Sie wollte nicht mit einer Lüge leben - Patricia Vandenberg - E-Book

Sie wollte nicht mit einer Lüge leben E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Dr. Daniel Norden mußte immer zweimal schauen, wenn eine der Kordes-Schwestern zu ihm kam, so ähnlich sahen sie sich auf den ersten Blick, obgleich Angelina vierzehn Monate älter war als ihre Schwester Annette. Mit der Zeit war ihm der Verdacht gekommen, daß Annette viel dazu beitrug, um die Ähnlichkeit zu unterstreichen. Vor allem, seit Angelina mit dem Rennfahrer Pieter Altweg verheiratet war. Es schien ihr Spaß zu machen, für seine Frau gehalten zu werden. Fee Norden hatte das selbst einmal mitbekommen. Sie hatte darüber gelacht. Dorthe Harling, seine Sekretärin, hatte bisher nur Annette kennengelernt, die von Zeit zu Zeit kam, um sich ein paar Medikamente gegen Kopf- und Magenschmerzen verschreiben zu lassen, und auch für Antibabypillen. Sie war maßlos überrascht, als an diesem Tag eine elegante junge Frau die Praxis betrat und sagte, daß ihr Name Altweg sei und sie hätte gestern mit Dr. Norden telefoniert. »Sie haben geheiratet?« fragte sie verblüfft und auch verwundert, daß die andere so zurückhaltend war, was sie von Annette Kordes nicht gewohnt war. Ein etwas gequältes Lächeln legte sich um den schönen Mund der jungen Frau. »Ich bin nicht Annette, ich bin die ältere Schwester Angelina«, erklärte sie ironisch. »Verzeihung«, sagte Dorthe verlegen, »Sie sehen sich sehr ähnlich.« »Dr. Norden wollte mich gleich empfangen, da ich schon um zwölf Uhr am Flugplatz sein muß«, sagte Angelina nervös, und da kam Dr.

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Dr. Norden Bestseller – 284–

Sie wollte nicht mit einer Lüge leben

Patricia Vandenberg

Dr. Daniel Norden mußte immer zweimal schauen, wenn eine der Kordes-Schwestern zu ihm kam, so ähnlich sahen sie sich auf den ersten Blick, obgleich Angelina vierzehn Monate älter war als ihre Schwester Annette. Mit der Zeit war ihm der Verdacht gekommen, daß Annette viel dazu beitrug, um die Ähnlichkeit zu unterstreichen. Vor allem, seit Angelina mit dem Rennfahrer Pieter Altweg verheiratet war. Es schien ihr Spaß zu machen, für seine Frau gehalten zu werden. Fee Norden hatte das selbst einmal mitbekommen. Sie hatte darüber gelacht.

Dorthe Harling, seine Sekretärin, hatte bisher nur Annette kennengelernt, die von Zeit zu Zeit kam, um sich ein paar Medikamente gegen Kopf- und Magenschmerzen verschreiben zu lassen, und auch für Antibabypillen.

Sie war maßlos überrascht, als an diesem Tag eine elegante junge Frau die Praxis betrat und sagte, daß ihr Name Altweg sei und sie hätte gestern mit Dr. Norden telefoniert.

»Sie haben geheiratet?« fragte sie verblüfft und auch verwundert, daß die andere so zurückhaltend war, was sie von Annette Kordes nicht gewohnt war.

Ein etwas gequältes Lächeln legte sich um den schönen Mund der jungen Frau.

»Ich bin nicht Annette, ich bin die ältere Schwester Angelina«, erklärte sie ironisch.

»Verzeihung«, sagte Dorthe verlegen, »Sie sehen sich sehr ähnlich.«

»Dr. Norden wollte mich gleich empfangen, da ich schon um zwölf Uhr am Flugplatz sein muß«, sagte Angelina nervös, und da kam Dr. Norden auch schon aus dem Sprechzimmer und begrüßte Angelina mit einer Herzlichkeit, die Annette nicht zuteil wurde. Dorthe war wieder ein bißchen erstaunt.

»Herr Schneider bekommt noch Kurzwelle«, sagte Daniel Norden, und dann ging er mit Angelina in das Untersuchungszimmer.

Er betrachtete die schöne Frau mit einiger Besorgnis. Angelina machte einen ziemlich gehetzten Eindruck.

»Wo fehlt es, Frau Altweg?« fragte er.

»Hirngespinste«, erwiderte sie sarkastisch. »Jedenfalls bezeichnet es Pieter so. Ich leide an Verfolgungswahn, sagt er auch.«

Dr. Norden war ein guter Psychologe. In der Ehe kriselt es, dachte er. Eigentlich hatte er dieser Ehe sowieso kaum eine Chance gegeben, da Angelina viel zu sensibel für diesen karrieresüchtigen Frauenliebling war.

»Inwiefern Verfolgungswahn und Hirngespinste?«

»Ich werde tatsächlich verfolgt. Ich bin zweimal fast überfahren worden, und einmal habe ich ein Rad von meinem Wagen verloren, als er gerade in der Werkstatt gewesen war. Pieter sagt, daß sie Pfusch gemacht haben, aber dagegen hat sich der Monteur verwahrt. Ein andermal ist auf mich geschossen worden, getroffen wurde ich nicht. Ich bilde mir das natürlich alles nur ein, denn beweisen kann ich nichts. Aber ich kann schon nicht mehr ruhig schlafen.«

»Ich würde einen längeren Tapetenwechsel vorschlagen, wenn es Differenzen in der Ehe gibt«, sagte Dr. Norden.

»Sie blicken sofort durch«, sagte Angelina mit einem bitteren Lächeln. »Es gibt Differenzen. Ich will mich scheiden lassen, aber Pieter lacht mich aus.«

»Was kann ich für Sie tun?« fragte Dr. Norden behutsam.

»Sie kennen mich nun schon so lange. Glauben Sie, daß ich nicht richtig im Kopf bin? Ich zweifele ja manchmal selbst an meinem Verstand. Ich mißtraue allen und jedem.«

»Ich werde Ihnen ein Beruhigungsmittel geben, Frau Altweg. Und wie ich schon sagte, verreisen Sie, schalten Sie ab.«

»Ich werde es mir überlegen. Aber ich habe eine große Bitte, lieber Dr. Norden, da ich zu Ihnen Vertrauen habe. Würden Sie dieses Kuvert für mich aufbewahren, falls mir etwas zustoßen sollte?«

Dr. Norden sah sie nun doch skeptisch an, denn diese Bitte kam ihm etwas ungewöhnlich vor. Allerdings wollte er ihr keine Absage erteilen. Aber wie konnte so viel Angst in ihr sein, daß sie etwas hinterließ, falls ihr tatsächlich etwas zustoßen sollte? Von Annette Kordes hätte er solches Ersuchen eher erwartet, weil sie sich gern interessant machte, und einmal zu ihm gesagt hatte, eine Kartenlegerin hätte ihr einen dramatischen Tod in jungen Jahren vorausgesagt. Sie würde deshalb ihr Leben genießen wollen. Aber Angelina war ein ernsthafter Mensch, keineswegs flatterhaft und oberflächlich wie ihre Schwester, denn im Charakter unterschieden sie sich gewaltig. Aber Dr. Norden wußte, woran er sie auseinanderhalten konnte, wenn auch ihm Zweifel kamen. Angelina hatte hinter dem linken Ohr einen Leberfleck, den Annette nicht hatte. Man sah ihn nicht, und er hatte ihn nur festgestellt, als Angelina einmal über Ohrenschmerzen geklagt hatte.

Sie lächelte rätselhaft, als er ihr jetzt hinter das Ohr schaute.

»Das ist auch unser gemeinsames Geheimnis, Dr. Norden«, sagte sie. »Das Pünktchen hat nicht mal mein Mann entdeckt. Er nimmt sich nicht die Zeit, mich genau anzuschauen. Bei ihm muß alles schnell gehen, auch eine Heirat und was sonst noch dazugehört. Ich muß tatsächlich ein Brett vor dem Kopf gehabt haben, als ich ihn geheiratet habe. Verstehen Sie jetzt, daß ich manchmal an mir selbst zweifle und auch verzweifle? Aber diese mysteriösen Zwischenfälle bilde ich mir nicht ein.«

»Es will mir nicht gefallen, was ich da gehört habe«, sagte Daniel Norden.

»Mir gefällt es auch nicht, das dürfen Sie mir glauben. Nehmen Sie das Kuvert in Verwahrung?«

Er nickte zustimmend, aber er hatte ein ganz eigentümliches Gefühl, als er es auf den Schreibtisch legte. »Ich werde es im Banksafe deponieren, Frau Altweg«, sagte er.

»Und Sie werden auch meiner Schwester nichts sagen?«

»Aber nein, wie käme ich dazu! Ich werde ihr auch nicht sagen, daß Sie bei mir waren.«

»Sie versteht es aber meisterhaft, die Menschen auszuhorchen.«

»Mich auszuhorchen ist noch niemandem gelungen, und alles, was Patienten betrifft, unterliegt sowieso der Schweigepflicht.«

Gedankenverloren blickte er ihr nach, als sie ging. Schön waren beide Schwestern, aber Angelina setzte ihre Reize nicht herausfordernd ein, wie es Annette tat.

Er blickte auf das Kuvert. Von Dr. Norden nach meinem Tod zu öffnen, stand darauf. Ihm kroch ein Frösteln durch den Körper. Er konnte sich nicht vorstellen, daß Angelina sich alles, was sie erzählt hatte, nur einbildete. Aber warum sollte man ihr nach dem Leben trachten?

Er nahm das Kuvert mit nach Hause. Dort mußte er sich erst seiner Kinderschar widmen, und dann wurde zu Mittag gegessen. Erst danach konnte er mit Fee noch eine halbe Stunde allein sein. Das respektierten auch die Kinder. Die kleinen Zwillinge Christian und Désiree, Jan und Jolly wurden sie gerufen, nahm Lenni unter ihre Fittiche. Sie brauchten noch einen Mittagsschlaf, besonders wenn es so warm war.

»Würdest du so lieb sein, und dieses Kuvert im Banksafe deponieren, Feelein?« fragte Daniel.

Sie sah ihn befremdet an, und ihr Gesicht überschattete sich, als sie die Aufschrift las.

»Was soll das bedeuten?« fragte sie.

»Angelina Altweg war bei mir. Sie bat mich um diesen Gefallen.«

»Angelina? Guter Gott, sie wird doch nicht Todesahnungen haben? Ist sie denn krank?«

»Krank nicht, aber verängstigt.« Er erzählte Fee von Angelinas Erlebnissen.

»So was saugt man sich doch nicht aus den Fingern, nicht eine so intelligente Frau, Daniel. Sie ist auch nicht der Typ, der sich mit so was interessant machen will. Das würde schon eher zu Annette passen.«

»Aber es war Angelina, die es mir erzählt hat. Ich verwechsele die beiden nicht.«

Fee dachte nach. »Man kann über diesen Altweg denken, wie man will, aber er ist ein sehr bekannter Mann, und vielleicht will man Angelina einschüchtern, um ihn dann irgendwie erpressen zu wollen?«

»Doch nicht durch seine Frau. Er hat viele Weibergeschichten gehabt und hat sie vielleicht noch. Solche Typen ändern sich nicht. Angelina hat eine Scheidung ins Auge gefaßt. Nach dem, was sie mir erzählte, lacht er sie aus, hält sie für spinnert, oder«, Daniel hielt einen Augenblick inne, und statt seiner fuhr Fee fort: »Oder er will sie mit makabren Scherzen zur Scheidung treiben.«

»Genau das wollte ich sagen, mein Schatz, aber Angelina sagte, daß er gegen eine Scheidung ist. Eine sehr merkwürdige Geschichte.«

»Die sich hoffentlich in Wohlgefallen auflöst«, meinte Fee. »Es wäre ja schrecklich, wenn solche bösen Ahnungen zutreffen.«

»Apropos Ahnungen, da erinnerte ich mich heute, daß Annette einmal von einer Kartenlegerin erzählte, die ihr ein schreckliches Ende prophezeit haben soll.«

»So was sagen doch solche Leute nicht«, erwiderte Fee abweisend. »Die sagen nur Gutes, und was Schlechtes umschreiben sie. Wenn es nicht überhaupt Bauernfängerei ist.«

»Aber wir haben doch einige Erfahrungen gemacht, daß manche Menschen das zweite Gesicht haben«, stellte Daniel fest. »Wir haben manches Mal gestaunt.«

»Weißt du, Schatz, ich glaube auch gern, wenn mir was Gutes prophezeit wird, aber was Schlechtes würde ich nicht hören wollen. Hoffen wir also, daß wir ihr diesen Umschlag ungeöffnet zurückgeben können.«

*

Angelina wurde schon am Flughafen erwartet, aber sie war sehr überrascht, als sie ihre Schwester Annette sah. Freilich wurden sie, als sie nun beieinander standen, neugierig gemustert, vor allem von Männern.

»Woher weißt du, daß ich zurückfliege?« fragte Angelina befremdet.

»Pieter hat mich angerufen. Er macht sich Sorgen um dich. Er will, daß ich dich begleite. Leider warst du schon nicht mehr im Hotel, als ich dorthin kam. Wo warst du denn?«

»Ich habe noch ein paar Besorgungen gemacht.«

Annette warf ihr einen schrägen Blick zu. »Pieter war auch erstaunt, daß du nicht bei mir gewohnt hast. Was ist eigentlich los mit dir, Angelina?«

Warum traue ich auch ihr nicht mehr, ging es Angelina durch den Sinn. Bin ich denn tatsächlich neurotisch?

»Was soll mit mir los sein. Ich brauche mal Ruhe. Um Pieter herum ist alles so hektisch, und ihr glaubt mir ja doch nicht, wenn ich geängstigt werde.«

»Es mögen böse Zufälle sein. Ich will es ja nicht abstreiten.«

»Aber Pieter braucht jetzt nicht den Besorgten zu spielen. Er ist es doch, der mich erst recht konfus macht mit seinen Andeutungen, daß ich mal zum Psychiater gehen solle. Ich bilde mir das nicht ein, und ich bin auch nicht verrückt. Ich weiß nur nicht, was es bedeuten soll, und wer das inszeniert.«

»Geh doch mal zur Polizei«, sagte Annette, aber es klang spöttisch in Angelinas Ohren.

»Damit die mich auch auslachen? – Der Flug ist aufgerufen, hast du schon ein Ticket?«

»Ja, ich bin schon eine Weile hier. Ich habe mir auch Sorgen um dich gemacht, Angi.«

»Hier hat jedenfalls keiner versucht, mich zu überfahren oder zu erschießen, und da ich Taxi gefahren bin, konnte an meinem Wagen auch kein Reifen platzen.«

»Das kann doch immer mal passieren.«

»Aber nicht, daß das Rad dann auch gleich wegspringt. Ich hatte verdammt viel Glück, daß ich ausgerechnet in einem Heuhaufen gelandet bin, und das kann wohl keiner so berechnen, der mich ins Jenseits befördern will.«

»Und so großartig war unser Erbe ja nicht, daß man uns deshalb nach dem Leben trachten könnte«, sagte Annette spöttisch.

Angelinas feine Augenbrauen schoben sich zusammen. »Was hast du damit eigentlich angefangen?« fragte sie.

»Die Weltreise gemacht. Sie war wundervoll. Die Boutique gekauft, sie läuft nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe, aber dank deiner Großzügigkeit habe ich ja die Wohnung, für die ich keine Miete zu zahlen brauche. Ich nehme das Leben, wie es kommt, Angi. Ich liebe es. Und ich lebe nach dem Motto, daß jeder Tag der letzte sein könnte.«

Angelina preßte die Lippen aufeinander. »Gut, wenn man das kann«, sagte sie heiser.

Sonst sprachen sie auf dem Flug wenig. Angelina hatte sich zurückgelehnt und die Augen geschlossen. Nur ganz nebenbei bemerkte sie, daß Annette sich mit dem jungen Mann zu ihrer Linken leise unterhielt, aber Annette hatte diesbezüglich nie Schwierigkeiten und auch keine Hemmungen. Sie machte auf jeder Reise mehrere Bekanntschaften, und Angelina hatte es noch in zwielichtiger Erinnerung, welchen Ärger es bei ihnen zu Hause gegeben hatte, wenn täglich verschiedene Männer anriefen, wenn auch welche einfach aufkreuzten, einfach so, wie Annette schnippisch sagte. Der Vater war vor fünf Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Ein Streit mit seiner Frau war vorausgegangen, was Angelina auch nicht ganz verkraftet hatte, aber ihre Mutter hatte schon ein paar Monate später wieder geheiratet, was Angelina die Ursache des Streits bestätigte, daß sie schon ein Verhältnis mit diesem Mann gehabt hatte.

Dieses Ereignis mochte auch dazu beigetragen haben, daß Angelina dann diese Ehe mit Pieter eingegangen war, denn Annette hatte zur Mutter gehalten, bis es allerdings auch zwischen ihnen zu großen Differenzen gekommen war. Davon hatte Angelina nur nebenbei von Annette erfahren, die sich der älteren Schwester gegenüber reumütig gab und ihr erklärte, daß sie alles richtig eingeschätzt hätte. Angelina hatte sich mit Annette versöhnt.

In Monte Carlo angekommen, ließen sie sich vom Taxi zur Wohnung bringen, nachdem Annette vergeblich nach Pieter Ausschau gehalten hatte.

»Er hätte uns wenigstens abholen können«, murrte sie, und als sie dann die Wohnung leer fanden, belegte sie ihren Schwager mit wenig freundlichen Bezeichnungen.

»Ich habe nicht erwartet, daß er da ist«, sagte Angelina gleichmütig, »und wahrscheinlich hat er dich nur angerufen, damit ich hier nicht allein bin und möglicherweise alle Koffer packen könnte.«

»Hattest du das denn vor?« fragte Annette hastig.

»Ich habe es auch immer noch vor.«

»Ist es denn so schwer, mit Pieter auszukommen?«

»Ich erwarte von einer Ehe mehr.«

»Bist du eifersüchtig?«

»Guter Gott, dann hätte ich wahrscheinlich gar nichts anderes mehr zu denken.«

Annettes Augen wurden schmal. »Hat er denn ein festes Verhältnis, Angi?« fragte sie.

»Es interessiert mich nicht, wieviel Verhältnisse er hat. Ich will ihm nur nicht zur Verfügung stehen, wenn er gerade keines hat«, erwiderte Angelina mit erzwungener Ruhe, »und nun möchte ich dieses Thema beenden.«

Annette ging durch die Wohnung. Es war eine zauberhafte Wohnung mit allem erdenklichen Luxus. Vom großen Wohnraum aus konnte man über Monte Carlo hinwegblicken.

»Das willst du aufgeben?« fragte Annette.

»Wieso? Die Wohnung gehört mir. Ich habe sie gekauft und bezahlt.«

»Das hast du mir noch nie gesagt.« Ganz hektisch sprach Annette jetzt. »Aber sie muß doch irrsinnig teuer gewesen sein.«

»Ich habe mein Erbteil gut angelegt«, erwiderte Angelina, »und warum sollte ich darüber sprechen? Du hast mich nie gefragt. Du hast natürlich vorausgesetzt, daß mir Pieter ein sorgloses Leben bereitet, aber dem ist nicht so. Ich verdiene mein Geld, und wenn ich ins Casino gehe, gewinne ich noch etwas dazu.«

»Du spielst?« fragte Annette fassungslos.

»Pech in der Liebe, Glück im Spiel, sagt man doch. Für mich trifft es zu.«

»So kenne ich dich gar nicht.«

Angelina maß ihre Schwester mit einem langen durchdringenden Blick. »Wer kennt mich schon? Wer macht sich die Mühe, einen Menschen wirklich kennenzulernen? Ich war ein unbeschriebenes Blatt, als ich Pieter geheiratet habe, und warum er es auf mich abgesehen hatte, weiß ich bis heute noch nicht, aber inzwischen kann ich mit meinen Erfahrungen Bücher füllen.«

»Gibt es in deinem Leben auch einen anderen Mann?« fragte Annette zögernd.

Angelina lachte klirrend auf. »Mir genügt der eine, aber ich konnte feststellen, daß die meisten auch nicht besser sind. Warum hast du dich von Carlo getrennt?«

Annette schnippte mit den Fingern. »Das war doch eigentlich gar nichts. Im Grunde wollte er wohl dich.«

»Wie kommst du denn darauf?« fragte Angelina tonlos.

»Er war doch so ein Langweiler, der alles hundertmal überdachte. So ein richtiger Jurist, der das Für und Wider abwägt. Drum prüfe, wer sich ewig bindet. Nein, er hat nicht gesagt, daß er dich liebt oder so was, aber er meinte wohl, daß ich so sei wie du, daß er mit mir philosophieren könnte, und daß bei mir die ethischen Werte mehr zählen als die Erotik.« Sie lachte auf. »Deswegen meine ich, daß er mit dir besser bedient gewesen wäre.«

»Sei nicht so frivol«, wies Angelina die Jüngere zurück, die an Erfahrung mit verschiedenen Männern bestimmt reicher war als sie.

»Liebe Güte, sei nicht so etepetete, ich nenne die Dinge beim Namen, aber wenn ich so einen Mann wie Pieter hätte, würde ich schon dafür sorgen, daß er an anderen Frauen keinen Gefallen mehr findet.«