5,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 5,99 €
Wenn's um die großen Gefühle anderer geht, hat Hochzeitsplanerin Sarah alles im Griff. Was ihre eigenen betrifft: völliges Chaos. Bis ihr der charmant-unkomplizierte Hugo begegnet. Zu dem leider eine uncharmant-komplizierte Freundin gehört. Oder doch nicht? Jedenfalls weiß Sarah, dass jetzt endlich mal was passieren muss. Egal, ob mit oder ohne Prosecco ...
So prickelnd wie ein leichter Sommerdrink - eine beschwingte Liebesgeschichte von Bestsellerautorin Katie Fforde.
eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 576
[Cover]
Über das Buch
Über die Autorin
Titel
Impressum
Hinweis
Widmung
Danksagung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Epilog
Wenn’s um die großen Gefühle anderer geht, hat Hochzeitsplanerin Sarah alles im Griff. Was ihre eigenen betrifft: völliges Chaos. Bis ihr der charmant-unkomplizierte Hugo begegnet. Zu dem leider eine uncharmant-komplizierte Freundin gehört. Oder doch nicht? Jedenfalls weiß Sarah, dass jetzt endlich mal was passieren muss. Egal, ob mit oder ohne Prosecco …
Katie Fforde hat bereits zahlreiche Romane veröffentlicht, die in Großbritannien allesamt Bestseller waren. Ihre romantischen Beziehungsgeschichten werden erfolgreich für die ZDF-Sonntagsserie »Herzkino« verfilmt. Katie Fforde lebt mit ihrem Mann, drei Kindern und verschiedenen Katzen und Hunden in einem idyllisch gelegenen Landhaus in Gloucestershire, England.
Offizielle Website: http://www.katiefforde.com/
Katie Fforde
Sommerküsse voller Sehnsucht
Roman
Aus dem Englischen von Barbara Ritterbach
beHEARTBEAT
Digitale Neuausgabe
»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2007 by Katie Fforde Ltd
Titel der englischen Originalausgabe: »Wedding Season«
Originalverlag: Century, London
Für diese Ausgabe:
Copyright © 2010/2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Titelillustration: © Marie Claire Smith/© getty-images/Peter Adams
Umschlaggestaltung: Kirstin Osenau
Datenkonvertierung E-Book:
hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7325-4808-8
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
Dieser Roman ist ein fiktionales Werk. Namen und Figuren sind das Ergebnis der Fantasie der Autorin oder sind fiktiv gebraucht. Jegliche Ähnlichkeit zu realen Personen, lebend oder verstorben, ist rein zufällig.
Für Desmond war unsere Hochzeit die erste, auf der er je war, und er hat sie nicht vermasselt – weder damals noch irgendwann später.In Liebe.
An einer Hochzeit sind immer viele Personen beteiligt. Bei meinen Recherchen zu diesem Buch habe ich eine Menge von ihnen kennengelernt, und ich hoffe, ich habe mich bei ihnen allen persönlich bedankt. Die Personen jedoch, die dafür verantwortlich sind, dass ich dieses Buch überhaupt geschrieben habe, sollen hier öffentlich genannt werden. Das habt ihr davon!
Zunächst Jema Hewitt, die die ganze Idee geboren hat und mir und meiner Tochter fast beigebracht hätte, eine Korsage zu nähen. Es hat riesigen Spaß gemacht.
Zweitens Debbie Evans, Freundin, Nachbarin und Stylistin. Sie macht mir nicht nur zu jeder Tages- und Nachtzeit auf Zuruf die Haare, sie hat mich auch davon überzeugt, dass ein Buch über Hochzeiten ohne eine Stylistin einfach nicht vollständig ist.
Diese beiden sind verantwortlich für die Idee, aber es gab noch andere, die ihre Hände im Spiel hatten.
Sue Trevaskis von Colour Me Beautiful. Sie hat in mir den Wunsch geweckt, auf fremde Leute zuzugehen und zu sagen: »He, Sie müssen dringend was an Ihren Farben tun.« Wie eigentlich die meisten von uns.
Kate Cobb, eine echte Hochzeitsplanerin. Ich habe riesigen Respekt vor dir!
Amanda Grange, Autorin von Mr. Darcy’s Diary und weiteren Publikationen, die mich in Kleidungsfragen beraten hat. Zum Glück hat sie nicht gesagt: »Find es doch selbst heraus!«
Christine Gaunt, Künstlerin und Schneiderin, die in der Umkleidekabine unseres Fitnessstudios ihr Wissen großzügig an mich weitergegeben hat.
Cassie Winters-Pilcher, Personal-Trainerin und Back-Expertin. Ohne sie wäre diese Torte nie entstanden.
Mein Personal-Trainer David »Mac« McKinnon, der nicht nur alles weiß, was man über Diäten und Fitness wissen muss, sondern auch (besorgniserregende) enzyklopädische Kenntnisse über Junggesellenabschiede besitzt.
Ein Buch ist genau wie eine Hochzeit das Produkt vieler beteiligter Personen. Ohne Hochzeit gäbe es keine Braut, und ohne Autor gäbe es kein Buch. Aber allein sähe die Braut am Altar ziemlich traurig aus.
Meine Verleger sind für mich das, was der Bräutigam für die Braut ist. Sie sind inspirierend und inspiriert, fleißig und geduldig und unglaublich hilfreich. Wenn ich verzweifle, machen sie mir Mut und sind dabei auch noch furchtbar nett. Nie sagen sie: »Das ist dein Job, Katie.« Eigentlich sind es viel zu viele, um sie hier alle aufzuzählen. Ich tue es trotzdem.
Im Lektorat sind es Kate Elton, Georgina Hawtrey-Woore, und einige andere, die hart arbeiten, aber nie mit der Autorin essen gehen dürfen. Charlotte Bush und Amelia Harvell, die mich schamlos verwöhnen und mit mir durch dick und dünn gehen (leider meist durch dick). Mike Morgan, der jedes Jahr mehrere Autotouren mit mir unternimmt. Rob Waddington, Oliver Malcolm, Jay Cochrane und Trish Slattery, die meine Bücher so erfolgreich in den Markt drücken. Claire Round und Louisa Gibbs im Marketing. Und Richard Ogle und die Grafikabteilung, die so wunderbare Umschläge gestalten.
Und schließlich die geduldige Richenda Todd, ohne die ich ziemlich blöd dagestanden hätte.
Allen bei AM Heath, Sara Fisher, der süßen Sarah Molloy, Bill Hamilton und dem restlichen Team: danke!
Und jetzt lasst uns Reis werfen!
Sarah stand am Kirchhofstor und genoss den perfekten Sommermorgen. Es war Juni, die Sonne schien, der Tag versprach, herrlich zu werden. Die Kirche war ein Schmuckstück aus altenglischen Zeiten. Sie stand mitten auf einem perfekt geschnittenen Rasen, umgeben von alten, mit Moos bewachsenen Grabsteinen und gestutzten Eiben. Tautröpfchen glitzerten in der Sonne. Als Sarah Sukie, die Floristin, entdeckte, die bereits seit Sonnenaufgang hier war, beruhigten sich ihre Nerven etwas. Alles würde gut werden, und zwei Jahre Arbeit würden nun endlich entlohnt.
In diesem Augenblick kam eine Gestalt hinter einem Grabstein hervorgesprungen. Sarah schrie auf. »Hugo! Du Widerling! Wie kannst du mich so erschrecken!« Langsam fand ihr hämmerndes Herz seinen normalen Rhythmus wieder. Niemand griff sie an, jedenfalls niemand Fremdes. »Eine Sekunde lang dachte ich, es wäre Halloween.«
Hugo, groß, blond und zerzaust, machte auf Sarah immer den Eindruck, als käme er gerade aus dem Bett – und zwar nicht aus seinem eigenen.
Er grinste. »Sarah, du bist süß – auf dich zu verzichten, wäre ein echtes Fastenopfer«, antwortete er gedehnt.
Sarah lächelte. Hugo war einer der besten Fotografen, die sie kannte. Sie frotzelten ständig herum, aber sie legte größten Wert darauf, ihm nicht näherzukommen und ihr Verhältnis rein professionell zu halten.
»Anscheinend haben wir beide die Jahreszeiten ein bisschen durcheinandergebracht.«
»Hauptsache, wir haben den richtigen Tag erwischt. Perfekt, oder?«
Sarah nickte. »Du wirst noch begeisterter sein, wenn du erst die Braut siehst. Sie ist wunderschön.«
»Wie steht’s mit den Brautjungfern?«
»Zwei süße kleine … na ja, Engelchen nennen wir sie erst, wenn wir wissen, wie sie sich benehmen. Und ein großes, um die zwei kleinen in Schach zu halten. Traumhafte Kleider.«
»Und die Familien? Irgendwelche Besonderheiten? Wie sieht es mit den Eltern des Brautpaars aus? Ehen noch intakt?«
»Ja. Bei manchen Leuten scheinen die Beziehungen zu funktionieren.« Sie lächelte und tat, als scherzte sie.
Hugo grinste. »Glaubst du etwa nicht an die Liebe fürs Leben?«
»Nicht wirklich. Deshalb finde ich ja auch, dass die Hochzeit so rauschend wie möglich sein muss.« Sie zeigte auf die perfekte Szenerie um sie herum. »Es könnte irgendwann die einzige schöne Erinnerung sein.«
Hugo betrachtete den Tau, der sich auf seinen frisch polierten Schuhen gesammelt hatte. »Wenn die Leute, die dich engagieren, wüssten, dass du so denkst …«
»Das brauchen sie ja nicht zu wissen. Für sie ist nur wichtig, dass ich ihnen eine romantische Location besorge und einen Fotografen, der sich darum kümmert, dass alle gut aussehen.«
Er lachte. »Also, gibt es etwas, was ich wissen muss?«
Sarah überlegte kurz. »Eigentlich nicht. Die Brautmutter hat eine Menge Energie in die Vorbereitungen gesteckt und ist nun sehr darauf bedacht, dass nichts schiefläuft. Ein klassischer Fall also. Ich bin sicher, sie wird deinem Charme sofort erliegen.«
Sarah verstand nie, wieso sie die Einzige war, die genau wusste, dass Hugos Charme eine wesentliche Voraussetzung für seinen Erfolg war. Aber sie musste gestehen, dass sie für eine Hochzeitsplanerin verdammt abgeklärt war. Aus gutem Grund. Sie machte diesen Job erst seit ein paar Jahren, und schon zwei der von ihr so perfekt organisierten Hochzeiten hatten auf direktem Weg zur Scheidung geführt. Eine sogar schon acht Monate, nachdem das strahlende Paar in einer Wolke aus getrockneten Rittersporn-Blüten in die Flitterwochen gestartet war. Fünf von den sechs Mädels aus ihrer Schulklasse, die in der Sekunde, als sie fünfundzwanzig geworden waren, geheiratet hatten, lebten inzwischen wieder getrennt. Und dann war da noch das Ehe-Debakel ihrer Schwester – von ihrem eigenen gebrochenen Herzen, das inzwischen etwas genesen, aber noch längst nicht geheilt war, ganz zu schweigen (was sie auch vorzugsweise tat). Kein Wunder, dass Sarah fand, lebenslanges Glück sei die seltene Ausnahme von der Regel.
»Tja, dann werde ich mich mal ein wenig umschauen.« Hugo schien von Sarahs Gedanken nichts zu ahnen. »Mal sehen, ob ich einen schönen Hintergrund für ein paar intimere Aufnahmen finde.«
Sarah verdrehte die Augen. »Versuch bitte, Grasflecken auf den Kleidern zu vermeiden! Das gibt jedes Mal Theater!«
Er nickte, doch sein Blick gab ihr zu verstehen, dass er ihre Bitte zwar vernommen hatte, ihr aber nicht unbedingt nachkommen würde.
»Bei dir beklagt sich ja niemand.«
»Weil ich nun mal der Beste bin«, antwortete er ungerührt.
Und weil das so war und sie beide das wussten, gab sie sich geschlagen. »Ich fahre jetzt zurück zum Hotel, vergewissere mich, dass alle da sind, die da sein sollen, und verscheuche die, die dort nichts zu suchen haben.« Sie runzelte die Stirn. »Ich bin immer noch nicht sicher, ob es nicht besser gewesen wäre, den Empfang bei der Braut zu Hause zu machen. Es ist traumhaft dort. Doch es war ihnen zu viel Aufwand, deshalb wollten sie lieber ins Hotel. Das Hotel ist natürlich auch super. Aber was das alles kostet!« Sarah hob die Hände. »So, ich muss los.«
Sie wandte sich ab und spürte Hugos Blick im Rücken. Hoffentlich verlangte er auf der Jagd nach dem perfekten Foto von den Brautjungfern nicht, sich an bemooste Grabsteine zu lehnen und sich die Kleider auf ewig zu ruinieren! Sarah seufzte. Normalerweise gelang es ihr eigentlich ganz gut, Leute dazu zu bringen, das zu tun, was sie wollte. Bloß bei Hugo hatte sie immer das Gefühl, auf taube Ohren zu stoßen.
Auf dem Weg zu ihrem Auto überlegte sie, ob Ashlyn zu den Bräuten gehörte, die den Champagner schon vor der Hochzeit öffneten und aus dem Vormittag, der eigentlich der Vorbereitung diente, einfach eine Fortsetzung der Junggesellinnenabschiedsparty machten. Aber vermutlich würde ihre Mutter das verhindern. Ein Glas für jede nach dem Frisieren und Schminken, das war genug!
Als Sarah ins Hotel kam, bahnte sich gerade eine Tragödie an. Alle waren wie gelähmt, anstatt sich darum zu kümmern, die Braut anzuziehen.
Ashlyn saß in Chemise, French Knickers und Strümpfen am Ankleidetisch. In der Hand hielt sie ein Handy, Zornestränen brachten die falsche Art von Glanz in ihre Augen. Elsa, die Schneiderin, die darauf wartete, ihr in das Kleid zu helfen, das im Moment noch an der Tür hing, betrachtete ausgiebig ihre Fingernägel und zupfte sich Flusen von ihrer schwarzen Hose.
Auch Bron, die für Haare und Make-up zuständig war, hatte sich zurückgezogen. Ashlyns lange Haare waren zur Hälfte hochgesteckt, die andere Hälfte hing herab, und mit ihrem hektischen SMS-Getippe hatte sie fast ihre French-Maniküre ruiniert. Das Make-up musste ohnehin erneuert werden.
»Was ist los?«, fragte Sarah erschrocken. Offenbar spielte sich vor ihren Augen gerade ein Drama ab.
Eine Sekunde war es totenstill, dann zischte die Braut: »Meine verfickte Brautjungfer hat mich sitzengelassen.«
Der Schock breitete sich im Raum aus wie Staub nach einer Explosion. Sarah hatte Ashlyn noch nie so ein Wort in den Mund nehmen hören. Nach kurzem Überlegen fand sie, dass es zutreffend war.
»Oh nein!« Sarah schloss die Augen und fragte sich, wie um alles in der Welt zwei niedliche Dreijährige ohne eine sie begleitende erwachsene Brautjungfer zurechtkommen sollten.
»Oh doch!« Ashlyn entblößte ihre frisch gebleichten Zähne. »Sie findet ein Wochenende mit ihrem neuen Lover spannender als die Hochzeit ihrer besten Freundin!«
»Das ist so mies«, murmelte Bron und grübelte, wann sie wohl mit ihrer Frisur weitermachen konnte.
»Dieser Kuh habe ich ein Wellness-Wochenende im Barnstable Spa spendiert! Das hat ein Vermögen gekostet!«, ereiferte Ashlyn sich weiter. »Und das Kleid hat Mummy ihr auch bezahlt!« Elsa, die außerdem für die Outfits der Brautjungfern zuständig war, zuckte zusammen. »Na, wenigstens kann ich ihr hässliches Hochzeitsgeschenk jetzt gegen was Anständiges umtauschen.« Triumphierend sah Ashlyn in die Runde.
Bron witterte eine Chance. Vorsichtig näherte sie sich mit Kamm und Haarnadeln, um ihr alle Schwerkraft negierendes Werk an Ashlyns superglatten Haaren fortzusetzen. Elsa entspannte sich ebenfalls etwas, und Sarah sagte: »Wir kommen auch ohne sie wunderbar klar. Poppy ist sicher in der Lage, dir am Altar den Blumenstrauß abzunehmen. Wir bitten einfach deine Schwägerin, ihn dann von ihr zu übernehmen. Mach dir keine Sorgen.«
Ashlyn seufzte tief. »Ich hätte wissen müssen, dass man sich nicht auf sie verlassen kann. Als wir klein waren, hat sie sich mal auf mein Meerschweinchen gesetzt. Das habe ich ihr nie verziehen.«
Nach einer kurzen Schweigesekunde zu Ehren des toten Meerschweinchens räusperte Bron sich. »Also, wenn ich dann mit deinen Haaren weitermachen könnte … Wir haben schließlich nicht den ganzen Tag Zeit.« Sie lachte krampfhaft, und Sarah fragte sich, ob ihre Augen heute Morgen ein wenig geschwollen aussahen. Aber vielleicht bildete sie sich das nur ein.
Elsa hörte auf, an ihrer Hose herumzuzupfen, und wartete geduldig darauf, dass ihre Nähkünste zum Einsatz kamen. Ashlyns Mutter hatte auf ihrer Anwesenheit bestanden, damit sie notfalls noch einmal Hand an das Kleid der Haupt-Brautjungfer legen konnte, denn sie war auch zur letzten Anprobe nicht erschienen. Wie es jetzt aussah, würde Elsa wahrscheinlich nur gebraucht werden, um die Häkchen an Ashlyns Kleid zu schließen und sie davon zu überzeugen, dass das Brautkleid viel besser fiel, wenn sie statt der French Knickers, die sie sich extra für diesen Tag gekauft hatte, gar nichts darunter trug. Alternativ hatte sie einen String-Tanga in der Tasche.
In diesem Augenblick flog die Tür auf. Die Brautmutter kam herein. »Alles in Ordnung, Darling?«
Wieder war es totenstill. Niemand wollte Überbringerin der Botschaft sein, die der Brautmutter den Freudentag ruinieren würde. Schließlich wagte es Ashlyn. »Fulvia hat abgesagt. Sie wollte lieber mit ihrem Freund nach Paris fahren.«
Mrs. Lennox-Featherstone schrie. Nicht sehr laut, aber es reichte, um ihren Ehemann zu alarmieren. Besorgt streckte er den Kopf zur Tür herein.
»Alles okay bei euch?«
»Nein«, zischte seine Frau zurück. »Diese Schlampe, die wir zum Skilaufen mitgenommen haben, hat einfach abgesagt.«
Sarah begriff, dass nun der Moment gekommen war, in dem sie als Hochzeitsplanerin gefordert war. »Kein Problem, Mrs. Lennox-Featherstone. Wir kriegen das auch ohne sie hin.«
»Ich habe für dieses Kleid ein Vermögen bezahlt«, schimpfte die Mutter ihrer Kundin weiter. »Über zweitausend Pfund! Das ist eine Menge Geld, finde ich!«
Elsa zuckte erneut zusammen. Dabei war es schließlich weder ihre Schuld, dass das Kleid nun nicht getragen würde, noch, dass das Aufsticken der Perlen so verdammt viel Arbeit gewesen war. So was hatte nun mal seinen Preis.
»Ist schon gut, Mum«, rief Ashlyn beschwichtigend. Jetzt, da ihre Mutter sich so aufregte, hatte sie sich wieder im Griff. »Elsa kann es anziehen. Sie und Fulvia haben dieselbe Größe, und im Gegensatz zu Fulvia ist sie eine echte Freundin.«
Elsa schnappte nach Luft. »Aber, Ashlyn, ich …«
»Klar bist du das«, beharrte Ashlyn, als hätte Elsa dieser Feststellung widersprochen. »Du hast mich damals beruhigt, als Bobby und ich diesen schrecklichen Streit hatten. Und wir hatten schon so viel Spaß zusammen! Weißt du noch, dieser super Tag, an dem wir die Stoffe ausgesucht haben. Oder als wir …«
»Stehen Sie mal auf, damit ich Sie anschauen kann«, rief Mrs. Lennox-Featherstone. Offenbar war sie nicht der Ansicht, dass jetzt der geeignete Zeitpunkt für Erinnerungen war. »Warum tragen Sie eigentlich Schwarz? Das ist überhaupt keine Farbe für Sie. Es macht Sie so blass. Also, ziehen Sie das Kleid über, damit wir sehen können, wie Sie darin aussehen. Ist schon okay, Donald«, rief sie durch die Tür. »Du kannst wieder gehen. Es ist alles unter Kontrolle.«
»Äh, ich kann das Kleid nicht anziehen«, sagte Elsa.
»Wieso nicht? Wir wissen doch, dass es passt«, widersprach Ashlyns Mutter.
»Weil ich mir irgendwie falsch darin vorkomme. Ich bin doch gar nicht Ashlyns wirkliche Brautjungfer.« Sie warf Sarah einen um Hilfe flehenden Blick zu.
Sarah ignorierte es. »Ich überlege gerade, was wir mit Fulvias Eltern machen. Sie kommen doch auch zur Hochzeit.« Unter diesen Umständen konnte sie sie unmöglich in der Nähe des Brauttischs platzieren.
»Ich glaube nicht, dass sie etwas von den Eskapaden ihrer reizenden Tochter wissen«, bemerkte Mrs. Lennox-Featherstone spitz. »Obwohl sie damit rechnen mussten, als sie sie damals auf dieser drittklassigen Schule angemeldet haben. Die verlassen doch alle mit einer Eins in Unzuverlässigkeit.«
Sarah fand, dass es nun endgültig an der Zeit war, das Kommando zu übernehmen. »Also«, erklärte sie, »es ist eine Schande, dass Fulvia uns einfach sitzengelassen hat. Aber wie ich bereits sagte, wir kommen auch ohne sie klar.«
»Und ob«, antworteten Ashlyn und ihre Mutter wie aus einem Munde.
»Es ist ja nicht nur so, dass das Kleid ein Vermögen gekostet hat«, jammerte Mrs. Lennox-Featherstone dessen ungeachtet weiter. »Ohne Haupt-Brautjungfer sehen auch die Fotos so unvollständig aus.«
»Hugo ist ein brillanter Fotograf«, meinte Sarah. »Ich kann Ihnen versichern, dass …«
»Ich will Elsa«, beharrte Ashlyn wie ein Kind kurz vor einem Trotzanfall. »Sie ist mir viel lieber als diese beschi…« Sie warf einen kurzen Blick auf ihre Mutter und korrigierte sich hastig, »diese bescheuerte Fulvia.«
»Na, dann werden Sie wohl einspringen müssen«, meinte Mrs. Lennox-Featherstone zu Elsa. »Wenn die Braut das möchte, kriegt sie ihren Wunsch erfüllt.« Sie lächelte dünn.
»Ich kann nicht«, wiederholte Elsa, die sich offensichtlich immer unbehaglicher fühlte.
»Sie wollen Ashlyn doch nicht etwa den schönsten Tag ihres Lebens verderben, oder?«
»Natürlich nicht«, versicherte Elsa. »Aber es ist eine echt große Sache, Brautjungfer zu sein. Das sollte eine Freundin machen, mit der Ashlyn schon ihr Leben lang zusammen ist, nicht eine, die sie gerade erst kennengelernt hat …«
»Ich kenne dich seit fast zwei Jahren«, unterbrach Ashlyn sie. »Ich finde dich nett, und bisher hast du auch noch keins meiner Haustiere umgebracht.«
Elsa versuchte zu lachen. »Das nicht, aber …«
»Bitte!«, quengelte Ashlyn. »Ich möchte es so gern.«
»Ich kann nicht.«
»Wieso nicht?« Ashlyns Mutter schien ein Nein als Antwort nicht zu akzeptieren.
»Ich kann einfach nicht.«
»Und wieso nicht?«, wiederholte Ashlyn, die ganz auf ihre Mutter kam.
»Wegen meiner Achseln«, antwortete Elsa schließlich verzweifelt.
»Was ist mit deinen Achseln?« Ashlyn zog ihre perfekt geformten Brauen zusammen.
»Ich habe sie nicht rasiert. Jedenfalls nicht in den letzten Tagen …« Verlegen sah sie in die Gesichter der Frauen ringsum, die sie völlig entsetzt anstarrten.
»Kein Problem«, meinte Bron schließlich. »Ich habe Einmalrasierer dabei.«
Mrs. Lennox-Featherstone, die wie alle anderen die ganze Zeit auf der Kante des Doppelbettes gesessen hatte, sprang erleichtert auf. »Elsa, mir ist völlig klar, dass wir eine Menge von Ihnen verlangen. Aber heute ist ein ganz besonderer Tag für Ashlyn. Wir haben ihn zwei Jahre lang vorbereitet. Bitte helfen Sie uns.«
Elsa sah ihre Kundin nachdenklich an. Sie wusste selbst am besten, wie lange die Vorbereitungen für diese Hochzeit gedauert hatten. Es war ihr erster richtig großer Auftrag, und sie hatte nicht nur viel Mühe, Schweiß und Arbeit investiert, sondern auch eine Menge Herzblut.
»Wir wären Ihnen alle so dankbar.« Mrs. Lennox-Featherstone legte die Hand auf Elsas Schulter.
Elsa schluckte. Gegen diese flehende Bitte war sie machtlos.
»Okay«, willigte sie schließlich ein. »Aber nur unter der Bedingung, dass Ashlyn nicht diese Unterhose trägt«, fügte sie trotzig hinzu.
»Was stört dich denn an meiner Unterhose?«, fragte Ashlyn beleidigt. »Sie ist aus echter Seide. Bobby findet sie bestimmt toll.«
»Das kann ja sein, aber sie zeichnet sich unter deinem Kleid ab, an den Oberschenkeln. Das zerstört die Linie. Ich habe einen String dabei, wenn du nicht ganz ohne gehen willst.«
Ashlyns Mutter sah ihre Tochter entrüstet an. »Darling, ich finde, du solltest etwas anziehen. Du kannst doch nicht ohne Unterhose in die Kirche gehen.«
»Ist mir ganz egal«, antwortete Ashlyn. »Hauptsache, Elsa willigt ein, meine Brautjungfer zu sein.«
»Also gut«, meinte Sarah entschieden. »Elsa, du gehst jetzt ins Bad, duschst und rasierst dich! Mrs. Lennox-Featherstone, Sie gehen in Ihr Zimmer und ziehen sich an, damit Bron Sie frisieren kann. Und Ashlyn, du hältst jetzt endlich still, damit Bron mit deinen Haaren fertig wird und sich um dein Make-up kümmern kann.«
»Lasst uns eine Flasche Champagner aufmachen!«, rief Ashlyn, als ihre Mutter aus dem Zimmer und Elsa mit Handtuch und Rasierer im Bad verschwunden war. »Ich hab extra ein paar Flaschen in die Minibar gestellt.«
Sarah wollte wirklich Nein sagen. Sie wusste, dass es für alle Beteiligten fatal wäre, zu diesem Zeitpunkt die Übersicht zu verlieren. Aber die ganze Aufregung hatte sie geschwächt. Sie brauchte ja selbst nichts zu trinken, doch den anderen würde ein Schluck gut tun. »Also gut, wenn es unbedingt sein muss.«
»Kannst du uns bitte eine Flasche öffnen?« Die Braut warf ihr einen flehenden Blick zu.
Sarah seufzte. »Okay, du holst die Gläser, Bron.«
Wenig später hielten alle eine Champagnerflöte in der Hand, und plötzlich fand auch Sarah die Idee gar nicht mehr so übel. Schon der Anblick des perlenden Getränks hatte eine beruhigende Wirkung.
Elsa wusste, dass es ein Fehler war, sich komplett unter die Dusche zu stellen. Aber das herabprasselnde Wasser fühlte sich so herrlich an. Im Bad standen wunderbar duftende, teure Pflegeprodukte, und Elsa hatte beschlossen, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Ihr Einsatz kostete sie viel mehr Überwindung, als alle ahnten, da hatte sie es sich verdient, sich wenigstens mit einer ausgiebigen Dusche zu belohnen. Außerdem funktionierte die Dusche zu Hause in ihrem Apartment, das ihr auch als Atelier diente, nicht annähernd so gut. Sie blieb so lange wie möglich unter dem Wasserstrahl stehen.
Schließlich kehrte sie sauber und mit unbehaarten Achseln ins Zimmer zurück. »Vielleicht hätte ich mir die Haare nicht waschen sollen«, sagte sie entschuldigend.
Bron, die Ashlyn inzwischen eine kunstvolle Hochsteckfrisur gemacht hatte, die ihren schönen Blondton noch besser zur Geltung brachte, schaute auf. »Kein Problem.« Dann widmete sie sich wieder der strassbesetzten Tiara, die sie auf der Haarpracht befestigte, und vergewisserte sich noch einmal, dass auch wirklich keine Nadel zu sehen war und kein Hurrikan das Kunstwerk zerstören konnte.
»Zufrieden?« Erwartungsvoll sah sie die Braut im Spiegel an.
»Großartig«, bestätigte Ashlyn. »Ich sehe aus wie Claudia Schiffer, oder?«
»Viel besser.« Sarah lachte. »Wenn du dich jetzt bitte still in ein Eckchen setzen könntest, damit Bron sich um Elsa kümmern kann?«
Elsa setzte sich in ihrem Bademantel vor den Spiegel und verzog das Gesicht. Sie hasste es, sich die Haare machen zu lassen und sich stundenlang im Spiegel gegenüberzusitzen.
Bron stand hinter ihr und hob ein paar Strähnen hoch. »Eine sehr schöne Farbe«, lobte sie.
»Danke«, murmelte Elsa.
»Deine Haare sind in einem sehr guten Zustand. Ich überlege nur gerade … Wir haben nicht viel Zeit zum Hochstecken. Was hältst du von einem ganz neuen Styling?«
»Dauert das nicht viel länger?« Elsa sah sie skeptisch an. Eigentlich hatte sie für heute schon genug Aufregung.
Bron schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall. Hochsteckfrisuren dauern eine Ewigkeit. Schneiden und Föhnen geht viel schneller, und ich bin sicher, es sähe super aus.«
»Und was ist dann mit dem Kopfschmuck?«, fragte Ashlyn. Sie hatte sich in einen Sessel ans Fenster gesetzt und blätterte in einer Zeitschrift. »Den muss sie unbedingt tragen.«
»Kein Problem. Was denkst du, Elsa?«
Elsa hatte keine Lust zu denken. »Macht, was ihr wollt. Ich vertraue euch einfach.«
»Gute Idee.« Bron nahm den Kamm zur Hand.
Elsa saß am Ankleidetisch und versuchte, ihr Spiegelbild nicht anzuschauen. Es war ihr Job, schöne Stoffe in elegante Falten zu legen und die Hochzeitskleid-Träume junger Frauen wahr werden zu lassen, aber sie hasste es, selbst zurechtgemacht zu werden. Der Inhalt ihres Kleiderschranks bestand im Wesentlichen aus schwarzen Hosen und schwarzen Oberteilen. In Schwarz fühlte sie sich am sichersten.
Brons Hände drehten ihren Kopf behutsam hin und her. Sie kämmte und schnitt, und Elsa schaute immer noch nicht hin. Es war genau wie mit der Dusche vorhin: Ein neuer Haarschnitt würde die bevorstehende Prozedur ein wenig erträglicher machen.
Elsa hatte noch nie gern im Mittelpunkt gestanden. Das war schon zu Schulzeiten so gewesen, als sie bei jeder Gelegenheit rot geworden war und alle sie deshalb gehänselt hatten. Sie wurde immer noch schnell rot, wenn auch nicht mehr so stark, aber die Angewohnheit, sich möglichst unauffällig zu verhalten, war geblieben.
Während des Arbeitens redete Bron auf Elsa ein und lobte weiter den guten Pflegezustand ihrer Haare. »Es hat aber auch wirklich eine schöne Farbe«, wiederholte sie.
»Findest du nicht, ich sollte mir ein paar Strähnchen reinmachen?«
»Nein. Es ist so ein schönes kräftiges Braun. Strähnchen würden da nur stören.«
»Ach.« Elsa schwieg wieder, während Bron weiter schnitt und kämmte.
»So, jetzt kommen wir zum Make-up«, verkündete Bron. »Du kannst die Augen jetzt zulassen.«
»Hast du denn Haareschneiden und Schminken gelernt?«, fragte Elsa.
»Eigentlich nicht. Ich habe mal als Stylistin für eine Fernsehgesellschaft gearbeitet, danach habe ich mich selbstständig gemacht. Eines Tages ist meine Visagistin nicht aufgetaucht, also habe ich den Job einfach mitgemacht. Ich hatte ja schon oft zugesehen. Natürlich ist es viel besser, wenn man beides anbieten kann.«
»Dann bist du also selbstständig? Ich dachte immer, du bist in einem Salon angestellt.«
»Das bin ich inzwischen auch. Ich würde gern wieder selbstständig arbeiten, doch das ist eine Frage des Geldes.« Und eine des Partners, dachte sie bei sich, sprach es aber nicht laut aus. »So, jetzt schau dich mal an«, meinte sie einen Moment später.
»Du meine Güte! Ein Pony?«
»Ich hätte dich vielleicht fragen sollen, aber ich hatte Angst, du könntest Nein sagen.«
»Ich erkenne mich ja kaum wieder. Meine Augen sehen so riesig aus. Kommt das von der Schminke?«
Bron schüttelte den Kopf. »Ich habe nur ganz wenig Eyeliner und einen Hauch Lidschatten aufgetragen.«
Elsa starrte die Fremde vor sich im Spiegel an. Sie sah viel jünger und schicker aus.
»Wow!«, entfuhr es Sarah. Sie warf der neuen Brautjungfer einen anerkennenden Blick zu. »Das sieht ja unglaublich aus. Schau dir nur deine Wangenknochen an!«
»Du siehst wirklich sensationell aus«, bekräftigte Ashlyn. »Da kann man richtig neidisch werden.«
»Erstaunlich, was so ein neuer Haarschnitt ausmacht«, meinte Bron. »So, jetzt zum Kopfschmuck. Hast du den selbst gemacht?«
»Eine Freundin von mir. Ich kann das zwar auch, doch ich hatte so viel mit den Kleidern zu tun, dass ich sie gebeten habe, das für mich zu übernehmen.«
»Und wie befestigt man so etwas? Ah, ich sehe, mit kleinen Kämmchen. Hoffentlich hält es! Deine Haare sind so glatt, vielleicht brauche ich noch ein paar Clips.« Zufrieden betrachtete Bron ihr Werk. »Du siehst einfach göttlich aus!«
Seit ihrem dritten Lebensjahr hatte Elsa niemand mehr gesagt, sie sehe göttlich aus. Aber sie musste selbst zugeben, dass sie sich gefiel. Ihr normales tägliches Schönheitsprogramm bestand aus Zähneputzen und einem Klecks Feuchtigkeitscreme. Umso überraschter war sie, als sie sich jetzt so geschminkt sah. Ihre Augen wirkten riesig, mit langen dichten Wimpern; ihre Haut schimmerte leicht, ihre Lippen wirkten voller. »Wow, ich sehe wirklich super aus – und nur ein bisschen wie ein Reh, das plötzlich im Scheinwerferlicht steht. Vielen Dank!«
Bron lachte. »Wenn du mir einen Gefallen tun willst, zieh das Kleid an. Es wird Zeit. Sarah schaut schon auf die Uhr.«
Elsa war noch nicht auf vielen Hochzeiten gewesen, und eine Hauptrolle hatte sie dabei erst recht noch nie gespielt. Sarah, Ashlyn und ihre Mutter hatten ihr zwar erklärt, was sie zu tun hatte, aber irgendwie hatten die Informationen sich widersprochen. Jetzt saß sie zusammen mit den beiden kleinen Brautjungfern und einer ihrer Mütter in einem Oldtimer, der sie in die Kirche bringen sollte. Da Elsa das ausladendste Kleid trug, saß sie mit der kleinsten Brautjungfer auf der einen Bank, während die anderen beiden gegenüber Platz genommen hatten.
»Sie haben ein sehr schönes Kleid an«, sagte die Mutter der kleinen Brautjungfer. Soweit Elsa mitbekommen hatte, hieß sie Pam. »Haben Sie es selbst genäht?«
»Ja, ich habe alle Kleider genäht.«
Pam seufzte tief. »Es ist einfach himmlisch.«
Elsa lächelte unsicher. Das Kleid war tatsächlich schön geworden. Es war eine etwas schlichtere Version des Brautkleides in einem zarten Pistazienton mit leuchtend roten Stickereien.
Das Mieder war ganz eng auf Figur geschnitten, was exaktes Zuschneiden und Nähen erfordert hatte. Es war ein riesiger Glücksfall gewesen, dass sie die gleiche Figur hatte wie Fulvia, die abtrünnige Brautjungfer, denn die war so gut wie nie zur Anprobe erschienen. Elsa hatte daher an sich selbst Maß genommen, unterstützt von einer kichernden Freundin und einer Flasche Wein. Am oberen Rand des Mieders befanden sich Stickereien mit winzigen funkelnden Strasssteinchen. Das Kleid hätte ebenso gut ein perfektes Brautkleid abgegeben, und Elsa hatte sich über den ausgefallenen Geschmack und die Großzügigkeit der Brauteltern gewundert.
»Es muss ein Vermögen gekostet haben«, meinte Pam.
Elsa nickte. »Das hat es auch. Es hat Stunden gedauert, die vielen kleinen Steinchen zu befestigen. Zum Glück waren die Kleider von Poppy und Amanda nicht ganz so aufwändig.« Sie lächelte den beiden kleinen Mädchen zu, die stolz zurücklächelten. Sie trugen schlichte Kränze aus frischen Blüten auf dem Kopf, die zum Glück nicht in Elsas Zuständigkeit gefallen waren. Die Floristin Sukie, ein hübsches Mädchen mit Jeans und breitem Grinsen im Gesicht, hatte sie im Hotel abgegeben, ehe sie weitergefahren war, um die Kirche zu schmücken.
»Sieht aus, als könnten wir endlich starten«, meinte Pam. »Ashlyn steigt gerade mit ihrem Vater ins Auto. Ich hoffe, dass er sie ein bisschen beruhigen kann. Haben Sie auch Vanessas Kleid genäht?«
»O ja, und das war, ehrlich gesagt, ziemlich schwierig.« Mrs. Lennox-Featherstone hatte den schweren Seidenstoff für ihr Kleid aus Singapur mitgebracht. Er war höllisch schwer zu verarbeiten gewesen.
»Sie müssen ja ein Vermögen verdient haben.«
»Wie man’s nimmt.« Elsa hatte tatsächlich eine Menge Geld bekommen, aber sie war nicht reich davon geworden. Schließlich hatte sie fast zwei Jahre an den Kleidern genäht.
»Dann macht es Ihnen also nichts, als Brautjungfer einzuspringen? Wenigstens können Sie Ihre eigenen Kreationen tragen.«
»Na ja.« Elsa zuckte mit den Schultern. »Ehrlich gesagt fühle ich mich in meinen schwarzen Hosen wohler.«
»Super Frisur übrigens.«
Elsa wurde rot.
Elsa hatte ausreichend Zeit, die Rückansicht von Ashlyns Kleid zu bewundern. Die Arbeit daran war ziemlich kompliziert gewesen. Diese vielen Falten und Biesen, Perlen und Bänder waren ihr erst ein wenig übertrieben vorgekommen. Aber Ashlyn hatte darauf bestanden, und im Nachhinein musste Elsa zugeben, dass ein wunderschöner Effekt entstanden war.
Überhaupt war die gesamte Hochzeit traumhaft. Sarah hatte Wunder gewirkt. Sie hatte sogar einen Kirchenchor aus dem Ort engagiert. Die Lieder klangen harmonisch, und niemandem fiel auf, dass die meisten sie nicht kannten.
Trotzdem war Elsa angespannt. Es war ihr unangenehm, das Kleid einer Kundin zu tragen, auch wenn sie es vorher ein paar Mal anprobiert hatte. Mit Grauen dachte sie an die späteren Fotoaufnahmen und an den Empfang im Hotel. Sie fühlte sich einfach unwohl. Ob es so ähnlich war, als übernachtete man in seinem eigenen Gästezimmer? In einer Zeitschrift hatte sie gelesen, dass man selbst mal in seinem Gästezimmer schlafen sollte, um sich zu vergewissern, dass es auch gemütlich war. Vielleicht war das ja beim Tragen der eigenen Modekreationen ähnlich. Erst dann zeigte sich, ob ein Kleid tatsächlich perfekt saß. Sie sollte das Ganze einfach als wichtige Erfahrung verbuchen.
Endlich war die Zeremonie vorüber. Der Organist stimmte die Toccata von Widor an, dann kam der Moment des Auszugs für Brautpaar und Brautjungfern. Bitte schaut nur auf die süßen Kleinen, nicht auf mich!, flehte Elsa im Stillen.
Aber das Schicksal hörte nicht zu. Die Kleinen wurden von ihren stolzen Eltern aufgehalten, und so kam es, dass Elsa die Einzige war, die hinter dem Brautpaar hinausmarschierte. Verunsichert schaute sie starr vor sich hin und versuchte, möglichst natürlich auszusehen. Meine Güte, ihr war nie klar gewesen, wie schwierig es war, in so einem Kleid zu laufen!
Dann begann die Fotografiererei. Elsa hatte keine Ahnung, wie sie sich verhalten sollte. Wollten sie überhaupt, dass sie mit auf den Fotos zu sehen war? Sie konnte sich doch nicht einfach als Fremde neben die süßen kleinen Nichten und die alten Familienfreunde stellen, oder? Außerdem hasste sie es, fotografiert zu werden, seit sie als Kind mal mit offenem Mund abgelichtet worden war.
»Äh … Sie da, Sie, die Brautjungfer, wie heißen Sie? Auf meinem Zettel steht Fulvia, aber das scheint nicht zu stimmen.« Hugo, der Fotograf, lächelte sie an.
»Ich bin eigentlich gar nicht die Brautjungfer«, antwortete Elsa. »Ich meine, ich bin eigentlich nur die …«
»Doch, sind Sie wohl«, widersprach Mrs. Lennox-Featherstone energisch. »Sie sind unsere Haupt-Brautjungfer. Also sagen Sie Hugo, wie Sie heißen.«
Am liebsten wäre Elsa geflüchtet, um sich nicht ablichten lassen zu müssen. Aber zum einen war sie dazu viel zu feige, und zum anderen wollte sie niemandem den Tag verderben. »Ich heiße Elsa«, antwortete sie gehorsam.
»Gut zu wissen«, ertönte eine männliche Stimme hinter ihr. »Ich bin Laurence. Sozusagen Ihr Komplize.«
Elsa wirbelte herum. Sie hatte ohnehin schon ein schlechtes Gewissen, ohne dass jemand auch noch solche Dinge sagte.
»Der Trauzeuge«, erklärte ein großer Mann lächelnd. Er war nicht unbedingt attraktiv, wirkte aber sehr selbstsicher. Vermutlich deshalb, weil er nicht für jemanden eingesprungen war.
»Oh, hi! Ich bin eigentlich gar nicht die Brautjungfer«, sagte sie zum gefühlt hundertsten Mal. »Ich trage nur das Kleid.«
»Und was für ein hübsches«, rief Hugo dazwischen. »Wenn Sie jetzt mal aufhören könnten, sich an diesen Pfeiler zu quetschen, damit ich Sie und das Kleid richtig sehen kann, würde ich gern ein Foto von Ihnen beiden …«
Elsa gab auf. Sie hatte jetzt jedem erzählt, dass sie nicht die wahre Brautjungfer war, doch es schien niemanden zu interessieren. Also beschloss sie, einfach das zu tun, was man von ihr erwartete. Sie stellte sich brav neben Ashlyn und nahm dann ein Glas gekühlten Orangensaft entgegen, den Sarah verteilen ließ.
»Hier geht es wirklich sehr zivilisiert zu«, lobte Laurence. »Letztes Jahr war ich auch Trauzeuge bei einer Hochzeit. Es war brütend heiß, und wir mussten stundenlang in der Hitze stehen, bis die Knipserei endlich vorbei war. Eine Frau ist damals sogar umgekippt.«
Sarah, die in der Nähe stand und sich vergewisserte, dass sie genügend Orangensaft geordert hatte, hörte es und sagte: »Wenn die Gäste nicht so durstig sind, stürzen sie sich später beim Empfang auch nicht gleich auf den Alkohol. Oh, ich fürchte, ich stehe im Weg.«
Hugo hatte die Leute der Reihe nach geschickt in Gruppen arrangiert und dazu gebracht, ein freundliches Gesicht zu machen. Selbst ein Hund, ein heller Labrador, der Sarah immer wieder zwischen den Beinen herumlief, hatte posiert. Elsa war überrascht. Hugo machte so einen lässigen Eindruck, aber wenn es darauf ankam, schien er sehr durchsetzungsfähig zu sein.
»Das soll fürs Erste reichen«, verkündete Hugo, und alle entspannten sich. Dann schoss er noch ein Foto.
»Mist!« schimpfte Ashlyn. »Ich hatte gerade den Mund weit auf.«
»Aber Sie haben doch wunderschöne Zähne. So, jetzt geht’s zum Empfang. Dort werde ich Sie alle noch mal zum Foto bitten.«
Elsa sah, dass Ashlyn ein süßes Schmollmündchen aufsetzte, und wünschte sich, sie könnte das auch. Aber offenbar war das eine Fähigkeit, die einem angeboren sein musste.
»Kommen Sie.« Laurence ergriff ihren Arm. »Ich nehme Sie mit zum Empfang.«
»Sie müssen sich doch bestimmt um jemand anderes kümmern«, wehrte Elsa ab. »Schließlich bin ich nur unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hier.«
»Keineswegs. Ich bin für Sie zuständig. Glauben Sie mir«, beharrte er, als sie immer noch zögerte. »Ich war schon häufig Trauzeuge.«
»Tatsächlich?« Sie sah ihn interessiert an. »Wie kommt das denn? Haben Sie so viele Freunde?«
»Überhaupt nicht. Aber ich trinke nie, deshalb überreden die Bräute ihre Männer immer, mich als Trauzeugen zu nehmen. Denn ich verliere garantiert keine Ringe, mache den Bräutigam am Vorabend der Hochzeit nicht betrunken oder, noch wichtiger, fessele ihn nicht splitternackt an einen Laternenpfahl.«
Elsa kicherte. »Und wahrscheinlich verdrehen Sie auch den Brautjungfern nicht den Kopf, oder?«
Er lachte. »Das ist den Bräuten nicht so wichtig. Ganz im Gegenteil. Denn das würde ja bedeuten, dass der Bräutigam das nicht tun muss.«
»Das heißt dann also, dass ich in Ihrem Auto nicht sicher bin?«
»Sie sind völlig sicher. Man nennt mich auch ›Laurence, den Zuverlässigen‹.«
»Na, das ist ja nett.«
»Nein, ist es nicht. Es ist stinklangweilig. Aber so ist es nun mal. Also, sollen wir gehen?«
Als Elsa Laurences Auto sah, fragte sie sich, ob die Bezeichnung wirklich zutreffend war. Es war ein klappriger alter Morgan, in dem Laurence schon allein kaum Platz hatte, geschweige denn Elsa und ihr Kleid.
»Ich glaube, ich nehme doch lieber ein Taxi«, meinte sie.
»Kommt nicht infrage. Ich habe große Erfahrung darin, solche Sahnetorten-Kleider in mein Auto zu quetschen.«
»Das ist kein Sahnetorten-Kleid«, protestierte Elsa. »Es ist ein wunderschönes, elegantes Kleid, das dazu noch ein Vermögen gekostet hat.«
»Mein Auto auch. Vertrauen Sie mir.«
Elsa folgte seinen Anweisungen und stellte zu ihrem Erstaunen fest, dass sie und ihr Kleid tatsächlich perfekt in den Morgan passten.
»Sie scheinen ja wirklich sehr geübt zu sein«, sagte sie und achtete darauf, dass der teure Stoff ja nicht in der Tür hängen blieb.
»Und ob. Sie glauben gar nicht, wie oft ich bei solchen Gelegenheiten schon den ganzen Pulk alter Tanten nach Hause gefahren habe.«
»Ist ›Pulk‹ der richtige Sammelbegriff für alte Tanten?«
»In einem ganz bestimmten Fall ja. Ich musste sie damals sturzbetrunken zum Bahnhof bringen. Kein sehr erbauliches Erlebnis, glauben Sie mir.«
Elsa lachte. »Sie sollten einen Beruf daraus machen. Sarah – das ist die Hochzeitsplanerin – kann Ihnen sicher einen Job besorgen.«
Laurences Blick machte deutlich, dass er das für keine sehr gute Idee hielt. Er startete den Wagen. »Ich habe noch ein anderes Leben, wissen Sie.«
»Oh, tut mir leid, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.«
»Schon gut, das weiß ich ja. Aber die Vorstellung, das hier für Leute zu machen, die ich gar nicht kenne, ist ein Albtraum.«
»Oh.« Elsa hatte plötzlich das Gefühl, eine Belastung für ihn zu sein.
Laurence schaute kurz über die Schulter, ehe er auf die Straße bog. Dann tätschelte er ihr Knie. »Keine Sorge. Ich bin nicht so gutmütig, wie die meisten Leute denken. Ich tue nichts, was ich nicht tun möchte.«
Also.« Ashlyn schaute erwartungsvoll in die Runde, als schließlich alle in der großzügigen Lobby des Hotels versammelt waren. »Wer geht mit mir aufs Klo?«
Sarah sah Elsa an. In ihrer kurzen, aber intensiven Karriere als Hochzeitsplanerin war diese Frage bisher noch nicht aufgetaucht. Manchmal kam es ihr zwar so vor, als verlangten ihre Kundinnen die absurdesten Dinge von ihr, doch so weit war noch keine gegangen. »Das ist definitiv Aufgabe der Brautjungfer.«
»Aber …« Elsa sah sich Hilfe suchend nach Laurence um. Er war nirgends zu entdecken. Wahrscheinlich war er gerade in der Herrentoilette, wo ihn die Vorstellung von einer meterlangen Tüllschleppe nicht im Geringsten belastete.
»Ich würde das natürlich auch machen«, meinte Mrs. Lennox-Featherstone, »aber gleich kommen ungefähr eine Million Gäste, um die ich mich kümmern muss. Gott, da sind schon die ersten«, murmelte sie. »Ich hatte gehofft, wir hätten mindestens fünfzehn Minuten Vorsprung. Ah, Daphne, wie schön, dass du da bist. Was für ein entzückender Hut! Die Braut muss sich noch mal schnell die Nase pudern, ehe sie euch begrüßen kann.«
»Tja, ich darf ja leider nicht auf die Damentoilette«, meinte Bobby und spielte mit den Handschuhen, die zu seinem geliehenen Outfit gehörten. Die Brautmutter hatte nämlich darauf bestanden, dass alle Männer Cuts trugen. »Ich würde dir liebend gern das Kleid hochhalten.«
»Du meine Güte! Ich platze gleich!« Ashlyn raffte ihre Röcke und rannte in Richtung Damentoilette. Elsa, die das Kleid jeden Abend nach der Arbeit sorgfältig abgedeckt hatte und nicht mit ansehen konnte, wie es jetzt über einen schmutzigen Fußboden schleifte, lief hinter ihr her. Dazu musste sie Fulvias Schuhe ausziehen, die ihr mindestens zwei Nummern zu groß waren, und ihre eigene kürzere Schleppe hochhalten.
Sarah griff nach Elsas Schuhen und lief ebenfalls hinterher. Ihr war inzwischen klar geworden, dass es eigentlich nicht Elsas Aufgabe war, Ashlyn den Rock hochzuhalten, während die ihr Geschäft verrichtete. Es wäre etwas anderes, wenn Elsa tatsächlich die Brautjungfer gewesen wäre, aber sie hatte ihnen schließlich nur aus der Patsche geholfen und verdiente jetzt Unterstützung.
Auf der Damentoilette fackelte Ashlyn nicht lange. Sie warf einen kurzen Blick in die extrem enge Kabine. »Hier, fang auf!«, rief sie. »Häng sie einfach über die Wand zur nächsten Kabine. Ich verstehe nicht, wieso diese Klos so winzig sind. Sie haben hier doch ständig Hochzeiten. Ich werde mich beschweren.«
Sarah hoffte nur, dass sie nicht von ihr verlangte, einen höflichen Brief an die Hotelleitung zu schreiben und zu erklären, dass die Ausmaße der Toilettenzellen es den Bräuten kaum möglich mache, sich zu erleichtern. Sie dachte kurz nach.
»Elsa, ich klettere nebenan aufs Klo, dann kannst du mir die Schleppe rübergeben, damit wir sie über die Abtrennung hängen können.«
Elsa quetschte sich zu Ashlyn in die Zelle, dann zerrten sie die Schleppe gemeinsam nach oben. »Gut, dass ich nicht vorher gewusst habe, welch entwürdigende Prozedur meiner Kreation bevorsteht«, seufzte sie.
»Was?«, fragten die anderen. Sarah wollte sich gerade umdrehen, und Ashlyn wollte ihren String runterziehen. Beide sahen Elsa überrascht an.
»Na ja, ich habe einfach noch nie darüber nachgedacht, dass man in so einem Kleid auch pinkeln oder sich in altertümliche Sportwagen quetschen muss.«
Ashlyn kicherte. »Hat Laurence dich in seinem Morgan mitgenommen? Netter Typ, oder? Auf den ersten Blick keine Schönheit, aber supersüß. Könnt ihr jetzt mal weggucken, Mädels? Ich glaube, die Tür kriege ich nämlich nicht mehr zu.«
»Ich finde, du solltest …«, begann Sarah.
»Zu spät«, rief Ashlyn. »Ah, jetzt geht’s mir besser.«
»Ich habe dich vor dem Champagner gewarnt«, meinte Sarah und hielt den Blick abgewandt.
»Das war nicht der Champagner.« Mit einem Flitschen zog Ashlyn ihren String wieder hoch. »Es war das Wasser, zu dem du mich anschließend gezwungen hast, damit ich keinen Kater kriege. So, jetzt lasst uns zu den anderen zurückgehen.«
»Äh, Moment noch«, rief Elsa. »Ich muss auch mal, und meine Schleppe ist auch ganz schön lang. Jetzt, da wir die Technik einmal draufhaben … Ich verspreche euch auch, dass ich die Tür schließe«, fügte sie hinzu.
Einige Stunden später saß Elsa am Tisch des Brautpaars und fühlte sich ein wenig beruhigt. Sie hatte Laurence, dem Trauzeugen, in groben Zügen die Wahrheit gestanden, die Brauteltern kannten sie sowieso, und den Eltern des Bräutigams war sie gleichgültig. Die Reden waren fast vorbei, und die Anspannung legte sich allmählich.
»Das war eine schöne Rede«, lobte sie, als Laurence sich wieder hinsetzte. »Du warst kein bisschen nervös.«
»Tja, nach den ersten paar Hochzeiten gewöhnt man sich daran, dass alle Leute einen anstarren«, antwortete er und füllte ihr Glas auf. Für jemand, der keinen Alkohol trank, war er ziemlich geschickt mit der Weinflasche.
Elsa dachte kurz nach. »Ist das so? Ich glaube, ich würde mich nie daran gewöhnen. Dabei sagt meine Mutter auch immer, dass man sich nur einbildet, dass alle einen ansehen. In Wirklichkeit tun sie das gar nicht.«
Er lachte leise. »Saß sie denn jemals als Brautjungfer am Tisch des Brautpaars?«
Elsa schüttelte den Kopf. »Ich glaube, nein. Aber ich werde sie das nächste Mal, wenn sie das sagt, fragen.«
»Siehst du deine Eltern oft?«
Elsa nickte. »Ich wohne praktisch in meinem Schneider-Atelier, und immer wenn ich mal etwas mehr Bequemlichkeit, einen Garten oder ein gutes Essen brauche, fahre ich nach Hause. Meine Eltern wohnen nicht weit entfernt.« Sie überlegte kurz, ob es bei Laurence wohl gut ankam, dass sie ständig zu Mama und Papa fuhr.
Er schien ihre Gedanken zu erraten. »Das braucht dir nicht unangenehm zu sein.«
Sie sah ihn an. »Es klingt ein bisschen merkwürdig, dass eine Frau in meinem Alter nach Hause fährt, um im Garten zu spielen, oder?«
»Na, so alt bist du ja auch noch nicht. Dreiundzwanzig, würde ich schätzen.«
»Sechsundzwanzig«, korrigierte sie.
Er schien überrascht. »Diese Frisur macht dich aber jünger.« Als er sah, dass Elsa rot wurde, wechselte er schnell das Thema. »Erzähl mir, wie es ist, in einem Atelier zu wohnen.«
Elsa lehnte sich zurück. »Na ja, ich kann mir keine zwei Mieten leisten. Also hat mein Dad mir geholfen, eine Ecke eines Lagerhauses – genauer gesagt, eines Stockwerks eines Lagerhauses – zu einer kleinen Wohnung umzubauen. Mit Schlafzimmer, Küche und Wohnzimmer. Und einem Bad natürlich auch.«
»Ist es denn sehr eng?«
Elsa schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Ich kann das Wohnzimmer mit dem Atelier verbinden, wenn ich möchte. Meine Eltern sagen immer, es wäre ideal für eine große Party.«
»Feierst du häufig Partys?«
»Nein. Ich bin eigentlich kein Partygirl. Vielleicht liegt es daran, dass ich Einzelkind bin und gut mit mir allein sein kann.«
»Hast du dich denn nie einsam gefühlt?«
Sie dachte kurz nach. »Ich glaube, nicht. Auf jeden Fall kann ich mich nicht daran erinnern, dass mir mal langweilig war. Aber es hat dazu geführt, dass ich mich ungern mit vielen Leuten in großen Räumen unterhalte.«
»Ich verstehe, wie du das meinst. Mir ist es auch lieber, mich mit wenigen Leuten in Ruhe zu unterhalten.«
Elsa trank an ihrem Wein. Sie mochte Laurence. Es machte Spaß, mit ihm zu reden, und sie schienen eine Wellenlänge zu haben.
»Wusstest du eigentlich«, begann er, »dass Gäste, die an ihrem Tisch niemanden kennen oder mögen, sich Geschichten über die Leute am Brauttisch ausdenken?«
»Das ist ja schrecklich. Woher weißt du das? Ich dachte, du wärst immer nur als Trauzeuge auf Hochzeiten.«
Er lachte. »Nicht immer. Heute ist erst mein dritter Auftritt als rechte Hand des Bräutigams.«
»Immer nur die rechte Hand, nie der Bräutigam selbst?«
Elsa hatte das nur so dahingesagt. Umso überraschter war sie, dass er seufzte, ehe er antwortete. »Tja.«
Sie hatte sofort ein schlechtes Gewissen und legte die Hand auf seinen Arm. »Sorry, ich wollte dir wirklich nicht zu nahe treten.«
Er lachte galant. »Das mit dem Zu-nahe-Treten kommt gleich erst, wenn wir tanzen. Bei der letzten Hochzeit, auf der ich Trauzeuge war, war die Braut meine Ex.« Er lächelte traurig. »Ich habe dir ja gesagt, dass die Bräute mich immer als Trauzeuge aussuchen.«
Elsa nickte. »Gott, wie schrecklich. Wie absolut schamlos. Wie konnte sie dir das antun? Und wie konntest du es aushalten?«
Er zuckte mit den Schultern. »Es hat natürlich wehgetan, zumal ich damals immer noch verliebt in sie war. Das war auch der Grund, weshalb ich ihr den Wunsch erfüllt habe.«
Elsa schluckte. »Wie nett von dir.« Wenn sie jetzt nicht aufpasste, würde sie noch anfangen zu heulen. Sie war entweder übermüdet oder hatte zu viel getrunken.
»Kein Grund, sentimental zu werden«, meinte Laurence. »Inzwischen bin ich über sie hinweg.«
»Gott sei Dank!«
Er zog die Augenbrauen hoch, und seine Lippen zuckten.
»Ich meine natürlich, Gott sei Dank für dich«, sagte sie hastig. »Mir persönlich ist das egal.« Nervös trank sie einen Schluck Wasser.
»Ist schon okay.« Ihr Unbehagen schien ihn zu amüsieren. »Ich weiß schon, wie du das meinst.« Er sah sie forschend an. »Was ist mit dir? Ist das heute dein erstes Mal? Oder bist du schon vielen Freundinnen zum Altar gefolgt?«
Elsa schüttelte den Kopf. Dabei fiel ihr der Pony in die Augen, und sie strich ihn zur Seite. »Nein. Ich war noch nie Brautjungfer. Und ich hatte vorher auch nicht viel Zeit, mich auf meine Rolle einzustellen.«
»Dann kennst du Ashlyn gar nicht gut?«
»Doch, das schon. Wir haben uns, wie gesagt, bei den Anproben für das Kleid ganz gut kennengelernt.«
»Du bist doch hier, weil die Braut dich darum gebeten hat«, stellte Laurence fest. »Völlig rechtmäßig. Also, wie sieht’s aus? Kannst du tanzen?«
»Tanzen? Wie meinst du das?« Elsa war entsetzt. Verlangte er jetzt von ihr, einen Quickstepp zu tanzen, so wie Ginger Rogers? Dass er Discotanzen meinte, konnte sie sich jedenfalls nicht so richtig vorstellen.
»Tut mir leid, ich wusste nicht, dass das so eine schwierige Frage ist. Ich wollte nur wissen, ob du Walzer tanzen kannst. Ich fürchte, wenn Ashlyn und Bobby den Tanz eröffnet haben, müssen wir auch auf die Tanzfläche. Aber eigentlich brauchst du gar nicht tanzen zu können. Du musst dich nur führen lassen.«
»Das klingt nicht sehr romantisch.«
»Es soll auch gar nicht romantisch klingen. Ehrlich gesagt bin ich der prosaischste Trauzeuge, den man sich vorstellen kann. Im Ernst.«
»Ich denke, du heißt Laurence.« Sie lächelte.
Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Anscheinend habe ich dir zu viel zu trinken gegeben.«
»Das hast du tatsächlich. Ich wollte nur einen Witz machen, weil immer alle behaupten, ich sähe das Leben viel zu verkrampft.« Elsa seufzte. Sie wünschte nur, sie wäre auch ohne Alkohol witzig und schlagfertig.
»Das sagt man mir auch nach.«
Sie glaubte ihm nicht so recht – schließlich hatte er ein ziemlich schräges Auto. Aber sie widersprach ihm nicht. »Dann passen wir ja perfekt zusammen.«
Er nickte. »Offenbar gibt es doch noch glückliche Zufälle.«
»Wie meinst du das?«
»Ach, schon gut.« Er zögerte, ehe er weitersprach. »Die Bräute achten zwar genau auf die Auswahl des Trauzeugen, aber bei den Brautjungfern sind sie meist nicht so wählerisch.«
Jetzt musste Elsa lachen. »Ich bin sicher, Fulvia hätte dir gefallen. Sie ist sehr hübsch. Doch leider ist sie in Paris.«
»Ich kenne Fulvia«, antwortete er. »Sie ist in der Tat sehr hübsch. Aber nicht besonders sympathisch.«
»Nein?«
»Nein. Hübsch, aber völlig hirnlos. Und humorlos noch dazu.«
Es überraschte Elsa, so etwas aus dem Mund eines Mannes zu hören. Sie hatte immer geglaubt, eine gute Figur und ein hübsches Gesicht wären alles, was zählte. Aber sie verstand, was Laurence meinte. In ihrem Job hatte sie schon häufig mit Bräuten zu tun gehabt, die extrem hübsch waren, doch ansonsten eher schwierig. Ashlyn war da eine absolute Ausnahme. Anstrengend, aber witzig und geradeheraus. »Oh. Nun, ich hoffe, ich enttäusche dich nicht.«
Er lächelte. »Ganz und gar nicht.«
»Hm.« Elsa runzelte die Stirn. »Du bist sehr höflich, oder?«
»Ja. Dafür bin ich bekannt. Also, wie ist es? Kannst du nun tanzen?«
Sie fragte sich kurz, ob das Umhertänzeln in ihrer Werkstatt als Tanzen zählte. »Ein bisschen. Aber vielleicht ist es am besten, wenn du mich führst.«
»Es ist mir ein Vergnügen.«
Elsa lachte. »Ich nehme an, wenn man so ein altes Auto fährt, muss man sehr flexibel sein.«
Er nickte und lächelte: »So ist es. Ich bin gespannt, ob Ashlyn in diesen Schuhen auch auf der Tanzfläche eine gute Figur macht.«
Ein Schreck durchfuhr sie. »Oh, Gott, meine Schuhe! Sie sind mir mindestens zehn Nummern zu groß!«
»Tatsächlich?«
»Na ja, sagen wir, zwei. Auf jeden Fall kann ich darin nicht tanzen. Du musst dir eine andere Partnerin suchen.«
»Zieh sie doch einfach aus. Dann lebt Fulvia also auf großem Fuß?«
»Nein«, antwortete Elsa. »Ich lebe auf kleinem Fuß. Das ist eine meiner wenigen guten Eigenschaften.«
Laurence sah sie von der Seite an. »Das würde ich nicht so sehen.«
Vermutlich war das ein Kompliment. Da Elsa damit nicht umgehen konnte, ignorierte sie es einfach. Sie war eben nicht gut im Flirten.
In diesem Augenblick schoben sich Ashlyn und Bobby an ihnen vorbei. Die Band spielte den von ihnen ausgewählten Eröffnungstanz, und sie drängten auf die Tanzfläche.
Voller Bewunderung schaute Elsa ihnen beim Tanzen zu. Sie hatten bestimmt viel geübt. Ashlyns Kleid war nicht dazu gedacht, sich darin zu bewegen, und trotzdem schwebten die beiden harmonisch und elegant über das Parkett. Am Ende applaudierten alle, nicht aus Höflichkeit, sondern aus echter Begeisterung.
»Wow!«, entfuhr es Elsa. »So gut würde ich auch gerne tanzen können.«
»Okay, dann hast du jetzt Gelegenheit dazu«, meinte Laurence und zog sie hoch.
»Oje«, murmelte sie erschrocken, aber er hörte es entweder nicht oder ignorierte es einfach.
Elsa ließ ihre Schuhe unter dem Tisch stehen, was den Größenunterschied zwischen ihnen noch betonte. Die ersten Schritte waren katastrophal. Sie hatte solche Angst um ihre nackten Füße, dass sie sie ständig nur nach hinten bewegte.
»Es tut mir leid, doch ich kann das nicht«, meinte sie. »Bitte such dir jemand anders. Es gibt hier bestimmt ganz viele Mädchen, die schrecklich gern mit dir tanzen würden.«
»Ich möchte aber mit dir tanzen«, beharrte er. »Komm schon, du schaffst das.«
Nach drei weiteren holprigen Tanzschritten hatte Elsa bewiesen, dass sie es nicht schaffte.
»Weißt du, was? Du stellst dich jetzt einfach auf meine Füße, und dann tanzen wir so.« Laurence legte den Arm fest um sie und hob sie leicht vom Boden. Elsa blieb nichts anderes übrig, als mitzumachen. Seufzend stellte sie ihre Füße auf seine und hoffte, dass seine Schuhe so stabil waren, dass seine Füße nicht zerquetscht würden.
Es war traumhaft! Er bewegte sich geschmeidig über die Tanzfläche, und sie mit ihm. Als der Tanz zu Ende war, vergaß sie alle Scheu, schlang die Arme um seinen Nacken und küsste ihn auf die Wange. »Danke, das war fantastisch! Es hat riesigen Spaß gemacht!«
»Mir auch«, antwortete Laurence. »Vielleicht solltest du ein paar Tanzstunden nehmen, damit du das nächste Mal auf deinen eigenen Füßen tanzen kannst.«
»Ja, vielleicht soll ich das wirklich tun.«
Laurence grinste. »So, jetzt bist du an der Reihe. Zeig mir, wie man anständig Disco tanzt. Ich komme mir dabei immer so blöd vor.«
»Ach, Unsinn«, widersprach Elsa. Aber kurze Zeit später musste sie ihm insgeheim recht geben. Discotanz lag ihm wirklich überhaupt nicht.
Sarah zog sich unter dem Tisch die Schuhe aus. Alles lief bestens. Kein Gast hatte sich über seinen Platz beschwert, das Menü war anständig serviert worden, und nur ein einziger Tisch hatte eine Zeit lang aufs Essen warten müssen. Als Sarah es gesehen hatte, hatte sie schnell eine Flasche Champagner auf den Tisch gestellt, was die Stimmung sofort wieder gehoben hatte.
Danach hatte sie einen großen Teller und einen speziellen Porzellanstift hervorgezaubert. »Darauf sollen alle Gäste eine kurze Botschaft für das Brautpaar schreiben. Die Ersten haben natürlich am meisten Platz.«
»Geht die Schrift denn beim Spülen nicht ab?«, fragte ein Mädchen.
»Nein, sie wird anschließend bei großer Hitze im Backofen fixiert. Gute Idee, oder? Aber bitte nicht allzu lange Texte schreiben.« Ashlyn hatte sich einen Teller pro Tisch gewünscht, doch Bobby war der Meinung gewesen, zwei Teller insgesamt würden reichen. Das bedeutete, dass die Gäste sich kurz fassen mussten.
Alles andere war ebenfalls glattgegangen. Im Gegensatz zu einigen anderen Hochzeiten, die sie organisiert hatte, hatten die Lennox-Featherstones darauf bestanden, dass auch Sarah am Essen teilnahm. Sie hatte eingewilligt, aber nur unter der Bedingung, dass sie einen eigenen kleinen Tisch bekam, von dem sie jederzeit aufstehen konnte, wenn es erforderlich wurde.
Sarah war zufrieden. Es war eine sehr stylische Hochzeit, und daran hatte sie maßgeblichen Anteil. Jetzt fand sie endlich die Zeit, sich in Ruhe umzusehen und die Einzelheiten zu bewundern.
Die Blumendekoration war ein Traum. Sukie, die Floristin, hatte wirklich tolle Arbeit geleistet. Auf jedem Tisch standen mehrere viereckige Glasschalen mit einer einzelnen Blüte. Sarah war der feine Duft von Freesien, Hyazinthen und Rosen entgegengeweht, als sie vorhin von Tisch zu Tisch gegangen war, um sich zu vergewissern, dass alle gut saßen.
Den Tisch des Brautpaars schmückte ein längliches, sehr edel aussehendes Gesteck. Die verschiedenen Blüten waren wellenförmig arrangiert, zunächst Rosen, dann Freesien, dann Rittersporn und so weiter. Sukie hatte Sarah erklärt, dass sie mit diesem Arrangement ein Staudenbeet nachgeahmt hätte, zu Ehren der Brautmutter, die eine begeisterte Hobbygärtnerin war.
Ashlyns Brautstrauß war ein schlichtes Maiglöckchen-Bouquet. Wie viele schlichte Dinge war es atemberaubend teuer gewesen, weil Sukie zweihundertfünfzig Blüten benötigt hatte, damit der Strauß schön üppig wirkte. Elsa trug ein herabhängendes Bouquet, das ebenfalls Maiglöckchen enthielt, wenn auch nicht so viele, und die kleinen Brautjungfern hatten winzige duftende Sträußchen, in denen alle verwendeten Blumen eingearbeitet waren. Sukie hatte sich sehr viel Mühe gegeben, und Mrs. Lennox-Featherstone hatte Sarah bereits gesagt, wie gut ihr der Blumenschmuck gefiel.
»Ich werde mich natürlich noch persönlich bei ihr bedanken, aber falls ich heute nicht dazu komme, richten Sie Sukie doch bitte aus, wie begeistert wir sind. Sie haben wirklich ein gutes Gespür für die richtigen Leute, Sarah.«
Sarah seufzte glücklich. Leute zu haben, auf die sie sich verlassen konnte, war wirklich Gold wert.
Alles lief perfekt, und das Einzige, was sie jetzt noch zu tun hatte, war, dafür zu sorgen, dass am Ende alle, die bezahlt werden mussten, ihr Geld auch erhielten. Dazu trug sie extra einen gut gefüllten Brustbeutel unter ihrem Kleid.
»Hier«, sagte eine Stimme.
Sie wirbelte herum und sah Hugo, der ihr ein Glas Champagner hinhielt.
»Hallo.« Sie wusste nicht so recht, was sie sonst sagen sollte.
»Ein Drink?«
»Nein danke, nicht während der Arbeit. Das sollte auch für dich gelten«, meinte sie mit gespielter Strenge.
»Ich kann meinen Job auch mit ein paar Gläsern Champagner machen. Und bisher hatte ich noch kein einziges. Also hör auf, die Chefin rauszukehren, und trink eins mit.«
Gegen die ›Chefin‹ wollte Sarah erst protestieren, doch dann wurde ihr klar, dass er vermutlich recht hatte. Aber das brachte ihr Job eben so mit sich.
Sie lächelte. »Wieso bist du überhaupt noch hier?«, fragte sie, nachdem sie einen Schluck getrunken hatte. »Ich dachte, du hättest heute Abend noch andere Verpflichtungen.«
»Ich muss erst noch die Abschiedsfotos schießen«, antwortete er. »Außerdem bleibe ich über Nacht. Meine Schwester wohnt mit ihrer Familie in der Nähe. Ich muss morgen unbedingt meinen Neffen besuchen.«
»Du musst?«
»O ja. Er hat einen sensationellen Dinosaurier gemalt. Den muss ich mir dringend anschauen.«
»Oh.« Sarah war überrascht. Als liebevollen Onkel konnte sie sich Hugo beim besten Willen nicht vorstellen.
»Aber erst möchte ich jetzt gern in Ruhe ein Gläschen mit dir trinken.«
Sarah sah ihn an. »Wieso ausgerechnet mit mir? Gibt es denn hier keine anderen Single-Frauen?«
Er verzog den Mund zu einem Grinsen. »Auf Hochzeiten wimmelt es immer nur so von Single-Frauen. Aber ich habe dich ausgesucht, weil du nicht so sehr auf der Suche zu sein scheinst.«
Sarah lachte. »Ich bin wirklich nicht auf der Suche. Ich brauche keinen Mann, um mich vollkommen zu fühlen. Allein dieser Gedanke!«
»Das hätte ich dir auch nie unterstellt, Miss Unnahbar«, antwortete er lachend.
Sarah sah ihn von der Seite an. Vermutlich war Hugo äußerst versiert im Flirten und daran gewöhnt, von Frauen das zu kriegen, was er wollte. Aber flirtete er jetzt auch? Wenn ja, hatte sie eine anständige Abfuhr parat. Wenn nicht, wäre genau das natürlich sehr peinlich, denn dann würde er daraus schließen, dass sie geglaubt hatte, er würde flirten. Und dann würde er vielleicht denken, dass sie wollte, dass er mit ihr flirtete. Sarah trank einen großen Schluck Champagner und verschluckte sich prompt. Während sie in ihr Taschentuch hustete, klopfte er ihr auf den Rücken.
»Alles in Ordnung?«, fragte er, nachdem sie sich wieder erholt hatte.
»Ich hab mich bloß verschluckt, das ist alles. Die Kohlensäure ist mir in die Nase gestiegen.« Den nächsten Schluck trank Sarah ganz vorsichtig. Dann stellte sie ihr Glas ab.
»Hättest du Lust zu tanzen?« Hugo fragte das so, dass Sarah ins Grübeln geriet, ob er jetzt ein Ja oder ein Nein erwartete.
Ihre Füße kribbelten schon die ganze Zeit, und sie hätte am liebsten Ja gesagt. Aber irgendwie kam ihr das unangemessen vor, schließlich war sie kein Gast. »Besser nicht. Ich bin hier, um zu arbeiten.«
Er schien zu merken, dass sie eigentlich Lust zum Tanzen hatte. »Ich bin sicher, dass es niemanden stört, wenn du dir ein paar Minuten freinimmst und dich amüsierst. Aber ich habe den Verdacht, dass du das selten tust, auch wenn du nicht arbeitest.«
»Du hast keine Ahnung, wie ich bin, wenn ich nicht arbeite, Hugo. Und du solltest darüber auch nicht spekulieren.«
»Ich glaube nicht, dass man Leuten das Spekulieren verbieten kann.«
Sarah meinte, einen spöttischen Unterton in seiner Stimme zu hören, aber vielleicht bildete sie sich das nur ein. »Natürlich nicht, doch ich kann verlangen, dass sie ihre Überlegungen für sich behalten.« Sie sah Hugo an. Auch wenn sie häufig zusammenarbeiteten, im Grunde kannten sie sich kaum.
»Die Hoffnung stirbt zuletzt«, erwiderte er höhnisch. »Richte dich lieber auf eine Enttäuschung ein.«
»Ich bin immer auf eine Enttäuschung eingerichtet«, antwortete Sarah, »und ich bin nie …« Sie stockte abrupt, als ihr auffiel, dass sie sich um Kopf und Kragen redete.
»Bist du denn nie enttäuscht, dass du immer enttäuscht wirst?«
Sie zuckte mit den Schultern »Nein. Die Menschen sind einfach enttäuschend. So ist das nun mal.«