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Morde, die man nie vergißt! Der Gärtner, der Butler, der betrogene Ehemann oder die erbschleichende Witwe fordern hier Ihren kriminalistischen Spürsinn heraus. Lösen Sie allein, zu zweit oder im Freundeskreis diese kurzen Krimigeschichten, vielleicht auch einmal als Alternative zum Kabelfernseh-Krimi-»Fast Food«. Unveränderter Nachdruck der Druckausgabe von 1992
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Seitenzahl: 179
H.P. Karr
Das Morden geht weiter
Mehr Kriminalstories zum Selberlösen
Zu diesem Buch
Der Autor H. P. Karr zeigte bereits mit Beginn des Lesealters eine höchst bedenkliche Neigung zur Kriminalliteratur. Im Laufe seiner Adoleszenz gelang es ihm, seine ungewöhnliche Vorliebe für Geschichten über Mord und Totschlag erfolgreich zu kommerzialisieren. Als Verfasser von Kriminalstories, Kriminalhörspielen und Kriminalromanen fristet er heute unerkannt von seinen Mitmenschen ein höchst befriedigendes Dasein und stellt damit unter Beweis: Verbrechen lohnt sich doch!
Hinweis:
Unveränderter Nachdruck der Druckausgabe dieses Titels aus dem Jahr 1992.
Table Of Contents
Bedienungsanleitung
Tod einer Prinzessin
Auf dem Stundenplan stand Mord
Die Witwe hatte keine Tränen
Das Ende einer kurzen Freundschaft
Alibi nach Maß
Der Raub der Tänzerin
Ein falscher Zwanziger
Es geschah im Londoner Nebel
Perfekter Plan mit kleinem Fehler
Wer erschoß Mister Bär?
Mord in der Sturmnacht
Mord ist eine Wissenschaft für sich
Familienbande
Ein Mord, wie er nicht im Buche stand
Schöne Frauen sind gefährlich
Schwerenöter sterben schneller
Tod im Pavillon
Nur Goethe war Zeuge
Mord im «Schwarzen Loch»
Der Chef, der aus den Wolken fiel
Blinder Haß
Rudis letzte Nacht
Bei Notwehr stirbt man halb so schwer
Britt kam nicht bis Stockholm
Wer einmal lügt ...
Das Erbe der Padbergs
Ein toter Taucher am Morgen
Fux, du hast mein Geld gestohlen
Dieffenbach hat nichts zu lachen
Zeit ist Mord
Mord ist reine Nervensache
Bombe am Morgen
DAS MORDEN GEHT WEITER
Mehr Kriminalstories zum Selberlösen
Hersteller: H. P. KarrZusammensetzung:
164.192 Buchstaben und Satzzeichen, geordnet zu 32 Kriminalgeschichten. 98 % Mord und Totschlag, 1,5 % Lug und Trug, 0,2 % Aromastoffe und atmosphärisches Beiwerk.
Anwendungsgebiete:
Unbedingtes Unterhaltungsbedürfnis, Zustände extremer Langeweile nach dem Konsum von Fernsehkrimis, ärgerliche Verstimmungen über allzu einfache Lösungen in Krimis anderer Autoren. Ferner Schlaflosigkeit und Mußestunden.
Dosierungshinweise:
Kann sowohl von Einzelpersonen als auch von Gruppen angewendet werden. Einzelpersonen lesen jeweils eine Kriminalgeschichte bis zur Schlussfrage durch und versuchen, durch konzentriertes Nachdenken den Täter zu ermitteln. Bei Verständnis- oder Erinnerungsschwierigkeiten darf die Geschichte noch einmal neu gelesen werden. Kann der Leser auch dann die Frage nach dem Täter nicht beantworten, erscheint es angebracht, daß er im Lösungsteil nachschaut.
In der Gruppenanwendung bereitet sich ein Spielmeister auf den Einsatz einer Story vor. Er liest die Geschichte vor Spielbeginn samt Lösung durch und merkt sich die für die Lösung relevanten Details in der Story. Dann trägt er die Kriminalstory vor der Gruppe vor und stellt die Täterfrage.
Die Mitglieder der Gruppe haben — je nach vorheriger Vereinbarung — das Recht, eine oder mehrere Nachfragen nach Details zu stellen. Der Spielmeister beantwortet die Fragen nach bestem Wissen und Gewissen.
Nach der Fragerunde geben die Gruppenmitglieder ihre Lösung bekannt. Wer die richtige Lösung ermitteln konnte, erhält einen MORD-Punkt. Wer dazu noch die richtige Begründung liefert, erhält einen weiteren MORD-Punkt.
Lässt nach mehreren Anwendungen die Spannungswirkung der Kriminalstories nach, sollten zur weiteren Behandlung die 33 Rätselstories aus MORD! hinzugezogen werden.
Nebenwirkungen:
MORD! und DAS MORDEN GEHT WEITER sind bei dauerhaftem Gebrauch ohne nachteilige Nebenwirkungen. Gewisse Abnutzungserscheinungen von Papier und Buchumschlag sind nur äußerlicher Art und beeinflussen nicht den inneren Gehalt.
Handelsform:Es wurden keine Anpassungen in Rechtschreibung und Zeichensetzung, bei Währungsangaben, Kommunikationstechnologien, oder geopolitischen Gegebenheiten etc vorgenommen.DAS MORDEN GEHT WEITER ist als reines Fantasieprodukt zu 100 % umweltverträglich und unbedingt biologisch abbaubar.
Anita Helene Prinzessin zu Hohendahl, 23 Jahre alt, 65 Kilo schwer und ausnehmend hübsch, war gegen Mitternacht gestorben. Mit ihrem roten Alfa Romeo war sie von der schmalen, kurvenreichen Straße abgekommen, die von der kleinen Ortschaft hinauf auf das Schloss derer von Hohendahl führte. Ein Bauer, der mit seinem Traktor auf dem Weg zum Feld war, entdeckte das Autowrack gegen sechs Uhr morgens.
Kommissar Hansen erreichte den Unglücksort gegen Mittag. Der Dorfpolizist zeigte ihm die beiden Teile des Lenkgestänges aus dem Sportwagen. «Angesägt», sagte er und fuhr mit dem Finger über die frische, ölverschmierte Schnittstelle. «Aber natürlich will ich der Kriminaltechnik nicht vorgreifen.»
«Haben Sie schon herausfinden können, wo die Prinzessin denn in der vergangenen Nacht war?» fragte der Kommissar. «Oder besser: wo ihr Wagen war?»
Der alte Wachtmeister machte eine unbestimmte Kopfbewegung. «Ich kann da nur Vermutungen anstellen. Die Prinzessin hatte einen Freund hier im Ort, mit dem sie verlobt war. Er heißt Roland Ecker, und ihm gehört die Goldschmiedewerkstatt.» Der Polizist machte eine Pause, dann fügte er hinzu: «Und außerdem hatte sie noch einen Liebhaber, wie man munkelt! Sie kennen ja den Klatsch und Tratsch, der in kleinen Ortschaften blüht. Sie soll sich häufig mit Hubert Wiesner getroffen haben, wenn er alleine in seinem Haus oben am Berghang war.»
Kommissar Hansen schlug sein Hauptquartier in der kleinen Polizeiwache des Ortes auf. «Von hier aus hat man einen guten Überblick auf die Straße, bis hinauf zum Hang», sagte er zu dem Wachtmeister, nachdem er am Schreibtisch vor dem Fenster Platz genommen hatte. «Haben Sie den Wagen der Prinzessin gestern hier irgendwann gesehen?»
«Nein», sagte der Dorfpolizist bestimmt, «das weiß ich genau, denn ich habe hier gestern mit dem transportablen Radargerät auf der Lauer gelegen, weil immer wieder Autos mit überhöhter Geschwindigkeit durch den Ort rasen. Der rote Alfa Romeo der Prinzessin wäre mir aufgefallen.» Der Polizist kratzte sich am Kopf. «Nein, gestern stand ihr Wagen nicht vor Eckers Haus, da bin ich sicher. Es war ohnehin ruhig im Ort.»
«Und Sie haben niemanden wegen einer Geschwindigkeitsübertretung schnappen können?», fragte Hansen.
Der Polizist lächelte. «Kurz nach zehn Uhr abends kam Frau Wiesner mit ihrem gelben BMW vorbei. Sie fuhr knapp 50 Stundenkilometer. Leider reichte das nicht, um sie zu verwarnen.»
Der Kommissar überlegte. «Aber irgendwann muss die Prinzessin doch vom Schloss heruntergekommen sein», sagte er.
«Sie kann die zweite Straße genommen haben, die an der anderen Seite des Berges entlangführt.»
Hansen machte sich einige Notizen. Dann verließ er das Revier, überquerte die schmale Dorfstraße und betrat die kleine Goldschmiede auf der anderen Seite.
In der Werkstatt hinter dem Laden saß ein junger Mann an seinem Arbeitstisch. Reglos, die Augen starr auf eine Weißgoldbrosche gerichtet, die vor ihm lag.
«Es kann nicht wahr sein!», sagte Roland Ecker. «Ich kann es nicht glauben!»
Kommissar Hansen zog sich einen niedrigen Schemel heran und setzte sich. «War sie gestern bei Ihnen?», fragte er.
Roland Ecker schüttelte den Kopf. «Nein.»
«Wo kann sie sonst gewesen sein, gestern Abend?», fragte Hansen. «Man hat mir gesagt, Sie seien verlobt.»
Der Goldschmied hob die Schultern. «Sie war sehr eigenwillig», sagte er. «Und sie machte auch kein Geheimnis daraus, daß sie sich noch manchmal mit Hubert Wiesner traf.»
«Gefiel Ihnen das?», fragte Hansen.
«Natürlich nicht», erwiderte Ecker. «Vorgestern stellte ich sie dann endlich vor die Alternative: entweder Wiesner oder ich. Als wir gestern Nachmittag telefonierten, sagte sie, sie werde sich von ihm trennen. Ich glaube, sie war am Abend bei ihm.» Er berührte zärtlich die Weißgoldbrosche. «Ich habe sie extra für sie angefertigt», flüsterte er.
Kommissar Hansen verließ nachdenklich die kleine Goldschmiedewerkstatt und kehrte in die Polizeiwache zurück. Er sah sich den Taschenkalender der Prinzessin aus dem zerstörten Wagen an.
«Hubert!» hatte sie sich für den Tag ihres Todes notiert.
Eine Viertelstunde später stand er vor dem extravagant gestalteten Bungalow der Wiesners. Moderne Formen aus Glas und Beton, an den Berghang geschmiegt, mit einer Doppelgarage neben dem Haus. Durch die offene Schwingtür sah Hansen einen gelben BMW und einen dunklen Mercedes.
Hubert Wiesner empfing den Kriminalbeamten an der Haustür. «Sie wollten mit mir über die Prinzessin sprechen?», fragte er. Er war nicht mehr jung, strahlte aber trotz seiner angegrauten Schläfen noch etwas Junges aus. Mit seinen Lachfältchen und dem sanftmütigen Blick seiner dunkelbraunen Augen war er genau der Typ des älteren Charmeurs, bei dem jüngere Frauen gerne schwach werden.
«Kommen Sie doch herein», bat Wiesner den Kommissar. Im Wohnraum saß eine dunkelhaarige Frau neben dem Kamin und blätterte unbeteiligt in einem Modemagazin.
«Meine Frau!», sagte Wiesner nur. «Sie ist heute Vormittag überraschend gekommen.»
Kommissar Hansen bemühte sich, taktvoll zu sein. «Sie kannten die Prinzessin?», fragte er Wiesner.
«Natürlich kannte ich sie!», sagte die Frau am Kamin.
«Ruth!», zischte Wiesner.
Ruth Wiesner stand auf und verließ das Zimmer. Gleich darauf fiel oben im Haus eine Tür ins Schloss. Hubert Wiesner lächelte ein wenig gequält. «Ruth ist eifersüchtig. Dabei war es wirklich nur ein kurzes Abenteuer, das ich mit der Prinzessin hatte. Gestern Abend ging es zu Ende: Sie hatte sich verliebt. In den Goldschmied aus dem Ort. Ich habe ihr von ganzem Herzen Glück gewünscht.»
«Und Ihre Frau?», fragte Hansen. «Wußte sie etwas von Ihrem ... Abenteuer?»
Wiesner zögerte. «Ich glaube schon», sagte er. «Sie muss etwas von dem Klatsch im Dorf aufgefangen haben. Als sie heute Vormittag kam, machte sie ein paar Andeutungen.»
«Die Prinzessin war gestern bei Ihnen?», fragte Hansen.
Wiesner nickte. «Sie kam gegen neun Uhr abends. Sie wollte gleich wieder gehen, nachdem sie mir gesagt hatte, daß es zwischen uns vorbei ist. Aber ich konnte sie überreden, ihren Wagen in die Garage zu fahren und noch ein wenig mit mir spazierenzugehen. Gegen Mitternacht kamen wir zurück. Sie stieg in ihr Auto und fuhr fort.»
Kommissar Hansen überlegte. «Was für einen Wagen fahren Sie?», fragte Hansen.
«Meinen schwarzen Mercedes», erwiderte Wiesner. «Er steht in der Garage.»
Ruth Wiesner war langsam wieder hereingekommen. «Sind Sie bald fertig?», fragte sie.
«Gleich», erwiderte Hansen. «Nur noch eine Frage, Frau Wiesner: Wann kamen Sie hier an?»
«Gegen elf heute Morgen», erwiderte sie.
«Sie leben in der Stadt?»
«Ruth hat dort ein Appartement», erklärte Hubert. «Sie kümmert sich während der Woche um das Geschäft.»
«Und was ist das für ein Geschäft?», erkundigte Hansen sich.
«Ich habe das Autohaus geerbt, das mein Vater nach dem Krieg aufgebaut hat», sagte Ruth Wiesner. Sie warf ihrem Mann einen schnellen Blick zu. «Hubert war vor unserer Heirat der Werkstattleiter meines Vaters. Er repariert heute noch alle unsere Wagen selbst!»
In Hubert Wiesners Gesicht regte sich kein Muskel. Kommissar Hansen wandte sich wieder an Ruth: «Gehe ich recht in der Annahme, daß der gelbe BMW in der Garage draußen Ihr Wagen ist?»
Sie nickte.
«Und Sie bleiben dabei, daß Sie erst heute Morgen hier angekommen sind?»
«Ich bin die Nacht durchgefahren.»
«Was soll das?» mischte Hubert Wiesner sich ein. «Ruth kam heute Morgen hier an, das kann ich beschwören.»
Hansen ging nicht darauf ein. «Haben Sie irgendwo getankt?», fragte er Ruth. «Es wäre gut, wenn sich jemand an Sie und den gelben BMW erinnern könnte.»
«Es tut mir leid», sagte Ruth Wiesner, «aber ich habe unterwegs nicht gehalten.»
«Werden Sie herausfinden, wer die Prinzessin getötet hat?», fragte Hubert Wiesner.
«Ich weiß es schon», sagte der Kommissar.
Wer tötete die Prinzessin?
Hubert Wiesner?
Ruth Wiesner?
Roland Ecker?
Lösung für «Tod einer Prinzessin»
Die Prinzessin wurde von Ruth Wiesner getötet. Ruth Wiesner kam bereits in der Nacht zu ihrem Mann, nicht erst am nächsten Morgen. Sie sah den roten Alfa Romeo der Prinzessin neben dem Wagen ihres Mannes in der Garage und manipulierte das Lenkgestänge, um die Nebenbuhlerin zu töten. Sie konnte nicht wissen, daß die Prinzessin gerade an diesem Abend ihr Verhältnis mit Hubert Wiesner beendet hatte und sie eigentlich kaum noch einen Grund zur Eifersucht hatte.
Nach der Tat fuhr sie mit ihrem Wagen, dem gelben BMW, ein Stück weiter und wartete bis zum Vormittag, um dann offiziell «anzukommen».
«Jetzt brauche ich erst einmal einen kräftigen Schluck», sagte Gerhard Landgraben, als er nach der dritten Unterrichtsstunde in den Chemieraum der Schule kam. Er ging zum Giftschrank und schloss ihn auf. «Die Chemie-Stunden in der neunten Klasse sind immer eine Tortur!» meinte er zu seinem Kollegen Hans Weller. Er nahm eine der Flaschen aus dem Schrank und setzte sie an den Mund.
«Vorsicht!» rief Weller, als er den Totenkopf und die Aufschrift «Blausäure» auf dem Etikett entdeckte. Aber da war es schon zu spät. Landgraben sackte zusammen und blieb krümmt liegen. Er war tot, ehe der Notarztwagen eintraf.
Kommissar Hansen traf mit den Beamten der Mordkommission eine Stunde nach Landgrabens Tod an der Albert-Schweitzer-Schule ein. Die ersten Untersuchungen der Kriminaltechniker ergaben, daß die Flasche, aus der Landgraben getrunken hatte, mit Zyankali vergifteten Whisky enthielt.
«Der Lehrer hat wohl seinen Schnaps auf diese Art versteckt», vermutete Hansens Assistent Benk.
Der Kommissar nickte. «Ich hatte eben ein vertrauliches Gespräch mit dem Schulleiter. Er hat mir Landgrabens Personalakte gezeigt – der Mann war ein heimlicher Trinker. Er hatte sich vor anderthalb Jahren an den Vertrauensarzt gewendet. Der hat ihm eine Entziehungskur verschafft. Doch Landgraben wurde wohl wieder rückfällig.»
«Und jemand, der davon wußte, hat seinen Whisky mit Zyankali vergiftet.» Er betrachtete den Giftschrank und nahm dann eine kleine Flasche heraus, auf der «Zyankali» stand. «Der Mörder hatte auch wenig Mühe, sich das Gift zu beschaffen. Es stand sozusagen gleich in Griffnähe.»
Er bat Hans Weller zu sich, den jungen Studienreferendar, der Zeuge von Landgrabens Tod gewesen war.
«Wer hat einen Schlüssel für den Giftschrank?» fragte Hansen.
«Nur die drei anderen Chemielehrer», erwiderte Weller. «Herr John, Herr Kremer und Frau Eichler.»
«Gibt es irgendwelche privaten Beziehungen zwischen den dreien?» fragte Benk.
Weller zögerte etwas, ehe er antwortete. «Ich bin erst seit kurzem hier an der Schule und kann deshalb nur Gerüchte weitergeben», meinte er dann. «Man erzählt, daß Sabine Eichler einmal mit Gerhard Landgraben zusammengelebt hat. Die Sache soll nur ein halbes Jahr gedauert haben, dann trennten sich die beiden. Im Streit, wie man sagt. Seitdem...»
«Ja?» fragte Hansen neugierig.
«Seitdem lebt Frau Eichler mit Herrn John zusammen. Die beiden wollen heiraten. Landgraben hatte die Trennung von Sabine Eichler nie verwunden. Er war reizbar, wurde leicht krank und mußte letztes Jahr auch wegen seines nervösen Magens zur Kur.»
«Sie sind erstaunlich gut informiert», meinte Kriminalassistent Benk.
«Schulklatsch!» sagte Hans Weller achselzuckend.
Kommissar Hansen ließ sich vom Schulleiter ein Besprechungszimmer zeigen, in dem er die Zeugen und Verdächtigen befragen konnte.
«Zuerst will ich mit den Chemielehrern reden», sagte Hansen zu Benk, während er ein paar Papiere beiseite räumte, die noch auf dem Tisch lagen. Dann überprüfte er sein Diktiergerät, mit dem er routinemäßig alle wichtigen Verhöre aufzeichnete.
Sabine Eichler war eine von jenen attraktiven, scheinbar alterslosen Blondinen mit aerobicgestähltem Körper und solariumgebräunter Haut. Mit ihr kam Holger John ins Besprechungszimmer. Der athletisch gebaute junge Mann war für Hansens Geschmack ein wenig zu auffällig gekleidet. Der dritte Lehrer war Wolf Kremer, ein massiger, nachlässig gekleideter Mann mit einem roten Gesicht.
«Sie wissen, was passiert ist», sagte Hansen. «Gerhard Landgraben starb an Gift aus dieser Flasche!» Er stellte die Blausäure-Flasche, die die Spurensicherer inzwischen in einen ihrer Plastikbeutel verpackt hatten, vor sich auf den Tisch.
Sabine Eichler schniefte. Sie hatte verweinte Augen. «Gerhards Tod trifft mich», sagte sie. «Wir haben uns einmal recht gut gekannt. Vielleicht wissen Sie das schon. Da tut es weh, wenn man erfährt, daß der andere tot ist – auch wenn man im Streit auseinandergegangen ist.» Sie bemerkte den fragenden Blick des Kommissars und fuhr fort: «Nach unserer Trennung wollte Gerhard in seiner krankhaften Eifersucht mit allen Mitteln verhindern, daß ich Holger heiratete.»
Holger John nickte und legte schützend seinen Arm um Sabines Schulter.
«Und wie haben Sie darauf reagiert?» fragte Hansen.
«Ich habe versucht, vernünftig mit ihm zu reden», berichtete Sabine Landgraben. «Aber er hat mich vor allen Kollegen beschimpft. Beinahe hatte er mich auch geschlagen.»
«Er hat versucht, mich bei der Schulleitung anzuschwärzen», fuhr Holger John fort. «Er behauptete, ich hätte Zyankali aus dem Giftschrank gestohlen. Angeblich, um ihn damit zu vergiften. Glücklicherweise glaubte der Direktor ihm die Geschichte nicht.»
Der rotgesichtige Wolf Kremer hatte das Gespräch aufmerksam verfolgt. «Du hast eher allen Grund gehabt, wütend auf ihn zu sein, weil er dir das Disziplinarverfahren wegen des gestohlenen Giftes angehängt hat», sagte er.
«Du weißt genau, daß Holger nichts damit zu tun hatte», unterbrach Sabine Eichler ihn.
«Aber es ist doch unbestreitbar, daß Zyankali aus dem Giftschrank verschwunden ist», sagte Kremer triumphierend. «Bei der letzten Überprüfung fehlten exakt fünf Gramm. Wie willst du beweisen, daß das Zyankali, mit dem Gerhard vergiftet wurde, nicht von dieser gestohlenen Menge stammt?»
«Genauso gut kannst du das Gift gestohlen haben!» sagte Holger John. «Du hast auch einen Schlüssel zum Giftschrank. Warum versuchst du eigentlich, Sabine und mich in Verdacht zu bringen?»
«Aber es ist doch jeder von uns verdächtig, oder?» wandte sich Kremer an Kommissar Hansen, der die Auseinandersetzung der drei bisher aufmerksam verfolgt hatte.
«Wie war das mit dem gestohlenen Zyankali?» fragte Hansen interessiert.
Sabine Eichler erklärte: «Für einige Demonstrationen brauchen wir Zyankali. Wir bekommen eine genau abgewogene Menge und müssen jede Entnahme in einem speziellen Giftbuch mit unserem Namen abzeichnen. Als Gerhard vorgestern das Zyankali nachwog, fehlten fünf Gramm. Er beschuldigte daraufhin Holger, das Gift gestohlen zu haben, weil er laut Giftbuch als letzter etwas entnommen hatte. Und es wäre seine Pflicht gewesen, hinterher das genaue Gewicht des restlichen Zyankalis zu überprüfen.»
«Was ich nie getan habe, weil ich den Kollegen vertraue», ergänzte John.
«Ich wiege immer zur Kontrolle nach», erklärte Wolf Kremer.
«Pedant», murmelte Sabine.
Wolf Kremers Gesicht röte sich schlagartig. «Ich möchte jetzt gehen», platzte er heraus. «Das muss ich mir nicht anhören.»
«Sie bleiben», sagte Kommissar Hansen scharf. «Bis ich herausgefunden habe, wer von Ihnen dreien Gerhard Landgraben auf dem Gewissen hat.»
«Pah», machte Kremer. «Welchen Grund sollte ich denn gehabt haben, diesem Saufer Zyankali in seinen heimlichen Whiskyvorrat zu tun?»
«Neid», sagte Holger John knapp.
«Was soll das heißen?» blaffte Kremer.
«Ihr habt euch beide vor einem Jahr um die Stellung des Fachleiters in Chemie beworben», sagte John. «Wie man munkelt, wolltest du deine Chancen verbessern, indem du versucht hast, dir Landgrabens Personalakte zu verschaffen. Aber Landgraben bekam trotzdem den Posten, weil er fachlich einfach besser war als du. Er hat dir damit die Karriere vermasselt.»
«Ich kann jederzeit an einer anderen Schule Fachleiter werden», erwiderte Kremer von oben herab. «Du willst doch nicht sagen, daß ich so nachtragend bin.»
Kommissar Hansen musterte die drei Verdächtigen nachdenklich. Einer von ihnen war der Mörder, das wußte er. Einer hatte das Zyankali gestohlen und damit Landgrabens heimlichen Whiskyvorrat vergiftet, den der Lehrer gut getarnt in der Flasche mit der Aufschrift «Blausäure» versteckt hatte.
Und plötzlich wußte Hansen, wer den Lehrer getötet hatte.
Wer?
Sabine Eichler?
Holger John?
Wolf Kremer?
Lösung für «Auf dem Stundenplan stand Mord»
Der Briefträger hatte Herbert Achenbachs Leiche am Morgen entdeckt, als er am Steinbruch vorbeigekommen war. Achenbach lag am Fuß der dreißig Meter steil abfallenden Steilwand auf einer großen Steinplatte.
Als Kommissar Hansen eintraf, arbeiteten Gerichtsmedizin und Spurensicherung bereits.
Nach dem Befund des Gerichtsarztes war Achenbach in der letzten Nacht erschossen worden, bevor er über die ungesicherte Kante des Steinbruchs gestürzt war.
Dort oben, an der Stelle, wo Achenbach seinem Mörder begegnet war, war das Gras niedergedrückt. Etwas abseits fand Hansen Achenbachs Taschenkalender.
Außer ein paar persönlichen Angaben war im Kalendarium nur jeweils am Monatsersten eine Zahl eingetragen.
Am 1. Januar: 2500, am 1. Februar: 3000 und am 1. März: 3500.
Beim heutigen Datum, dem 1. April, stand: 4000. Für Mai bis Dezember war nichts eingetragen.
«Irgendwelche Hinweise, wer sich diesen tödlichen Aprilscherz erlaubt hat?» fragte Hansens Assistent Benk, nachdem er den schmalen Pfad zur Kante erklommen hatte.
«Möglicherweise hat sich hier jemand einen Erpresser vom Leib geschafft», sagte Hansen.
Herbert Achenbach hatte als Rohrleitungsbauer in dem Dorf gelebt und war jeden Tag zur Arbeit in die Stadt gefahren. Das und noch eine ganze Reihe anderer Details erfuhren Hansen und Benk, als sie den örtlichen Polizeiposten aufsuchten und sich mit dem Wachhabenden unterhielten.
Als Hansen und Benk an der Tür von Herbert Achenbachs Einfamilienhaus im Siedlungsgebiet am Rand des Dorfes klingelten, öffnete ihnen eine Frau, deren elegante Erscheinung nicht so recht in die dörfliche Umgebung passte.
«Hat Herbert wieder etwas angestellt?» fragte sie, als sie die Polizeimarke sah. Ellen Achenbach führte sie ins Haus. Hansen musterte die Parkettböden und die teuren Möbel.
«Ihr Mann ist tot», sagte der Kommissar dann. «Es ist am Steinbruch passiert ...»
Der Kommissar sah, wie sich in den Schmerz, der in ihren Augen stand, auch eine Spur von Erleichterung mischte.
«Sicher war er betrunken», sagte sie. «Er trank in der letzten Zeit zu viel.»
«Hier im Ort?
Sie nickte. «Er war Stammgast im Lindenkrug», sagte sie. «Jedenfalls bis vor zwei Wochen. Da hat er eine Schlägerei vom Zaun gebrochen, und der Wirt hat ihm Lokalverbot erteilt.»
Hansen nickte. Der Dorfpolizist hatte ihm davon erzählt.
«Wie würden Sie Ihre Ehe bezeichnen?» wollte der Kommissar wissen. Auch zu diesem Thema hatte der Dorfpolizist etwas zu sagen gehabt.
Ellen Achenbach antwortete, ohne zu zögern. «Sie bestand nur noch auf dem Papier. Ich ... wir wollten uns trennen.»
«Weil Ihr Mann trank?» fragte Hansen.
«Nein, weil er mich betrogen hat.» Ellen Achenbach sah den Kommissar herausfordernd an. «Das Flittchen wohnt nur zwei Straßen weiter. Helga Sander heißt sie. Sie ist Serviererin in einer Kneipe.» Sie lachte bitter. «Natürlich - wo sonst hätte er sie kennenlernen sollen?»