Seewölfe - Piraten der Weltmeere 549 - Davis J. Harbord - E-Book

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 549 E-Book

Davis J. Harbord

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Beschreibung

Philip Hasard Killigrww erreichte als erster schwimmend das Flußufer und stürmte den Kameltreibern entgegen, die offenbar wild entschlossen waren, die "Santa Barbara" zu entern. Er war unbewaffnet, hob jedoch blitzschnell einen armdicken Ast von der Länge einer Spillspake auf und setzte mit dem Prügel die beiden ersten Kerle ausser Gefecht. Dem einen drosch er den Ast zwischen die Rippen, so daß der Kerl jaulend zur Seite flog und halb im Wasser landete. Dem anderen schmetterte Hasard den Prügel an den Schädel - ein guter harter Schlag, obwohl er vor der heransausenden Säbelklinge hatte wegtauchen müssen. Sie zischte knapp über seinen Kopf weg. Ihr Pfeifen klang nicht sehr erbaulich...

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Impressum© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,Pabel ebook, Rastatt.eISBN: 978-3-95439-956-7Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

Davis J. Harbord

Kameltreiber

Mohammed war ihr Prophet – und er verkündete: Tötet sie!

Fünfmal am Tag mußte das Treideln der „Santa Barbara“ den Tigris aufwärts unterbrochen werden, nämlich immer dann, wenn es Zeit zum Gebet war. Da sich Muselmanen jedoch vor dem Gebet zu reinigen haben, weil Allah mit den Gebeten ungesäuberter Menschen nicht einverstanden ist, wuschen sich die zwanzig Kerle erst einmal Gesicht, Hände und Füße im Tigriswasser, bevor sie auf ihren Gebetsteppichen knieten, nach Mekka ausgerichtet, und ihr „Allahu akbar – Allahu akbar!“ leierten.

Den Arwenacks gingen diese fünfmaligen Gebete mächtig auf den Geist – einmal weil Zeit vertrödelt wurde und zum anderen, weil sie diesem eintönigen Singsang nichts abgewinnen konnten. Hasard mußte sie ermahnen, den rituellen Bräuchen dieser Anhänger Allahs etwas mehr Respekt und Verständnis entgegenzubringen.

Er hätte anders gesprochen, wäre ihm bekannt gewesen, daß Hamid Saih, der Kamelführer, den Kerlen jeden Abend am Feuer vorkaute, was die zweite Sure des Korans verkündet, nämlich die freundliche Aufforderung: „Und tötet die heidnischen Gegner, wo ihr sie zu fassen bekommt …“

Die Hauptpersonen des Romans:

Philip Hasard Killigrew – Für den Seewolf wird das Flußaufwärtstreideln auf dem Tigris allmählich zu einem Problem mit immer neuen Schwierigkeiten.

Hamid Saih – Diesen schlitzohrigen Halunken hat der Profos „Treideladmiral“ genannt, nur macht der Kerl diesem Namen keine Ehre.

Don Juan de Alcazar – Dem Spanier passiert ein Mißgeschick, durch welches das Weitertreideln in Frage gestellt wird.

Dan O’Flynn – Der Lotse der Arwenacks muß mit einem Trupp an Land, um die Kameltreiber zu verfolgen – denn das weitere Schicksal der „Santa Barbara“ hängt an einem seidenen Faden.

Edwin Carberry – Der Profos findet ein Mittel, um die Kameltreiber zu ärgern.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

Es war nicht zu verheimlichen, daß die Arwenacks immer kribbeliger wurden. Assur, die uralte Hauptstadt des assyrischen Reiches am Ufer des Tigris, lag hinter ihnen. Seit Tagen wurde die „Santa Barbara“ von zwanzig Kamelen am Ostufer des großen Flusses nordwärts gezogen – getreidelt, wie man das nennt –, der Stadt Mosul entgegen.

Es war zum Auswachsen – „zum Kielschwein hobeln“, wie es der Profos Edwin Carberry ausdrückte.

Nichts und niemand konnte die zwanzig Kameltreiber unter Hamid Saih veranlassen, den Trott ihrer Kamele auch nur um einen Hauch zu beschleunigen.

„Die latschen wie die Schnecken!“ stöhnte Carberry.

„Wer?“ fragte Ferris Tucker. „Die Kamele oder die Kerle?“

„Beide.“

„Zieh du mal ein Schiff von der Größe der ‚Tante Barbara‘ flußaufwärts gegen die Stromrichtung“, sagte Ferris Tucker.

„Ich bin ja kein Kamel“, entgegnete der Profos, der manchmal eine seltsame Logik hatte.

„Nein?“ fragte Ferris Tucker so ein bißchen höhnisch, als zweifele er an dieser Aussage.

„Nein!“ blaffte Carberry, spuckte über Bord und stieg auf die Back.

Es war Anfang Juni 1597 vormittags. Eine sengende Hitze lag über der Flußlandschaft, die sich Meile um Meile nach Norden hinzog – früher bedeckt von grünen Feldern, Palmenhainen und Weinbergen, kreuz und quer vom Netzwerk der Bewässerungskanäle durchschnitten. Aber davon war nichts mehr zu sehen, bis auf die dunklen Linien der ausgetrockneten Kanäle. Zu beiden Seiten des Flusses dehnte sich stumpfbraune Wüste dem Horizont entgegen.

Tausende von Jahren hatte das Bewässerungssystem im Zwischenstromland bestanden. Dann fielen Mongolenhorden im 14. Jahrhundert brennend, plündernd und mordend ein, überfluteten Mesopotamien – und die Kanäle verschlammten, die Pumpwerke zerfielen, die Felder verdorrten, das Land wurde entvölkert.

Seit Bagdad hinter den Arwenacks lag, war die Flußlandschaft immer öder geworden. Nur da und dort standen an den Ufern die Lehmhütten von Fellachen, die Hirse und Mais anbauten und Schafe und Ziegen hielten.

Es war ein Ereignis, wenn der Treidelzug mit dem großen Schiff auftauchte. Dann liefen die armselig gekleideten Menschen zusammen, gestikulierten und staunten über das seltsame Schiff mit den drei Masten und über die weißhäutigen Männer, deren Hautfarbe zwar braun von der Sonne, aber doch heller war. Und einige dieser Männer hatten gar helle Augen und helles Haar!

In Philip Hasard Killigrew begannen erste Zweifel zu keimen, ob dieser Strom an „das große Meer“ führte und eine Verbindung darstellte zwischen dem Mittelmeer und dem Indischen Ozean, wie sie in den Karten und dem „Logbuch“ beschrieben wurde, die seine beiden Söhne in dem Wrack bei einer der Seychellen-Inseln gefunden hatten.

Wenn diese türkischen Kaufleute, von denen das Material stammte, laut ihrer Beschreibung von Istanbul aus über Euphrat oder Tigris zum Arabischen Meer gereist waren, dann war das eine Fahrt flußabwärts gewesen, nämlich eine mühelose Fahrt mit der Strömung und möglicherweise sogar guten Winden. Aber auf demselben Weg zurückzukehren, und zwar gegenan, das war schierer Wahnsinn.

Bei dem „Schnecken“-Gang der Kamele schafften sie am Tag – nachts wurde gerastet – allenfalls zwei bis drei Meilen, wobei drei Meilen schon einen Rekord darstellten. Zu Fuß würde man schneller sein – und noch schneller, wenn man reiten würde. Doch das würde bedeuten, die „Santa Barbara“ aufgeben zu müssen.

Der Sinn dieser Reise auf dem Tigris war es ja gerade, einen Wasserweg zwischen Mittelmeer und Arabischem Meer zu finden. Oder waren diese türkischen Kaufleute zuerst von Istanbul mit einer Karawane gereist und hatten dann an einem der beiden Ströme ein Schiff bestiegen?

Hasard dachte diesen Gedanken nicht weiter, denn wenn dem so war, dann hatten sie diese Reise den Tigris aufwärts in den Sand gesetzt. Das würde eine schöne Pleite sein!

Hasard beschloß, Hamid Saih – den „Treideladmiral“, wie er von Carberry getauft worden war – am Abend über den Verlauf des Tigris auszuhorchen. Der Kerl mußte etwas wissen. Wer sein Leben an einem solchen Strom verbrachte, dem mußte vielerlei darüber bekannt sein. Das sollte man zumindest annehmen.

Natürlich konnte der Kerl das Blaue vom Himmel herunterlügen. Daß der Bursche ein Schlitzohr war, konnte nicht ausgeschlossen werden. Vermutlich war der Preis für die Kamele und die Treidler zu hoch angesetzt, und sie hätten vielleicht noch länger feilschen sollen. Aber die Arwenacks waren keine armen Kirchenmäuse, und wenn die Route tatsächlich zum Mittelmeer führte, dann hatte sich der Preis gelohnt.

Wenn!

Und wenn nicht?

Hasard merkte, daß er sich mit seinen Gedanken im Kreise drehte. Und dann seufzte er, als er nach vorn schaute. Dort tauchte am östlichen Ufer wieder eine der Flußbuchten auf, in denen ein Neerstrom floß, ein Gegenstrom, den man ausnutzen konnte, um schneller voranzugelangen.

Aber genau an solchen Stellen legten die Kerle ihre Gebetpausen ein. Als Hasard vor drei Tagen dem „Treideladmiral“ erklärt hatte, daß er es für empfehlenswert halte, wenn man diese Buchten zum schnelleren Treideln nutzte, da hatte Hamid Saih entgegnet, daß die Kamele dort besser ausruhen könnten, denn sie brauchten sich an diesen Stellen nicht gegen das driftende Schiff zu stemmen, um es zu halten.

Das stimmte zwar, aber Hasard hatte eher den Eindruck, daß sich die Kerle kein Bein ausreißen wollten und die Kamele nur als Begründung vorschoben. Denn die wirkten keineswegs abgeschlafft. Die waren munterer als ihre Treiber. Und dann trödelten die Kerle herum – bei ihrem Waschritual, beim Gebet nach Mekka und erst recht danach. Bis die ihre Gebetsteppiche eingerollt und wieder auf den. Kamelen verzurrt hatten, verging eine Ewigkeit, genauer gesagt: eine ganze Stunde.

Und wer hatte die Arbeit bei dieser Pause? Die Arwenacks. Die mußten nämlich den Heckanker werfen, sobald die Kamele stoppten. Denn sonst wäre die „Santa Barbara“ im Neerstrom vorausgetrieben, hätte die Schleppleine überfahren und ein heilloses Durcheinander in die Leinen gebracht, die vom Ende der Schleppleine einzeln zu den jeweiligen Kamelen führten.

Und schon rief Ben Brighton zur Kuhl hinunter: „Klar bei Heckanker, Freunde! Es ist wieder mal soweit!“

Carberry war sonst immer dabei, aber der hatte sich, wie gesagt, auf die Back verdrückt und spielte Luftgucker, das heißt, er starrte nach Süden.

„Der peilt nach Mekka“, sagte Dan O’Flynn grinsend.

Er gehörte zu den wenigen Arwenacks, die sich nicht aus der Ruhe bringen ließen. Auch der Kutscher war unverdrossen, zogen sie doch an vorchristlichen Stätten vorbei, über die er fleißig in der Bibel nachgelesen hatte. Na, und auch die Zwillinge waren guten Mutes – zum einen hatte ihr Fund auf der Seychellen-Insel diese Reise ja erst ausgelöst, und zum anderen waren sie einfach abenteuerlustig, was Vater Hasard ihnen im Grunde nicht verdenken konnte. Er wäre in diesem Alter nicht anders gewesen.

Die beiden tauchten auch als erste auf dem Achterdeck auf, um beim Ausbringen des Heckankers mitanzupacken. Ihre vergnügten Gesichter bildeten den angenehmen Gegensatz zu den Mienen von Smoky, Piet Straaten, Jan Ranse und Blacky, die – unwissentlich – in Konkurrenz zum grämlichen Mac Pellew getreten waren. Sie hätten jetzt mit ihm wetteifern können, wer den besseren Essiggurkenausdruck zur Schau trug.

Es war auch Dan O’Flynn, der die vier traurigen Helden anging.

„Macht ihr heute in Trauer oder was?“ fragte er.

Jan Ranse seufzte abgrundtief und erwiderte! „Es ist alles so furchtbar lustig, verstehst du?“

„Und so spannend“, sagte sein Freund Piet Straaten. „So richtig furchtbar aufregend.“

„Und alles überschlägt sich vor lauter Eile und Hetze“, fügte Blacky gähnend hinzu.

„Genau“, murmelte Smoky. „Man stürzt dauernd von einer Aufregung in die nächste. Ich glaube, ich krieg demnächst ’n Herzkasper.“

„Herzkasper?“ fragte Dan O’Flynn. „Was ist das denn?“

„Wenn das Herz kaspert“, erwiderte Smoky. „So hat uns das Mac erklärt. Bei Aufregungen hüpft das Herz, und wenn es zu schnell hüpft, dann kann’s ’n Exitus geben – pengg, isses aus.“

Blacky nickte und bestätigte: „Dann isses aus.“

„Ja“, sagte Piet Straaten.

„Exakt“, sagte Jan Ranse.

Sie starrten alle vier trübe zu den Kamelen, nickten sich ebenso trübe zu und begannen zu fummeln. Anders konnte man ihre Tätigkeit nicht nennen, als sie die Heckankerleine zum Auslaufen klarlegten und den Heckanker am Stock über das achtere Schanzkleid an Steuerbord hievten und sich dort an ihm festhielten, bis der Befehl „Fallen Anker!“ erfolgen würde.

„Daß ihr keinen Herzkasper kriegt“, sagte Dan O’Flynn, „steht jetzt schon fest. Eher nippelt ihr an Herzverfettung ab.“

Stenmark, der am Ruder stand – er hatte nichts weiter zu tun, als die „Santa Barbara“ mit etwas Backbordruder vom Ufer abzuhalten –, grinste vor sich hin. Auch er zählte zu den paar Arwenacks, die alles gelassen hinnahmen. Allerdings konnte man als Rudergänger bei dieser Nudelei stromauf im Stehen einschlafen. Und dann noch bei dieser Hitze.

Ben Brighton hatte seinen Befehl „Klar bei Heckanker!“ viel zu früh gegeben. Erst nach einer halben Stunde schlich die „Santa Barbara“ in die Flußausbuchtung, und dann dauerte es noch einmal zehn Minuten, bis Hamid Said mit einem Leiergesang die Kamele zum Stehen brachte.

„Fallen Anker!“ rief Ben Brighton.

Die vier trüben Mannen hoben den Heckanker an – er war leichter als der Buganker –, schwangen ihn etwas und ließen ihn nach unten sausen. Mit der Miene von Leichenträgern legten sie die Ankerleine um den Heckpoller und begutachteten sie, wie sie „im Schneckengang“ auslief. Smoky starrte schwermütig übers Steuerbordschanzkleid und beobachtete, wie die Leine ganz allmählich steifkam.

„Belege!“ sagte er nach einer Weile.

Das besorgten die Zwillinge mit ein paar Törns und zuletzt einem Kopfschlag, den sie auf Slip setzten, so daß die Leine eine Stunde später problemlos wieder losgeworfen werden konnte. Auch das Ankeraufgehen stellte kein Problem dar. Allerdings mußte die „Santa Barbara“ dann übers Heck mit dem Spill achteraus verholt werden, bis die Ankerleine auf und nieder stand und der Anker aus dem sandigen Grund brach.

Das war also auch mit Arbeit verbunden – und nur wegen der Kameltreiber, die unbedingt fünfmal am Tag mit Allah in Kontakt treten mußten. Oder faulenzen wollten, je nachdem, wie man das betrachtete.

„Anker hat gefaßt“, meldete Smoky.

Die zwanzig Kerle und ihr „Treideladmiral“ zurrten unter Palaver ihre Gebetsteppiche von den Kamelrücken und begaben sich gemessenen Schrittes ans Ufer, wo sie ihre Teppiche ausbreiteten. Dann schürzten sie ihre Gewänder, steckten den Überhang in den Gürtel und stiegen ins Wasser.

„Damit der Käse zwischen ihren Zehen aufweicht!“ hatte Carberry vor ein paar Tagen gelästert, als sie die Reinigungsprozedur erstmals beobachteten.

Doch was tat der Profos heute auf der Back? Unter viel Getöse warf er eine Pütz mit Fangleine an Steuerbord übers Schanzkleid, hievte Wasser hoch und goß es sich über den Kopf. Das tat er mehrere Male.

Die Kameltreiber glotzten zu ihm hoch. Auch die Arwenacks starrten zu ihrem Profos, der eine Badeorgie veranstaltete. Aber vielleicht hatte er auch einen Sonnenstich.

„Uuuh!“ und „Uaah!“ tönte der Profos, wenn er die Pütz kippte und das Wasser über seinen Kopf schoß.

Die Kameltreiber wirkten etwas verstört, als sie ihre Hände ins Wasser tauchten und dann ihre Gesichter näßten. Sie gingen sehr sparsam mit dem Wasser um, obwohl genug da war. Carberry hingegen schöpfte da echt aus den Vollen und verpraßte Wasser in Massen.

Mit verkniffenen Mienen schritten die Kameltreiber zu ihren Teppichen und ließen sich auf die Knie nieder, die Gesichter nach Süden gewandt.

Ihr „Allahu Akbar“ begann.

Carberry übertönte es mühelos.

Er hatte eine Matte auf die Planken der Back geknallt, kniete dort ebenfalls mit Front nach Süden, bewegte den Oberkörper auf und nieder und röhrte: „Santa Barbara – Santa Barbara – blablabla – Barbara Santa – Barbara Santa – lalalala – o Tante Santa – Santatanta – Salem Aleikum – rühr in der Suppe rum – nimm auch Basilikum – dideldum-dideldum – hoppdideldei – eins-zwei-drei …“

Spätestens jetzt zerbarst die „Santa Barbara“ vom Gelächter der Mannen, und auch Hasard sah ein, daß es keinen Zweck hatte, seinen Profos zur Ordnung zu rufen. Der war viel zu sehr in Rage, dem war der Kragen geplatzt – und er erreichte auch was.

Denn er verhagelte den Kameltreibern das Gebet. Zwar gehörte sich das nicht, denn man hatte das Sichversenken in Andacht eines Gläubigen nicht zu stören, aber mittlerweile wußte jeder Arwenack, daß diese Kerle nur heuchelten, beziehungsweise sich einen Jux daraus machten, den Schleppzug zu unterbrechen und die erzwungenen Pausen in die Länge zu ziehen.

Also, die Gebetsstunde war gestört. Sobald die Kerle losleiern wollten, dröhnte Carberrys Organ so laut, daß sogar die Kamele unruhig wurden und tückisch zu schielen begannen. Sonst schliefen sie bei dem Leiergang immer ein und hielten ein Nickerchen.

Hamid Saih hüpfte von seinem Teppich hoch, schüttelte die Fäuste und schrie etwas zu Carberry hoch.

„Er soll damit aufhören“, übersetzte Philip junior feixend den Mannen auf dem Achterdeck.

Carberry war auch aufgestanden und ans Schanzkleid getreten. Er hielt die rechte Hand schaufelartig hinters rechte Ohr und schrie: „Was sagst du? Kann dich nicht verstehen, du Sohn einer verlausten Kamelzecke!“

Hasard junior enterte auf die Back.

„Du störst ihre Gebete, Mister Carberry, Sir. Er will, daß du schweigst“, sagte er.

„Dann sag ihm, daß ich auch das Recht habe, zu beten, und ich will, daß die Kerle mit ihrem Gelaber aufhören, weil mich das stört“, erklärte der Profos grinsend.

Hasard junior übersetzte.

Hamid Saids Raubvogelgesicht erlitt Zuckungen, und dann schien er Bannflüche zu schleudern.

Hasard junior erläuterte: „Er sagt, Allahs Blitz werde dich treffen und von Kopf bis Fuß versengen, daß nur noch Asche bleibe. Und die Asche werde der Wind in die Wüste blasen. Auch deine Söhne und Enkel seien verflucht und wiederum deren Söhne und Enkel, denn Allah sei groß und Mohammed sein Prophet.“

Carberry schnaufte verächtlich. „Sag ihm, ich sei ein Löwe, den das Gekläffe eines Köters nicht kümmere – so wenig wie den Adler das Gekrächze der Krähen oder den Fels das Gesumme einer Mücke. Er sei ein Schwätzer, dem Allah leider ein zu großes Maul geschenkt habe, aber das sei leicht zu stopfen, und das werde auch Allahs Blitz nicht aufhalten.“

Hamid Saih vernahm Carberrys Antwort, starrte finster vor sich hin und schien nachzudenken. Dann entschied er auf die sowieso gestörte Betstunde zu verzichten und weiterzutreideln. Jedenfalls rollten die Kerle ihre Teppiche zusammen und kehrten zu den Kamelen zurück.

Hamid Saih schrie etwas zum Achterdeck.

„Wir sollen den Anker hieven“, sagte Philip junior.

„Nichts lieber als das“, sagte Vater Hasard lächelnd.