Seewölfe - Piraten der Weltmeere 573 - Davis J. Harbord - E-Book

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 573 E-Book

Davis J. Harbord

0,0

Beschreibung

Die Jolle war knapp vor der Grottentreppe, zu der Mac Pellew die ertrinkende Frau durchs Wasser geschleppt hatte, da wimmelte es plötzlich von Kerlen, die wie aus dem Nichts zwischen den Felsen aufgetaucht waren. Und alle hielten sie Pistolen oder Musketen in den Fäusten. Was das für Kerle waren, brauchte niemand den vier Arwenacks zu sagen. Das waren Galgenvögel der übelsten Sorte. Die Weiber bei ihnen waren genauso schlimm, vor allem jene, die ihnen das Ertrinken vorgespielt hatte. Dieses Weib verpaßte dem guten Mac einen bösen Knietritt, so daß er die Treppe hochflog und unsanft landete. Und schon hielt ihm ein dunkelhaariger Mann mit einem eiskalten Gesichtsausdruck ein Messer an die Kehle. "Scheiße!" sagte der Kutscher erbittert. "Scheiße, verfluchte..."

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 127

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum© 1976/2019 Pabel-Moewig Verlag KG,Pabel ebook, Rastatt.eISBN: 978-3-95439-980-2Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

Davis J. Harbord

Die Sträflingevon San Nicole

Sie können flüchten – und entfesseln die Hölle …

Das Frettchen hatte immer mehr zu essen als die anderen. Es stammte aus Neapel und hieß Luigi Bacci, aber Namen oder Titel spielten bei diesen Verdammten keine Rolle mehr. Vorbei, vergessen. Sie hatten lebenslänglich und trugen Nummern. Mitgefangene hatten Luigi Bacci so getauft – er hatte ein Frettchengesicht.

Erst an diesem Abend bei der Essenausgabe bemerkte der scharf beobachtende Ragusaner, warum das Frettchen mehr zu essen hatte: es klaute, und das mit einer verblüffenden und kaum wahrnehmbaren Fixigkeit. Na warte, du Bastard! dachte der Ragusaner.

Zwei Stunden später, wieder im Kerker und angekettet, schwang sich der Ragusaner herum, erreichte das Frettchen mit den Unterschenkeln und schlang sie ihm um die Kehle. Sie lagen nebeneinander – unerreichbar nach den Plänen des Baumeisters, der das Gefängniskastell errichtet hatte. Trotzdem hatte der Ragusaner eine Möglichkeit gefunden, seinen linken Nachbarn zu erwischen.

Das Frettchen gurgelte.

„Wenn du schreist, drücke ich dir die Luft ab“, sagte der Ragusaner leise, aber seine Stimme hatte einen tödlichen Klang …

Die Hauptpersonen des Romans:

Der Ragusaner – ein Brigant aus Dalmatien, dem etwas Unwahrscheinliches gelingt, was ihn dazu verführt, sich selbst zu überschätzen.

Das Frettchen – so genannt, weil er dem Nager ähnelt. Mit seinen Fingern ist er äußerst schnell.

Mac Pellew – rettet ein Weib aus dem Wasser, erntet dafür aber keinen Dank.

Edwin Carberry – nach seiner Meinung stinkt es auf der Schebecke nach „tunesischen Lümmeln“, wogegen etwas getan werden müsse.

Philip Hasard Killigrew – seine Söhne sind in Gefahr, und da kennt er kein Erbarmen.

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

1.

Die Kerle in dem Kerkerraum hoben die Köpfe und stützten sich im Liegen auf, wobei leise ihre Ketten klirrten. Sie schauten verblüfft zu dem Ragusaner und dem Frettchen hinüber.

„Ich weiß jetzt, warum die Letzten von euch auf ihren Brotkanten verzichten müssen“, sagte der Ragusaner mit verhaltener Stimme. „Das Frettchen klaut sie nämlich. Stimmt’s, Frettchen?“ Und der Ragusaner verstärkte den Druck seiner Unterschenkel. Er brauchte nur die Knie zusammenzupressen. Seine Füße hatte er hinter dem Hals des Frettchens verhakt.

Das Frettchen nickte mühsam, und es röchelte dabei.

„Das Frettchen hat sich auf unsere Kosten gemästet“, sagte der Ragusaner kalt. „Was haltet ihr davon?“

An die zwanzig bärtige und zerlumpte Kerle befanden sich in diesem Kerkerraum des Gefängniskastells, das auf San Nicola errichtet war, einer der drei Trémiti-Inseln vor der Küste von Apulien nördlich der Halbinsel Gargano, die man auch den „Sporn“ des italienischen Stiefels nannte.

Was die Kerle davon hielten, daß sich einer von ihnen auf ihre Kosten eine Wampe anfraß?

Gar nichts, überhaupt nichts. Die Frage war überflüssig, genauso überflüssig wie das Frettchen selbst. Sie waren einstimmig für seinen Tod, und sie hätten auch viel dafür gegeben, es ihm selbst besorgen zu können, natürlich mit unterschiedlichen Variationen, von denen gewerbsmäßige Folterknechte noch etwas hätten lernen können.

Sie waren alle ja nicht wegen einer Lappalie lebenslänglich auf die Insel verbannt worden. O nein! Sie waren allesamt Galgenvögel und konnten noch von Glück sprechen, daß ihnen der Strick erspart geblieben war.

Wären sie nicht angekettet gewesen, hätten sie das Frettchen jetzt mehrere Tode sterben lassen, einen schlimmer als den anderen, schlimmer und qualvoller. Zwar wären sie davon nicht satt geworden, aber es hätte sie befriedigt, dieser Ratte, das ein Frettchen war, ein allmähliches Ende bereiten zu können.

So schlug denn auch einer vor – ein Kerl mit einer Messernarbe quer übers Gesicht –, der Ragusaner möge dem Frettchen nicht zu schnell die Luft abquetschen, sondern sich Zeit lassen, damit diese Kanaille und sie alle als Zuschauer auch etwas davon hätten.

Dieser Vorschlag fand allgemeine Zustimmung, und sie setzten sich auf, um besser zusehen zu können. Ihre Augen glitzerten in Erwartung der Hinrichtung. Der Begriff Mitleid existierte in ihrem Wortschatz nicht. Wenn sie ihn einmal gekannt hatten, dann war er ihnen spätestens nach ihrer ersten Untat entfallen, als sie den Weg der Gewalt beschritten hatten.

Ihre weitere Verrohung hatte sich während der Verbannung auf San Nicola zur giftigen Blüte entfaltet. Sie waren nicht geläutert, sondern noch schlimmer geworden.

„Hast du gehört, Frettchen?“ sagte der Ragusaner. „Sie wollen, daß ich dir die Luft abquetsche. Sie haben deinen Tod beschlossen, weil du ihnen Brotkanten weggefressen hast. Jetzt steht dir noch ein letzter Wunsch zu, den wir aber nicht erfüllen können, weil wir alle angekettet sind. Aber du darfst noch einmal etwas sagen, denn nachher hast du keine Luft mehr. Das ist wie bei einem, der ertrinkt. Der kann unter Wasser auch nicht mehr sprechen. Nur blubbern kann er noch. Also, was hast du uns noch mitzuteilen?“

„Gnade“, winselte das Frettchen. „Ich will nie wieder Brotkanten stehlen.“

„Vielleicht doch“, sagte der Ragusaner.

„Wie – wie meinst du das?“

„Du könntest zum Beispiel für uns Brotkanten klauen“, sagte der Ragusaner und verstärkte plötzlich den Druck seiner klammernden Unterschenkel.

Das Frettchen bäumte sich auf und preßte ein undeutliches „Ja-a“ heraus.

Der Ragusaner lockerte seine mörderische Klammer.

„Habt ihr gehört?“ fragte er. „Das Frettchen will für euch Brotkanten klauen. Oder habt ihr keinen Hunger?“ Der Blick seiner jettfarbenen harten Augen wanderte über ihre Gesichter.

Sie starrten ihn an, einige dümmlich, andere immer noch mit mordgierigen Augen oder verkniffen oder lauernd.

„Was hast du vor, Ragusa?“ fragte der Kerl mit der Messernarbe im Gesicht. Seine Augen waren zusammengekniffen. Sie nannten ihn Coltello, was soviel wie Messer hieß.

„Oh, mir ging so einiges durch den Kopf“, sagte der Ragusaner fast gleichgültig. „Zum Beispiel dachte ich daran, daß das Frettchen nicht wie wir im Steinbruch arbeitet, sondern in der Schmiede. Daß er flinke Finger hat, an denen immer etwas kleben bleibt, hat er mit seinem Brotklauen bewiesen …“

„Was soll das Gequatsche?“ unterbrach ihn ein vierschrötiger Kerl, der an der gegenüberliegenden Wand angekettet war. Er hatte eine zweifingerbreite Stirn, dafür aber ein Kinn wie ein Hackklotz. „Ich will jetzt sehen und hören, wie das Frettchen auf dem letzten Loch pfeift. Klar?“

Der Ragusaner warf ihm einen trägen Blick zu. „Bestimmst du hier? Oder wer? Du bist doch so dämlich, daß du erst übermorgen kapierst, wenn dir morgen ein Stein auf den Kopf fällt.“

„Wie?“ fragte der Vierschrötige verdattert.

Er stammte aus Bari, und so wurde er auch genannt – ähnlich wie der Ragusaner, von dem sie lediglich wußten, daß er vor seiner Verbannung quer über die Adria geräubert und bei Ragusa einen Schlupfwinkel gehabt hatte.

Unbestritten übte der Ragusaner oder Ragusa, wie sie ihn nannten, eine Art Autorität über diese Strolche aller Schattierungen aus. Er war hager, hart im Nehmen und unheimlich zäh. Außerdem hatte er Grips im Kopf, und zwar mehr als seine Kerkergenossen.

Jetzt sagte er: „Schon gut, Bari. Überlaß mir das Denken und halt’s Maul.“

Der Vierschrötige zog den Kopf ein und sagte nichts mehr. Aber er starrte mit tückischen Augen zu dem Frettchen.

Coltello sagte: „Schieß los, Ragusa. Du hast was auf der Pfanne.“

Der Ragusaner nickte. „Stimmt. Ich habe vor, mit euch hier auszubrechen.“

Sie starrten ihn an, als habe er ihnen eben verkündet, daß ihnen in den nächsten fünf Minuten gebratene Hähnchen ins Maul fliegen würden, die Mäuler hatten sie nämlich schon offen. Das war eine Studie wert. Bei einigen fehlten bereits die Zähne, oder sie hatten nur noch Stummel. Das waren jene, die am längsten hier einsaßen und bisher überlebt hatten. Der Ragusaner befand sich erst seit etwa einem Jahr auf San Nicola.

Die Arbeit in den Steinbrüchen der Insel war mörderisch – die Aufseher nicht minder, und das hinauf bis zum „comandante della piazza forte“, dem Festungskommandanten. Sie unterlagen keiner Kontrolle, das heißt, sie konnten mit den lebenslänglich Verbannten nach Lust und Laune verfahren. Kein Hahn krähte danach, ob einer krepierte, gefoltert oder auf üble Weise massakriert wurde.

Wenn der Comandante Nachschub für die Steinbrüche brauchte, dann holte er sich den aus den Gefängnissen der Küstenstädte oder aus Foggia und San Severo. Kein Problem, da war immer was „auf Lager“, wenn nicht, dann wurde eben ein zum Tode Verurteilter „lebenslänglich“ begnadigt, was aufs gleiche hinauslief, nur mit gezielter Verzögerung.

Der Ragusaner gehörte zu den „lebenslänglich“ Begnadigten, und da war er dem Comandante außerordentlich dankbar, der ihn buchstäblich unterm Galgen weggezogen hatte. Die Henkerschlinge hatte schon über seinem Kopf gebaumelt. Na ja, diese Dankbarkeit war fünf Minuten später verflogen, als ihn die Schergen des Comandante zu der Schaluppe peitschten und er einen Vorgeschmack davon erhielt, was ihm auf San Nicola blühte.

Lebenslängliche und Gefängnispersonal waren einander in Haß zugetan, und man hätte schlicht fragen können, wer von beiden schlimmer war – die Gepeinigten oder die Peiniger. Drüben an der Küste sprach man hinter der vorgehaltenen Hand von „der Hölle auf San Nicola“. Auf der Insel selbst gab es außer den Lebenslänglichen und ihren Bewohnern nur ein paar Huren, aber diese lediglich für die letzteren. Und da war noch ein fettes Schwein von Kneipenwirt für die einzige Kneipe auf der Insel, die auch gleichzeitig Heim und Wirkungsstätte der Huren war, also eine Lasterhöhle.

Diese Huren spazierten ab und an bei den Steinbrüchen vorbei, wo Kalksandstein gewonnen und behauen wurde. Das war auch so eine perfide Idee des Comandante gewesen, weil es den Bewachern Gelegenheit bot, auf jene loszudreschen, die einen Blick riskierten. Und wer tat das nicht!

Im Grunde waren auf dieser Insel des Teufels nur Bestien versammelt. Das Gefängniskastell, das einer Festung glich, beherbergte an die einhundertzwanzig lebenslänglich Verbannte. Sie wiederum wurden von etwa sechzig Bewachern terrorisiert. Es hatte noch keinen Aufstand gegeben, und darauf war der Comandante sehr stolz. Und noch nie war einem der Verdammten die Flucht gelungen – es sei denn die Flucht ins Jenseits in Form des Selbstmordes.

Darum also starrten die Kerle in diesem Kerkerraum den Ragusaner mit offenen Mäulern an, zumal er das so dahergesagt hatte, als handele es sich um einen kleinen Ausflug oder einen Spaziergang, den er möglicherweise schon am nächsten Tag beabsichtigte.

Coltello war der erste, der die Sprache wiederfand. In seiner Stimme zitterte verhaltene Wut.

„Bist du verrückt?“ zischte er. „Weißt du, was du da redest? Ich bin seit sechs Jahren hier – und weiß es von denen, die noch länger hier waren, aber längst krepiert sind: Von dieser verdammten Insel ist noch niemand geflohen. Niemand!“

„Einmal ist immer das erste Mal“, sagte der Ragusaner kühl. „Das ist eine Binsenwahrheit. Euer Pech ist, daß ihr nicht denken könnt.“

„Ich denke Tag und Nacht daran, welche Möglichkeiten es gibt, von hier zu fliehen!“ fauchte Coltello.

„Aber eingefallen ist dir nichts“, sagte der Ragusaner spöttisch. „Keiner von euch hat das Frettchen beobachtet, das merkwürdigerweise besser im Futter als ihr alle ist. Sonst hättet ihr längst gemerkt, daß dieser Bastard klaut.“

Und der Ragusaner setzte wieder seine Beinzange an, um dem Frettchen zu demonstrieren, daß Gevatter Tod immer noch mit der Sense bereitstand. Der Ragusaner bestand aus Muskeln und Knochen, es waren eiserne Muskeln. Und er setzte sie brutal ein.

Das Frettchen lief blau an, und wieder begann das entsetzliche Gurgeln.

Als ihm die Augen aus den Höhlen quollen, lockerte der Ragusaner die Beinzange, und das Frettchen saugte pfeifend Atemluft ein.

Der Ragusaner sagte: „Von jetzt an wirst du für uns klauen, Frettchen. Aber dein mieses Leben hängt an einem seidenen Faden. Ich kann dich dem Comandante melden oder dich nachts im Schlaf überraschen und dir die Luft abdrehen. Ist das klar?“

Das Frettchen, kalten Angstschweiß auf der Stirn, nickte keuchend.

„Morgen abend“, sagte der Ragusaner, „wirst du mir aus der Schmiede etwas mitbringen, und zwar eine dreikantige Eisenfeile und einen Sperrhaken, dessen Bart in das Schlüsselloch unserer Vorhängeschlösser paßt. Du weißt doch, was ein Sperrhaken ist, oder?“

„Ja. Hab ja lange genug in der Schmiede gearbeitet.“ Das klang schon wieder pampig, und darum setzte der Ragusaner erneut die Beinzange an.

Und er sagte: „Hör genau zu, du lausige Ratte: Wenn du frech werden willst, sind deine Stunden und Minuten gezählt. Du bist unwichtig für uns, für den Comandante auch – der schaut nur grinsend zu, wenn sie deine Leiche an die Haie verfüttern. Und an deiner Stelle wird mir Zappi Feile und Sperrhaken besorgen, nicht wahr, Zappi?“

Zappi, ein Schurke, Messerstecher und Weiberheld aus Neapel, arbeitete ebenfalls in der Schmiede. Er grinste hart und erwiderte: „Klar doch, Ragusa. Dauert nur etwas länger, weil ich auf Beutelschneiderei nicht gelernt habe. Aber das kriege ich hin.“

„Ich – ich erledige das“, quetschte das Frettchen heraus. Es pfiff wieder auf dem letzten Loch, was Bari, den Vierschrötigen mit der niedrigen Stirn, in Entzücken versetzte. Er hatte noch gar nicht begriffen, auf was der Ragusaner zusteuerte. Tatsächlich hatte er das Gehirn einer Mücke. Im übrigen war er gewalttätig, aber das waren alle mehr oder weniger.

„Das wollte ich dir auch geraten haben“, sagte jetzt der Ragusaner zu dem Frettchen. „Außerdem erklärte ich, daß ich mit euch hier ausbrechen wollte. Mit euch heißt, auch mit dir. Wenn du also Feile und Sperrhaken aus der Schmiede klaust, tust du es für dich und uns. Klar?“

„Ja“, sagte das Frettchen und schielte auf das rechte Bein Ragusas, das über seinem Hals lag. „Und was ist, wenn ich dabei geschnappt werde?“

Der Ragusaner rümpfte die Nase. „Dann sind wir dich los, und Zappi besorgt mir die beiden Werkzeuge. Ganz einfach. Es liegt an dir, ob du dich schnappen läßt. Beim Brotklauen bist du ja auch nicht erwischt worden. Und vor den Augen der Aufseher Brotkanten verschwinden zu lassen, dürfte um einiges schwieriger sein, als aus der Schmiede Feile und Sperrhaken zu entwenden.“

„Stimmt“, bestätigte Zappi. „Mir ist auch noch nicht aufgefallen, daß sie nach Arbeitsschluß die Werkzeuge zählen. Mir ging selbst mal durch den Kopf, ’ne Feile zu klauen. Hab’ aber die Idee fallenlassen. Was hätte ich mit dem Ding angefangen?“

„Du hast deine Idee nicht zu Ende gedacht, Zappi“, erwiderte der Ragusaner. „Mit der Feile richte ich den Sperrhaken zu einem Schlüssel her, der in unsere Schlösser paßt. Ihr wißt selbst, daß der Hundesohn von Beschließer jeweils einen Schlüssel für alle Schlösser eines Kerkers hat. Das heißt, alle Schlösser in unserem Kerker sind gleich. Im Kerker nebenan nimmt er dann den nächsten Schlüssel von seiner Kette und so weiter. Wenn ich unseren Schlüssel zurecht und passend gefeilt habe, kann ich eure Schlösser aufschließen – nachts. Und dann werden wir abwechselnd beigehen und an dem Lukengitter dort oben in der Mauer feilen, bis wir es herausbrechen können. Drei Eisenstümpfe unten bleiben stehen, damit wir dort ein Seil anschlagen können – das Seil muß auch besorgt werden, aber das hat noch Zeit. An dem Seil hangeln wir uns in der Ausbruchsnacht nach unten, schleichen zum Hafen und brechen dort das Waffendepot auf. Der Posten wird beseitigt. Wir versorgen uns mit Waffen und verschwinden mit einem Einmaster, nachdem wir die anderen Kähne angebohrt haben. Damit schließen wir eine Verfolgung aus. Das ist, grob skizziert, mein Plan. Wer Schiß in der Hose hat und nicht mitmachen will, soll es gleich sagen.“

Nach dieser Erklärung des Ragusaners herrschte in dem Kerker andachtsvolle Stille, wie sie bei einem Kirchenbesuch angemessen gewesen wäre. Die Kerle starrten den Ragusaner auch an, als habe er ihnen gerade das ewige Leben versprochen.