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Wenn es heute darum geht, wie Leben gelingen kann, ist in vielen Zusammenhängen immerzu vom Glück die Rede. Doch glücklich ist meist nur der Augenblick – ein zerbrechlicher, kurzlebiger Moment. Das Leben hält für uns aber nicht bloß Sahnestückchen bereit. Wenn wir also nach etwas suchen, das uns dabei hilft, das Leben auch mit seinen schmerzhaften Seiten zu ertragen, ist es besser, den Fokus vom Glück auf den Lebenssinn zu verlagern. Dabei gibt es nicht den einen Lebenssinn für alle. Denn hinter diesem Begriff verbirgt sich ein ganzes Bündel von Faktoren, die beeinflussen, ob wir unser Leben als erfüllt und lebenswert erfahren. Doch so individuell der Lebenssinn auch ist, gibt es einige Aspekte, die in der psychologischen Sinnforschung und in der philosophischen Tradition als wesentliche Bausteine eines sinnerfüllten Lebens gesehen werden. Solche Steine, aus denen man sich getrost sein Lebenshaus bauen kann, hat die Autorin Katharina Ceming in diesem Buch zusammengetragen – ergänzt durch den Mörtel ihrer eigenen Erfahrungen und Einsichten und gewürzt mit einer Prise Humor, die alles im Leben so wunderbar zusammenhält.
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Seitenzahl: 113
Katharina Ceming
Sinn erfüllt
Vier-Türme-Verlag
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Printausgabe
© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2022
ISBN 978-3-7365-0422-6
E-Book-Ausgabe
© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2022
ISBN 978-3-7365-0477-6
Alle Rechte vorbehalten
E-Book-Erstellung: Dr. Matthias E. Gahr
Lektorat: Marlene Fritsch
Covergestaltung: Finken und Bumiller, Stuttgart
www.vier-tuerme-verlag.de
Braucht mein Leben einen Sinn?
Mit der Frage, was ein gelingendes Leben ausmacht, beschäftige ich mich nun schon einige Zeit. Dies war vielleicht einer der Gründe, weshalb ich während der Corona-Pandemie immer wieder gefragt wurde, ob es nicht eine Erkenntnis aus der Philosophie gibt, die uns hilft, gut durch diese Krise zu kommen.
Dazu möchte ich ganz kurz anmerken: Bei aller Liebe zur Philosophie und ihren Erkenntnissen glaube ich nicht daran, dass es im Leben ein Universalrezept für alle Probleme gibt. Dies betrifft insbesondere die Folgen der Pandemie. Es ist ein Unterschied, ob die ökonomische Existenz bedroht ist, die Wohnverhältnisse nicht passen, man unter fehlenden Kontakten, Isolation oder unter den massiven Belastungen von Arbeit und Kinderbetreuung leidet. Viele Ratschläge zur Bewältigung der Folgen dieser Krise setzten bei der Stärkung der eigenen Resilienz an. Doch wenn die pandemiebedingten Probleme eher ökonomischer Natur sind oder die Arbeitskraft eines Menschen überlasten, ist die Stärkung der seelischen Widerstandskraft nicht unbedingt das entscheidende Mittel der Wahl, um etwas zu verbessern. Resilienz und die Fähigkeit zum Perspektivwechsel helfen dort, wo wir uns aufgrund unserer Überzeugungen das Leben schwerer machen, als es ist. Beides ist aber meiner Ansicht nach nicht das passende Werkzeug, wenn es darum geht, Probleme zu beseitigen, die nichts mit der Haltung des Einzelnen zu tun haben, auch wenn es philosophische Richtungen gibt, die das anders sehen. Doch das nur am Rande.
Bei meiner Beschäftigung mit der Frage, was das Leben gelingen lässt, ist mir etwas anderes bewusst geworden: Wir fokussieren uns sehr stark auf das Lebensglück. Doch glücklich zu sein, ist dafür gar nicht so wesentlich. Zumindest dann nicht, wenn Glück für das Gefühl des Glücklichseins steht. Glücklich zu sein ist ein emotionaler Zustand und damit immer etwas Fragiles, denn Zustände kommen und gehen. Wir können sie nicht fixieren. Um diese Art des Glücks zu empfinden, braucht es ein Stimulans, das besser als erwartet ist und welches das sogenannte Lustzentrum im Gehirn aktiviert. Wenn ein solcher Reiz ausbleibt, stellt sich kein neues Glücksgefühl ein. Das Streben nach Glück wird dann zu einer Art Hochleistungssport, denn wir müssen immer mehr Glücksreize erzeugen, um glücklich zu sein.
Doch es gibt noch einen weiteren Aspekt, weshalb ich die Fokussierung auf das Glück nicht immer für hilfreich erachte. Glück ist per definitionem positiv konnotiert. Das Leben hält für uns aber nicht nur Sahnestückchen bereit. Wenn wir nach etwas suchen, das uns dabei hilft, das Leben auch mit seinen schmerzhaften Seiten zu ertragen, ist es vielleicht besser, den Fokus vom Glück auf den Lebenssinn zu verlagern.
Wer heute vom Sinn des Lebens spricht, hört jedoch schnell die Frage: Ja, gibt’s den überhaupt? Ich denke, darauf kann man, ohne rot zu werden, mit Ja antworten, nur gibt es eben nicht den einen, für alle gleichen Sinn. Hinter dem Begriff »Lebenssinn« verbirgt sich ein Bündel von Faktoren, das beeinflusst, ob wir unser Leben als sinnerfüllt und lebenswert erfahren. Sinn ist nichts Statisches. Verändern sich Lebensbedingungen und Lebenssituationen, kann unser Sinngefüge ins Wanken geraten, und wir sind wieder auf der Suche nach dem, was uns trägt und Orientierung gibt.
So individuell der Lebenssinn ist, so gibt es dennoch einige Aspekte, die in der psychologischen Sinnforschung und in der philosophischen Tradition als wesentliche Bausteine eines sinnerfüllten Lebens gesehen werden. Um diese Elemente soll es in diesem Buch unter anderem gehen. Daneben fließen Gedanken und Anregungen aus meiner Arbeit mit Menschen ein, die sich zum Teil beruflich oder aus privatem Interesse immer wieder mit dem Thema »Sinn des Lebens« beschäftigen.
Aber auch wenn Sie persönlich nicht auf der Suche nach dem Sinn des Lebens sind, können Sie sicherlich die ein oder andere Anregung aus diesem Buch für ein gelingendes Leben mitnehmen.
Was bedeutet Sinn überhaupt?
Wenn wir im Alltag davon sprechen, dass etwas sinnvoll ist, dann meinen wir meistens, dass etwas nützlich, notwendig, angezeigt oder zweckmäßig ist. Es erscheint mir zum Beispiel sinnvoll, eine bestimmte Aufgabe sofort zu erledigen, damit ich den Kopf für anderes frei habe. Sinnvoll bedeutet hier so viel wie zweckmäßig. Der Zweck einer Sache liegt nicht in ihr selbst, sondern er ist ein Mittel, um etwas zu erreichen. Wenn ich eine Aufgabe in Angriff nehme, liegt ihr Zweck darin, dass ich zum Beispiel meinen Kopf frei bekommen möchte, um neue Projekte oder etwas anderes angehen zu können. Beim Zweck geht es meistens um ein »um zu«.
Wenn wir vom Lebenssinn sprechen, dann geht es aber weniger um diese Zweckdimension, sondern um Bedeutsamkeit, um etwas, das in uns eine Resonanz erzeugt. Es geht darum, ob wir unser Leben lebenswert finden. Manchmal benutzen wir dafür auch den Begriff sinnvoll. Es ist daher hilfreich, genau hinzuschauen, welche Dimension im Begriff »sinnvoll« anklingt.
Für Albert Camus berührt die Frage nach dem Sinn den Kern der Philosophie. »Sich entscheiden, ob das Leben es wert ist, gelebt zu werden oder nicht, heißt auf die Grundfrage der Philosophie antworten. […] Ob die Erde sich um die Sonne dreht oder die Sonne um die Erde – das ist zutiefst gleichgültig. Um es genau zu sagen: Es ist eine nichtige Frage. Hingegen sehe ich viele Leute sterben, weil sie das Leben nicht für lebenswert halten.« (Camus, Der Mythos des Sisyphos, S. 15)
Die Frage, weshalb dieses Universum existiert oder warum es uns Menschen gibt, berührt ebenfalls die Sinndimension, allerdings ist sie nur aus einer religiösen oder metaphysischen Perspektive heraus zu beantworten. Für das Erleben der Sinnhaftigkeit des eigenen Lebens ist ihre Beantwortung nicht unbedingt ausschlaggebend. Man kann davon überzeugt sein, dass diese Welt nur aufgrund eines göttlichen Willens existiert, und dennoch das eigene Leben als bedeutungslos empfinden. Ebenso kann man überzeugt sein, dass es keinen höheren Sinn im Kosmos gibt, dass es reiner Zufall ist, dass die Menschheit existiert, und dennoch das eigene Leben als sinnhaft erleben.
In der Regel fragen wir nach dem Sinn unseres Lebens, wenn wir das Gefühl haben, dass etwas nicht mehr stimmt, wenn das, was einmal gut lief, ins Stocken geraten ist, oder wenn wir das, was wir tun, nicht als so bedeutungsvoll erleben, wie wir es uns wünschen. Allerdings leiden nicht alle Menschen, die mit der Frage nach dem Lebenssinn nichts anfangen können, unter einer Sinnkrise. In ihrer Sinnstudie fanden Tatjana Schnell, Psychologieprofessorin an der Universität Innsbruck, und ihr Team heraus, dass es sogenannte sinnindifferente Menschen gibt. (Schnell, Psychologie des Lebenssinns, Kap. 9).
Diese stellen sich weder die Frage nach dem Sinn in ihrem Leben noch stolpern sie über eine möglicherweise fehlende Kohärenz oder Bedeutung in diesem. Sie verfügen zudem über keinen guten Selbstbezug und sind nicht bereit, sich für irgendetwas zu engagieren, weil ihnen eigentlich alles egal ist.
Vielleicht führt die Dominanz bestimmter Persönlichkeitsmerkmale dazu, dass sich manche Menschen intensiver mit der Sinnfrage beschäftigen als andere. Doch wenn jemand keine besonderen oder bedeutsamen Lebensziele hat, sagt das noch nichts darüber aus, wie er sein Leben empfindet.
Ich bin davon überzeugt, dass das Auftauchen der Sinnfrage nicht nur individuelle Gründe hat, sondern dass sie von gesellschaftlichen Entwicklungen mit beeinflusst wird. Es gibt Zeiten, in denen die Sinnsuche im gesellschaftlichen Diskurs eine größere Rolle spielt, und solche, in denen sie kaum wahrnehmbar ist. Wenn wir die Zeit nach dem Zusammenbruch des Nationalsozialismus in Deutschland betrachten, dann lässt sich in den 1950er-Jahren eine Abwendung von metaphysischen Ideen und geschlossenen Sinnsystemen beobachten. Nach dem Krieg musste man erkennen, dass die von den Nazis gelieferten sinnstiftenden Ideologien von einem Tag auf den anderen kollabiert waren. Es ging in der Nachkriegsrepublik nicht um Sinn, sondern um Normalität. Die darauffolgende 68er-Bewegung war ein politischer Angriff auf die als verlogen empfundene biedermeierliche Gemütlichkeitskultur, die sich der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit verweigerte. Die damit verbundene Hippiekultur entdeckte Spiritualität und Psychoanalyse, um zu mehr Tiefe, Bedeutung und Sinn zu gelangen.
Mit der Popper- und Yuppikultur sowie dem aufkommenden Neoliberalismus in den 1980er-Jahren verschwand das Sinnthema wieder aus dem öffentlichen Diskurs, bis es Anfang der 2000er-Jahre im Kontext der Beschäftigung mit Spiritualität und Entschleunigung erneut aktuell wurde. Für die Generationen Y und Z ist heute das Thema Sinnerleben und -erfahren gerade im beruflichen Kontext sehr bedeutsam. Keine Generation vor ihnen erhob so sehr den Anspruch, dass Arbeit sinnvoll – im Sinne von sinnhaft – sein soll. Ob Arbeit tatsächlich immer mit Sinn verbunden sein muss, ist eine andere Frage. Ein zu hoher Anspruch an die Sinnhaftigkeit der Arbeit birgt ein relativ hohes Frustrationspotenzial, denn nur wenige Tätigkeitsfelder in modernen arbeitsteiligen Gesellschaften erfüllen die Kategorie »sinnhaft«. Dazu kommt, dass Menschen, die ihre Arbeit als sinnhaft erleben, eher zur Selbstausbeutung neigen, was auf Dauer der psychischen Gesundheit nicht zuträglich ist. (Schnell, Psychologie des Lebenssinns, S. 251)
Es ist zwar schön, wenn wir unsere Arbeit als bedeutsam erleben, aber für ein sinnerfülltes Leben reicht es aus, wenn wir sie nicht als Belastung empfinden. Da sich das Empfinden von Sinnhaftigkeit aus vielen verschiedenen Quellen speist, ist die Arbeit nicht das alles entscheidende Kriterium.
Was unserem Leben Sinn und Bedeutung gibt
Anders als Freude und Glück erzeugt Sinn kein euphorisches Glücksgefühl, sondern ein Empfinden von Stimmigkeit. Sinn selbst können wir gar nicht wahrnehmen, da er kein Gefühl oder eine Eigenschaft von etwas ist. Wir nähern uns der Sinndimension also immer auf Umwegen an. Tatjana Schnell, die sich in ihrer Forschung mit dem Thema Lebenssinn beschäftigt, spricht von vier Faktoren, die für die Sinnerfüllung wesentlich sind: Kohärenz, Bedeutsamkeit, Orientierung und Zugehörigkeit.(Schnell, Psychologie des Lebenssinns, S. 10) Sinnerfüllung meint hier die »grundlegende Erfahrung, dass das eigene Leben sinnhaft und wertvoll ist, dass es sich lohnt, gelebt zu werden« (Schnell, Psychologie des Lebenssinns, S. 9).
Kohärenz bedeutet, dass das, was wir tun, und das, was wir erreichen wollen, mit unseren Werten, an denen wir uns orientieren, übereinstimmt. Ist dies der Fall, empfinden wir unseren Lebensentwurf als stimmig. Wenn Sie eine bestimmte Vorstellung haben, wie Sie Ihr Leben führen möchten, dann werden Sie sich vermutlich Ziele stecken, um Ihre Ideale zu verwirklichen. Damit Sie diese Ziele realisieren können, müssen Sie etwas tun. Wenn Ihr Handeln nun dergestalt ist, dass es Ihre Ziele torpediert, oder Sie Ihre Ziele gar so formulieren, dass Sie dadurch verhindern, Ihrem Ideal näher zu kommen, ist das nicht kohärent.
Bedeutsamkeit meint, wir möchten spüren, dass es nicht egal ist, ob wir etwas tun oder unterlassen. Vieles von dem, was wir im Leben tun, ist zwar wichtig, aber nicht bedeutsam. Die Steuererklärung zu machen, ist wichtig, um Ärger mit dem Finanzamt zu vermeiden, erfüllend ist das nicht. (Es sei denn, jemand ist mit Leib und Seele SteuerberaterIn und erlebt seine Tätigkeit als erfüllend). Dinge, die bedeutsam sind, haben einen Wert für uns. Sie erzeugen in uns eine gewisse Resonanz. Wer sich zum Beispiel ehrenamtlich engagiert und mit seinem Engagement etwas bewirkt, der kann in seinem Tun Bedeutsamkeit erleben.
Orientierung ist eine Art Leuchtturm, der uns auch in schwierigen Zeiten die Richtung weist. Es war eine der Erkenntnisse, die Hannah Arendt in ihrer Auseinandersetzung mit der totalitären Ideologie des NS-Staates beeindruckt hatte, dass diejenigen im Dritten Reich, die sich widersetzt hatten und zum Beispiel Juden halfen, keine Gewissensqualen hinsichtlich ihres Tuns litten. Für diese Menschen war klar, dass die Naziideologie inhuman und damit falsch war und dass es zu ihrem eigenen Handeln, das gegen alle Gesetze des NS-Staates verstieß, keine Alternative gab. Ihr moralischer Orientierungssinn funktionierte. Orientierung speist sich aus den verschiedenen Werten, die uns wichtig sind. Etwas plakativ gesprochen kann man sagen, altruistischere Werte haben eine höhere Sinnkraft als die, die ausschließlich den eigenen Bedürfnissen dienen. Werte wie Autonomie, Risikobereitschaft, Selbstvertrauen, Entwicklung, Leistung, Tatkraft, Freiheit oder Kreativität, die der Selbstverwirklichung dienen, sind wichtig. Wer seine ganze Energie aber nur darauf richtet, beraubt sich anderer wichtiger Sinnquellen im Leben.
Zugehörigkeit