Ich selber kann mich an meine Einschulung und die ersten Erfahrungen beim Erlernen von Lesen und Schreiben noch gut erinnern. Meine Lehrerin in der ersten Klasse war sehr streng. Sie hatte mir verboten mit der linken Hand zu schreiben, da gab es sogar einen Klaps auf die Finger. Das ist heute undenkbar.

Ich wünsche euch für eure Schulzeit viel Freude und Erfolg beim Lernen.

Margit Schiwarth-Lochau

Toms Wandlung

Vorwort zu „Toms Wandlung“

Liebe Kinder,

mit dem Beginn der Schulzeit lernt ihr viele verschiedene Mitschüler kennen. Beim gemeinsamen Spielen, Lernen und Reden erfahrt ihr womöglich manches über die Familien der anderen. Einige Mitschüler sind Einzelkinder und wohnen mit Mama und Papa zusammen. Weitere leben in einer Großfamilie mit mehreren Geschwistern. Manche Familien kommen aus einem anderen Land und die Kinder wachsen zweisprachig auf. Wahrscheinlich werdet ihr etwas über besondere Kinderschicksale erfahren. Es gibt Jungen und Mädchen, die in einer Pflegefamilie oder einem Heim leben. Womöglich habt ihr schon von Freunden gehört oder es gar selbst erlebt, dass sich die Eltern trennen wollen. Wenn sich Mutter und Vater streiten, fühlen sich die Kinder oft schuldig und es geht ihnen schlecht dabei. Sie klagen über Kopf- und Bauchschmerzen, haben keinen Appetit und schlafen vor lauter Sorgen erst spät ein. In der Schule sind sie müde und können nicht richtig aufpassen, so wie Tom in meiner Geschichte.

Vielleicht werdet ihr künftig mit Kindern, denen das Lernen besonders schwerfällt oder die ein Handicap (eine Behinderung) haben, in einer Klasse sein. Eure Lehrerinnen und Lehrer bemühen sich bestimmt sehr, alle Kinder je nach ihrem Lernvermögen und Entwicklungsstand zu fördern und zu fordern. So auch die Lehrerinnen Frau Liebig und Frau Nette aus der Hermann-Mustermann-Grundschule in der Geschichte über Toms Wandlung.

Die Geschichte ist bestens zum Vorlesen geeignet.

Margit S. Schiwarth-Lochau

Rettung von Nina und Karlchen

Eines Tages, als Frau Liebig ihre Tochter aus dem Kindergarten abholte, war gerade eine Sperrmüllaktion. Am Straßenrand standen alte Möbel, allerlei Müll hatte sich angesammelt. Ein großes Fahrzeug der Abfallwirtschaft war schon unterwegs. Plötzlich löste sich die kleine Anni von der Hand ihrer Mutter und bückte sich. Was hatte sie da entdeckt? Völlig entsetzt hob Anni einen Teddy und eine Puppe hoch. „Mama, schau mal! Die arme Püppi Müll und der arme Müllbär hier“, rief das Mädchen. „Ach Liebling, leg das alte Spielzeug wieder hin!“, forderte die Mutter. Anni fing an zu jammern: „Aber Mami, sieh nur, wie traurig die beiden ausschauen! Du kannst ihnen bestimmt helfen und sie wieder heil machen. Guck mal, Karlchen ist am Rücken aufgerissen und hier, Ninas Arm hängt nur noch an einem Faden.“ Frau Liebig war einen Moment sprachlos. Ihre Tochter hatte den bedauernswerten Geschöpfen bereits Namen gegeben. „Du hast doch schon genug Plüschtiere und Puppen. Was willst du denn mit den beiden anfangen?“ Anni antwortete: „Ich will sie retten. Vielleicht kannst du sie ja mit in die Schule nehmen für deine neue erste Klasse.“ Überredet! So fertigte die Lehrerin aus dem „Müllbären“ und der „armen Püppi Müll“ zwei bezaubernde Handpuppen.

Karlchen und Nina begleiten nun die Kinder der Klasse 1a durch ihr erstes oder zweites Grundschuljahr. Die beiden Figuren haben aber ein Geheimnis. Findet es heraus! Lest die Geschichte von Toms Wandlung oder lasst sie euch vorlesen! Eines muss ich euch noch sagen: Ohne die Rettung von Nina und Karlchen hätte ich so einiges nicht herausfinden und erzählen können.

Tom hat Bauchschmerzen

„Tom, aufstehen!“ Die Mama ruft schon zum dritten Mal. Der Junge zieht sich die Bettdecke über den Kopf. Er rollt sich wie ein Igel zusammen. Jetzt kommt die Mama ins Kinderzimmer und sagt streng: „Du stehst sofort auf und ziehst dich an. Sonst muss ich dich im Schlafanzug zur Schule schleppen!“ Nebenan weint das Baby. Die dreijährige Schwester echot: „Tom, aufstehen!“ Wütend und genervt schreit der Junge: „Ich bin müde. Ich habe Kopfschmerzen, mein Bauch tut weh! Könnt ihr mich nicht in Ruhe lassen?“ Lustlos rappelt Tom sich auf. Er zieht Pullover und Jeanshose an - gleich über den Schlafanzug. Sein Frühstück lässt er stehen, nippt nur am Kakao. Jeden Morgen diese Hektik, denkt er.

Baby Tim und Marie sind schon startklar. Tom trödelt herum. Die Mutti erinnert ihn an den Turnbeutel und passt auf, dass er diesen auch mitnimmt. Endlich auf der Straße angekommen, müht sich die Mama mit dem schweren Geschwisterwagen. Tom trottet missmutig hinterher. Er würde am liebsten nicht zur Schule gehen. Am Eingangstor

verabschiedet er sich. Mama streicht ihm über das kupferrote Haar und gibt ihm einen Kuss. Küssen kann Tom eigentlich nicht leiden. Sie sagt: „Tschüss, mein Großer und pass im Unterricht gut auf. Du schaffst das schon!“

In dem Moment ertönt die Schulklingel. Mist, er kommt schon wieder zu spät. Frau „Eisenherz“ wird schimpfen, denkt Tom. Egal, den Turnbeutel muss er unbedingt noch loswerden. Er läuft die Treppe Richtung Keller hinunter. Dort steht das Regal für die Fundsachen. Dann stürmt er in den zweiten Stock und klopft an die Klassentür. Seine Lehrerin öffnet und sieht ihn streng an: „Du bist diese Woche schon zweimal zu spät gekommen, Tom Winter. So geht das nicht weiter. Sieh zu, dass du an deinen Platz kommst! Wir wollen anfangen.“ Oh je, Hausaufgabenkontrolle. Und wieder ziehen dunkle Wolken auf. Frau Hertz tadelt ihn: „Wie sieht denn dein Heft aus? Was soll das Gekritzel hier?“ Tom wird knallrot im Gesicht und stammelt: „Meine kleine Schwester...“ „Papperlapapp, kleine Schwester, leg dein Hausaufgabenheft auf den Lehrertisch!“ Einige Kinder kichern. Mit gesenktem Kopf geht der Junge nach vorn. Auch Lisa und Felix müssen ihr Hausaufgabenheft abgeben. Doch das nimmt Tom nicht wahr. Er denkt, dass immer nur er angemeckert wird.

Endlich ist die Deutschstunde vorüber. Jetzt steht Sport auf dem Stundenplan. Den nun folgenden Ärger hat er allerdings eingeplant. Tom sagt leise zu seiner Lehrerin: „Ich habe mein Sportzeug vergessen.“ Dabei schaut er auf seine Schuhspitzen. „Das kann doch nicht wahr sein! Erst kommst du zu spät zum Unterricht, dann hast du auch noch dein Schulzeug nicht beisammen“, schimpft Frau Hertz. „Vielleicht kannst du dich zu Frau Nette in den Förderraum setzen. Nimm deine Mathematiksachen mit!“ Ja, denkt Tom, das hat geklappt. Erstens geht er gern zur Förderlehrerin und zweitens bekommt niemand mit, dass er noch seinen Schlafanzug anhat.

Frau Hertz ist in Eile. Sie muss in den dritten Stock zum Gestaltenunterricht in die Klasse 4b. Zuvor geht sie mit Tom eine Etage tiefer zum Förderraum. „Guten Morgen, Frau Nette“, sagt sie, „kann der Tom in dieser Stunde bei dir bleiben? Er hat kein Sportzeug mit und muss einige Aufgaben nachholen. Ach, und noch was. Können wir uns nachher einen Termin ausmachen? Ich hätte dich gern beim Gespräch mit Frau Winter dabei.“ „Geht in Ordnung, Kollegin“, antwortet diese und wendet sich an den Schüler: „Hallo Tom, du ärgerst dich bestimmt selber, dass du deine Sportsachen vergessen hast. Soviel ich weiß, bist du doch ein guter Sportler.“ „Hm“, nickt er und schaut wieder seine Schuhspitzen an. Frau Nette fordert Tom auf, seine Aufgaben auszupacken und sagt: „Ich hole nur noch meine Förderkinder ab. Ich bin gleich wieder da.“

Die Lehrerin arbeitet mit zwei Erstklässlern. Sie übt mit ihnen das Zerlegen von Zahlen. Zuerst zählen die Kleinen 9 Plättchen ab. Diese sollen sie auf zwei Feldern verteilen. Die verschiedenen Möglichkeiten tragen sie danach in das Rechenhaus ein. Tom kaut auf seinem Füller herum. Die Hülle fällt runter. Geräuschvoll schiebt der Junge seinen Stuhl zurück und hockt sich auf den Fußboden. Frau Nette wird aufmerksam. Sie sieht sich Toms Aufgaben an und merkt, dass er diese nicht allein lösen kann. „Komm mal zu uns an den Tisch, Tom“, meint sie. „Für deine Aufgaben brauchst du nämlich die Partnerzahlen. Das erkläre ich gerade den Erstklässlern.“ Er staunt, wie einfach das geht und findet schnell heraus, auf welche Weise die 10 Plättchen aufgeteilt werden können. Die Würfelbilder helfen dabei und an den Fingern kann man das ebenso ablesen. Frau Nette legt für alle mit Zahlenkarten und Rechenzeichen eine Aufgabe, nämlich 7+3=10. „Tom, lege die Tauschaufgabe!“ Er tauscht die beiden kleineren Zahlen. „Und wie muss

die Umkehraufgabe aussehen?“ Tom versteht nicht. Die Lehrerin erklärt: „Immer vier Aufgaben bilden eine Aufgabenfamilie. Die drei Zahlen (3, 7, 10) gehören zusammen. Aus ihnen bildest du zwei Plus- und zwei Minusaufgaben. Bei der Subtraktionsaufgabe, also bei minus, steht die größte Zahl am Anfang. Lege und kehre das Rechenzeichen um!“ Die Jüngeren sehen staunend zu. Auch sie bekommen Zahlenkarten und Rechenzeichen. Jetzt üben alle zusammen. Frau Nette erklärt dem Zweitklässler, wie er dieses Wissen auf seine Aufgaben mit den Platzhaltern (Gleichungen) übertragen kann. Sie fragt: „Welche Zahl musst du bis zur 10 ergänzen, wenn die Aufgabe +4=10 lautet?“ „Sechs“, antwortet Tom. „Jetzt heißt die Aufgabe +14=20. Welche Zahl gehört in das freie Kästchen? Denke an die Partnerzahl!“ Nun hat er es verstanden. Also ist das Ergänzen bis zum nächsten Zehner doch nicht so schwer wie er dachte. Die Grundaufgaben bis 10 sind das ganze Geheimnis. Und mit Anschauung geht es noch viel besser.

Es klingelt. Tom packt seine Sachen, ruft ein Danke-Frau-Nette und rennt fröhlich hinaus. Während der Hofpause will Tom mit den anderen Jungen Fußball spielen.

Plötzlich kommt Marcus angerannt. Wie wild lässt er einen Turnbeutel am ausgestreckten Arm über seinem Kopf kreisen. Der Freund ruft schon von weitem: „He, Tommy, ich habe dein Sportzeug gefunden! Von wegen vergessen! Hattest wohl keine Lust, Alter!“ „Das ist nicht meiner“, wehrt Tom ab. „Lass mich in Ruhe!“ Er rennt weg, Marcus hinterher. „Eh, spinnst du, da steht sogar dein Name drauf!“, empört sich der Junge. Er hält Tom an der Jacke fest. Der reißt sich los und schubst seinen Mitschüler zu Boden. Es kommt zu einer Rauferei. Toms Jacke ist offen, der Pullover nach oben gerutscht. „Äh, der hat noch seinen Schlafanzug drunter!“, kreischt ein Mädchen und zeigt mit dem Finger auf Tom. Die Umstehenden amüsieren sich und lachen ihn aus. Frau Hertz hat Aufsicht und ist schnell zur Stelle. Alle verstummen. Tom springt auf und möchte abhauen. Die Lehrerin sagt: „Stopp, hier geblieben! Ich habe die ganze Szene gesehen. Wieso lügst du uns alle an und prügelst dich dann noch, Tom Winter?“ Der Gescholtene steht beschämt mit hochrotem Kopf da. Plötzlich krümmt er sich, hält eine Hand auf seinen Bauch, die andere vor den Mund und rennt in das Schulhaus zur Toilette. Die Lehrerin schickt einen Viertklässler hinterher. Dieser berichtet dann, dass Tom sich übergeben hat.

Was für ein schrecklicher Tag, denkt Tom. Nun liegt der Junge auf einer Pritsche im Erste-Hilfe-Raum. Die Pädagogische Mitarbeiterin (PM) hat seine Mutter angerufen und kümmert sich um das Kind. Endlich ist die Mama da. Als Frau Winter ihren Sohn so blass daliegen sieht, bekommt sie einen gehörigen Schreck. Sie schaut ihn besorgt an und sagt: „Morgen bleibst du zu Hause. Dann kannst du erst mal ausschlafen. Danach gehen wir zum Kinderarzt. Was machst du nur für Sachen? Nächste Woche spreche ich mit Frau Hertz.“ Tom ist einerseits froh, dass er nach Hause kann, doch andererseits macht er sich Sorgen, was auf ihn noch zukommen wird.

Tom geht zum Kinderarzt

Am nächsten Morgen bringen Frau Winter und Tom die kleine Marie in den Kindergarten. Dabei müssen sie am Schulgebäude vorbeigehen. Zum Glück hat der Unterricht schon begonnen. Es besteht keine Gefahr, dass sie einem Klassenkameraden begegnen. Beim Kinderarzt ist es voll, sie müssen eine Weile warten. Baby Tim ist auf dem Schoß der Mama eingeschlafen und sie liest ihrem Großen etwas vor.

Doktor Freund ruft Tom auf und bittet ihn in das Sprechzimmer. Er untersucht ihn gründlich; schaut in den Hals, in die Ohren, tastet den Bauch ab, befragt die Mutti. Jetzt wendet sich der Arzt an Tom und möchte wissen, wie es mit der Schule läuft. Dem Jungen wird es heiß und kalt. Die Schule - das ist sein wunder Punkt. Dr. Freund und die Mama nicken ihm aufmunternd zu. Tom nimmt allen Mut zusammen und erzählt stockend, dass er oft vor der Klasse ausgeschimpft wird, nicht richtig mitkommt und Angst vor schlechten Zensuren hat. Er verrät sogar, dass er seine Lehrerin heimlich Frau Eisenherz nennt, weil sie so streng ist.

Schon mutiger geworden erzählt er weiter: „Ich habe Angst, dass ich die zweite Klasse nicht schaffe und dass die anderen Kinder mich auslachen. Immer wenn ich an die Schule denke, wird mir schlecht. Und wenn im Hausaufgabenheft wieder ein roter Eintrag steht, sieht meine Mama so traurig aus.“ Die weiteren Gedanken spricht Tom nicht aus. Ihm ist nämlich aufgefallen, dass seine Mama nur noch selten lacht, seit der Papa weggegangen ist. Sie haben sich oft gestritten. (Bestimmt weil ich so viel Ärger gemacht habe, glaubt er.) Unsicher sieht Tom den Arzt und seine Mutti an. Was werden sie jetzt über ihn denken? Dr. Freund lobt Tom für seine Offenheit und den Mut. Er schenkt ihm einen Aufkleber mit der Aufschrift: Du bist mutig wie ein Tiger. In zwei Wochen soll er wiederkommen. Tom fühlt sich nach dem Gespräch erleichtert. Die Mutter sieht nachdenklich aus und bedankt sich.

Das Elterngespräch in der Schule

Übers Wochenende hat sich Tom etwas erholt. Obwohl er wieder einen Druck im Magen verspürt, steht er pünktlich auf. Bloß nicht zu spät zur Schule kommen! Nach dem Unterricht wollen Frau Herz und Frau Nette mit der Mama sprechen. Ob ich dann Ärger bekomme, denkt Tom. Zum Glück ist der Schultag gut verlaufen. Die Klassenlehrerin hat ihn nicht ausgeschimpft, keiner hat ihn ausgelacht oder geärgert.

Der Förderraum wird auch als Beratungsraum genutzt. Dort findet das Gespräch statt. Tom soll im Klassenzimmer der 1a warten und auf das Baby aufpassen, das im Kinderwagen schlummert. Frau Nette nimmt zwei Handpuppen vom Fensterbrett herunter und erklärt: „Das sind Nina und Karlchen. Die Kinder der 1a lieben ihren Bären und das Püppchen sehr. Wenn dein Brüderchen wach werden sollte, kannst du ihm ja mit den beiden etwas vorspielen. Unser Gespräch wird nicht lange dauern. Du musst dir keine Sorgen machen.“ Tom nickt mit einem Kloß im Hals. Frau Nette streicht ihm noch über das Haar und geht durch die Verbindungstür nach nebenan.

Die Klassenlehrerin eröffnet das Gespräch und berichtet sogleich über das Verhalten und die Lernergebnisse des Schülers. Sie sagt: „Frau Winter, Ihnen ist es bestimmt auch aufgefallen, dass ihr Sohn in letzter Zeit große Schwierigkeiten in der Schule hat. Es ist ein Teufelskreis. Oft passt Tom im Unterricht nicht auf, kippelt, spielt mit seinen Arbeitsmitteln. Er ist völlig unorganisiert, verwechselt die Bücher mit den Arbeitsheften. Er hat lose, zerknüllte Blätter in der Ablage und, und, und. Wenn ich ihn aufrufe, reagiert er nicht gleich und weiß keine Antwort. Bei der Freiarbeit bringt Tom keine Aufgabe zu Ende. Seine Heftführung ist eine Katastrophe. Beim Schreiben ist er zu langsam. Außerdem hält er die Zeilen nicht ein. Tom kann immer noch nicht richtig lesen. Auch in Mathematik bestehen große Lücken. Er beherrscht die Grundaufgaben nicht und rechnet zählend.“ Frau Hertz holt tief Luft, während die Mutter mit gesenktem Kopf dasitzt. Diese winzige Redepause nutzt die Förderlehrerin und übernimmt die weitere Gesprächsführung. Sie fordert Frau Winter auf zu erzählen, welche Sorgen sie hat und wie Tom zu Hause auf die Anforderungen der Schule reagiert. Die Lehrerinnen erfahren, dass der Junge Angst vor dem Versagen hat. Er reagiert mit

Klagen über Kopf- und Bauchschmerzen. Die Mutti erzählt: „Tom weigert sich oft zu üben und behauptet, keine Hausaufgaben aufzuhaben. Ich habe einfach nicht genug Zeit für ihn und werde manchmal ungeduldig. Es ist alles so schwer geworden, seit ich mit meinen drei Kindern allein zurechtkommen muss. Tom vermisst seinen Vater, obwohl er von ihm immer wieder enttäuscht worden ist.“ Die Frau seufzt und wirkt traurig. Nun ergreift die Klassenlehrerin wieder das Wort: „Oh, das wussten wir gar nicht. Tom hat nie etwas darüber erzählt.“ „Das kann ich mir vorstellen“, meint die Mutti, „Tom erzählt auch zu Hause nicht freiwillig über die Schule. Man muss ihm alles aus der Nase ziehen.“ „Ja, zusammenfassend kann ich nur sagen, dass Tom im Vergleich zu seinen Klassenkameraden beim Lernen deutlich zurückbleibt. In der letzten Klassenkonferenz haben wir vorsorglich beschlossen, dass für Tom die Schuleingangsphase verlängert werden kann. Deshalb schlagen wir vor, dass ihr Sohn nach den Herbstferien in die Klasse 1a wechselt“, erklärt Frau Hertz. „So bekommt Tom die Möglichkeit, seine Grundkenntnisse zu festigen und wieder Freude am Lernen zu finden“, bekräftigt Frau Nette die Entscheidung. „Bei einer weiteren Überforderung in Klasse 2 könnte sonst eine ernste Lernstörung entstehen. Kopf- und Bauchschmerzen sowie die Schulunlust sind erste Anzeichen dafür.“