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Es ist ein Fest, die ganze Welt an sich vorbeiziehen zu lassen, ohne einen Schritt machen zu müssen.
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Seitenzahl: 81
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Ich schreibe unter dem spinnverwebten Weltalldach
Simon
Je mehr mich das Leben umherschleuderte, gleichsam von mir wegschleuderte, erlebte ich, dass ich das Gefühl bekam, mich wiederum ein bisschen näher kennen gelernt zu haben, paradox, doch das, was bewirkte, dass ich mich verlor, bewirkte, dass ich mich fand, so lösten sich mit der Zeit alle festgefügten Rahmen, alle Eindeutigkeiten in ein Vorläufiges oder gar in ein Nichts auf, in eine Vorstufe, die zu etwas ganz anderem führte, als es gedacht war, ich, Simon der Dichter, schreibe auf, verwerfe, füge zusammen, lockere auf, schleudere weg, hasche nach Wind, erzähle Teilsichten aus meinem Leben, rede von dem, was ich sah, erlebte, mir einbildete, von andern hörte, einst reiste ich, Simon der Dichter, kreuz und quer durch Europa, Marseille, Avignon (und vieles mehr in der Provence), Bordeaux, Paris, Bremen, Hölderlins Tübingen, München, Wien, Kafkas Prag, auf eine Alp im Urner Schächental, ins Elsass, um nur ein paar Destinationen zu nennen, seit etwa zwanzig Jahren bevorzuge ich, Simon der Dichter, die Reisen im Drehfauteuil, mit einem Buch, in einem Buch, ohne zu schwitzen oder mit Touristen in einer Warteschlange zu stehen, schlendere ich durch die Alhambra, besteige den Fudschijama, gondle den Mekong hinunter, streife durch Mexico City oder durch die mythische Stadt Santa Marἱa von Juan Carlos Onetti, Uruguays literarischem grand old man, erlebe Lissabon von José Saramago oder Pascal Mercier, ich reise im Geiste in ein Bauerndorf in der Ukraine oder besteige einen Zikkurat in Babylon, überhaupt ist es herrlich, im Drehfauteuil zu sitzen, eine Pfeife zu rauchen, einen neckischen Rotwein zu trinken, die Füsse hochgelagert, die Kerze brennt vergnügt, durch versunkene Reiche der Hethiter, des Minoischen Kreta, von Assur, durch Kulturdenkmäler des mykenischen Lebens zu zotteln, von der Hochkultur der Mayas zu träumen, auf unterirdischen Flüssen zu fahren, durch Ruinen im aztekischen Palenque zu schlendern, den Fassadenschmuck mit den Masken des Regengotts am nördlichen Gebäude des Nonnenklosters in Uxmal zu bewundern, im Drehfauteuil wird längst Vergangenes Gegenwart, wie herrlich ist es doch, ohne Touristen mit ihren Plumpbäuchen in kurzen Hosen und den ewigen Kameras Sorbas’ Griechenland zu erleben, es ist ein Fest, die ganze Welt, wie sie war und zurzeit ist, an sich vorbeiziehen zu lassen, ohne einen Schritt machen zu müssen, es gibt auch Reisen in den Träumen, die alle so wunderbar oder verteufelt gefährlich sind – und Reisen ins eigene Unterbewusstsein, sofern man einen Schlüssel gefunden hat, um dies zu bewerkstelligen, da gibt es auch Archetypen, auf die zu stossen ein Erlebnis unvergleichlicher Art ist, heute reise ich, Simon, mit Nikos Kazantzakis in den „Felsengarten“, ich habe mir soeben eine neue Pfeife angezündet, das Weinglas gefüllt, schwenkte im Drehfauteuil ein paar Zentimeter nach links und nach rechts, und los geht die Weltreise nach Japan und China, dazu höre ich Pjotr Iljitsch Tschaikowskijs Klavierkonzerte,
fremd bist du mir Sprache Alttagssprache Feuersprache rote kalte Sonnen erfrieren verhüllt und taumelnd fiebrig das ist wahr das Meer das hoffnungsvoll farbveralgte tanzt mit dem Tod bauchnabelanbauchnabelnackt unumstösslich lustvoll gibst du Antwort Sprache? liebst du mich? leugnest du mich? du schweigst? die Wunde glüht Flammen leibgefesselt verfinstern die Stirn in deinen Augen erkennt sich der Dämon die Lust zu sein komm Sprache wir töten uns um uns endlich im Fremden nah zu träumen täuschungslos
du bist nihilistisch schön ich bete dich an Gott als Fülle des Seins des Nichts Schlammfisch in den verkrauteten Gewässern der Nacht Urlust drängt ins Wort in die Welt der Idee ursachlos du bist züngelst mit deinem Körper Lust Primat des Erkennens ich lache du lachst wir lachen wir tasten uns zueinander das Pfeilhechtgebiss lobt Gott und ich psalmodiere deine Erregung vergib mir du befriedigen wir uns zwischenhinein Windblütler Zittergras tun wir nicht so als ob Leben irrtumslos Leben hiesse – fiebern wir uns gegenseitig aus
Wirklichkeit ist nicht von der Täuschung zu trennen
Philosophen sind Menschen die bei Sonnenschein einen Regenschirm aufspannen
man macht sich allzu viel Sorgen über Unnützes, Vergängliches – über die Winde in eines Lebens Auf und Ab, potztausend, warum etwas wichtig nehmen, wenn man weiss, auch das Wichtige dauert nur einen Augenblick, Uneinigkeit, Streit, Zwist, ich nehme mir nicht mehr die Mühe, das ernst zu nehmen, ich, Simon der Dichter, atme ein paar Mal ein und aus und siehe da, all das Bittere ist verflogen und die Süsse hält Einzug, sich Sorgen zu machen über unbezahlte Rechnungen, über abgesagte Begegnungen verweise ich vergnügt ins Trübe, Schwammige, das einen Augenblick später wieder hell und ziseliert, jung strukturiert vor mir liegt, über mürrische, verdriessliche, missgelaunte Miesepeter (o diese Knurrhähne!) muss ich lachen, das Miese ist mir widerwillig – ausser der blau-schwarz beschalten Miesmuschel, die ein Schmaus ist, das Gewoge der Zeitalter und Kulturen, die zyklisch Auf- und Niedergänge kennen, die alle höchstens ein paar Jahrhunderte dauern, sind auch nur ein paar Augenblicke der Geschichte, so wie die Reiche Aufstieg, Reife und Zerfall kennen, besteht das individuelle Leben aus Werden und Vergehen, die Jahreszeiten der persönlichen Existenz sind wunderbar, es ist da ein Blühen, Gesumse, Sichausleben, Sichzurückziehen, wesentlich ist nur das Vergängliche, der Wandel, das Flüchtige, für ein paar Augenblicke im Leben sich der Liebe, der Musik, der Dichtung, der Malerei überlassen, ohne jeden Hintergedanken, einfach so, es sind schwelgerische Momente, und in der Wahrnehmung der Welt bauscht sich das Gefühl, sieht man dankbar die Unendlichkeit der Menagerie, der Morphologie, Wichtlinge überlasse ich ohne zu zaudern sich selbst, sie sollen sich aufblähen, bis sie platzen: gut so!, ich freue mich auf den nächsten Augenblick, was wird er mir bringen?, ein paar Worte der Liebe?, das Flackern der Kerze?, das Rondo aus einem Klavierkonzert von Mozart?, den Telefonanruf eines Freundes?, ein E-Mail einer Freundin?, ich bin sehr gespannt, was passieren wird, gewiss ist, der nächste Augenblick wird niemals so sein wie der vergangene Augenblick, sondern ein Fest des Neuen, ich winke dir zu, Augenblick,
Religion ist die Treppe vom Parterre in den ersten Stock – von den darüberliegenden Stockwerken weiss sie nichts
wir freuen uns uns kennen zu lernen uns zu sehen wir sind ungeduldig ich bin bereit Erwartung singt ich denke du bist schön du kommst wir berauschen uns wie ziehen uns aus wir lieben uns Angst gurgelt Schrecken keimt geil ach wiederum Tod lacht wir sind verloren komm auf keinen Fall mich gibt es nicht
schön bist du wir trinken einander schön bist du wie ein Stern wie eine brennende Fingerbeere schön bist du wie ein Zwergdrachenflosser ich liebe dich ich bete dich an der Wolfseisenhut tanzt eng umschlungen mit der Sumpfkratzdistel diese kleine Sonne schreibt einen Liebesbrief an den grossen Kosmos itzt wird sich ich seuffze zwar alleine gantz vergebends gleich der süsze Thau ergiessen zu dir hin in deine offne Muschel aus der hochgereckten Palme heisze Luszt geheissen du bist schön wie die Leere nach der Verzweiflung
es gibt abkurrlige, schwerenötige, liebende, hassensvolle, schelsüchtige, brandmarkende, betäubte, lüsterne, freiheitsdurchwirkte Beziehungen aller Arten und Unarten zu Menschen, zu Kunstgegenständen, zu Tieren, zu Pflanzen, zu Meeren und Bergen, das Leben schenkt einem eine schier unendliche Palette an nicht zollbaren Möglichkeiten, fern allen Rachgrimms, ich habe viele fragselige vielschattige Beziehungen zu Menschen und zu Büchern, ich liebe es, Gastwirt zu sein und Freundinnen und Freunde bei mir beschmausen zu lassen, ein Fest anzustimmen mit fröhlichen leichtgewichtigen Alberkeiten, wo ein Wort das andere Wort entrollt bei frühlinglicher Musik, die die Seele ergreift, wenn viele Kerzen flackern und nachtmützige scheele Schatten an die Bücherwände werfen, ich liebe das Geheimnisvolle, denn sie verbothschaften eine Welt, die noch nicht verbösert ist durch waglichen Wirrwarr und zitternadlige Verunruhigungen, sondern einmütig mit leichten kristallinen Wahrnehmungen sich auffächert, wie schön ist doch der Zufall eines Menschen, den man bis anhin kaum beachtet hat, und nun erzählt er von den Wundern seines Daseins, davon, dass er die halbe Welt bereist hat, wie er mit glühenden Augen von der St. Hedwigs-Basilika in Berlin, die dem Pantheon in Rom nachgebildet worden ist, von Chartreuse nordöstlich von Grenoble, von Alraunen, einem Fetisch aus dem Kongo, einem Geysir im Yellowstone National Park, einem Eulenfalter erzählt, es ist ein Fest, zu einem Menschen, den man bis jetzt gilblich gegentheils unterschätzt hat, eine neue Beziehung zu finden, das Leben wird für die Künftigkeit gevollmächtigt reicher und interessanter, und die Beziehungen zu Kunstgegenständen machen mich langsichtig, als wäre ich ein Meerschäumer, ein Seeräuber, doch nun lache ich vergnügt, ich, Simon, bin lediglich ein Nebenmensch, ein Mit-dir-gern-leben-Wollender, ich mag die unterschiedlichsten Beziehungen – mit dir, zu dir,
dunkler Atem von Mund zu Mund dunkler Schweisz ich zittre ich lache deine nackte Brust tantzt im Blinden Fleck du bist schön komm bleib geh deine Wimpern sind brennende Galaxien belcanteske Luszt fällt ins Toddunkle ewigs singt das Nichts wir trinken Untergang nun muss ich dich kosen deine Nacktheyt küszen die Zeyten verfliessen die Flüsse sich ins Meer ergieszen inzwischen fallen Städte unter schwebenden Sternen besilbertem Haar o Niobe als wolten die Musen verletzen als solten im Truncke Todtgeweyhte sich ergetzen tantze tantze kleiner Strudelwurm das Weltall ist deyne schweygende Zunge herrlich geyle Zunge grünlich verschlammte Wollkrabben komponieren Auferstehungsfugen Gott schenkt dir Weyn ein lache tantze umarme die Zeyt rast ins Dunckle brennende Weyhrauchstäbchen fingern ins Geschlechtliche tigerdämonrot die Thränen vielarmig der Kusz unendlichschenklig das erregte Schweygen wirf dich weg augenlos fiebert Nacht
die Turbulenzen des Lebens sind mir Anlass zu schweigen
ich glaube an deine Luszt ich singe tantze bete an was du bist was du ausziehst was du mir bringst tödtlich schön ist deine Hüffte schalmeiet dein Arsch mit dir kann ich beten graziler schwacher Gott halt uns in deiner threuen Gluth auf dass wir bleiben umb die Sonnen zu tragen verlass uns nicht in garstger dunckler Mitternacht steh uns bey wenn unglückselge Wangen blassen mach dass ich grimmlos diene auf all deinen Bahnen