Sehnsucht in D-Moll - Sandra Gernt - E-Book

Sehnsucht in D-Moll E-Book

Sandra Gernt

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Beschreibung

Gay Romance/Romantikthriller Jordan ist arbeitslos, nachdem er jahrelang seine Eltern gepflegt hat. Nun sind beide tot und er muss sein Leben komplett neu aufstellen. Dafür benötigt er dringend Geld. Eine Anstellung als Haushälter und Koch ist nicht das, was er sucht, allerdings wird ihm für lediglich einen Monat Arbeit unter erschwerten Bedingungen eine absurd hohe Summe geboten – ein Angebot, das er nicht ausschlagen kann, obwohl sämtliche Alarmglocken schrillen. Cal ist reich, berühmt, doch alles andere als sorglos. Nachdem er Zeuge eines Verbrechens wurde, muss er erst einmal untertauchen. Er lernt die Einsamkeit und den bitterkalten Winter im Hinterland von Maine kennen – und Jordan. Eigentlich bloß ein Angestellter, kriecht er ihm nach anfänglichen Schwierigkeiten rasch unter die Haut und sie kommen einander näher … Doch sie leben in verschiedenen Welten und welche Zukunft sollte sich ihnen bieten, zumal die Gegenwart so voller Gefahr und Anspannung ist? Ca. 54.000 Wörter Im normalen Taschenbuchformat hätte diese Geschichte circa 268 Seiten.

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Gay Romance/Romantikthriller

 

Jordan ist arbeitslos, nachdem er jahrelang seine Eltern gepflegt hat. Nun sind beide tot und er muss sein Leben komplett neu aufstellen. Dafür benötigt er dringend Geld. Eine Anstellung als Haushälter und Koch ist nicht das, was er sucht, allerdings wird ihm für lediglich einen Monat Arbeit unter erschwerten Bedingungen eine absurd hohe Summe geboten – ein Angebot, das er nicht ausschlagen kann, obwohl sämtliche Alarmglocken schrillen.

Cal ist reich, berühmt, doch alles andere als sorglos. Nachdem er Zeuge eines Verbrechens wurde, muss er erst einmal untertauchen. Er lernt die Einsamkeit und den bitterkalten Winter im Hinterland von Maine kennen – und Jordan. Eigentlich bloß ein Angestellter, kriecht er ihm nach anfänglichen Schwierigkeiten rasch unter die Haut und sie kommen einander näher … Doch sie leben in verschiedenen Welten und welche Zukunft sollte sich ihnen bieten, zumal die Gegenwart so voller Gefahr und Anspannung ist?

 

Ca. 54.000 Wörter

Im normalen Taschenbuchformat hätte diese Geschichte circa 268 Seiten.

 

 

von

 

Sandra Gernt

 

 

Inhalt

 

Kapitel 1: Vorstellungsgespräche

Kapitel 2: Anfänger- und sonstige Schwierigkeiten

Kapitel 3: Anspannungsmomente

Kapitel 4: Dramatische Problemlösungsansätze

Kapitel 5: Erotische und andere Eskalationsstufen

Kapitel 6: Vollkontakt

Kapitel 7: Wunschkonzerte

Kapitel 8: Zweite Eskalationsstufe

Kapitel 9: Fragen und Antworten

Kapitel 10: Nächtliche Geschichten

Kapitel 11: The show goes on

Kapitel 12: Game over

Kapitel 13: Noch mehr Fragen

Kapitel 14: Entscheidungen

Epilog: Einige Jahre später …

 

Ein Jahr …

 

 

Vorstellungsgespräche

 

etzen Sie sich bitte, Mr. Ähm … Ah, Mr. Jordan.“

„Jordan ist mein Vorname, Sir. Mein Familienname lautet Holden.“

„Oh. Entschuldigen Sie bitte, Mr. Holden, dann hat es wohl einen Fehler im System gegeben.“

Das Lächeln war unecht. Jordan überlegte, ob er nicht einfach aufstehen und gehen sollte. Er würde diesen Job sowieso nicht bekommen, es war eine dämliche Idee gewesen, sich auf diese Annonce zu melden. Heute Morgen hatte er sich tatsächlich Chancen ausgerechnet, aber natürlich war das vollkommener Unsinn. In der Warteschlange des Instituts, das die Ausschreibung vorgenommen hatte, waren ausschließlich Frauen gewesen. Über vierzig Frauen, die vor ihm das Vorstellungsgespräch führen konnten. Viele von ihnen waren deutlich älter als er, sicherlich mit Jahrzehnten Berufserfahrung und tollen Arbeitszeugnissen bewaffnet.

Er hingegen hatte nichts zu bieten außer Verzweiflung.

„Also, Mr. Holden. Sie sind … Moment, dieses Tablet ist eine Zumutung, sorry … Okay, Sie sind also sechsundzwanzig, haben eine Ausbildung zum Krankenpfleger abgebrochen und sind zurzeit arbeitslos. Warum genau bewerben Sie sich als Haushälter?“ Der Typ, ein blasser Anzugträger mit glatt gekämmtem Haar, glatt rasierten Wangen und glatt poliertem Fake-Lächeln betrachtete ihn mit einem „Warum stiehlst du meine Zeit, du Loser?“-Blick. Der Drang, aufzuspringen und zu fliehen verstärkte sich. Es wäre noch nicht mal schlimm, immerhin war dies das erste Vorstellungsgespräch, das Jordan führte. Kein Grund zu glauben, dass man schon beim ersten Versuch Erfolg haben würde. Vor allem bei seinem Lebenslauf nicht.

„Ich musste vor fünf Jahren meine Ausbildung abbrechen“, sagte er leise und zwang sich, still dazusitzen. Nicht herumwippen. Nicht an den Nägeln kauen. Nicht darüber nachdenken, wie schlecht der Anzug saß, den er sich von seinem Nachbarn Ash geliehen hatte. Leider war Ash mehr als einen Fuß größer als er, dazu deutlich breiter in den Schultern. „Mein Vater hatte damals einen schweren Schlaganfall. Weil wir seine Krankenhausrechnungen selbst bezahlen mussten, konnte ich nicht mehr auf die Pflegeschule gehen.“ Die Ausbildung, die man selbst finanzieren musste, war irrsinnig teuer. Es gab Schulen, die diese Kosten übernahmen, wenn man sich dafür verpflichtete, nach dem Abschluss für mehrere Jahre dort zu bleiben. Leider hatte er keinen dieser Plätze ergattern können.

„Ich hatte vorher schon meine Mutter versorgen müssen, die sich nie von der Chemo wegen ihres Brustkrebses erholt hatte. In den letzten Jahren habe ich beide gepflegt. Sie ist vergangenen Winter gestorben, mein Vater vor zwei Wochen.“ Und jetzt musste er dringend Geld verdienen, denn ohne die Rentenschecks seines Vaters gab es keine Möglichkeit, die ganzen Rechnungen zu bezahlen und dabei sein eigenes Leben zu finanzieren. Jordan hatte kein Auto, lebte aktuell ohne Strom und Heizung, obwohl der Winter in Maine wie üblich früh hereingebrochen war. Das Haus seiner Eltern war glücklicherweise abbezahlt, sonst würde er bereits unter der Brücke sitzen und über Selbstmordmethoden nachgrübeln.

„Ich verstehe“, sagte der Typ, dessen Namen Jordan nicht verstanden hatte und ihn auch nicht interessierte. Er war der Kerl, der ihn gleich aus diesem Gebäude rausschmeißen würde, was sollte er sich weiter mit ihm beschäftigen? „Also nach der High School – das Abschlusszeugnis ist ja recht ordentlich – und rund zwei Jahre an der Pflegeschule haben Sie ausschließlich Ihre Eltern gepflegt. Und jetzt wollen Sie vermutlich Geld verdienen, um Ihre Ausbildung beenden zu können, ja?“

„So ist es. Ich beherrsche alles das, was in Ihrer Anzeige gefordert ist, also Kochen, Einkaufen, Haushalt und Gartenpflege, Organisieren …“ Er brach ab, weil der Typ die Anzeige wohl auswendig kennen dürfte.

„Haben Sie noch Verwandte?“, fragte der Typ überraschend und tippte auf dem Tablet herum.

„Eine ältere Schwester. Sie ist ausgezogen, als sie achtzehn wurde, und nach Kalifornien gegangen. Zur Schauspielerin hat es nicht gereicht, dafür hat sie geheiratet und ein paar Kinder in die Welt gesetzt. Ich weiß die Anzahl meiner Nichten und Neffen nicht, sorry. Wir haben keinen Kontakt.“

„Ihre Schwester hat sich nicht mit um die Eltern gesorgt? Nein?“

„Nein.“ Adrienne hatte ihm gelegentlich Textnachrichten geschickt und gefragt, ob Mom und Dad noch lebten. Bis sie anscheinend sicher gewesen war, dass es nichts zu erben gab, vom Haus abgesehen. Da Dad das Haus nach einem sehr hässlichen Streit mit ihr auf Jordan überschrieben hatte und es kein Pflichtteilsrecht gab, wie es in anderen Ländern üblich war, hatte sie offenkundig jedes Interesse verloren. Es gab Menschen, die wurden gelbgrün vor Neid geboren, wie Mom es ausgedrückt hatte, enttäuscht, dass die eigene Tochter nicht einmal anrufen konnte, um sich nach der sterbenden Mutter zu erkundigen. Adrienne hatte praktisch von Geburt an nie etwas anderes als ihren eigenen Vorteil gekannt und verteidigt. Es schmerzte, an sie zu denken.

„Sonst gibt es keine Verwandten? Familie? Zeit für eine kleine Freundin hatten Sie natürlich auch keine, hm?“

„Nein“, entgegnete Jordan. Er hasste den Ausdruck kleine Freundin. Als wären Frauen grundsätzlich niedliche Mädchen, die nur spielen wollten, statt echte Menschen zu sein.

„Spannend … Ja. Moment.“ Der Typ hämmerte auf dem Display des armen Tablets ein, als wollte er es mit der Fingerkuppe zerstören. Dann blickte er mit einem seltsam verwirrten Lächeln auf.

„Sie sind eine Runde weiter, Mr. Holden. Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, wie unrhythmisch Ihr Name ist? Jordan Holden lässt sich nicht gut und flüssig aussprechen. Durch diese Tür dort gehen. Danke.“

Dieser Typ war definitiv merkwürdig. Wer hatte den bloß angestellt? Dies war ein renommiertes Institut, das Nannys, Haushaltshilfen, Köche, ähnliches Hilfspersonal sowie Pflegekräfte vermittelte, sowohl an Privathaushalte als auch an Firmen und Kliniken, Altenheime und viele andere Einrichtungen mit entsprechendem Bedarf. Auch deswegen hatte Jordan sich heute Morgen kurz entschlossen auf den Weg gemacht, in der Hoffnung, dass man ihn zumindest in die Kartei aufnehmen würde. Es gab immer Leute, die eine Pflegehilfe suchten und zufrieden mit jemandem waren, der keinen Abschluss besaß und trotzdem wusste, was er tat. Zwei Drittel der Ausbildung hatte er absolviert, das Basiswissen und die notwendigen Fähigkeiten besaß er. Natürlich bekäme er dafür auch wesentlich weniger Gehalt als das, was einem Profi zustand. Weniger war grundsätzlich mehr als gar nichts, darum wäre das okay für ihn.

Diese seltsame Typ war jedenfalls überhaupt nicht okay. Sonderlich kompetent schien er schon einmal nicht zu sein, um es vorsichtig zu formulieren.

Jordan ging durch die Tür, die man ihm gewiesen hatte. Der Raum nebenan sah exakt genauso aus wie der davor. Helle Cremetöne an den Wänden, weiße Möbel mit glänzenden Oberflächen, helle Aquarelle von Landschaften, künstliche Pflanzen, die Üppigkeit und Farbe vortäuschten. Der Charme war vergleichbar mit einem Möbelhaus, alles wirkte steril und professionell.

Genau diesen Eindruck vermittelten auch die drei Leute, die den Raum kaum eine halbe Minute, nachdem Jordan in einem weißen Lederstuhl versunken war, durch eine weitere Tür betraten. Zwei Anzugträger, eine junge Frau mit Brille, blondem strengen Zopf und Arztkittel.

„Mr. Holden, ich grüße Sie“, sagt der ältere Anzugträger, ein glattgebügelter Afro-Amerikaner um die Vierzig. Sein Lächeln wirkte minimal echter als das des anderen Typs im Nebenraum. „Sie haben sich also auf den Job als Haushälter beworben“, fuhr er fort, ohne sich oder seine Kollegen vorzustellen. Gemeinsam mit dem anderen Anzugträger nahm er hinter dem Schreibtisch Platz, die Ärztin blieb abwartend stehen. „Für Sie ist das bloß ein Übergangsjob, um auf die Schnelle Geld zu verdienen, wenn ich das richtig sehe?“ Er las etwas auf seinem Tablet, blickte ihn dann aufmerksam an.

„Ich muss erst einmal klarkommen, jetzt, wo mein Vater gestorben ist“, erwiderte Jordan. „Muss mich entscheiden, ob ich zurück an die Pflegeschule gehen kann und will. Ob das nach der langen Pause noch möglich ist und wie hoch die Kosten wären. Wenn also jemand für eine langfristige Anstellung gesucht werden sollte, obwohl die Anzeige anders formuliert war, dann wäre ich nicht der Richtige.“

„Keine langfristige Stelle, nein. Um genau zu sein, es geht um ungefähr einen Monat. Allerdings ist die Sache mit nicht unerheblichen Risiken verbunden, da will ich ganz offen und ehrlich mit Ihnen sein.“ Die drei musterten ihn, als wollten sie sehen, ob er schockiert reagierte. Das diese gesamte Angelegenheit keineswegs koscher sein konnte, hatte Jordan allerdings auch so bereits verstanden, darum gab er sich unbeeindruckt.

„Wenn das okay für Sie ist, würde Dr. Grimeszk hier einen kurzen Check-up bei Ihnen vornehmen.“ Der Kerl wies auf die Ärztin. Da sie keine Nadeln zückte, hatte Jordan nichts einzuwenden. Sie prüfte Puls und Blutdruck, kontrollierte die normalen neurologischen Reflexe, stellte einige allgemeine Fragen nach Alkohol, Schmerz- und Schlafmittel, Drogen – nichts davon war für Jordan ein Thema –, Schlafgewohnheiten und Allergien sowie bekannte Krankheiten, von denen es bei ihm keine gab. Sie leuchtete ihm in die Augen und interessierte sich auffällig für seine Armbeugen. Die waren makellos, denn er hatte nicht gelogen, Drogen hatten in seinem Leben noch nie eine Rolle gespielt. Er nahm nicht einmal Kopfschmerztabletten.

„Er ist ein bisschen unterernährt und gestresst, was normal ist, wenn jemand ein Elternteil bis zum Tod intensiv pflegt. Damit ist er voll einsatzfähig, soweit sich das bei einer solch oberflächlichen Untersuchung bestimmen lässt.“

„Sehr schön. Vielen Dank, Dr. Grimezk.“ Der Kerl zeigte seine blendend weiße Zähne, als er die Ärztin freundlich anlächelte. Sie nickte und verschwand grußlos.

„So, Mr. Holden. Wir wären damit offiziell an Ihnen interessiert“, fuhr er fort. „Die Frage ist, ob Sie weiterhin an uns interessiert sein werden. Ich erkläre Ihnen jetzt mal kurz, worum es hier überhaupt geht. Meine Kollegen und ich gehören nicht zu dem üblichen Team, das in diesem Institut Personal einstellt. So viel dürften Sie vermutlich bereits erkannt haben. Wir vertreten eine prominente Persönlichkeit. Dieser Mann wird bedroht und die Gefahr, dass man ihn entführt oder noch Schlimmeres antut, ist recht groß. Er wird für rund einen Monat hier in Maine untergebracht, in der Hoffnung, dass seine Verfolger abgeschüttelt werden konnten. Was wir suchen, ist kein Personenschützer. Von der Sorte wurden bereits genügend engagiert. Nein, wir brauchen tatsächlich jemanden, der das alltägliche Leben unserer Zielperson sowie des restlichen Teams organisiert, rund um die Uhr und in dem ausgewählten Fluchthaus. Also einkaufen, Haushalt führen, Mahlzeiten zubereiten, Wäsche waschen. Was eben anfällt, wenn mehr als ein Dutzend Menschen über einen längeren Zeitraum versorgt werden müssen. Ich meine, ein paar Tage kommt man mit Fast Food aus, aber irgendwann erstickt man in seinem eigenen Dreck und Müll und will mal wieder was Gesundes essen. Dieser Jemand muss nicht bloß die üblichen Qualifikationen für diese Tätigkeiten mitbringen. Nichts gegen Sie, Mr. Holden, aber in diesem Fall würden wir auf eine der zahlreichen netten älteren Damen dort draußen zurückgreifen, die tolle Zeugnisse, zwanzig Jahre Berufserfahrung und ein gewinnendes Lächeln mitbringen. Interessant sind Sie, weil Sie keine familiären Verpflichtungen haben und medizinische Kenntnisse mitbringen. Sind Sie bis jetzt noch an Bord und interessiert, Mr. Holden, oder verschwenden wir unsere Zeit?“

„Ich bin mir nicht völlig sicher“, entgegnete er ehrlich. „Das klingt alles ein bisschen, als wäre ich im Traum falsch abgebogen und in einem merkwürdigen Actionfilm gelandet, wenn Sie mir das verzeihen. Einem Film, den ich nach fünf Minuten ausschalte, weil er mir zu unglaubwürdig ist.“

„Ihre Skepsis zeugt von Intelligenz.“ Der Kerl lächelte schon wieder, diesmal war es allerdings spürbar echt. „Auch im wahren Leben gibt es Federal Agents, organisiertes Verbrechen, Menschen, die böse Dinge tun, Opfer und Zeugen von Gewalttaten. Natürlich läuft es im wahren Leben ein bisschen … flacher ab, nennen wir es einmal so. Nicht ganz das Drama, das Hollywood daraus macht, aber immer noch ernst. Also. Wir brauchen einen Mann, der halbwegs anständig kochen und einen Haushalt mit acht bis zwölf erwachsenen Personen organisieren kann. Jemand, der in der Lage ist, auf Zuruf den Bundesstaat zu verlassen, falls wir spontan das Haus wechseln müssen, weil uns die Gefahr eben wider Erwarten doch auf den Pelz rückt. Medizinische Grundkenntnisse sind der zusätzliche Bonus, auf den wir erpicht sind, denn bei einem Dutzend Männer, die für längere Zeit auf engem Raum zusammengepfercht und hohem Stress ausgesetzt sind, kann es immer mal zu kleinen Blessuren kommen, für die wir nicht unbedingt in die nächste Ambulanz fahren wollen. Sollte es zum Äußersten kommen – was wir definitiv um jeden Preis zu vermeiden versuchen – sind wir froh, jemanden zu haben, der weiß, wie man einen Druckverband anlegt und Schusswunden erstversorgt. Das Ganze wäre, wie gesagt, auf ungefähr einen Monat begrenzt. Als Ausgleich dafür, dass Sie uns in dieser Zeit vierundzwanzig Stunden am Tag zur Verfügung stehen würden – ach, das hatte ich noch nicht ausreichend erwähnt, Sie müssten mit im Haus leben und dürften es nur verlassen, wenn es dringend erforderlich ist – als Ausgleich für diese Belastung, das erhöhte Risiko und all die Unannehmlichkeiten können Sie mit einem Gehalt rechnen, das Ihnen vollkommen entspannt die Pflegeschule finanziert. Dazu außerdem mindestens noch ein Jahr Unterhalt, sofern Sie weiterhin so bescheiden leben wie bis jetzt. Sie verzeihen, ich habe Ihre Bankauszüge vor mir liegen.“

Jordan schluckte schockiert, denn das war schon ziemlich hart, was dieser Kerl dort vollkommen gelassen von sich gab. Was bildete er sich ein, einfach wie nebensächlich im Leben fremder Leute herumzuwühlen, als wäre es ein öffentlicher Grabbeltisch?

Der Typ drehte sein Tablet und hielt es Jordan hin. Es war eine Auflistung seiner Pflichten, sollte er den Auftrag annehmen, sowie eine Zahl, vor der „Monatsgehalt“ stand. Zwölftausend Dollar. Zwölftausend Dollar für vier Wochen Kochen, Putzen, Bodyguards und irgendeinen Promi babysitten. Er schluckte gleich noch einmal. Das klang verrückt. Waren diese Leute verrückt? War womöglich doch irgendwo eine Kamera versteckt? Das konnte jetzt nicht deren Ernst sein, oder?

„Die Zahl gefällt ihm noch nicht“, sagte der Mann, der neben dem Wortführer saß. Es war der erste Laut, den er überhaupt von sich gab. Ungefähr dreißig mochte er sein. Weiß. Außergewöhnlich attraktiv. Extrem ebenmäßige Gesichtszüge, dunkelblondes Haar, dunkelbraune Augen, gepflegter Drei-Tage-Bart. Im Sitzen und mit diesem maßgeschneiderten Anzug ließ es sich schwer abschätzen, doch er schien sehr groß und breitschultrig und durchtrainiert zu sein.

„Ist das so, Jordan?“, fragte der andere Kerl. „Darf ich Jordan sagen?“ Das Lächeln wurde wieder zu breit und zu anbiedernd. Unecht eben. Er nahm das Tablet, tippte darauf herum, hielt es ihm erneut vor die Nase. Fünfzehntausend Dollar stand dort jetzt. „Letztes Angebot, mehr wird es nicht. Mögen Sie diese Zahl lieber?“

„Ich mag sie sehr“, brachte Jordan halb erstickt hervor, weil ihm plötzlich jegliche Spucke im Mund zu fehlen schien.

„Wären Sie also mit an Bord?“

„Ich kann das Angebot nicht ausschlagen. Das wissen Sie, das weiß ich, und Sie wissen, dass ich es weiß.“

„Nein. Nein, Sie können es tatsächlich nicht ausschlagen, denn etwas Besseres wird sich Ihnen nicht anbieten. Aber keine Sorge, ich verspreche Ihnen, die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Monat zwar arbeitsreich, ansonsten jedoch vollkommen ereignislos für Sie sein wird, liegt extrem hoch. Die Gefahr geht jetzt nicht gerade von einem psychopathischen Meisterverbrecher aus, wie man ihn aus den Hollywood-Reißern kennt. Eigentlich wollen wir ja auch nur für sämtliche Eventualitäten gerüstet sein, und da wären Sie, Jordan, ein wichtiges Teilchen im System.“

„Einen kleinen Test hätte ich gerne noch“, mischte sich der andere Typ ein. Er hatte eine angenehme tiefe Stimme. „Laut unserer Schnellrecherche haben Sie als Jugendlicher eine Weile lang ein Militärinternat besucht.“

O Gott, die wussten offenbar alles über ihn! Jordan schaffte es, beherrscht zu bleiben.

„Knapp acht Monate war ich dort“, erzählte er bereitwillig. „Mein Vater wollte unbedingt, dass ich Karriere bei der Marine mache. Er selbst hatte gedient, ohne je aufzusteigen und er wollte mehr für mich. Die Schulleitung kam recht schnell gemeinsam mit mir zu der Überzeugung, dass ich für den Militärdienst nicht geeignet bin. Erstens habe ich es leidenschaftlich gehasst, durch den Schlamm robben zu müssen und zweitens bin ich trotz guter Augen der weltschlechteste Schütze, den man sich vorstellen kann. Trotz eifrigen Trainings habe ich mich nicht verbessern können, ich treffe die Zielscheibe nicht einmal aus Versehen.“ Das war peinlich. Er hatte gelernt, dass man ihm Respekt zollte, wenn er diese Schwäche geradeheraus zugab.

„Sonst ist nichts vorgefallen?“, hakte der jüngere Mann nach.

„Nein. Kein Mobbing jedenfalls, ich habe auch kein Problem mit Autoritäten.“

„Niemand will, dass Sie durch Schlamm robben oder eine Schusswaffe benutzen müssen, Jordan“, sagte der erste Kerl. „Ein bisschen Selbstverteidigung beherrschen Sie aber vielleicht dennoch? Den einen oder anderen Griff wird man Ihnen wohl beigebracht haben.“

„Hat man und keine Ahnung, ich habe mich nie geprügelt, seit ich von diesem Internat abgegangen bin, und wurde auch nicht von Räubern angefallen oder so.“

Beide Männer erhoben sich.

„Wir testen das Mal kurz, wenn Sie nichts dagegen haben? Es ist nichts, was wir von Ihnen erwarten würden, aber wenn Sie sich in einer Gefahrensituation selbst verteidigen können, wäre das gut zu wissen.“

„Sollte es zum Äußersten kommen, wie Sie es nennen, wird man mich vermutlich einfach abknallen und die Zielperson entführen, oder?“, fragte Jordan und versuchte, abgeklärt und lässig zu klingen.

„Möglich, ja. Aber wir sind, wie schon mehrfach etabliert, nicht in Hollywood. Verbrecher erschießen nicht wahllos jeden, der im Weg herumsteht. Insbesondere dann nicht, wenn Profis am Werk sind. Für eine Entführung bekommt man lediglich ein paar Jahre, wenn man geschnappt wird, für Mord lebenslänglich.“ Der jüngere Kerl war tatsächlich wie ein Gott gebaut, was man jetzt, wo er vor Jordan stand, erst richtig erkennen konnte. Sicherlich knapp an die zwei Meter groß und extrem ästhetische Muskeln, die sich unter dem weißen Hemd abzeichneten. Der andere Typ hingegen war viel bulliger gebaut und garantiert doppelt so stark. Dieser Schönling war bestimmt ein Schauspieler oder Modell. Die Zielperson vielleicht? Auch das wäre denkbar … Sogar logisch, wenn man darüber nachdachte, dass er sich das Personal bestimmt selbst aussuchen wollte, wenn derart viel Vertrauensbasis involviert war.

Er stellte sich hinter Jordan, der auch aufgestanden war und sich nun mitten im Raum befand, etwas gestresst davon, dass der andere Kerl gerade mit geballten Fäusten auf ihn zukam, obwohl es ja nur eine gestellte Situation sein sollte.

„Verteidigen Sie sich, Jordan!“, befahl er. „Egal wie, schlagen Sie zu, als wäre es ernst, als wäre ich ein Entführer, der den Mann hinter Ihnen umbringen will.“ Er holte aus und sein Blick verriet, dass er ebenfalls zuschlagen würde, als wäre es ernst.

Jordan reagierte im Reflex, ließ sich ohne nachzudenken zu Boden fallen – und rammte dem Kerl die Faust in die Weichteile, bevor er wieder aufsprang, herumfuhr, den Schönling anstarrte und „LAUF!“ brüllte.

Alles das geschah binnen eines Atemzugs. Im nächsten Moment wurde ihm wieder bewusst, dass dies ja überhaupt gar keine Entführung sein sollte. Langsam drehte er sich um. Der Kerl lag japsend auf dem Boden, zusammengekrümmt wie ein Fötus, und versuchte, mit herausquellenden Augen wieder zu Atem zu kommen. Der Schönling lachte hingegen bloß und legte Jordan eine Hand auf die Schulter.

„Ich flehe Sie an, unterschreiben Sie den Vertrag!“, sagte er. „Allein für diesen Anblick lege ich noch einen Obolus oben drauf! Johnson, was sagst du?“

Winselnd streckte der Kerl – Johnson – einen Daumen in die Höhe, während er sich in Zeitlupe auf die Knie hochraffte.

„Das war großartig“, ächzte er gequält. „Nie geprügelt, hm?“

„Nach dem Internat nicht mehr, nein. Dafür zuvor ein halbes Jahr Football in der High School. Ich konnte sehr schnell rennen, bin aber immer eine halbe Portion gewesen. Bullige Riesen, die mich aufmischen wollen, kenne ich darum zur Genüge.“

„Sehr … sehr … schön.“ Johnson schaffte es irgendwie aufzustehen und kehrte breitbeinig an den Tisch zurück, wo er erst einmal durchschnaufte, bevor er auf seinem Tablet herumtippte. Kaum einen Moment später spuckte ein Drucker einen Vertrag aus, den er Jordan überreichte.

Alles war geregelt. Für den Fall, dass er während der Beschäftigungszeit verletzt, verkrüppelt oder getötet werden sollte, würde man ihm entweder die Arzt- und Folgekosten, eine großzügige lebenslange Invalidenrente oder die Beerdigung bezahlen. Sein Aufgabenfeld war klar definiert, er war für Ordnung und das Wohlergehen sämtlicher Personen in jedem Haushalt verantwortlich, in dem er für die Beschäftigungsdauer untergebracht werden sollte. Dieser Zeitraum war auf vier Wochen angesetzt, beginnend mit dem heutigen Tag, mit der Option auf Verlängerung, sofern beide Parteien, also er selbst und seine Arbeitgeber, damit einverstanden waren. Die Gehaltszahlung betrug tatsächlich schwindelerregende sechzehntausend Dollar pro Monat, die anteilig verrechnet werden sollten, falls er früher als vorgesehen aus dem Dienst ausscheiden würde, gleichgültig aus welchem Grund. Urlaub stand ihm nicht zu und er war rund um die Uhr im Einsatz. Ja, das würde anstrengend werden, aber danach konnte er sich erholen. Ein solches Angebot abzulehnen war schlicht und ergreifend nicht möglich, obwohl ein hartnäckiges Stimmchen im Hinterkopf ihn zu warnen versuchte. Was zu gut aussah, war in fast allen Fällen tatsächlich mit Haken versehen. Es schrillten sämtliche Alarmglocken und dennoch gab es keine Alternative, denn sonst würde er weiterhin arbeitslos in einem leeren Haus hocken, das er nicht beheizen konnte, vollgestopft mit Erinnerungen an seine toten Eltern und ein Leben, das in den vergangenen Jahren schlicht nicht stattgefunden hatte. Er brauchte das hier. Er musste einfach etwas vollkommen Verrücktes tun!

Sobald Jordan unterschrieben hatte – irgendwie fühlte es sich nach wie vor an, als wäre er im falschen Film, ganz bestimmt, das hier war vollkommen irreal! – lächelten ihn beide an. Es schien echt zu sein, sowohl ihr Lächeln als auch diese bizarre Situation als solches. Johnson griff zu seinem Handy und drückte eine einzelne Taste.

„Belmond, wir haben unseren Mann. Schicken Sie die anderen Kandidaten nach Hause. Gute Arbeit!“

Jordan fixierte derweil den Schönling.

„Sie sind die geheimnisvolle Zielperson, nehme ich an?“

„Ja. Es war Teil des Auswahlverfahrens. Wir wollten vorzugsweise jemanden, der mich nicht erkennt. Sie haben mich offenbar noch nie zuvor gesehen beziehungsweise noch nicht wahrgenommen. Das ist leider eher selten und ich weiß es zu schätzen.“ Der Schönling zwinkerte ihm charmant zu.

„Falls Sie Schauspieler, Musiker oder Spitzenpolitiker sind, nein, sorry, keinen Plan. Mein Dad hatte den Fernseher rund um die Uhr laufen, aber zumeist bloß uralte Serien und Western und merkwürdige Filme aus den Siebzigern. Ich hingegen habe seit Jahren nichts mehr angeschaut. Bei den Nachrichten lese ich bloß die Hauptschlagzeilen im Internet, damit ich nicht vollständig den Anschluss verliere, insgesamt ist mir das Zeug zu deprimierend.“

„Erfrischende Einstellung. Nun, ich bin Luke Calvin Crawford.“ Der Schönling wartete einen Moment, doch auch der Name brachte bei Jordan nichts zum Klingeln, worüber er sich ernstlich zu freuen schien. Anscheinend geschah ihm das nicht allzu häufig. „Ich bin ein ziemlich erfolgreicher Schauspieler und Unternehmer. Normalerweise werde ich Luke genannt. In diesem Fall ist mir Cal lieber. Ein bisschen mehr Tarnung.“

„Was leider nicht viel bringt, wenn man bekannter als ein bunter Hund und äußerlich extrem auffällig ist“, fuhr Johnson dazwischen. „Beachte auf jeden Fall die Verschwiegenheitsklausel in deinem Vertrag. Wenn du jemandem von deiner neuen Arbeit erzählst, dann darf niemand den echten Namen von Cal erfahren und die Umstände müssen um jeden Preis geheim bleiben, klar?“

„Ich habe keine Freunde, weder im realen Leben noch im Internet“, entgegnete Jordan und zuckte mit den Schultern. „Die haben sich alle vom Acker gemacht, sobald es ihnen möglich war. Mein Nachbar, der mir diesen Anzug geliehen hat, ist nett und hilfsbereit, Freunde sind wir trotzdem nicht. Mehr als ein bisschen herumscrollen auf Instagram und Co. war die letzten Jahre auch nie möglich. Ich werde nichts posten, weder Bilder noch Namen.“ Andernfalls könnte er laut Vertrag bis auf den letzten Hemdsfaden verklagt werden, und dazu hatte er nun wirklich keine Lust.

„Okay, es wäre wohl erst einmal alles geklärt, oder gibt es noch Fragen? Nein? Dann willkommen im Team, Jordan. Wir reden uns alle mit dem Vornamen an, Cal eingeschlossen, das erleichtert die Zusammenarbeit.“ Johnson grinste freundlich. „Ich hoffe, der Punkt mit dem anständigen Kochen steht nicht zu weit unten auf deiner persönlichen Liste. Wir können wirklich jemanden gebrauchen, der uns anständig füttert. Da jeder von uns sehr viel Sport und Krafttraining betreibt, was zwangsläufig zum Berufsbild dazugehört, ist unsere aktuelle Situation mit Fast Food von früh bis spät ziemlich verzweifelt und unschön. Die Auswahl in diesem Kaff ist leider auch sehr eingeschränkt und die Qualität eher bescheiden.“

„Solange keiner Sterneküche von mir verlangt … Die Basis beherrsche ich, ich kann mit Rezepten umgehen und habe auch spezifische Diätküche und Schonkost geleistet. Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich diesen Job hinbekomme.“

„Wunderbar“, sagte Cal. Oder vielmehr, Mr. Crawford. Jordan war da möglicherweise ungewöhnlich zimperlich, doch er mochte es nicht, eine Autoritätsperson mit Vornamen anzureden. Ihm fehlte dadurch jegliche Distanz, die er benötigte, um sich wohl zu fühlen. „Es gibt tatsächlich einen sehr spezifischen Essensplan für mich und ich freue mich darauf, ihn endlich wieder einhalten zu können. Pizza und Burger sind schon mal lecker und völlig in Ordnung als Ausnahme. Als Dauerzustand wäre es verheerend.“

Das konnte sich Jordan lebhaft vorstellen. Um all diese hübschen Muskeln zu erhalten, dürften wohl Steaks, Lachs, Avocados, gedünstete Hühnchenbrust mit viel Gemüse, Hülsenfrüchten und Quinoa angesagt sein. Das traute er sich jedenfalls blind zu. Beim Rest war er sich ehrlich gesagt nicht sicher, ob er nicht zu viel wagte. Er wusste nach wie vor nicht, wie groß und real diese Bedrohung war. Hoffentlich wurde dieser Monat lediglich anstrengend und langweilig. Selbst bei totaler Langeweile wäre ihm das Ganze schon Abenteuer genug …

 

 

Cal betrachtete den jungen Mann, den er gerade angeheuert hatte. Etwas klein geraten schien er ihm. Obwohl er laut den Unterlagen 1,74 m messen sollte, was man durchaus als mittelgroß bezeichnen konnte. Na ja, im Vergleich zu ihm selbst waren eben die meisten Menschen klein. Ein wenig mager war Jordan definitiv, oder vielmehr zäh und sehnig. Kraft besaß er durchaus, wenn er jahrelang seine Familie gepflegt hatte, blieb das jedenfalls nicht aus. Dafür musste man ihm Hochachtung zollen, es war absolut nicht selbstverständlich, in diesem Alter sein gesamtes Leben den Bedürfnissen kranker Familienmitglieder unterzuordnen, statt sich um die eigene Karriere zu kümmern und auf Dates zu gehen.

Cal hatte in dem Resümee, das Belmond ihnen mit wenigen Klicks zusammengestellt hatte, gelesen, dass Jordans Großvater ein japanischer Offizier gewesen war, der im zweiten Weltkrieg in die Staaten ausgewandert war. Man erahnte es tatsächlich noch, wenn man es wusste. Jordan besaß dieses schöne, kräftige blauschwarze Haar und die hellere Haut der Japaner, und auch im Gesichtsschnitt konnte man die genetischen Spuren wahrnehmen. Recht attraktiv, Cal mochte solche Mischungen. Tough war er dazu auch noch, genau das hatten sie gesucht.

Es war natürlich ein Risiko, jemanden anzuheuern, der nicht auf Lebensgefahr und starkem Stress trainiert worden war. Darum mussten sie auch mit so viel Geld locken, was für einen solchen Job quasi schon lächerlich überzogen sein mochte. Keiner von ihnen wollte einen weiteren Tag ohne eine kompetente Haushaltshilfe zubringen müssen, darum hätte er auch das Doppelte bezahlt, ohne dass es ihm weh getan hätte. Cal war mit dem sprichwörtlichen Silberlöffel im Mund geboren worden. Er konnte gerade einmal die Kaffeemaschine bedienen, und war zufrieden, wenn er selbst darauf verzichten konnte. Er hatte sein gesamtes Leben lang noch nicht einmal selbst staubsaugen oder eine Waschmaschine befüllen müssen, und er wüsste sich in einem Supermarkt nicht zu helfen. Irgendwie war das auch peinlich und vielleicht sogar armselig. Ändern konnte er es auf die Schnelle nicht und er hatte zu viel Arbeit und nicht den notwendigen Ehrgeiz, diese Fähigkeiten zu erlernen. Für die Zukunft könnte er es sich durchaus vorstellen. So angenehm es war, freundliches Personal um sich zu haben, das einem jegliche mühsame und langweilige Arbeit abnahm, man war eben auch von ihnen abhängig. Sobald man allein dastand und keine Haushälterin, keinen Koch, keinen Gärtner zur Verfügung hatte, wurde es plötzlich unschön. Das hatte er jetzt einige Tage ertragen müssen, was ihm die Augen geöffnet hatte.

Sie fuhren mit dem Aufzug in die Tiefgarage des Gebäudes hinab. Johnson, der auch der Leiter von Cals Team aus professionellen Personenschützern war, sprach sich auf dem Weg mit Belmond ab. Der gehörte nicht fest zu ihnen und musste lediglich noch die Endauswahl für die letzten fehlenden Bodyguards treffen. Jordan verhielt sich ruhig, blieb im Hintergrund, beobachtete, hörte zu. Ein eher introvertierter Mann, was für seine Aufgaben sicherlich keine falsche Eigenschaft war.

Während sie zu Jordans kleinem Haus fuhren, das er von seinen Eltern geerbt hatte und warteten, bis er den Anzug zum Nachbarn gebracht und die wichtigsten Dinge zusammengepackt hatte, kümmerte Cal sich um seine Arbeit, soweit das mit dem Tablet in der Hand möglich war. Er hatte schließlich ein Unternehmen zu führen. Welch ein Glück, dass die Personalauswahl zügig vonstatten gegangen war! Er hatte dennoch mehrere Stunden wertvolle Arbeitszeit verloren. Johnson begleitete ihren Neuzugang, damit dieser sich beim Packen nicht mit unwichtigen Details aufhielt. Mehr als ein paar persönliche Gegenstände und die nötigsten Sachen für die alltäglichen Bedürfnisse musste Jordan nicht mitnehmen. Alles andere würde Cal ihm kaufen beziehungsweise ihm die Befugnisse erteilen, damit Jordan sie einkaufen konnte. Ryan, ihre Wunderwaffe im IT-Bereich, hatte für Kreditkarten gesorgt, die nicht zu Cal zurückverfolgt werden konnten. Alles legal, natürlich. Jordan würde großzügig einkaufen müssen, es fehlten unendlich viele Dinge für das Fluchthaus, beispielsweise Handtücher und Bettwäsche. Ein Konto war bereits eingerichtet, ausgestattet mit einem großzügigen Budget.

Womöglich würde Jordan nachher der Schlag treffen, wenn sie das Haus betraten, das Johnson als Zufluchtsort gemietet hatte. Dort hatten sie in den vergangenen knapp vier Tagen versucht, mit acht gestandenen Kerlen auf engstem Raum zurechtzukommen, zusätzlich zu Johnson und Cal. Falls Jordan morgen früh noch nicht weggelaufen war, dürfte er recht belastbar sein.

Cal grinste freudlos vor sich hin bei diesem Gedanken. Seine Situation war überhaupt nicht unterhaltsam, musste er sich eingestehen. Alles stehen und liegen lassen müssen, sich irgendwo in der hintersten Provinz verstecken, wo ein harter Winter bevorstand, während er sonst größtenteils in Kalifornien lebte und entsprechend an milde Temperaturen gewöhnt war … In einem Haus gefangen zu sein, rund um die Uhr bewacht wie ein wildes Tier im Zoo, wodurch er all diese Menschen noch zusätzlich in Gefahr brachte … Er hasste es.

---ENDE DER LESEPROBE---