Spermakles - Xaver Ludwig Cocker - E-Book

Spermakles E-Book

Xaver Ludwig Cocker

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Beschreibung

Jeder kennt die zwölf Taten des Herakles (lat. Hercules), dem wahrscheinlich berühmtesten Helden des Altertums. Aber was, wenn er gar kein kampflustiger Kerl gewesen war, der gegen Monster in die Schlacht zog, sondern ein schwuler Freund der Wollust? Allzeit bereit, jungen wie alten Männern Befriedigung zu verschaffen? Prof. X.L. Cocker und Dr. Christopher Harness sind einem Zeugnis antiker Heldensagen auf der Spur, das den bekannten Mythos gründlich auf den Kopf stellt. Mit 30 Illustrationen.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhaltsverzeichnis
Cover
Titel
Impressum
Zum Geleit
Aus dem Tagebuch des Dr. Harness (Teil 1)
Prolog
Aus dem Tagebuch des Dr. Harness (Teil 2)
Die Sättigung des spermagierigen Löwenmenschen
Die Befriedigung des neunschwänzigen Hydros
Aus dem Tagebuch des Dr. Harness (Teil 3)
Das Einfangen des arkadischen Satyrisk
Die Bezwingung des erymanthischen Ebers
Aus dem Tagebuch des Dr. Harness (Teil 4)
Das Ausmisten der Männerställe des Augias
Aus dem Tagebuch des Dr. Harness (Teil 5)
Das stumphalische Vögeln
Der kretische Stier
Aus dem Tagebuch des Dr. Harness (Teil 6)
Die Zähmung der Rotte des Diomedes
Der Gürtel des Hippolytos
Aus dem Tagebuch des Dr. Harness (Teil 7)
Die Herde des Geilyon
Aus dem Tagebuch des Dr. Harness (Teil 8)
Die Tropfen der Hesperoden
Die Erringung der stimulierenden Aphyrma
Aus dem Tagebuch des Dr. Harness (Teil 9)
Epilog
Aus dem Tagebuch des Dr. Harness (Teil 10)

Xaver Ludwig Cocker (Hrsg.)

Spermakles

und die 12 Arbeiten der Ekstase

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

Texte: © Copyright by X.L. Cocker

Umschlaggestaltung und Illustrationen: © Copyright by Yeoj

Verlag:

YEOJ Selbstverlag

Postfach 11 11 03

35390 Gießen

[email protected]

Von Xaver Ludwig Cocker sind außerdem erschienen:

Vierzig schwüle Nächte - Homoerotische Märchen aus dem Land der lila Liebeslust

Sindbad der Sinnliche und seine sieben sündigen Reisen

Zum Geleit

Sehr verehrte Leser*Innen,

als Altertumsforscher habe ich schon sehr früh meinen wissenschaftlichen Schwerpunkt auf die Darstellung homosexueller Aspekte in der altgriechischen Kultur gelegt und mich dabei auf mythologische Texte spezialisiert, welche – wie Ihnen bekannt sein dürfte – einer selbstbewussten Erotik nicht entbehren. Aufgrund diverser Überschneidungen von Interessen (wissenschaftlicher Natur) war es Kollegen und mir schließlich möglich, das »Institut für homoerotische Literatur- und Kulturforschung« zu gründen und Forschungsergebnisse zu bündeln und zu publizieren.

Nicht ohne Stolz und Freude möchte ich im Namen des gesamten Instituts Ihnen mit diesem Buche eine kleine Sensation vorstellen. Vor einigen Monaten nahm Dr. Christopher Harness, mein Kollege und ehemalige wissenschaftliche Hilfskraft, gemeinsam mit einer Gruppe wissbegieriger Studenten an einer archäologischen Expedition nach Griechenland teil. Sie wurden dort Zeuge des sogenannten Homokles-Fundes: Archäologen gruben gebrannte Tonscherben aus, auf denen Illustrationen der bekannten Herakles-Sage zu sehen sind. Hinzu kamen Papyrusrollen, die aufgrund ihrer wasser- und luftdichten Aufbewahrung in uralten Gefäßen nahezu unversehrt geblieben sind. Noch bevor er sich an die Übersetzung der Papyri machte, erkannte Dr. Harness anhand der Bilder, dass es sich um eine »schwule Version« des Sagenstoffes handelte – deshalb gaben die Archäologen dem Fund den Namen »Homokles«. So ist der Heros während seiner zwölf Arbeiten in eindeutigen Posen mit anderen Männern zu erkennen.

Bereits kurz nach dem Fund bemühte sich Dr. Harness, die Texte aus dem Altgriechischen ins Deutsche zu übersetzen. Früh stellte sich heraus, dass der Name des Helden nicht Herakles war (wie vorher angenommen), sondern ein Wortspiel, welches im Altgriechischen einer Mischung aus Herakles und »(ver-)spritzen« gleichkommt. Da derartige Wortspiele nicht wortwörtlich übersetzt werden können, entschieden Harness und ich uns für ein Nachempfinden des Sinngehalts und tauften die Figur »Spermakles«. Ähnlich dem originalen Mythos, den wir bisher kennen, verdient sich der Heros seinen Namen erst mit seiner ersten Arbeit.

Nach wochenlanger Ausarbeitung der Reihenfolge dieser Papyri sowie der Zusammensetzung der einzelnen Scherben ist es Dr. Harness und seinem studentischen Team nun gelungen, die berühmten zwölf Heldentaten des Spermakles zu entschlüsseln, einschließlich der zugehörigen Einleitung und des Epilogs. Mit dem Buch, welches Sie gerade in den Händen halten, möchte ich Sie nun an den Ergebnissen der Übersetzungstätigkeit teilhaben lassen.

Zudem hat Dr. Harness Auszüge aus seinem Tagebuch zur Verfügung gestellt, mithilfe derer Sie die einzelnen Schritte der Entschlüsselung nachempfinden können. Diese Form der Veröffentlichung hält das Institut für homoerotische Literatur- und Kulturgeschichte für seriös und zweckdienlich, um die kundige Leserschaft in die schwule Welt des Altertums eintauchen zu lassen. Allzu anzügliche Kommentare meines Kollegen mögen Sie entschuldigen – sie sind der ursprünglich privaten Nutzung des Mediums Tagebuch zuzuschreiben.

Ich hoffe, liebe Lese*Innen, dass Sie genauso viel Freude bei der Lektüre dieser – doch etwas anderen – Sagen haben werden, wie Dr. Harness beim Übersetzen und ich beim Zusammenstellen. Garniert wird diese Erstausgabe mit Abbildungen der antiken Illustrationen der Tonscherben, soweit sie restauriert werden konnten.

gez. Prof. Xaver Ludwig Cocker

Aus dem Tagebuch des Dr. Harness (Teil 1)

23. Oktober

Forschungsreise, 1. Tag

Herrlich! Ein Trip nach Kreta mit allem Drum an Dran (Hotel, Strand, gutes Essen) und alles bezahlt das Institut! Professor Cocker ist wirklich gut darin, die nötigen Fördergelder locker zu machen, wenn es um den Ausbau seines Seminars, der homoerotischen Kulturgeschichte, geht. Und auch, wenn ich es ungern zugebe: Diesmal hat mir die leidige Schwulenfeindlichkeit dieser Welt echt in die Hände gespielt. Wäre die kretische Altphilologin, die von den Archäologen dort zuerst herangezogen wurde, nicht dermaßen prüde und verbissen gewesen, würde sie bestimmt die entdeckten Papyrusblätter zu Ende übersetzt haben. So ist sie über die ersten paar Seiten nicht hinausgekommen. . .

Egal! Ihr Verlust ist mein Gewinn. Jetzt sitze ich hier im Flieger und darf den trüben Herbst des Nordens gegen den angenehmen Spätsommer des Südens eintauschen. Für 1. Klasse hat es nicht gereicht. Schade eigentlich, denn der Steward ist ein Schnuckel und hält sich die meiste Zeit im vorderen Bereich des Flugzeugs auf. Neben mir sitzt eine überforderte Mutter mit ihrem Kleinkind, das ständig bespaßt werden will. Grund genug für mich, die Kopfhörer aufzusetzen, auf die Playlist "Judy and Barbra-Mix" zu klicken und in Ruhe die Scans von den Papyri zu checken, die man mir aus Kreta hat zukommen lassen. Die Übersetzungen der verstockten Kollegin scheinen solide zu sein, das muss man zugeben.

Am besten stelle ich den Laptop etwas schräg. Dann fällt der Blick des schnuckeligen Stewards vielleicht auf die Fotos von den Tonscherben. Die sehen ja schon ein bisschen aufreizend aus. Vielleicht wecken sie sein Interesse? Geilem Sex im Cockpit wäre ich nicht abgeneigt (Hauptsache weg von dieser gestressten Mutter neben mir). Es heißt ja bestimmt nicht umsonst Cockpit. ;-) Andererseits nehmen vielleicht andere Fluggäste Anstoß an den Darstellungen. Also doch lieber Text untersuchen, statt entspannender Diaschau. Na gut, nach drei Stunden landen wir sowieso wieder.

Prolog

O geneigte Herren, leihet mir euer Ohr und ergötzt euch an der Geschichte des Alkeidos, genannt Spermakles. Von seiner Geburt, seiner Jugend und seinen glorreichen ekstatischen Taten will ich künden, mit denen er vielerlei Geschlechtsgenossen beglückte und uns die Wonne der Männerliebe lehrte. Labt euch, während ihr lauscht, an Speis und Trank. Lutscht an den Oliven, nippt am Rebensaft des Dionysos und lehnt euch eng beisammen, um mit muskelbepackter Brust und kraftstrotzender Schulter einander zu wärmen.

Doch bitte ich zunächst um Geduld, denn mein Lied beginnt nicht beim herrlichen Heros selbst, dessen Potenz uns allen Vorbild ist. Lasst mich beginnen bei zwei Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts, bildschöne Frauen aus dem Herrscherhaus Toyrins, mit Namen Alkmeia und Iphimene. Schwestern waren sie und zeitlebens einander zugeneigt, bis zu jenem Tage, als Eros sein Auge auf sie warf. Noch war jener Gott ungezähmt und gewaltig, weder der Psyche ergeben, die fürderhin seine Geliebte werden sollte, noch verjüngt zu einem verspielten Knaben. Nein, ein Mannsbild purer Liebeslust war er, als er eines Tages auf der Erde wandelte und die Schwestern erspähte. Alkmeia, die ältere der beiden, befand er als die hübschere, und um ihr beizuwohnen, nahm er die Gestalt ihres Gatten Amphitryon an.

Alkmeia, weder mit Skepsis noch Argwohn gesegnet, erfreute sich am ungewohnt ungestümen Gebaren ihres vermeintlichen Mannes und empfing ein Kind. Erst nach dem Beischlaf, als beide sich im Bade gegenseitig von den Spuren der Leidenschaft reinigten, ließ Eros die falsche Hülle fallen und zeigte sich in seiner wahren Erscheinung. Alkmeia war entsetzt und ebenso ihre Schwester Iphimene, die inbegriffen war, den Badenden die Tücher zum Trocknen zu reichen. In ihrem Schreck entglitten sie ihrer Hand und fielen ins kühle Nass.

»Fürchtet euch nicht, Menschenweiber«, sagte der Gott sacht. »Ich bin zu Besuch gekommen, um der schönsten Frau der Erde zu huldigen. O Alkmeia, du Enkelin des Perseus und der Andromeda, welche die Anmut der Großmutter und das Leuchten des Großvaters in sich vereint! Mein Geschenk an dich soll ein Sohn sein, den du mir zu Ehren gebären wirst. Mein göttlicher Samen wird keimen und ihn zu einem erfolgreichen Verfechter der Ekstase machen – jener Ekstase, in der wir soeben unser Fleisch und unser Fühlen tauchten. Möge er alle Welt damit beglücken. Deinem Gatten Amphitryon aber will ich ein Traumgesicht senden, das ihm unsere Tat enthüllt und ihn verstehen macht, welch Ehre ihm zuteil ward. Kein gehörnter Ehemann sei er, sondern ehrhafter Ziehvater meines Nachkommens.«

Mit diesen Worten verschwand der große Eros, und was er sagte, das traf ein. Alkmeia spürte das Kind in sich wachsen und gebar nach Ablauf der üblichen Frist einen Sohn. Amphitryon aber wurde von einem Traum heimgesucht, der ihm alles Geschehene zeigte und Anflüge jeglicher Eifersucht sogleich erstickte. Welch friedliche Familie hätten sie sein können, hätte in Iphimenes Herzen nicht der Neid Platz gefunden. Sie konnte nicht verwinden, dass ihre Schwester den Göttern schöner galt als sie selbst. Also heckte sie einen Plan aus, um sich für die Schmach zu rächen.

Nur einen Tag nach dem Besuch des Eros bandelte Iphimene mit einem unflätigen Bauernburschen an, ließ sich von ihm besteigen wie eine rollige Katze vom riemigen Kater und probierte mit allerlei Zauber und Opfergaben, die Geburt des Bastards auf den gleichen Tag hinauszuzögern, an dem Alkmeia niederkommen sollte. Als es soweit war, gab sie den Hebammen unzählige Befehle, bis jene völlig durcheinander waren und keiner bemerkte, wie sie die Kinder vertauschte. Den eigenen Sohn, Nachkomme des Bauern, schob sie ins Bett der Schwester. Den Neffen göttlicher Abkunft jedoch raubte sie der Alkmeia und legte ihn aufs eigene Laken. Das alles tat sie, damit ihr eigen Fleisch und Blut zu hohen Ehren kommen würde.

Alkmeia und Amphitryon fielen auf den Schwindel herein. Dem falschen Sohn gaben sie den Namen Erostheus, der göttlichen Abkunft zu Ehren, und verwöhnten ihn von Kindesbeinen an und versprachen ihm, dermaleinst Thronerbe von Toyrins zu werden. Den vermeintlichen Bastard aber, schlicht Alkeidos genannt, schickten sie ins Gebirge, damit er dort als Hirte die Herden des Amphitryon hüte.

Jahre vergingen. Aus Säuglingen wurden Knaben, aus Knaben wurden Jünglinge. Da geschah es, dass Alkmeia sich ihres in die Berge verstoßenen Neffen besann und zu Amphitryon sprach:

»Geliebter Gemahl, unser Sohn Erostheus wird bald den Thron besteigen. Die besten Lehrer haben ihn das Wagenlenken, Musizieren, Bogenschießen und den Faustkampf beigebracht. Doch hat er einen Vetter, den Sohn meiner Schwester Iphimene. Wenngleich dessen Abkunft unflätig ist, gebührt es ihm der verwandtschaftlichen Bande nicht weniger, ehrenhaft unterrichtet zu werden.«

Amphitryon wog die Worte in seinem Geiste ab und befand sie für richtig. Also schickte er Linos, den Meister der Musik, ins kithäronische Gebirge, wo die Schaf- und Ziegenherden weideten. Sieben Tage blieb Linos dort, dann aber kehrte er überraschend zurück und rief:

»O König Amphitryon! Nicht von dieser Welt ist jener Bastard, zu dem du mich schicktest. Doch sagte ich Bastard? Ein junger Gott muss es sein, messe ich ihn an den Wundern, die er bescherte.«

Das weckte die Neugier des Königs und die Angst der Iphimene. Alkmeia bat den Meister der Musik, sich genauer zu erklären. Jener aber konnte sich lediglich mit Gesang und Leierspiel ausdrücken, derart ergriffen war er von den Erlebnissen in Kithäron. Folgendes Lied ist von ihm überliefert:

»Vor sieben Tagen, da ich gelangte ins Gebirge,

schallte mir entgegen das Blöken der Schafe,

das Meckern der Ziegen, das Pfeifen der Hirten.

Alkeidos, des Königs Neffe, war darunter.

Nicht unterschied er sich von den anderen um ihn.

Als ich ihn ansprach, zeigte sich jäh seine hohe Abkunft.

Gelehrsam war er und geistreich,

als ich die Kunst der Töne und Melodie erklärte,

wo die anderen Hirten nur dumm dreinschauten.

Denn dumm mussten sie sein und töricht,

schenkt man den Erzählungen Glauben,

die man in Dörfern am Fuße des Gebirges hört:

Ein fremder Mann, genannt Bergleopard,

treibt sein Unwesen dort

und verführt die hütenden Jünglinge.

Seine Haut ist verziert mit schwarzbraunen Flecken,

kreisrund geformt, der wilden Katze gleich,

daher sein Name. Die brennt er sich auf Arm und Wade,

mit Feuer und Nadel, was weckt der Hirten Neugier.

Ist er ihrer Aufmerksamkeit gewiss, so verspricht er,

ihnen Flecken an Stellen des Körpers zu zeigen,

welche zu sehen die Scham verbietet.

Die Hirten, die dummen, lechzen danach,

und hat erst das Auge sie erblickt,

hascht schon die Hand danach, und Lippen folgen.

Bereits fünfzig Hirten hat der Bergleopard entehrt,

auf eben jene Weise,

und schlafen sie nach dem Stillen ihrer Triebe ein,

stiehlt er ihnen ein Schaf oder eine Ziege.

So wird Amphitryons Herde kleiner und kleiner,

Fleisch und Käse und Wolle für Toyrins rar und selten.«

Hier unterbrach ihn König Amphitryon barsch:

»Dein Lied bringt unheilvolle Neuigkeiten für meine Stadt, Linos, aber wie ist es nun um die Wunder meines Neffen bestellt?«

Da fuhr Linus zu singen fort:

»Dem Alkeidos zeigt ich die Leier, o König,

dass er lerne zu spielen und zum Klang zu singen.

Kaum zupften seine Finger an den Saiten,

kaum entfuhr seiner Kehle eine helle Melodie, siehe:

Die Schafe blökten nicht mehr, die Ziegen schwiegen.

Die Böcke scharrten im Takt mit den Hufen

und schnaubten. Die Hirten legten sich nieder,

öffneten Hemd und Gürtel.

Hitze bemächtigte sich ihrer, die von lustvoller Art war.

Und auch in mir begann das Blut zu rauschen.

Jeder Klang der Leier zwickte mir keck in die Backen,

die mein Schemel besser kennt als mein Auge.

Jeder Ton Alkeidos’ pumpte Blut in meine Lenden,

und wie man Wasser aus Brunnen in die Höhe schöpft,

so schien die Musik meinen Phallus emporzuheben.

Je kraftvoller der Gesang, je höher die Melodie,

desto mehr taumelte ich im Rausche der Lust.

Ekstatisch wurden die Sinne, orgiastisch die Wünsche.

Die Böcke besprangen die Zicken,

und wo keine Zicke sich fand, gab ein Widder sich hin.

Die Hirten fielen übereinander, mit Küssen und Kosen.

Selbst der Bergleopard stieg herab aus seiner Höhle,

legte sich vor Alkeidos und lauschte ihm ergeben.

Seine gebrannten Muster auf der Haut,

sie wurden ignoriert von den hütenden Jünglingen,

denn gebannt hatte dessen Verführungskunst

das Leierspiel des Alkeidos.

Die Jünglinge hüteten einander ihren Hirtenstab.

Nicht ignorieren konnte der Bergleopard die Musik,

gebannt war er und zur Onanie bereit,

denn entblößt stand sein Phallus und zuckte,

wenn Alkeidos die Saiten zupfte.

Solcherart war der Rausch der Musik!

Ein Lusttaumel war’s, magisch verzückend.

Noch nie hatte Alkeidos eine Leier in der Hand gehabt.

Noch nie hatte mich ein Schüler betören können.«

Hier endete das Lied des Linos, denn die Verse hatten ihn erschöpft und die Erinnerung jenen erregten Zustand wieder hervorgerufen, der ihn im kithäronischen Gebirge so unversehens ereilt hatte. Beschämt bedeckte Alkmeia die Augen, als sie der feuchten Flecke unter dem Gürtel des Musikmeisters gewahr wurde. Amphitryon hingegen wurde nachdenklich.

»Du meinst also, Alkeidos müsse mehr sein als ein einfacher Bauernsohn, wenn er Vieh und Hirten, Bergleopard und dich mit bloßem Gesang in körperliche Leidenschaft zu versetzen vermag?«, fragte er.

»Ja, das denke ich«, gab Linos zurück. »Er hat Begierde, pure Fleischeslust in uns ausgelöst. Der Bergleopard konnte sich eines Ergusses nicht erwehren und pries hernach Alkeidos einen Helden der Ekstase. Ich selbst enthielt mich einer Äußerung, sondern eilte sogleich nach Toyrins zurück, um Euch Kunde zu bringen. Denn mir drängt sich die Frage auf: Sollte nicht Erostheus, Euer Ziehsohn und Abkömmling des göttlichen Eros, derjenige sein, der zu solchen Wundern imstande ist?«

»Du nimmst mir die Worte aus dem Munde«, sagte Amphitryon und gab zu, den gleichen Gedanken gehabt zu haben. »Erostheus ist ein guter Königssohn, doch das Erbe des Eros ist in seiner Gestalt und seinen Taten noch nie zum Vorschein gekommen. Was ich von Alkeidos höre, klingt hingegen nach allem, was man sich unter einem erotischen Halbgott vorstellt.«

Amphitryon war nicht töricht. Er befahl zuerst Alkmeia, dann deren Hebammen, ihm alles über die Niederkunft und Geburt seines Sohnes zu erzählen. Als er erfuhr, wie geschäftig es aufgrund Iphimenes Anordnungen zugegangen war, zwang er auch sie zum ausführlichen Bericht. Da gab die Schwester seiner Gattin, nicht ohne Stolz, alles zu, was sie verbrochen. Amphitryon war bestürzt und seufzte:

»Ich habe den Thron dem falschen Sohn versprochen. Einen königlichen Schwur aber kann ich nicht zurücknehmen. Darum will ich mein Amt vorzeitig niederlegen, damit Erostheus und Alkeidos miteinander ausmachen können, wer es übernehmen darf. Dem Eros aber muss ganz Toyrins ein Opfer bringen, um ihn versöhnlich zu stimmen – sonst grollt er uns aufgrund der üblen Behandlung seines Nachkommens.«

Linos wusste Rat.

»Der Bergleopard, noch immer berauscht vom Gesang des göttlichen Abkömmlings Alkeidos, will fortan nimmermehr das Vieh von Euren Hirten rauben. Stattdessen möchte er aus seiner eigenen Herde, die er zu züchten begonnen hat, Euch alljährlich das wollreichste Schaf und die fetteste Ziege schenken – zum Dank, dass ihm die Teilhabe an solcher Ekstase vergönnt war. Nehmt diese Tiere und opfert sie dem Eros. Das wird ihn gnädig stimmen.«

So sprach Linos und so wurde es fortan in Toyrins gemacht. Mit Amphitryons Opferung des ersten Schafs und der ersten Ziege drang auch die Kunde um Iphimenes Betrug zu Eros. Der gewaltige Gott wusste nicht, ob er über diese erbärmlichen Machenschaften der Menschen zürnen oder lachen sollte. Unsichtbar reiste er zuerst nach Toyrins, dann nach Kithäron, um beide Jünglinge zu beäugen. Tatsächlich gefiel ihm Alkeidos besser als Erostheus, denn er war breitschultrig und von hoher Statur, trug einen dichten Bart sowie einen üppigen Phallus und kam alles in allem dem Bild eines potenten Mannes viel näher als sein Vetter. Dennoch wollte Eros, der gewaltige Gott, Alkeidos erst prüfen.

»Haben die Menschen meine Pläne einmal betrügerisch durchkreuzt, gelingt es ihnen womöglich ein zweites Mal«, dachte er nämlich bei sich. »Ich will Alkeidos in eine Höhle bringen, wo ihn schwerer Schlummer überwältigen soll. Ein erotischer Traum soll ihn heimsuchen, während ich Felsenkeule und Holzkeule rechts und links neben ihn lege. Entfesselt der Traum in ihm erbärmliches, lächerliches Gewimmer, wird ihn die scharfe Felsenkeule entmannen. Löst er gar nichts in ihm aus, soll die Holzkeule seinen Schädel zertrümmern. Erweist er sich aber selbst im Traume meines Erbes für würdig, soll er meiner Gunst gewiss sein.«

Alkeidos indessen war auf Ruf seines Onkels Amphitryon auf dem Wege nach Toyrins. Noch hatte er das kithäronische Gebirge nicht hinter sich gelassen, als der Zauber des Eros ihn traf: Er begann zu gähnen, die Lider wurden ihm schwer und die Glieder schwankten müde.

»Zeit wird es, mir einen Unterschlupf zu suchen«, meinte Alkeidos und hielt nach eine Höhle Ausschau.

Die war bald gefunden und er legte sich nieder. Die Holzkeule zur Linken und die Felsenkeule zur Rechten bemerkte er nicht mehr, denn er schlief zügig ein und träumte von nackten Armen und Beinen, die sich um ihn schlangen; von Zungen, die wie Nektar schmeckten, und von Bauchnabeln, die nach Ambrosia dufteten; warm wurde es ihm um Hüfte und Becken, wo die Schenkel sich öffneten und der Gürtel einer Wölbung der Männlichkeit Platz machen musste.

All dies war Eros’ Werk und er beobachtete, wie Alkeidos sich verhalten würde. Er sah, wie dem Schlummernden die Muskeln zitterten und der Speichel floss. Er roch, wie der Träumende zu schwitzen begann. Er hörte, dass kein Gewimmer ertönte, sondern raues Schnaufen, wie es sich für einen Jüngling gehörte. All das gefiel Eros sehr.

Dann aber passierte etwas, das selbst einen Gott wie ihn beeindruckte. Im Schlaf ergriff Alkeidos’ rechte Hand die Felsenkeule und quetschte sie, als ob es der eigene Phallus wäre. Die Finger seiner linken Hand dagegen begannen wiederum, sanft an der hölzernen Keule zu streicheln. Beides waren völlig gegensätzliche Weisen der Berührung, und doch war Alkeidos noch im Schlummer fähig, sie zeitgleich anzuwenden. Die Ekstase, in welcher er sich befand, übertrug sich sogar in jene toten Gegenstände und quetschte das Gestein, bis es Wasser tropfte, während das Holz derart gereizt wurde, bis Harz daraus hervorquoll.

»Groß ist die erotische Macht meines Sohnes Alkeidos«, freute sich Eros, »und er soll fortan der Held der allbeglückenden Ekstase heißen! Selbst Stein und lebloses Holz hat er zum Ergusse verführt!«

Alkeidos, das beschloss der Gott in diesem Augenblicke, sollte dem Eros zu noch größerem Ruhm verhelfen, als er ohnehin schon genoss. Mit magischer Brise, die er in die Höhle blies, weckte er ihn und wies ihm die Richtung, die nach Toyrins führte. Sobald Alkeidos sich aufgemacht hatte, verließ Eros die Berge gen Himmel und vertraute darauf, dass sein Nachkomme sich des Titels, Held der allbeglückenden Ekstase, für würdig erweisen würde.

Nur wenige Stunden später trat Alkeidos, der Halbgott, Sohn des Eros und der Alkmeia, hochgewachsen und stolz durchs Tor und ob seiner Kraft und Schönheit genoss er sogleich ein hohes Ansehen in der ganzen Stadt. Da rief ihn sein Vetter Erostheus zu sich. Der hielt sich, nachdem Amphitryon abgedankt hatte, für den König über Toyrins und die angrenzenden Länder, in denen die Menschen nach Schönheit, Freude und ekstatischer Ausschweifung strebten.

»Alkeidos, mein Vetter«, sprach der neue König zum Halbgott, »unlängst erfuhr ich, dass Eros nicht mich, sondern dich zeugte. Ich weiß, dass ich als Sterblicher dir unterlegen bin. Doch wählten die Götter mich zum König dieses Reiches und ich bitte dich nun, mein Untertan zu sein.«

Alkeidos, der Halbgott, präsentierte seine Brust, seine Fäuste ballten sich und stolz richtete er den Blick zum König.

»Nicht will ich eher einwilligen, Diener eines Sterblichen zu sein, als ich das Orakel gefragt habe.«

Der König Erostheus nickte bewilligend:

»Alkeidos, mein Vetter, so gehe nach Delphi, auf dass die Götter dir weisen Rat geben.«

Alkeidos schritt aus der Stadt Toyrins hinaus, und da er kräftig und ausdauernd war wie kein Zweiter auf Erden, erreichte er das Orakel von Delphi binnen weniger Nächte. Dort betrat er den Tempel und befragte das Orakel, welches ihm antwortete:

»Belecke deine Hände, bespucke deinen fleischigen Speer. Gleite mit den Fingern darauf auf und ab. Wenn dein Sperma spritzt, so wird der Zauber der Götter dir daraus weisende Worte formen.«

Alkeidos beleckte sich also die Hände, feuchtete seinen Phallus an und begann, ihn zu streicheln. Um ihm die Mühen zu erleichtern, sandte das Orakel sinnliche Bilder nackter Jünglinge vor sein inneres Auge, die einander küssten und zärtlich liebkosten. Es dauerte nicht lang, bis Alkeidos vor Lust stöhnte und davon träumte, inmitten dieser Jünglinge zu lagern. Beinahe konnte er die süßen Lippen der nackten Knaben auf den seinen spüren. Die Kühle des Tempelmarmors ward ihm zum sengenden Laken, die süßen Düfte der Nachtblüher zu herbem Aroma männlicher Körperkuhlen. Da begann sein Rumpf zu zittern, seine Arme bebten und sein Mannesspeer feuerte sieben Spritzer weißen Spermas ab, die geräuschvoll auf den Boden des Orakeltempels fielen.

Dies geschah während des Sonnenaufgangs, und weil Io, der Göttin der Morgenröte, dieser Anblick gut gefiel, belegte sie alle Männer der Erde mit dem Zauber, ebenfalls am Morgengrauen ihre fleischernen Speere zu straffen, um solch herrliche Spermaspritzer in den neuen Tag zu schießen. So ward das Phänomen in die Welt gebracht, das wir heute noch als morgendliche Erektion kennen.

Nach kurzer Verschnaufpause, die jeder Mann und selbst ein Halbgott nach seiner Lusterfüllung braucht, öffnete Alkeidos die Augen und sah, wie sich aus den sieben Spermaflecken auf dem Boden sieben Worte bildeten:

»Gehorche Erostheus zehnmal und du wirst göttlich.«

»O Orakel«, rief Alkeidos aus, »ich werde also zehn Befehle des Erostheus erfüllen müssen? Dafür belohnen mich die Götter mit Unsterblichkeit?«

Das Orakel antwortete nur:

»Was die Vision dir rät, hinterfrage nicht.«

Befriedigt kniete sich Alkeidos nieder und leckte die weisenden Worte, sein eigenes Sperma, vom Tempelboden auf, um so seine Dankbarkeit und Ehrerbietung vor dem Orakel zu demonstrieren. Anschließend zog er von Delphi zurück nach Toyrins und zu dessen König Erostheus und berichtete ihm von der Offenbarung.

»So denn«, sprach er mit erhobenem Haupt, »Erostheus, befehlt mir! Denn wenn ich dadurch gänzlich zum Gott werde, wird mir Euer Thron egal sein. Ruhm und Ehre auf der ganzen Welt winken mir zu.«

Erostheus, König von Toyrins, dagegen antwortete mit Bedacht:

»Alkeidos, mein Vetter, mich freut Eure Nachricht und Euer guter Wille. Das ganze Reich soll von Eurer Kraft, Eurer Ausdauer und Eurer Potenz erfahren, sodenn sie wahrhaftig dem entspricht, was Linos von Euch sang. Lasst mich meine Befehle mit Umsicht wählen, auf dass Ihr unserem Land viel Gutes im Sinne der allbeglückenden Ekstase beschert.«

»Es stimmt wohl«, sprach Alkeidos, Sohn des Eros und der Alkmeia, »meine Muskeln sind stark und schön, eine ausdauernde Potenz wohnt meinem stolzen Speere inne. Meine Hände können zupacken, sich zu Fäusten ballen, aber auch gleiten und streicheln. So bedenkt sorgfältig, wofür Ihr mich im Namen der allbeglückenden Ekstase verwenden möchtet.«

Es einigten sich die beiden Vettern, dass Alkeidos am nächsten Morgen wieder im Thronsaal erscheinen solle, um den Befehl für seine ersten Arbeit zu empfangen.

Aus dem Tagebuch des Dr. Harness (Teil 2)

23. Oktober

Forschungsreise, 1. Tag (abends)

Mann, Mann, Mann! Ohne fundierte Kenntnisse der originalen Heraklessagen kommt man beim Lesen der altgriechischen Texte echt ins Schwimmen. Vielleicht tu ich meiner Kollegin Unrecht und die Altphilologin hat nicht aus Schwulenfeindlichkeit das Projekt abgebrochen.

Im Flugzeug hab ich den Prolog gesichtet, mehr habe ich nicht geschafft. Und (leider) war daran nicht der schnuckelige Steward schuld. Übrigens hätte ich echt eine Chance gehabt, der steht nämlich wirklich auf Kerle. Als der Pilot uns alle beim Aussteigen einen schönen Aufenthalt gewünscht hat, sagte er zum nervigen Kind meiner Sitznachbarin noch scherzhaft "Tschüss, Prinzessin". Das Gör freute sich natürlich drüber. Mein Steward spielte aber den Empörten und rief: "Wieso tschüss, ich bleib doch an Bord", woraufhin er und der Pilot lachten. Die beiden haben garantiert was miteinander (und ich kann es dem Steward nicht verübeln – der Pilot war knackig – aber mir zu jung).

Das Hotel ist ok. Der Pool ist warm, das Abendbuffet war abwechslungsreich. Ein gewisser Prof. Nikos Toulapos hat mich empfangen. Er ist der Grabungsleiter des sogenannten Homokles-Fundes, wie das Projekt in Fachkreisen mittlerweile genannt wird. Er ist Kreter und nicht mehr der Jüngste. Spielt den humorvollen, weltoffenen Forscher, hat aber irgendetwas Verknöchertes an sich. Wirklich angenehme Gesellschaft war er nicht. Wollte mir ungefragt Fotos seiner erwachsenen Kinder zeigen und verstand nicht, warum die mich nicht interessierten. Morgen will er mich zur Fundstelle fahren.

Jetzt geht es mit dem Laptop in die Bar. Ums Arbeiten komme ich nicht rum, einige Scans müssen bis morgen noch gesichtet werden. Aber was im Flieger nicht geklappt hat, funzt vielleicht hier und per "zufällig offen sichtbarer Fotos" der sexy Tonscherben-Motive kommt man möglicherweise mit dem einen oder anderen Hotelgast ins Gespräch.

24. Oktober

Forschungsreise, 2. Tag

Toulapos hat mich heute noch vorm Wecker aus dem Bett geklingelt. Hätte ihm meine Handynummer nicht so bereitwillig geben sollen! Immerhin war die Fahrt zur Grabungsstätte kurz und schmerzlos. Die Fundstelle sieht unspektakulär aus – allein hätte ich sie nicht gefunden.

Eine Art Vorarbeiter scheint dort in einem Zelt zu wohnen und den Homokles-Fund quasi zu bewachen. Er heißt Yannis Nektar (cooler Name!) und wirkt um einiges authentischer und zugewandter als Toulapos. Leider spricht er kein Deutsch und kaum Englisch. Das macht einen Flirt mit ihm schwierig.

Leider ist er der Einzige bisher, der die Arbeit auf Kreta zu einem geilen Erlebnis machen könnte. Als historischen Fachmann hat Cocker den Geschichtsstudenten Gerd Neek engagiert. Der hat sich in ein langarmiges Hemd und eine unförmige Baumwollhose gezwängt, obwohl es hier auf Kreta 25º ist, und sieht mit seiner dicken Hornbrille aus wie jemand, der nie die Bibliothek verlässt. Man wundert sich fast schon, dass er keine Pickel hat. Aber Aknenarben habe ich an seiner linken Stirnseite gesehen, hihi!

Morgen sollen noch Noah und Martin anreisen und das Team komplett machen. Einen Kunsthistoriker wie Noah kann man immer gebrauchen, auch wenn er sehr still ist (Cocker und ich haben immer noch die Wette am Laufen, ob er vielleicht heimlich noch Jungfrau ist, weil er immer so schüchtern durchs Institut schlurft). Martin lerne ich erst noch kennen. Ein talentierter Restaurator soll er sein. Mal sehen, was er aus den Tonscherben "rausholen" kann.

Wenn morgen Abend alle da sind, soll ich die bisherigen Übersetzungen vorstellen. Wenn es mehr als der Prolog sein soll – und das erwartet Prof. Toulapos – muss ich mich ranhalten. Keine Flirts an der Bar heute Nacht!

Die erste Arbeit des Spermakles: Die Sättigung des spermagierigen Löwenmenschen

Erostheus hatte einen Berater, den alten und weisen Mentoros, und jener sollte ihm nun helfen, die erste Arbeit für Alkeidos zu bestimmen.

»O Erostheus, unser König, erinnert Euch an die Boten, die jüngst an Euren Hof kamen und von den schlimmen Begebenheiten in Nemea berichteten. Eine wilde Bestie – halb Mensch, halb Löwe – treibt dort ihr Unwesen. Sie wirft sich gierig auf jeden Mannesspeer, den es wittert, um das weiße Sperma herauszutrinken, das es wohl zum Leben braucht. Gar schlimm steht es um Nemea: Die Männer dort sind mittlerweile aufgrund der Angriffe des Löwenmenschen geschwächt, können keine Kinder mehr zeugen und ihre Felder nicht mehr bestellen. Die Leute flüchten jenes Land. Soll denn ganz Nemea eingehen?«

Erostheus, König von Toyrins, erkannte die schlimme Lage.

»Alkeidos, mein Vetter, ist der Einzige, der dieser Bestie Einhalt gebieten kann. Darum werde ich ihn morgen losschicken.«

Mentoros aber riet:

»Alkeidos, Euer Vetter, o Erostheus, ist ein gar potenter Held, der gewiss diesem Wesen beikommen könnte. Doch ist er noch jung und unerfahren. Mein Rat ist, ihm jemanden zur Seite zu stellen, der bewandert ist in allen Lastern rund um die körperliche Liebe!«

»Dein Einfall ist gut«, gestand der König, »doch eine Frage bleibt: Wen soll die ekstatische Macht meines Vetters beglücken? Eros selbst, als Urvater der Liebeslust, fand an Frauen wie Männern großen Gefallen. Ist sein Sohn dazu beschieden, der weiblichen Erquickung zu dienen? Ist er für die Erfüllung männlicher Gelüste geschaffen? Oder gar zu beidem, wie Eros selbst? Von der Antwort hängt ab, wen wir ihn zur Gesellschaft zur Seite stellen.«

»Das muss Alkeidos selbst entscheiden«, meinte Mentoros. »Ich will ihm zwei junge Menschen zuführen, die eine voller Weiblichkeit, der andere pure Männlichkeit ausstrahlend. Beide werden ihn locken, und wessen Geschlecht er nachgibt, des Fleisch und Seele soll er auf seiner Reise nach Nemea beglücken.«

»Kennst du denn solch verführerischen Exemplare, die meinem Vetter würdig sind?«

»Ja, o Erostheus. Im öffentlichen Haus des Phallusfreundes Arsh-oven, dem Ägypter, gibt es einen jungen Mann. Seine zarte Haut und dunklen, unterwürfigen Augen haben schon manchen Kunden hinweggetäuscht: Erfahren sind seine Glieder, flink seine Zunge, klug sein Geist. Auch ein Mädchen gibt es dort, die mal die ländliche Unschuld, mal die sündige Herrin der Nacht spielen kann, je nach Vorliebe der Freier. Einer von beiden kann bedenkenlos mit Alkeidos nach Nemea geschickt werden.«

Als Alkeidos anderntags im Begriffe stand, den Thronsaal aufzusuchen, fand er sich im Palast vor zwei verschlossenen Toren wieder. Da er nicht wusste, welches davon zum König führte, setzte er sich nieder und war unschlüssig, wo er um Einlass bitten sollte.

Da sah er eine Frau von hoher Gestalt auf sich zukommen. Sie war schön anzusehen, ihre Kleidung war luftig und glänzend verziert. Ihr Fleisch war wohlgenährt und zeigte doch nur dort Üppigkeit, wo es einem Weibe zusteht. Die Augen hatte sie geschminkt und ließ sie weit offen stehen, damit der jugendliche Liebreiz herausschimmern konnte. Als sie aber näher an Alkeidos herangekommen war, trat vom anderen Gange ein Jüngling hinzu. Der trug nichts um seine Brust, besaß ein edles Antlitz und einen geraden Gang. Er sprach:

»Ich sehe, Alkeidos, dass du unschlüssig bist, wen von uns du wählen sollst. Wenn du nun mich zum Freund nimmst, dann werde ich dich den angenehmsten und bequemsten Weg führen, keine Lust soll dir verloren gehen und von Beschwerden der Lenden sollst du verschont bleiben. Denn du wirst dich nicht um Freite und Verführung bekümmern müssen, sondern immer nur darauf sinnen dürfen, wen zu sehen und zu hören dich ergötzen würde, wen zu riechen oder anzutasten dich erfreuen würde, mit welchen Jünglingen zu verkehren dir am meisten Genuss bereiten könnte, auf wessen Haut du am weichsten schlafen könntest. Alle Art von Mann, ob klein, groß, schlank, breit, reif oder erst aufblühend, kann ich dir vermitteln. Jeden Wunsch der Lenden kann ich dir erfüllen.«

Als Alkeidos dies hörte, fragte er:

»Wie nennt man dein Gewerbe, Fremder?«

Der Jüngling antwortete:

»Meine Freunde nennen es Eromenos, meine Feinde dagegen Kotstecher oder Mietspeer.«

Inzwischen war auch andere Frau herangekommen und säuselte:

»Auch ich könnte dir Begleitung sein, Alkeidos, und ich hoffe, dass du den Pfad nach Nemea mit mir beschreitest. Ich kann dir Labsal reichen, kann dich lehren, wie du als tugendsamer Gatte dermaleinst dein Weib verwöhnst. Vielfältig sind meine Gaben: So kann ich dir meine Brüste zur Stillung deiner Gelüste darbieten, als auch deinen zukünftigen Kindern als Tränke reichen – sei es als Amme oder als liebende Gebärerin, denn zum Vater vieler gesunder Nachkommen vermag ich dich zu machen. Eben jene werde ich lehren, dich zu preisen – sei es als ihre Erzieherin oder als ihre Mutter. Ob du zum Spiele mich wählst oder zur immerwährenden Gefährtin: Wohltat und Liebe wirst du dank mir erfahren und dadurch zu Ansehen und Macht gelangen.«

Alkeidos bedachte sich die Worte beider und befand die einen als ebenso schön wie die anderen. Schwer war es da, eine Entscheidung zu treffen. Dann aber besah er sich den Eromenos und merkte, wie vertraut er war, obgleich sie sich zum ersten Male sahen. Denn er erinnerte ihn an die kecken Hirten im Gebirge, die sich unzählige Male an dem Halbgott ergötzt und dabei wiederum ihm große Freude gebracht hatten.

»Ich wähle dich«, sagte er zu dem Jüngling. »Wie heißt du?«

»Iakulaos ist mein Name«, gab der Eromenos zurück.

»So öffne mir das Tor, das mich zum König führt. Ich will den ersten Befehl erhalten.«

Der Eromenos verbeugte sich, ging an Alkeidos vorbei auf eines der Tore zu und öffnete es. Zu zweit traten die beiden in den Saal, wo der König saß und sie bereits erwartete. Von ihm empfing Alkeidos seinen Auftrag.

»Der Nemeische Löwenmann gefährdet die Potenz der Männer von Nemea. Die Boten sagen, dieses Wesen sei spermagierig und nicht zu sättigen. Seht zu, wie Ihr die Menschen dort von der Plage befreit, o Alkeidos.«

»Ich will gehorchen und verspreche, diese erste Arbeit zu erfüllen«, sprach der Halbgott siegesgewiss.

»Nicht allein müsst Ihr nach Nemea gehen, mein Vetter.

---ENDE DER LESEPROBE---