Sorge dich nicht um morgen - Katharina Ceming - E-Book

Sorge dich nicht um morgen E-Book

Katharina Ceming

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Beschreibung

Die Aktualität der Bergpredigt – eine christlich-buddhistische Begegnung

Sorge dich nicht um morgen – lebe in der Gegenwart! In überraschender Ähnlichkeit haben Jesus und Buddha diese Ermutigung und Herausforderung formuliert. Gerade in der Bergpredigt, dem christlichen Grunddokument, geht es um die Überwindung von Egozentrik und Konkurrenzdenken. Vertrauen und Zuversicht sind das Ergebnis, ein Leben in allumfassender Liebe und friedfertiger Gelassenheit. Buddhismus und Christentum sind sich in ihrer Lebenshaltung nahe.

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Inhaltsverzeichnis
 
Kapitel 1 - Christlich-buddhistische Begegnung
War Jesus in Indien?
Jüdischer Zimmermann und indischer Prinz
 
Copyright
Die Quellentexte wurden der aktuellen Rechtschreibung angepasst, auch wenn die zitierte Literatur vor der Rechtschreibreform erschienen ist.
1
Christlich-buddhistische Begegnung
Keine andere Religion erfreut sich seit einigen Jah ren im Westen so großer Sympathien wie der Buddhismus. Sicherlich hat dies auch mit einem seiner charismatischsten Vertreter, dem XIV. Dalai Lama, zu tun. Dennoch ist es mehr als nur der Dalai Lama, was viele Menschen an dieser Religion fasziniert. So wird der Buddhismus oftmals als eine Religion ohne Dogmen oder Zwang empfunden, in der persönliche Einsicht statt blinder Gehorsam gefordert ist. Es ist hier nicht der Ort, das Glaubensverständnis des Buddhismus zu erläutern oder darüber zu entscheiden, ob diese Wahrnehmung tatsächlich den Fakten entspricht. Entscheidend ist vielmehr, dass vielen Menschen im Westen der Buddhismus eine positive, ja sogar heitere Religion zu sein scheint, die einen Weg zu innerer Gelassenheit und damit zu Harmonie und Frieden zu vermitteln weiß.1 Das Christentum hingegen, das sich stets auf die jesuanische Lehre von Nächstenliebe und Friedfertigkeit als seine Grundfeste beruft, bietet heute in den Augen vieler Menschen zur Verwirklichung dieses Anspruchs keinen verständlichen Zugang. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass die jesuanische Lehre sehr stark in ein sittliches Normkonzept gepresst wurde, durch das man das Leben der Gläubigen in eine bestimmte Richtung zu lenken versuchte. Leider wurde bei diesem Vorgehen nicht selten der Wortlaut über den inneren Sinn gestellt, sodass aus dem, was als Anleitung zu einem glückseligen Leben gedacht war, ein rigides Strafsystem wurde.
Um den heilsamen Sinn der jesuanischen Botschaft wieder zu entdecken, kann es hilfreich sein, die Lehre Jesu einmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Auf diese Weise kann ihre ursprüngliche Heiterkeit sowie befreiende und transformierende Wirkung, wie sie besonders in der Bergpredigt zutage tritt, erkennbar werden. Aus diesem Grund wollen wir im Folgenden die Bergpredigt einmal aus einer buddhistischen Perspektive betrachten. Vielleicht wird sich der eine oder andere fragen, ob dieser Ansatz sinnvoll und wirklich hilfreich ist, wo doch die Lehren des Christentums und des Buddhismus fundamental verschieden zu sein scheinen. Unbestritten, es gibt große Unterschiede in den Lehrgehalten der beiden Religionssysteme. Wenn wir jedoch die Intention Jesu und Buddhas betrachten, dann stehen sich beide sehr viel näher, als es die Entwicklungen ihrer Religionen vermuten lassen. Es sei an den oft zitierten Satz des großen katholischen Theologen Romano Guardini erinnert, der schon 1937 erklärte: »Vielleicht hat Christus nicht nur einen Vorläufer aus dem Alten Testament gehabt, Johannes, den letzten Propheten, sondern auch einen aus dem Herzen der antiken Kultur, Sokrates, und einen dritten, der das letzte Wort östlich-religiöser Erkenntnis und Überwindung gesprochen hat, Buddha.«2
Bei einer ›buddhistischen Betrachtung‹ der Bergpredigt geht es nicht darum, gängige Interpretationen, insbesondere der historisch-kritischen Exegese, für überholt oder gar für falsch zu erklären. Dass die Bergpredigt auch ganz unbuddhistisch verstanden und interpretiert werden kann, soll durch die hier vorliegende Interpretation nicht bestritten werden.

War Jesus in Indien?

Anliegen dieses Unterfangens ist es, eine spirituelle Betrachtungsweise der wichtigsten Lehren des Neuen Testaments zu ermöglichen und ein Werkzeug zu bieten, um diese Lehren im Leben anzuwenden und umzusetzen. Schöne Worte, die nicht gelebt werden können, verlieren irgendwann einmal ihren Glanz. Dazu muss Jesus auch nicht zu einem heimlichen Buddhisten oder Yogi gemacht werden, der in der Bergpredigt ein verborgenes yogisches Wissen verkündet, das er während eines vermeintlichen Indienaufenthaltes erwarb, wie dies in verschiedenen esoterischen Publikationen immer wieder zu lesen ist.3
Die Überzeugung, dass Jesus eine Zeit lang in Indien gelebt hat, gründet vornehmlich auf der Darstellung Nicolas Notowitchs, eines russischen Abenteurers, der 1890 durch Indien und Tibet reiste und dort, seiner Aussage zufolge, in einem Kloster ein Buch fand, in dem auf Pāli über das Leben Jesu in Indien berichtet wurde. Demnach habe Jesus 18 Jahre in Indien gelebt und gewirkt, sei aber wegen seiner Popularität mit der dortigen Priesterkaste in Konflikt geraten und deshalb im Alter von 30 Jahren nach Palästina zurückgekehrt.4 Als wenige Jahre später die ersten Wissenschaftler diese Aussagen Notowitchs zu überprüfen versuchten, zeigte sich, dass viele davon nicht stimmten. Zudem versicherte der Abt jenes Klosters, in dem Notowitch angeblich das Buch gelesen hatte, eidesstattlich, dass ein solches Werk nicht existieren würde und er einen Nicolas Notowitch noch nie gesehen habe.
Es soll an dieser Stelle auch nicht entschieden werden, aus welcher Richtung Erzählungen beeinflusst wurden, die sowohl in den Evangelien als auch in der buddhistischen Tradition zu finden sind und offensichtlich das gleiche Thema behandeln.5 Beide Religionen kennen beispielsweise die Geschichte von der Versuchung des jeweiligen Religionsstifters durch das Böse zu Beginn des öffentlichen Wirkens, die Geschichte von der Sünderin, die mit Jesus bzw. Buddha Umgang hat, die vom Opfer der armen Witwe oder die vom ›Verlorenen Sohn‹, um nur einige zu nennen.6 Auch die Erzählung vom Jünger, der über den See läuft und plötzlich unterzugehen droht, weil er Angst bekommt, kennen beide Traditionen. Ist es in der christlichen Version Petrus, der auf dem See Gennesaret zu Jesus läuft und unterzugehen droht, so ist es im Buddhismus ein Schüler Buddhas, der über den Ganges läuft, um zum Meister zu kommen. Als er sich dessen bewusst wird, erschrickt er so, dass er zu versinken droht. In seiner Not wendet er sich in Gedanken an Buddha, der ihn auf diese Weise rettet.7 Obwohl der Buddhismus die ältere Religion ist, so sind dennoch nicht alle buddhistischen Paralleltexte in ihrer verschriftlichten Form älter als die entsprechenden Evangelien texte.8
Lassen wir Jesus und Buddha einfach sein, was sie sind, Brüder im Geist, denen es um das Heil des Menschen ging, das sie beide in einer tieferen Daseinsweise sahen. Um eine ›buddhistische‹ Betrachtung der Bergpredigt verständlich und nachvollziehbar werden zu lassen, ist es notwendig, einige Aspekte im Vorfeld zu klären, die für das Verständnis dieses zentralen Textes der christlichen Tradition wichtig sein können. Dazu zählen die in beiden Religionen zentralen Gedanken von Heil und Heilwerdung des Menschen sowie die Analyse des alltäglichen Daseins als unheilvoll. Das Unheilvolle des alltäglichen Daseins gründet für beide Traditionen darin, dass sich der Mensch gänzlich mit seinem wandelbaren Ego identifiziert und darüber vergisst, dass es eine tiefe Dimension im Leben gibt, die ihn trägt. Doch zunächst soll ein Blick auf das Leben der beiden großen Religionsstifter geworfen werden.

Jüdischer Zimmermann und indischer Prinz

Betrachten wir auf den ersten Blick die Biografien der beiden großen Religionsstifter, dann könnte der Unterschied kaum größer sein. Auf der einen Seite ein jüdischer Prediger aus einfachen Verhältnissen, der mit 33 Jahren hingerichtet wurde, auf der anderen Seite ein Abkömmling der privilegierten indischen Krieger- und Adelskaste, der im hohen Alter von 80 Jahren starb.

Jesus von Nazaret

Jesus von Nazaret wurde nach Berichten des Lukasevangeliums in einer Krippe in Betlehem in Judäa geboren. Mit seiner Mutter und seinem Ziehvater musste er, so der Evangelist Matthäus, nach seiner Geburt vor der Verfolgung des Königs Herodes nach Ägypten fliehen. Wie lange die Familie dort blieb, ist unbekannt. Ebenso wenig wissen wir aus den neutestamentlichen Texten über die Kindheit und Jugend Jesu Bescheid. Dass diese Wissenslücke bereits in der Frühzeit des Christentums als schmerzlich erfahren wurde, zeigt die Fülle von apokryphen Kindheitsevangelien, die in den ersten Jahrhunderten entstanden.
Apokryphe Evangelien nennt man sie, weil sie geheimes oder verborgenes (apokryphes) Wissen verarbeiteten. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und wurde vor allem zur Kennzeichnung gnostischer Schriften verwendet. Später bezeichnete man alle Evangelien, die nicht im Neuen Testament aufgenommen wurden, als apokryphe Evangelien, eben auch die Kindheitsevangelien, obwohl sie gar kein gnostisches Gedankengut beinhalten. 9 In ihnen sind viele Legenden über Jesu Kindheit und Jugend gesammelt, da die Gläubigen daran großes Interesse hatten. So berichtet das Pseudo-Matthäusevangelium zum Beispiel äußerst anschaulich von der Reise der Hl. Familie durch Ägypten.
Am dritten Tag ihrer Reise, während sie weiterzogen, traf es sich, dass die selige Maria von der allzu großen Sonnenhitze in der Wüste müde wurde, und als sie einen Palmbaum sah, sagte sie zu Joseph: »Ich möchte im Schatten dieses Baumes ein wenig ausruhen.« So führte Joseph sie denn eilends zur Palme und ließ sie vom Lasttier herabsteigen. Als die selige Maria sich niedergelassen hatte, schaute sie zur Palmkrone hinauf und sah, dass sie voller Früchte hing. Da sagte sie zu Joseph: ›Ich wünschte, man könnte von diesen Früchten der Palme holen.‹ Joseph aber sprach zu ihr: ›Es wundert mich, dass du dies sagst; denn du siehst doch, wie hoch diese Palme ist, und (es wundert mich), dass du (auch nur) daran denkst. von den Palmfrüchten zu essen. Ich für mein Teil denke eher an den Mangel an Wasser, das uns in den Schläuchen bereits ausgeht, und wir haben nichts, womit wir uns und die Lasttiere erfrischen können.10
Dass diese Texte eine ungeheure Verbreitung hatten, beweist ein Blick in den Koran, wo wir fast die gleiche Geschichte nachlesen können. Offensichtlich ist der Koran von den christlichen Apokryphen beeinflusst.
Dass diese in den verschiedenen apokryphen Evangelien überlieferten Geschichten keine historischen Tatsachenberichte sind, kann man jedoch daran erkennen, dass sie z.T. große Ähnlichkeiten zu Kindheitsgeschichten indischer und orientalischer Götter aufweisen. Besonders deutlich wird dies im Kindheitsevangelium des Thomas, wo Jesus als omnipotenter Kinder-Superstar dargestellt wird, der mit seiner und durch seine Macht sehr drastische Dinge tut.11 Vielleicht gab es für diese Geschichten eine gemeinsame Quelle, derer sich sowohl die indischen als auch die orientalischen Schreiber bedienten und in den jeweiligen Kontext einpassten.
Der einzige Bericht, den wir aus den neutestamentlichen Evangelien über Jesu Jugend haben, ist der, wie er als Zwölfjähriger im Tempel zum Erstaunen der Anwesenden die Schrift auslegt. Vermutlich erlernte Jesus in
 
Copyright © 2009 Kösel-Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH Umschlag: 2005 Werbung, München Umschlagmotiv: getty images Nickolas Rigg
eISBN : 978-3-641-03331-6
 
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