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Die Bestsellerautorin Barbara Büchner unterhält die Leser mit den phantastischen und erotisch-phantastischen Geschichten: Die Nahrung der Toten Black Mill – Die Knochenmühle Der Kastellan von Huttenbrunn Das Geheimnis Die Schrecken der Stille Snakewoman Die Grotten der Lust Die Katzenfrau „Jedes Geheimnis der Seele eines Schriftstellers, jede Erfahrung seines Lebens, jede Eigenschaft seines Geistes wird in seinen Werken groß geschrieben.“ Virginia Woolf
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Barbara Büchner
SNAKEWOMAN
Phantastische Geschichten
Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wären rein zufällig.
Copyright © 2022 dieser Ausgabe by Ashera Verlag
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55592 Desloch
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Covergrafik: pixabay
Innengrafiken: pixabay
Szenentrenner: pixabay
Coverlayout: Annika Dick
Redaktion: Alisha Bionda
Lektorat & Satz: TTT
Vermittelt über die Agentur Ashera
(www.agentur-ashera.net)
Inhaltsverzeichnis
Die Nahrung der Toten
Black Mill – Die Knochenmühle
Der Kastellan von Huttenbrunn
Das Geheimnis
Die Schrecken der Stille
Snakewoman
Die Grotten der Lust
Die Katzenfrau
Die Autorin
Die Nahrung der Toten
Die Toten verlangen nach Nahrung, aber sie erhalten sie nicht. Nur selten findet sich jemand, der das monströse Ritual vollzieht, das ihnen Essen gibt. Gibt, wonach sie am meisten verlangen: das Leben einer jungen Frau.
Es war ein altes Grab mit einer mächtigen Platte, von schwarzen gusseisernen Schnörkeln umfriedet, durch die sich Efeu und Blumen ihren Weg gesucht hatten. Zwei lange Ketten spannten sich zu Häupten und zu Füßen der Grabplatte; silbern schimmernd hoben sie sich – völlig neu – von der schwarzen Marmorplatte mit der tief ausgehauenen goldenen Schrift ab. Auf dieser Platte lag eine junge Frau, nackt, mit geschorenem Schoß, die Augen mit einer schwarzen Seidenbinde verbunden, denn der Anblick dessen, was nachts aus den Gräbern aufsteigt, ist unerträglich. Sie war freiwillig hier, bereit, das Opfer für den Geliebten zu bringen, der seit Tagen unter der schwarzmarmornen Platte lag. Im Leben hatte er ihren Hunger gestillt. Nun war sie bereit, auch den seinen zu stillen.
Sie war voll Leben. Die Glieder prall und weiß, mit runden Armen, Schenkeln und Brüsten, die selbst noch in ihrer gestreckten Haltung füllig erschienen. Es war kalt auf der Marmorplatte, aber sie fror nicht. Das Leben in ihr pulste und wärmte sie. Sie war bereit, ihm von diesem Leben zu geben, genug um sein schwindendes Sein aufzuhalten. Doch sie wusste nicht, dass die Toten die Lebenden nur noch als Fleisch betrachten, nicht als Quelle des Lebens, sondern nur als Nahrung, die sie mit den Zähnen zerreißen und in großen Brocken verschlingen. Das Fleisch der Lebenden stillt ihren Hunger, aber es hält ihr Verschwinden nicht auf. Sie sind satt und doch werden sie immer weniger, werden unaufhaltsam zu Staub. Es lohnt nicht, ihnen Essen geben.
Davon wusste die junge Frau auf der Grabplatte nichts. Sie hatte Träume, in denen ihr Geliebter ins Leben zurückkehrte, wie er gewesen war, in denen ihre Kraft ihn wieder lebendig machte oder ihm wenigstens einen Anschein des Lebens gab, so dass sie ihn noch einmal fühlen konnte. Wie hatte sie seine Nähe genossen! Wie hatte er sie mit Kraft und Leben erfüllt, wenn er seine Essenz in ihren weit geöffneten Schoß ergoss! Dann war es gewesen, als pulste er als ein Ganzes in sie hinein und verdoppelte ihre Existenz mit der seinen. Es war gewesen, als verschlinge sie ihn und nehme ihn in sich auf. Oft hatte sie sich nach diesem Empfinden gewundert, dass er immer noch da war, ein von ihr getrenntes Ganzes, das sein Leben weiterlebte.
Nun war sie bereit, sich in ihn zu ergießen. Sie lag still und erwartungsvoll und sehnte die Mitternachtsstunde herbei, die langsam durch die schwere, stickige Wärme der Nacht heranschlich.
Allmählich regte es sich in den schwarzen Bäumen und Büschen. Wind kam auf, als hauchten Atemzüge aus den zahllosen Gräbern hervor. Da und dort wurde ein heiseres Rascheln laut. Es schien, als ächzten die marmornen Platten, als regten sich die Grabsteine in ihren Verankerungen, während unholdes Leben unter ihnen zu kriechen und zu wimmeln begann, wie Tausendfüßler in einem finsteren Loch. Die Frau spürte eine Bewegung, ein Dasein, das langsam in die schwüle Nacht sickerte, eine Gegenwart, die immer mehr wurde. Dinge, die still liegen sollten, begannen sich zu bewegen. Längst Erstarrtes krümmte sich in ächzenden Bewegungen. Dürres Fleisch faserte und zerfiel, als sich halb vermoderte Körper aufbäumten. Die Aussicht auf Nahrung hatte alle geweckt, die nahe genug lagen, um sie riechen zu können – und eine schaudernde Ahnung erfüllte sie, dass der Geliebte nicht der Einzige sein würde, der seinen Hunger an ihr zu stillen versuchte. Sie machte eine ruckartige Bewegung und hörte das Klirren der Ketten, die sie erbarmungslos festhielten. Nun, wo sie den Pakt geschlossen und das Ritual begonnen hatte, musste sie es auch durchstehen; es gab keinen Ausweg.
Sie lag still und hörte, wie es sich durch die blinde Finsternis bewegte, kriechende Dinge, die sich über den rauen Boden heranwälzten, und Fetzen ihres Daseins hinter sich herschleppten. Halb Knöchernes holperte über den Kies und die Steine, halb Zerfallenes bot seine Kräfte auf, um sich noch einmal zu sammeln. Manche dieser Dinge verloren Teile ihrer selbst, während sie sich heranschoben, und mussten zurückkehren, um das Verlorene aufzusammeln. Andere zerbrachen, als sie sich aufrichteten, und krochen in Stücken weiter, ohne zu wissen, was noch zusammengehörte. Die Frau hörte ihr Knistern und Wispern, das Nachschleifen spröder Lumpen, das Krabbeln und Kriechen, als Dinge, die keine Form mehr besaßen, sich zu Gestalten zu sammeln versuchten. Manche waren nur noch Zähne zum Beißen und Hände zum Greifen, manche entrollten sich in langen Spiralen gelblich vertrockneter Bänder, die durch das wirre nachtschwarze Gras schleiften. Aber allen gemeinsam war der wütende Hunger nach Leben.
Die Frau spürte, wie es sich trocken und staubig an sie heranschob. Gekrümmte Finger, aus ihrem Zusammenhang losgelöste Teile, die sich arm- und beinlos bemühten, die Marmorplatte zu erklimmen. Rollende Schädel, die wie Kugeln hinaufsprangen. Eine wogende Masse von menschlichem Unrat umgab sie, der halb belebt hüpfte und hopste, eine konfuse gierige Masse, die durch tausende Poren das Leben aus ihrem Leib zu saugen versuchte.
Sie starb vor Entsetzen.
Black Mill – Die Knochenmühle
Eine rumänische Volkssage
„Hör mir zu, Windmüller“, sagte der Teufel zu Jozef Mazilescu, „ich kenne dich; du bist kein Hasenfuß und weißt, was gutes Geld wert ist. Willst du ein Geschäft mit mir abschließen? Du brauchst mich nur in jeder Neumondnacht in deiner Mühle mahlen lassen. Dazu genügt mir der vierte Gang, auf den drei anderen Gängen kannst du allezeit mahlen, was du willst.“ Mit diesen Worten ließ er einige klingelnde Goldfüchse über den Tisch rollen.
Das Angebot gefiel dem Müller (der unersättlich habgierig war), und so kamen sie überein. Der Müller mahlte auf drei Gängen das Getreide, das ihm die Bauern brachten, und auf dem vierten Gang der Teufel Pferdehufe und Totengerippe, die er bei Neumond um Mitternacht in einem Karren mit kopflosen schwarzen Pferden anlieferte. War er mit Mahlen fertig, so füllte er alles in schwarze Säcke, die er mitgebracht hatte, band sie ordentlich zu, warf sie auf den Karren und fuhr mit Hü und Hott in die Hölle zurück.
Der neue Teilhaber zahlte pünktlich, und alles wäre in Ordnung gewesen, hätte nicht ein Zufall den Müller neugierig gemacht. Oder war es vielleicht der Teufel selbst gewesen, der ihm eine Falle stellte? Jedenfalls sah Mazilescu eines Tages ein goldenes Körnchen, so groß wie ein Getreidekorn, unter dem Stutzen liegen, aus dem das Mehl in die Säcke rieselte. Als er genauer nachsah, entdeckte er noch eines, und noch eines, und nun wurde ihm klar, dass der Teufel alle diese Totengerippe zu Gold mahlte.
Er sagte aber niemandem etwas davon, sondern eines Nachts, als er allein in der Mühle war, schlich er mit einem Häfen Leim und einem dicken Pinsel hinzu und malte im Inneren auf dem schrägen Boden des Abfüllschachts einen handbreiten, klebrigen Streifen. Und von da an blieben immer viele der kostbaren Körner dort kleben. Der Teufel, dachte Jozef Mazilescu, würde es schon nicht bemerken, denn wenn der goldene Strom anschwoll, verdeckte er die Falle und rauschte darüber hinweg. War der Böse mit seinem höllischen Fuhrwerk verschwunden, kratzte der Müller eifrig die Goldkörner aus dem Stutzen.
So wurde Mazilescu immer reicher, und eines Tages fiel das seinem Weib auf. Sie nahm ihn ins Gebet, und wer kann schon widerstehen, wenn ein solcher Weibsteufel, wie es die Müllerin war, einem Mann sein Geheimnis entreißen will? Nachdem sie ihm recht gründlich das Gesicht zerkratzt hatte, legte Jozef ein Geständnis ab. Die Müllerin zeterte und keifte, sie warf ihm alle Schimpfnamen an den Kopf, die ihr nur einfielen – aber das nicht etwa, weil er mit dem bösen Feind ein Geschäft gemacht hatte, und auch nicht, weil er diesen dabei betrogen hatte, sondern weil er sich mit einem handbreiten Streifen Leim begnügt hatte!