Schwarzes Fest - H.P. Karr - E-Book

Schwarzes Fest E-Book

Karr H.P.

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Beschreibung

In der besinnlichsten Zeit des Jahres offenbaren sich die dunkelsten Seiten unserer Mitmenschen. Bereiten Sie sich mit den finsteren Weihnachtskrimis des preisgekrönten Autorenteams Karr & Wehner auf das »Schwarze Fest« vor. In den Xmas Noir-Stories geht es um Gier, Mordlust und andere kriminelle Energien, die absolut nichts mit der festlichen Atmosphäre der Weihnachtstage zu tun haben. Erleben Sie, wie das Fest der Liebe zum Schauplatz düsterer Verbrechen wird. Wenn die Lichter leuchten und die Glocken läuten, entfaltet sich die böse Weihnacht.

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Seitenzahl: 159

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Karr & Wehner präsentieren

Schwarzes Fest

Ein Dutzend böse Weihnachtskrimis

Die StoriesXmas Noir - Weihnachten tiefschwarz. Ein raues Fest und Unfriede auf Erden. Ein Dutzend Kriminalstories zum Fest der Liebe – tiefschwarz, düster und alles andere als friedvoll. Bestes Urban Crime von den Straßen der Großstadt, abgründige Psychostories für den Gabentisch. Also – ein raues Fest. So wie Weihnachten wirklich ist.

Die Autoren

Table Of Contents

01 An Tagen wie diesen

02 Der Herr sieht alles

03 Adventsgeschichte

04 Der zweite Tod der Louise Aston

05 Happy X-mas, Gonzo!

06 Code Red – Einsatz für Manta-Claus

07 Endstation Iserlohn

08 Operation Stutenkerl

09 Leise rieselt der Schnee

10 Schöne Bescherung

11 Kalte Nacht der Engel

12 Mörderische Familienbande oder: Vicky Kant knackt die Nuss

Leseprobe Wilde Dreizehn

Die Credits

Karr & Wehner präsentieren

»Schwarzes Fest«

Mit zwölf bösen Krimis durch die Adventszeit

xmas noir / Black Christmas

Die dunkle Seite der schönsten Zeit des Jahres

Auch die schönste Zeit des Jahres hat ihre dunkle Seite

01 An Tagen wie diesen

Von Karr & Wehner

Sonntag, 1. Advent

Eins ist mal sicher – keiner weiß was, keiner hat eine Ahnung, wo der Adventskalender herkommt. Hier in Orkans Nordstadt-Imbiss. Es ist Sonntag. Es ist Monatsanfang. Es ist ruhig. Auch draußen, auf der Münsterstraße. Nur ein Streifenwagen der Nordstadt-Wache rollt langsam an Grill und Brautgeschäft vorbei.

Orkan schabt Fleisch vom Dönerspieß. Driver, dreiundzwanzig, kurze Haare mit fetten Tunneln in den Ohrläppchen, knibbelt das erste Türchen des Kalenders auf. Ein Schokotaler. Na, das fängt ja gut an. Wo ein Taler ist, da sind bestimmt auch noch mehr.

Montag

Zwei Dönerteller, komplett. Orkan schabt das Fleisch vom Spieß. Driver späht aus dem Fenster des Imbisses in den graukalten Nieselregen auf der Münsterstraße. Dann reißt er das Silberpapier von der Weinbrandbohne aus dem Fach Nummer zwei des Kalenders. Es ist warm hier drin. Zu warm. Die Speisekarte hinter der Theke ist dreisprachig: arabisch, russisch und sogar in Deutsch. Die Kunden drängen sich davor. Nordstadtgestalten. Halb und ganz tätowiert. Ein paar Bulgaren, ein paar Russen und ein paar Wer-weiß-woher. Außer Manni kennt Driver kaum einen. Er war halt länger nicht hier.

Manni bestellt zum dritten Mal um. »Kein Rotkohl, kein Weißkraut, aber mit doppelt Zwiebeln. Und keine rote Soße.«

»Geht klar!« Orkan schabt das Fleisch und knallt die Pommes dazu und schiebt dann alles vor Driver und Manni hin.

Dienstag

»Drei Minuten. Haste gesehen?« Driver hängt schon wieder mit Manni bei Orkan ab. Der Pferdeschwanz am Spielautomaten neben der Tür wirft einen Euro nach. Manni hat heute Süßes bestellt, Baklava und Kaffee dazu, to go, im Pappbecher. Weil man ja nie weiß, ob man nicht noch mal raus muss, in die Kälte.

»Drei Minuten, achte drauf«, sagt Driver, als drüben auf der anderen Seite der Münsterstraße ein weißer SUV anrollt. »Drei Minuten, bis die einen richtigen Parkplatz finden.«

»Hier parkt doch jeder zweite Reihe«, sagt Manni.

»Aber die nicht«, mischt sich Orkan ein. »Nie.«

Manni späht zu dem Pferdeschwanz am Spielautomaten. Orkan knallt ihm die Cola hin, die er bestellt hat. »Das ist der King«, sagt er leise.

»King?«

»Spielt auf die drei Kronen.«

»Und?«

»Mal gewinnt er, mal verliert er.«

»Ding-dong« macht der Automat und lässt eine Handvoll Münzen in den Schacht klappern.

Mittwoch

Vier Euro hat Driver noch in der Tasche. Im Adventskalender ist nicht einmal ein Schokotaler. Nur eine Blechglocke ohne Klöppel. Und Manni kann ihm auch nichts leihen. Der King redet eh mit niemandem, und bei Orkan gibt's keinen Kredit.

»Dabei habe ich mich so gut mit ihr verstanden!«, murrt Driver. Er hat nur Pommes einfach bestellt, ohne alles, für einen Euro. »Aber so sind die Frauen halt.«

»Ja wie?«, fragt Manni. Er hat einen nagelneuen Hoodie an. So neu, dass noch die Diebstahlsicherung am Ärmel hängt. »Ich denke, du bist mit Lola ...«

»Hat sich was mit Lola«, mault Driver.

»Stress?«

»Pause, erst mal. Sie braucht Zeit zum Nachdenken, meint sie. Am besten alleine.«

»Ach.«

»Sei jetzt bloß vorsichtig, was du sagst.«

»Ich sag ja gar nichts.«

»Sag mal ...«

»Was?«

»Sie will ja Abstand ... Kann ich bei dir pennen?«

Donnerstag

»Fünf Monate waren wir zusammen«, sagt Driver. Das Fach Nummer fünf am Adventskalender hat ihm einen goldenen Plastikring beschert, mit einem schönen Glasstein. »Und dann kommt sie auf einmal damit, dass sie Abstand braucht. Ich versteh das nicht.«

»Ja, so eine kannte ich auch mal«, sagt Manni. »Chantal ... nein, Charlene. Von der Mallinckrodtstraße. Dem Nagelstudio an der Ecke.«

»Kenn ich nicht.«

»Weil du dir die Nägel nicht machen lässt.«

»Brauch ich nicht.«

»Weil du sie abkaust.«

Mitternacht. Der King ist, ohne zu grüßen, mit zwei Jackentaschen voller Silberlinge bereits gegangen. Orkan hat den ganzen Dönerspieß verkauft. Er knallt Driver einen Teller mit Fleischresten und einer halben Portion Pommes hin. »Geht aufs Haus. Was weg muss, muss weg.«

Freitag

Manni hat sechs Kümmerlinge vor sich aufgebaut.

Drei für ihn, drei für Driver.

Orkan übersieht, dass sie bei ihm Alkohol trinken. Vor Weihnachten sind die vom Ordnungsamt alle auf dem Weihnachtsmarkt am Hansaplatz. Frittenbuden kontrollieren und die Sani-Klos.

»Prost!« Manni hebt Kümmerling Nummer zwei.

»Prost!« Driver stößt an.

Manni war schon gut dabei, als er reinkam. Driver tippt auf einen Flachmann. Wodka aus dem Supermarkt. »Lola ...«, summt Manni. »L-O-L-A.«

Driver schaut auf. »Halt die Klappe.«

Manni macht weiter. »Ich traf sie in ’nem Imbiss in Dortmund-Nord, es roch nach Knoblauch dort und ’n bisschen nach Abort, und sie hieß Lola, L-O-L-A, Lo...«

Den Rest kriegt er nicht mehr raus, weil er Drivers Faust im Gesicht hat.

Samstag

Driver starrt auf den Adventskalender. Ein Weihnachtsmann mit seinem vollgepackten Schlitten, ein Rentier davor. Ein Stern am Himmel. Unten Schnee, viel Schnee. Tannen rechts und Tannen links. Der Weihnachtsmann trägt einen roten Mantel mit Hermelinbesatz und schwingt eine Peitsche. Direkt unter ihr ist Fenster Nummer sieben. Driver will es aufmachen, aber da war schon jemand vor ihm dran. Das Fach ist leer.

»Ich fass es nicht«, murmelt Driver. »Jetzt klaun sie dir hier sogar die Sachen aus dem Adventskalender.«

Orkan schaut unschuldig und dreht sich zum Dönerspieß.

Sonntag, 2. Advent

»Achte mal drauf!« Manni zeigt nach draußen. »Wenn der Streifenwagen kommt. Heute sitzt wieder die Blonde drin, die Neue auf der Wache.«

Driver starrt auf seinen Teller mit dem Rest Currywurstpommesschranke scharfmachen.

Manni hat neue Schuhe an, so neu, dass noch die Etiketten an der Sohle kleben. »Da«, sagt er.

Der Streifenwagen kommt. Die Blonde sitzt am Steuer. Kurze Haare, Film-Gesicht, irgendwie erinnert sie Driver an ... Er schluckt, murmelt »Oh Scheiße!«, wischt sich was aus dem Augenwinkel.

»Tja, die Weiber!«, sagt Manni, als ob er was davon verstünde.

Montag

»Neun fünfundneunzig!«, schreibt Orkan auf die Tafel. »Wochenangebot! Große Pizza Salami + Salat + Brötchen + Getränk + Desert.«

Die Pluszeichen sehen wie Totenkreuze aus.

»Da fehlt ein S«, sagt Driver.

Orkan legt die Stirn in Falten, dann malt er ein S hinter »Desert«.

»Nicht da!«

Orkan wischt das S weg. Driver kaut an der kleinen Salzbrezel aus Fach Nummer neun des Kalenders. Der King drückt hektisch auf die Tasten des Spielautomaten. Der macht »Ding-Dong« und spuckt zehn Euro aus.

»Einmal das Angebot!«

Dienstag

»Zehn Minuten!«, sagt Driver. »Haste gesehen? Da steht der SUV wieder. Das läuft ab wie ein Uhrwerk.«

Das Haus auf der anderen Straßenseite stammt noch aus der Zeit vor dem Krieg. Die Fassade ist schmutzig, aber in Ordnung, keine einziges Graffiti schmückt sie. Die Fenster sind neu. Im Eingang liegen keine Zeitungen und Prospekte rum. Unten im Erdgeschoss sind alle Gardinen zugezogen.

Aber dahinter brennt Licht. Oben dunkle Fenster, nur in der dritten Etage schimmert ein Stern aus LED-Leuchten.

Orkan verpackt Dreimal-Döner-komplett in Alufolie und eine Pizza Funghi in eine Schachtel und deponiert alles auf der Theke. Dazu vier Cola. Zweimal light, einmal Zero, einmal Classic. Drüben am Haus geht die Tür auf. Ein Typ im dünnen Hemd und mit dicker Goldkette kommt heraus. Spurtet über die Straße und in den Imbiss. Einen Fünfziger auf den Geldteller, er nimmt den Beutel mit der Bestellung und trabt wieder rüber.

»Jetzt pass auf!« Mannis Zeigefinger trommelt auf die Tischplatte. »Dreimal kurz, Pause, zweimal kurz.«

Der Bote drückt den untersten Klingelknopf. Dreimal kurz, Pause, zweimal kurz.

Die Tür geht auf.

Mittwoch

»Drogen«, vermutet Manni. »Was wohl sonst hier in der Nordstadt.«

Draußen rollt ein Streifenwagen vorbei. Die beiden Junkies, die in der Toreinfahrt neben dem Friseur gerade etwas verdealen wollen, verziehen sich in Richtung Kielstraße.

»Drogen, das machen doch die Afrikaner«, sagt Driver. »Auf dem Spielplatz am Michaelisplatz und im Park an der Leopoldstraße.«

»Nur kleine Fische.« Manni hat in der Nummer elf des Adventskalenders einen kleinen Schlumpf gefunden. Er stellt ihn auf seinen leeren Dönerteller. »Die Schwarzen verdealen nur, aber da drüben«, er tippt auf die Fensterscheibe des Imbisses, »da geht die Kohle hin. Ich sag's dir.«

Donnerstag

»Zwölf«, sagt Driver nachdenklich. Manni hebt den Blick. Der King wirft ein paar Euro nach, drückt die Risikotaste und spekuliert wieder auf die drei Kronen. »Zwölf!« Driver hat mitgezählt. »Zwölf Afrikaner sind da drüben rein, nur am Vormittag, so lang ich hier bin!«

»Nimm wenigstens einen Kaffee!«, sagt Orkan. »Nur Rumhängen geht bei mir nicht. Ich hab keine Wärmebude!«

»Das waren welche, die an der Kirche verticken«, fasst Driver zusammen. »Und auch welche vom Bahnhof.«

»Jetzt überleg mal«, sagt Manni leise. »Und schätz mal, was so ein Afrikaner einnimmt, am Tag. Dope ist fünfzig das Gramm. Lass ihn mal zehn Gramm am Tag verdealen, dann hat er fünfhundert Schleifen auf der Tasche, wenn er reingeht.«

Driver rechnet schon weiter. »Und das bei den zwölf Typen, die ich am Vormittag gezählt hab. Über den ganzen Tag bestimmt zwanzig, die da reingehen, jeder mit fünfhundert. Das sind zehntausend Euro pro Tag. Und mal sieben, macht also in der Woche ...« Er starrt auf den Adventskalender, als würde der die Lösung ausspucken.

»Siebzig«, sagt Manni. »Siebzig Kilo. Minimum.«

»Genau! Minimum!«, sagt Driver. »So sieht's aus.«

Drüben drückt sich wieder einer in den Hauseingang und klingelt. Lang, kurz, Pause, kurz, kurz.

»Dreizehn«, sagt Driver.

Freitag

Im Fach des Adventskalenders liegt eine Kugel Kaugummi. Rot, mit Erdbeergeschmack. Die Sorte, mit der man Blasen machen kann. Driver kaut und macht eine Blase.

Manni ist wieder mal zu spät.

Orkan schabt Fleisch. Driver lässt die Blase knallen. »Nichts los«, sagt er.

»Das Datum«, sagt Orkan.

Driver schaut auf die BILD, die auf dem Tisch liegt. »Oh, fuck.«

Auf der anderen Straßenseite am Hauseingang herrscht Funkstille.

Hinter ihm wirft der King seine Münzen in den Automaten und drückt die Tasten, um die drei Kronen zu kriegen.

Optimist!

Samstag

»Ich hab ihr doch alles geboten«, sagt Driver. Orkan hat ihm einen Dönerteller spezial gemacht und dazu einen Ayran spendiert. Im Adventskalender war nur ein Tütchen Gummibärchen.

Manni stochert in seiner Grillplatte mit Pommes. »Lola?«

»Ich mein, sie wollte diesen Urlaub. Zwei Wochen Malle. Mal raus aus der Gegend hier. Hab ich gesagt: Okay, machen wir. War knapp, aber es ging. Da hatte ich noch diesen Job beim Paketdienst.«

»Ja, ja«, sagt Manni.

»Und dann will sie shoppen. Auf Malle, Klamotten und Schmuck. Dieses billige Zeug. Ich mein, muss man dazu nach Malle? Diesen Chinascheiß krieg ich doch auch hier. Musst du nur drüben in dem Shop gucken, Mandala oder wie der heißt. Kettchen und Bändchen und all den Kram.«

»Ja, klar«, sagt Manni.

»Und dann die fünf Kilo Übergepäck beim Rückflug, das kostet auch wieder.«

»Mhh«, macht Manni.

»Und kaum sind wir zurück, krieg ich die Papiere vom Paketdienst. Wegen der Unfälle. Und sie sagt mir, dass sie erst mal Abstand braucht. Als ob ich ihr nicht alles bieten kann.«

»Kannst du ja auch nicht. Du hast einfach nicht die Kohle!«

»Ja, scheiße!« Driver schaut rüber zum Haus. Ein Afrikaner klingelt gerade.

»Genau«, meint Manni. »Da drüben ist genug Kohle!«

Sonntag, 3. Advent

»Sie holen die Kohle einmal in der Woche ab. Erinnerst du dich?«

Driver schaut rüber. Alles ruhig vor dem Haus. Die Gardinen im Erdgeschoss sind zugezogen. Einer im Hoodie und mit Thermoweste drückt sich vor dem Eingang herum.

An der Ecke rechts steht eine Kopftuchmutti mit ihrem Zwillingskinderwagen.

An der Ecke links eine andere, vielleicht sechzehn oder siebzehn, mit einem einfachen Buggy und einem riesen Windelpaket drin.

»Die schieben Wache«, sagt Manni.

Die Mutti mit den Zwillingen telefoniert.

Der Posten an dem Haus klingelt, ihm wird aufgedrückt, er verschwindet.

Dann rollt ein Streifenwagen durch die Straße. Die Blonde sitzt am Steuer, Manni schnalzt mit der Zunge. Der Wagen biegt ab.

Die Buggyschieberin an der Ecke telefoniert. Der Kerl in dem Hoodie kommt wieder raus und lungert weiter rum.

Hinter Manni und Driver klingelt eine ganze Ladung Münzen in den Auswurf des Spielautomaten. »Yeah!«, sagt der King.

Montag

»Sechzehnhundert«, sagt Manni.

»Ich hab nicht mal sechshundert.«

»Billiger geht’s nicht!« Manni starrt auf den Inhalt des Kalendertürchens. Ein kleiner Streifenwagen. In buntem Stanniolpapier. »Auf die Schnelle kann nur der Lette eine besorgen, also eine echte. Und er sagt, er legt noch eine Schreckschuss drauf. Macht inklusive Munition für beide sechzehnhundert. Günstiger geht im Moment nicht, weil alle weg sind, sagt der Lette. Wegen Weihnachten, nach Hause, Ukraine, Estland, Georgien, Tschetschenien, verstehst du?« Manni wickelt den Polizeiwagen aus.

»Nein. Du verstehst nicht. Ich hab keine Kohle. Keine hundert und keine sechzehnhundert.«

»Scheiße! Aber ohne ... du weißt schon, geht das nicht.«

»Ohne Kohle läuft gar nichts.«

Orkan schiebt ihnen zweimal Currywurst hin. »Geht aufs Haus«, sagt er. Und: »Ich könnte euch aushelfen.«

»Mit was?«

»Mit sechzehnhundert.«

»Und was ...«

»Ein Drittel«, sagt Orkan.

Dienstag

»Siebzehn Minuten, pass genau auf«, sagt Manni. Es ist wieder Dienstag, und sie warten auf den weißen SUV, mit dem die gesammelte Kohle drüben abgeholt wird.

Die beiden Muttis stehen wieder Schmiere. Sie haben die Kinderwagen getauscht. Schwaches Licht schimmert hinter den Fenstervorhängen im Erdgeschoss.

Als Erstes taucht der weiße SUV auf. Ein Kerl, der mit seinem Roller auf einem Parkplatz beim Haus gewartet hat, rollt raus, der SUV rein.

Zwei steigen aus, Thermowesten, schwarze Jeans, Sneaker. Gehen zur Tür.

Einer telefoniert, der andere schaut sich um. Die Tür geht auf.

»So weit, so gut«, sagt Manni. »Haben sie bestellt?«, fragt er Orkan.

Orkan nickt und packt Dreimal-Döner-komplett, eine Pizza und die Colas in eine Tragetüte.

Drüben öffnet sich die Tür, und einer im dünnen Hemd kommt herüber. Fünfziger auf die Theke. Abgang. Drüben dreimal kurz, Pause, zweimal kurz.

Zeit vergeht. Driver schwitzt, Manni bleibt kühl. Driver zählt bis siebzehn, siebzehn gewinnt, das hat ihm mal eine Wahrsagerin gesagt, die er nachts aus Langeweile auf AstroTV angerufen hat. Der King tippt auf die Tasten des Spielautomaten, um die drei Kronen zu stoppen, und schafft nur zwei Erdbeeren.

Drüben geht die Tür auf. Die beiden aus dem SUV kommen raus, Nike-Sporttaschen in den Händen.

»Könnten um die hundert Kilo sein«, flüstert Manni. Driver wird heiß.

»Da müssen wir reingrätschen!«, sagt Manni.

Orkan schaut erst Manni an, dann Driver.

Die beiden drüben steigen in den SUV, fahren. Die Muttis mit ihren Kinderwagen rollen weg. Die Tür zum Haus geht zu.

Ende der Vorstellung.

Mittwoch

»Alles klar.« Manni hat einen Rucksack dabei, den er unter seinen Hocker stellt. »Der Lette hat noch zwei Sturmhauben draufgelegt. Hast du die Handschuhe?«

Driver nickt. Zwei Paar Latexhandschuhe aus der Haushaltswarenabteilung. Damit sie keine Fingerabdrücke hinterlassen.

»Und zieh dir Dienstag was andres an«, sagt Manni. »Andere Jacke, andere Jeans, andere Schuhe. Sonst erkennt man dich gleich an deinen Klamotten.«

»Alles klar!« Driver schwitzt.

Orkan kommt heran. »Zeig mal!«

»Was?«

»Was du vom Letten gekriegt hast.«

Manni schnappt sich seinen Rucksack und verschwindet mit Orkan im Lager des Imbisses.

Als sie nach fünf Minuten zurückkommen, nickt Orkan zufrieden. »Alles klar!«

Donnerstag

»Also, erst der Typ, der das Essen holt ...«

Driver nickt. »Alles klar.«

»Sobald er wieder drüben ist, läuft eure Zeit«, sagt Orkan.

Driver nickt. »Alles klar.«

»Wenn sie gegessen haben ...«

»Döner und Pizza, dauert ungefähr zwanzig Minuten«, sagt Orkan.

»... kommen sie mit den Taschen raus. Alles klar?«

»Alles klar!« Driver nickt. Er ist ein bisschen blass um die Nase.

»Dann kommt unser Auftritt!«

»Alles klar«, sagt Driver.

»Raus, rüber, Taschen abnehmen und weg.«

»Alles klar!«, sagt Driver mit brüchiger Stimme.

Manni klopft ihm auf die Schulter. »Du schaffst das schon.«

»Klar«, sagt Driver.

»Und von der Kohle kannst du Lola was Schickes schenken«, sagt Manni. »Dann klapp es auch wieder mit ihr, glaub mir!«

Freitag

Es liegt Schnee in der Luft. Driver steht in der Tür des Imbisses und atmet tief durch. Doch die Beklemmung in der Brust kriegt er nicht so richtig weg.

Drüben ist alles ruhig. Die Gardinen zugezogen, der Roller als Platzhalter auf dem Parkplatz vorm Haus.

Driver zählt langsam bis zehn. Um sich zu beruhigen. Es hilft nicht.

Er zählt bis zwanzig.

Das hilft auch nicht.

Er geht rein und sieht nach, was im Fach zwanzig vom Kalender liegt.

Ein Holzkreisel.

Das hilft.

Samstag

»Und wenn die dann nicht kommen?«

»Wieso sollen die nicht kommen?«

»Wegen Heiligabend.«

»Ja und?«

»He – Weihnachten! Heiligabend!«

»Das feiern die nicht.«

»Aber ...«

»Orkan, sag's ihm. Feierst du Weihnachten?«

Sonntag, 4. Advent

Der King kommt erst am späten Nachmittag und wechselt an der Theke einen Zwanziger. Legt zwei Euro auf den Geldteller für eine große Cola und beginnt, den Automaten zu füttern.

Manni und Driver spielen mit den drei Würfeln aus dem Adventskalender um die nächsten sechs Falafel.

»Also noch mal von vorn. Erst der Typ, der das Essen holt ...« Manni starrt auf die beiden Zweier und die Drei auf der Tischplatte. »Zwei im ersten. Pass auf, du zahlst.«

»Vielleicht hat sie ja schon einen Neuen.« Driver greift nach den Würfeln. »Sie geht seit Tagen nicht ans Handy.« Er lässt die Würfel über den Tisch rollen. Das Besteck hält sie auf. »Dreier-Pasch. Du zahlst!«

»Ich sag doch, du schaffst das.« Manni bestellt Falafel mit Pitabrot.

Montag

»Ruhig!«, sagt Manni.

Driver zuckt zusammen. Manni hat gut reden. Manni macht das nicht zum ersten Mal. Driver schon. Deshalb bekommt auch Manni die scharfe Knarre und Driver die Schreckschuss. Damit kein Unglück passiert, wenn er doch die Nerven verlieren sollte.

Driver starrt auf sein Souvlaki, das Orkan spendiert hat. Er bringt nichts runter. Rein gar nichts.

Manni hat sich seine Weinblätter schmecken lassen. »Isst du das nicht mehr?« Er langt nach Drivers Teller.

Die Uhr über dem Spielautomaten springt auf dreiundzwanzig Uhr. Ein paar Stunden noch, und sie sind reich.

Dienstag, Heiligabend