12,99 €
John Watson über dieses Buch: "Dieses Buch ist mein bescheidener Versuch, ein wenig Licht auf die Arbeit des besten und weisesten Menschen zu werfen, den ich je gekannt habe. Er hat – wenn ich das so sagen darf – die Wissenschaft der Deduktion zur Kunst erhoben. Nachdem ich bei einigen seiner bedeutendsten Fälle an seiner Seite sein durfte, liegt es nun an mir, seine Verdienste einem breiteren Publikum zu präsentieren. Er ist, um es kurz zu machen, der Mozart der Kriminalwissenschaft. Ich würde gern noch fortfahren, doch mit großer Freude darf ich Ihnen sagen, dass Sherlock Holmes persönlich zugesagt hat, einen Teil dieses Textes zu schreiben …" Sherlock Holmes über dieses Buch: "Kaufen Sie dieses Buch auf keinen Fall. Was eigentlich eine Serie von spannenden Vorträgen hätte werden sollen, hat der Autor zu geschmackloser, billiger Unterhaltung degradiert. Die Wissenschaft der Deduktion ist eine Sparte menschlicher Errungenschaften, die ernsthafte Analysen erfordert, und hier ist nun dieses verschwenderisch gestaltete Buch durch Humor entstellt und mit Klatsch und Tratsch vergiftet. Offenbar ist diese Art der Sensationsgier nötig, um das Interesse der lesenden Bevölkerung zu wecken, aber nur ein Idiot wäre hiervon beeindruckt. Sie entscheiden."
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 67
Titel
Inhaltsverzeichnis
DER WIEDERGEBORENE DEDEKTIV
DER ZWEITE ANLAUF
EIN FALL VON PINK
DER DYSFUNKTIONALE DEDEKTIV
DER LOYALE DOKTOR
DER PSYCHOPATHISCHE BÖSEWICHT
DAS GROSSE SPIEL
GERADLINIG WIE EIN SCHWERT
EIN ERFOLG ÜBER NACHT
»DIE FRAU«
EIN SKANDAL IN BELGRAVIA
DER RIESIGE HÖLLENHUND
DIE HUNDE VON BASKERVILLE
DIE VERSCHIEDENEN SPÜRNASEN
Impressum
EINLEITUNG
Man kann über das Zugfahren geteilter Meinung sein, aber es kommen einem dabei gute Ideen. Vielleicht wird das Gehirn durch den lausigen Tee und das niedrige Tempo besonders stimuliert. Zumindest gilt das für Steven Moffat und Mark Gatiss, die im Zug zwischen Cardiff und London die Idee für die Fernsehserie Sherlock ersannen.
Steven Moffat
Mark Gatiss
Beide befanden sich auf der Rückreise von der Produktion der Science-Fiction-Fernsehserie Dr. Who, an der sie maßgeblich mitwirken. Sie hatten gerade Drehbücher abgeliefert, und Mark war in einer Folge sogar als alternder Wissenschaftler aufgetreten, der sich dann verjüngt und mutiert. Um nicht mehr mit derartigen schauspielerischen Glanzleistungen brillieren zu müssen, übernahm Steven 2009 die Aufgabe des Produzenten und Chefautors der Serie, für die Mark seither Drehbücher schreibt. All dies brachte eine Menge Zugfahrten mit sich.
Und Zeit zum Nachdenken.
Und gute Ideen.
Die Idee, Sir Arthur Conan Doyles Figur des Sherlock Holmes in Gestalt eines modernen Detektivs wiederzuerwecken, war zunächst nur ein Gedankenspiel.
»Wir unterhielten uns über Projekte, die wir gerne in Angriff nehmen wollten«, erinnert sich Mark Gatiss, »und der Name Sherlock Holmes fiel dabei immer wieder.« Es sollte aber nicht irgendein Sherlock Holmes sein, sondern einer, der im heutigen London lebt.
»Es stellte sich heraus, dass wir beide die zwischen 1939 und 1946 produzierten Fassungen mit Basil Rathbone für die besten hielten – vor allem die Folgen, deren Handlung vom viktorianischen England in die 1940er-Jahre verlagert worden war. Diese B-Movies schienen uns Conan Doyles Vorstellungen am ehesten zu entsprechen – vermutlich, weil der Autor seine eigene Figur nicht allzu ernst genommen hatte.«
Basil Rathbone – ebenfalls ein moderner Holmes
Viele andere Filmfassungen erstarrten derart in Ehrfurcht vor dem großen Vorbild, dass sie guten Einfällen und großartigen Schauspielern kaum Entfaltungsmöglichkeiten boten.
Auch wenn Steven Moffat und Mark Gatiss von ihrer Idee angetan waren, dauerte es lange, sie zu einer Fernsehserie zu entwickeln. Nicht zuletzt ist es der Ermutigung von Steven Moffats Frau Sue Vertue, selbst Produzentin bei Hartswood Films, zu verdanken, dass aus den Hirngespinsten einer langen Zugfahrt ein ernsthaftes Projekt wurde.
»Ich hatte das Ganze Sue gegenüber nur beiläufig erwähnt«, erklärt Steven Moffat. »Ich sagte zu ihr, dass Mark und ich vorhatten, uns weiter Gedanken darüber zu machen, aber dass uns am Ende wahrscheinlich ein anderer zuvorkommen würde.« Darauf erwiderte Sue trocken: »Dann solltet ihr das Projekt nicht auf die lange Bank schieben.«
»Steven und ich arbeiteten immerhin an der größten Fernsehserie des Landes mit«, so Mark Gatiss. »Wir hatten bis dato nicht ernsthaft ins Auge gefasst, Sherlock Wirklichkeit werden zu lassen. Dabei hätten wir das schon viel früher tun können, denn wir hatten seit ewigen Zeiten immer wieder darüber geredet.«
»Wir hatten beide sehr gute Jobs«, bestätigt Steven Moffat. »Selbst wenn wir das Projekt fallengelassen hätten, wäre das kein Karriere-bruch gewesen. Wir waren uns selbst nicht sicher, ob das Ganze nur eine fixe Idee war.«
Gab es in einer von unzähligen Kriminalfilmen überschwemmten Fernsehlandschaft überhaupt noch Platz für einen modernen Sherlock Holmes?
»Genau das war der springende Punkt«, so Steven Moffat. »Conan Doyle hatte mit Sherlock Holmes bereits das uns heute vertraute CSI-Konzept vorweggenommen, bei dem der Täter vor allem mithilfe der forensischen Kriminaltechnik überführt wird. Was konnte Sherlock also noch bieten, was der moderne Zuschauer nicht schon kannte? Die simple Antwort war: Sherlock war einfach klüger als alle anderen, er war ein Genie.«
Und Moffats Frau Sue hielt das Ganze für eine sehr gute Idee ...
»Dass Sue uns ermutigte, hatte ich nicht erwartet«, betont Steven Moffat. »Für mich war das ein erstes Indiz dafür, dass Sherlock ein Erfolg werden würde. Ausgerechnet diese Frau, die niemals einen Sherlock-Holmes-Roman gelesen hatte und sich nicht für diese Figur interessierte, hielt unsere Idee für gut und machte uns Dampf, sie in die Tat umzusetzen.«
Und zwar an keinem geringeren Ort als Monte Carlo.
»Jemand setzte das Gerücht in die Welt, dass die BBC uns nach Monte Carlo fliegen ließ, um dort das Konzept für Sherlock zu entwickeln«, amüsiert sich Mark Gatiss. »Dabei mussten wir ohnehin dorthin, um an einer Preisverleihung teilzunehmen.«
»Und wenn man schon mal da ist ...«, ergänzt Steven Moffat.
Sicherlich bietet die idyllische Szenerie Monacos im Vergleich zum Blick durch ein schmutziges Abteilfenster im Zug nach Cardiff gewisse Vorzüge. Und das Essen ist auch besser.
»Es war wirklich schön«, bestätigt Mark Gatiss, »und ein Einfall jagte den nächsten.«
»Wir verwendeten einen Großteil unserer Zeit darauf, nachzuempfinden, wie man als Kind diese Geschichten zum ersten Mal liest«, erklärt Steven Moffat. »Ich dachte damals nicht darüber nach, wie viktorianisch das alles war, sondern fragte mich immer wieder, wie Holmes zu seinen Schlussfolgerungen gelangte.
Und ich erinnere mich an den Schock, als ich bei der Lektüre von Eine Studie in Scharlachrot herausfand, was für ein ungehobelter Kerl Holmes eigentlich ist. Ich hatte ihn immer für eine Art James Bond gehalten, für einen starken, mutigen und klugen Mann. Aber er war einfach nur schrecklich, tat seltsame Dinge und nahm auch noch Drogen. Und ich dachte nur: ›O Gott, wie furchtbar!‹«
»Viele der faszinierenden Facetten dieses Charakters tauchen in den Filmfassungen nicht auf«, ergänzt Mark Gatiss. »Viele tolle Einfälle aus den Erzählungen auch nicht. Nehmen wir zum Beispiel Die fünf Orangenkerne: Auch wenn die Geschichte heute nicht mehr verstanden würde [weil der heutige Leser nicht weiß, dass »KKK« für Ku-Klux-Klan steht], ist die Idee mit den per Post zugestellten Orangenkernen einfach herrlich – und unheimlich. Oder Der Schwarze Peter: Die Geschichte beginnt damit, dass Sherlock Holmes den Vormittag damit verbringt, Schweine mit einer Harpune zu erlegen. Warum nicht?«
Ja, warum nicht? Mark Gatiss hat diese Szene in sein Drehbuch für Die Hunde von Baskerville aufgenommen – nur eines von vielen direkten oder versteckten Conan-Doyle-Zitaten, die in Sherlock Einzug gefunden haben.
221B Baker Street (eigentlich North Gower Street)
»Wir waren so begeistert, dass wir es einfach nicht lassen konnten«, gesteht Steven Moffat. »Mal sorgen die Zitate für einen lustigen Gag, mal sind Conan Doyles bisher unentdeckte Ideen einfach so brillant, dass man sie verwenden muss. Sein Einfall mit den nicht aufgezeichneten Fällen – sich also auf Dinge zu beziehen, über die er niemals geschrieben hat – ist schlicht genial. Wir können nur nicht immer deutlich machen, wie innovativ Conan Doyle war, weil uns viele seiner Gestaltungsweisen mittlerweile zur Gewohnheit geworden sind: zum Beispiel, wenn Sherlock Holmes die von ihm gelösten Fälle kritisch reflektiert und etwas, an dem wir uns gerade ergötzt haben, als ›schrecklich‹ tituliert.«
Mit dieser Meinung steht er allerdings ziemlich allein da. Schon die Tatsache, dass Conan Doyles Erzählungen nie aus der Mode gekommen sind und sich auch heute einer ungebrochenen Popularität erfreuen, beweist ihre Qualität. Sherlock Holmes und Dr. Watson sind fest im Bewusstsein ihrer globalen Fangemeinde verankert. Um dies zu erkennen, muss man nur das Sherlock-Holmes-Museum in der Baker Street besuchen. Dort findet man einen Ordner mit Briefen von Absendern aus aller Welt, allesamt geprägt von der Überzeugung, Sherlock Holmes habe wirklich gelebt. Und die Bank, deren Filiale unter der legendären Adresse 221B residiert, beschäftigte für einige Zeit eigens eine Sekretärin, um die Zusendungen an den fiktiven Detektiv zu bearbeiten. Während Conan Doyle und sein Held ihren Fällen einen nachhaltigen Wert absprachen, ist die Literaturgeschichte zu einem anderen Urteil gelangt. Zwar mag es schwierig sein, den zukünftigen Publikumsgeschmack zu prognostizieren, und auch der Zufall mag seine Hand im Spiel haben, aber es gibt Gründe dafür, dass uns – im Unterschied zu Sherlock Holmes – andere Detektivfiguren, die um die Jahrhundertwende das Licht der literarischen Welt erblickten, nicht mehr so vertraut sind. Inspektor Lipinski? Hagar Stanley, der Zigeuner-Detektiv? Horrace Dorrington? Sie werden sich doch wohl an Lady Molly von Scotland Yard erinnern?
Nein, um nach all diesen Jahren immer noch geliebt zu werden, bedarf es etwas wirklich Außergewöhnlichem.