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»Star Song« - die 5-teilige Serie Keine Familie, keine Heimat … Zum Glück verfolgt die 24-jährige Kate Connor eine spannende Karriere in der US-Botschaft, um sich von den traumatischen Erlebnissen der Vergangenheit abzulenken. Das war zumindest der Plan. Stattdessen sitzt sie im zentralasiatischen Sanzharistan fest und ihr Traum scheint in weiter Ferne. Was könnte daher besser passen, als auf Wunsch beider Regierungen für den aufstrebenden Rockstar Adam Zapatenow zu arbeiten und den Glamour-Job als Tarnung für ihre Geheimaufträge im Dienst der US-Regierung zu nutzen? Obwohl die Musikindustrie kaum das richtige für eine angehende Diplomatin ist, hat es Vorzüge, für einen gutaussehenden Star zu arbeiten, der auf der Bühne heller strahlt als eine ganze Galaxie und im Privatleben bescheiden und freundlich ist. Adams Freunde nehmen sie in ihren Kreis auf, und zum ersten Mal in ihrem entwurzelten Leben fühlt Kate sich zugehörig – und mehr zu Adam hingezogen, als sie sich eingestehen will. Bei Adam könnte Kate die Geborgenheit finden, nach der sie sich so lange gesehnt hat, doch ihre Ängste und Adams Kultur stehen zwischen ihnen. Außerdem ist Kate zu professionell, um Grenzen zu überschreiten. Sie ahnt nicht, dass bei der Arbeit für Adam die Liebe nicht die einzige Gefahr darstellt – und beim weitem nicht die schlimmste …
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Georgia Rains
STAR SONG
Track 01: Liebe hat keine Grenzen
Roman
Aus dem amerikanischen Englisch von Eva Baumann
Kapitelübersicht
Kapitel 1
Das war nicht der Plan
Kapitel 2
Willkommen in Sanzharistan
Kapitel 3
Das Zapatenow-System
Kapitel 4
Perfekt für Romantik
Kapitel 5
OMG
Kapitel 6
Liebe hat keine Grenzen
Kapitel 7
Der Künstler
Kapitel 8
Der Star
Kapitel 9
Und nochmal OMG
Kapitel 10
Langeweile und Aufregung
Kapitel 11
Silvester
Kapitel 12
Showtime
Kapitel 13
Unfair
Kapitel 14
Das seltsamste Gespräch aller Zeiten
Kapitel 15
Ich will dich, ich brauche dich
Leseprobe
Kapitel 1
Busan
Die Star Song Serie
Impressum
»Schön, Sie kennenzulernen. Kate Connor.« Nach einem ganzen Tag und einer Nacht im Flugzeug bin ich zu müde, um belanglose Höflichkeiten auszutauschen, aber ich schenke ihm mein geübtes, freundliches und doch professionelles Lächeln.
»Gleichfalls. Warren Child. Kommen Sie rein.« Er ist leicht untersetzt, mittelgroß und hat dichtes, graues Haar. Khakihosen und ein dunkelblaues Golfhemd. Unauffällig. Er hält die Tür seines Hotelzimmers auf und tritt zur Seite, um mich reinzulassen.
Es ist ein normales Doppelzimmer in einem typischen Hotel einer großen Kette, genau wie mein eigenes. Ein offener Koffer auf dem Gepäckständer. Ein paar persönliche Gegenstände auf der Anrichte unter dem Fernseher. Keine Tür zu einem angrenzenden Zimmer, kein Hartschalenkoffer für Geräte, den ich sehen kann, keine Elektronik, nichts Interessantes. Die Vorhänge sind geschlossen, wie sie es sein sollten. Wir sind in der vierten Etage. Niemand kommt durch dieses Fenster herein – oder geht hinaus.
»Danke schön. Das ist für Sie.« Ich überreiche ihm den Diplomatenkoffer, den ich hierher ins schöne Chengdu, China, überbringen sollte. »Ich bin nicht über den Auftrag informiert worden. Man sagte mir, das würden Sie übernehmen.«
»Ja. Es ist ganz einfach.« Er deutet mir an, an dem kleinen Tisch in der Ecke Platz zu nehmen, was ich auch tue. Er nimmt den anderen Stuhl. »Ich bin im Rahmen eines langfristigen Auftrags hier und gebe mich als Textilhändler aus. Heute Abend gehe ich zu einem Empfang mit Führungskräften und Mitarbeitern eines örtlichen Bekleidungsherstellers. Sie begleiten mich und spielen die Rolle meiner Tochter. Sie sind zu Besuch gekommen, um meinen längeren Aufenthalt in der Stadt zu nutzen.«
Ich lege den Kopf schräg. »Ich dolmetsche nicht für Sie?«
»Nein, ich spreche fließend Mandarin. Ihre Aufgabe heute Abend ist es, neben mir zu stehen und so zu tun, als würden Sie nur das einfachste Touristen-Chinesisch verstehen. Das ist alles. Keine weitere Aufgabe.«
Ich bin verblüfft. »Die Sprache nicht zu verstehen, ist das Gegenteil von dem, was normalerweise meine Aufgabe ist.«
»Ich weiß. Aber ich brauche heute Abend eine Tochter, und das sind Sie. Stehen Sie einfach rum, hören Sie zu und lassen Sie niemanden wissen, dass Sie verstehen, was die Leute sagen.«
Ich halte einen Moment inne, während ich versuche, zu verarbeiten, was er mir da sagt. »Soll ich auf etwas Bestimmtes hören?«
»Nein. Es ist nur ein Empfang. Cocktails und Geplauder.«
Ich nicke. »Wie ein Touri verhalten und dumm stellen. Verstanden.« Ich verstehe es zwar nicht, aber das ist nicht der seltsamste Auftrag, den mir das Auswärtige Amt der USA gegeben hat, also nehme ich es hin.
»Ganz genau. Ruhen Sie sich inzwischen aus. Wir werden das Hotel um acht Uhr verlassen. Haben Sie festliche Kleidung dabei?«
»Ja. Ich habe alles mitgebracht, was ich besitze.«
»Stimmt ja, Sie sind ja unterwegs zu Ihrem neuen Posten. Waren Sie schon einmal dort?«
»Nein, noch nicht.«
»Dann willkommen in Sanzharistan. Es wird Ihnen gefallen. Die Menschen sind unglaublich nett.«
Hoffen wir mal, dass er recht hat. Sanzharistan war nämlich nicht gerade der Plan.
♪♫
Ich kann nicht stillsitzen. Die Party ist bereits in vollem Gange, und wir werden zu spät kommen. Amerikaner im kommunistischen China sollten kein Aufsehen erregen.
Als wir in einem heruntergekommenen Industriekomplex neben einem Gebäude halten, das wie eine Textilfabrik aussieht, sehe ich niemanden in der Nähe. Ich sehe nicht einmal Überwachungskameras. Das scheint kein besonders spannender Ort zu sein. Aber wenn wir hier sind, muss es interessanter sein, als es aussieht, also halte ich wachsam die Augen offen.
Wir treten vor eine unscheinbare Tür. Warren rüttelt an der Klinke. »Die Tür ist verschlossen.«
Ich sehe ihn erwartungsvoll an und gehe davon aus, dass wir uns umdrehen und gehen werden.
»Die Tür ist verschlossen«, sagt er wieder.
Oh. »Ich habe mein Lockpicking-Set nicht dabei.« Soll ich etwa das Schloss knacken?
Er holt eine schmale Brieftasche heraus und reicht mir ein einfaches Set, genau wie mein eigenes. »Behalten Sie es von nun an bei sich.«
Obwohl er hundertprozentig selber weiß, wie man das macht, knacke ich das Schloss: ein einfaches Standard-Türknaufschloss. Es lässt sich leicht öffnen, obwohl meine Hände vor Adrenalin zittern.
»Warten Sie hier«, weist er an.
Meine Lippen sind trocken, mein Herz schlägt schnell. Wenn wir erwischt werden, sind wir tot, wahrscheinlich wortwörtlich. Das hier war definitiv nicht der Plan. In höchster Alarmbereitschaft warte ich auf dem Betonpodest vor der Tür, fixiere meinen Blick auf die Kiesauffahrt und die dunklen, augenlosen Fenster der umliegenden Gebäude, um nach Anzeichen von Ärger Ausschau zu halten. Mach hin, Kollege!
Warren ist nur eine Minute lang im Büro. Sobald er herauskommt, renne ich zum Auto. Er lässt sich Zeit und vergewissert sich, dass die Tür wieder sicher verriegelt ist und wir nichts auf das Podest fallen gelassen haben. Kichernd über die Nervosität dieses Frischlings geht er zum Auto.
Auf der Party stehe ich neben Warren und tue so, als würde ich nichts von den Gesprächen um mich herum verstehen. Auf nichts zu reagieren, was jemand sagt, ist gar nicht so leicht, aber ich schaffe es, mein Gesicht unter Kontrolle zu halten. Als der Einsatz vorbei ist, sagt mein Kollege, ich sei perfekt gewesen – obwohl ich überhaupt nichts getan habe.
Jeder spekuliert darüber, wie eine Vierundzwanzigjährige, die so aussieht wie ich, es soweit geschafft hat. Sie stellen mich ständig auf die Probe: Habe ich wirklich diese Doktortitel, spreche ich wirklich all diese Sprachen fließend? Mit wem genau bin ich im Auswärtigen Amt ausgegangen? Wahrscheinlich mit jemandem von ganz oben? Ich habe gelernt, dass der einzige Weg, dies zu überwinden, darin besteht, doppelt so hart zu arbeiten wie alle anderen – und dabei unsichtbar zu sein.
Allerdings bin ich noch nicht dort, wo ich hinwill. Soeben erst bin ich an die US-Botschaft in Izmara versetzt worden, der Hauptstadt des zentralasiatischen Staates Sanzharistan. Gleich beginnt ein Regierungstreffen, bei dem ich für eine amerikanische Beamtin übersetzen soll, die in Izmara mit Sanzharistans Kulturminister über den sanzharischen Rockstar Adam Zapatenow verhandeln will, der Sanzharistans Beitrag zum Asiatischen Kulturfestival nächstes Jahr in Los Angeles sein soll. Unwichtige Diplomatie auf niedrigem Level, und irgendwie mache ich nur noch solche Arbeit, seit ich hier bin.
Ich bin das erste Mal im Konferenzraum des Botschafters. Der Raum ist im klassischen Stil der US-Regierung dekoriert, protzig, um zu beeindrucken: Amerikanische Flaggen auf Adlerstangen, das Porträt des Präsidenten, Ledersessel, ein riesiger Mahagonitisch und Samtvorhänge. Kronleuchter spenden luxuriöses Licht und Zitronenöl verströmt einen luxuriösen Duft.
Der Kontrast zu den abgenutzten Einrichtungsgegenständen in den Teilen der Botschaft, die Besucher nicht zu sehen bekommen, ist so groß, dass ich lachen muss. Aber ich bin ein Profi. Mein Gesicht wird weder der Sanzharistan-Abordnung etwas verraten, die sich mit der amerikanischen Delegation trifft, noch ihren vier Gästen. Die Gäste vertreten den Star, der offensichtlich zu beschäftigt und wichtig ist, um selbst an der Besprechung teilzunehmen.
Ich nehme sie genau unter die Lupe, so, wie es mir beigebracht wurde. Während einer der Männer in einem ordentlichen, blauen Anzug und roter Krawatte recht anständig aussieht, könnten die anderen drei kaum mehr fehl am Platz wirken. Einer der Männer ist mittleren Alters und ungepflegt, der andere eher in meinem Alter und mit Jeans und T-Shirt vollkommen underdressed. Die junge Frau, die bei ihnen ist, sticht jedoch noch mehr hervor: Sie ist ganz in nietenbesetztem Leder gekleidet und trägt einen etwa einen Meter langen Pferdeschwanz, rote Nägel mit passenden Lippen und schweren Schmuck, dazu einen Nasenring und ein Augenbrauenpiercing.
Warum Regierungen ein Treffen über ein Rockkonzert abhalten, ist mir ein Rätsel, aber als die Diskussion beginnt, wird es klar. Der Star ist ein wandelndes und singendes Werbeplakat für das fortschrittliche, demokratische, postsowjetische Sanzharistan.
Das Festival bietet eine perfekte Gelegenheit, dem Klischee etwas entgegenzusetzen, denn sein Land wird im Westen als russische Marionette und sein Volk als ignorant, rückständig und fanatisch bezeichnet. Das American Bureau of Educational and Cultural Affairs ist Gastgeber des Festivals. Der Kulturminister von Sanzharistan ist hier, um sicherzustellen, dass Sanzharistans Vorzeigejunge gut behandelt wird.
Während ich zwischen Russisch und Englisch dolmetsche, schenkt mir die junge Frau ein warmes Lächeln. Da ich bei solchen Treffen normalerweise mit der Tapete verschmelze, schätze ich es, dass sie mich als echten Menschen wahrnimmt.
Sie stellt sich während einer Toilettenpause vor.
»Amelia Alieva. Ich bin die Keyboarderin von Adam. Und wer sind Sie?« Ihr freundliches Auftreten steht in krassem Gegensatz zu ihrem harten Look.
»Kate Connor, Dolmetscherin des Auswärtigen Amts der USA. Freut mich, Sie kennenzulernen.«
Ich seufze, als ich mich im Spiegel anschaue. Mein »Tarnumhang« ist keine der hochmodernen Geheimdiensttechnologien, von denen ich manchmal von Kollegen höre. Es ist eine lange, schwarze Strickjacke, die eine herablassende Frau eines Geschäftsführers als »Kartoffelsack« bezeichnete, eine große, rosa Brille, eine schwarze Mütze im Militärstil und kein Make-up oder Schmuck. Schlicht und einfach; aber akzeptable Frauenkleidung von der Madison Avenue bis nach Mekka. Die Kleidung versteckt perfekt mein sehr amerikanisches blondes Haar, meine blauen Augen und meine Kurven.
Amelia bemerkt meine Unzufriedenheit. »Sie sehen umwerfend aus. Warum verstecken Sie sich unter dieser furchtbaren Strickjacke?«
Unverblümt, aber wahr. »Dolmetscher sollte man hören und nicht sehen.«
»Das muss schwer für Sie sein, so gut, wie Sie aussehen.« Sie mustert den Kartoffelsack prüfend, offensichtlich um herauszufinden, was sich darunter verbirgt. Ich habe das Gefühl, dass sie meine Maße nehmen würde, wenn sie ein Maßband zur Hand hätte.
Mir ist das Thema unangenehm. Ich kann nichts für mein Aussehen, und es bringt mir sowohl privat als auch beruflich nur Ärger ein. Die Nachteile sind real, stoßen aber im Allgemeinen auf keinerlei Mitgefühl, also habe ich gelernt, mein Aussehen herunterzuspielen und mich nicht zu beschweren.
»Ich bin daran gewöhnt. Diplomatie ist ein hartes Geschäft. Für jemanden in meinem Alter ist es ohnehin schon schwer, ernst genommen zu werden, und mein Aussehen ist da nicht gerade hilfreich. Also bleibe ich schlicht und langweilig, auch wenn ich nicht dolmetsche.«
»Nun, hier in Sanzharistan verstecken wir Frauen unsere Vorzüge nicht. Wenn Sie dazugehören wollen, sollten Sie das auch nicht. Zeigen Sie, was Sie haben, Mädchen!«
Ich erwarte nicht mehr als einen Austausch von Namen. Amelia fängt jedoch sofort an, Fragen zu stellen, angefangen bei meinen Fähigkeiten als Dolmetscherin. Während ich mir die Hände wasche, gebe ich ihr die Kurzfassung und mache mich auf die übliche Reaktion gefasst.
»Meine Eltern waren Diplomaten beim Auswärtigen Amt, sodass ich Spanisch, Französisch und Italienisch gelernt habe, als ich als Kind in Westeuropa lebte. In der Oberschule lernte ich Russisch, nur zum Spaß. Chinesisch, Koreanisch und Japanisch lernte ich während der Arbeit an meinen Doktortiteln in Asienwissenschaften und Internationalen Beziehungen.«
Sie sieht mich mit offenem Mund an und nutzt die Gelegenheit, um noch mehr Lippenstift aufzutragen. »Sie müssen ein Genie sein!«
Meine Leistungen hören sich beeindruckend an, aber damit eine Frau in meinem Alter all das kann, musste etwas sie von einem normalen Leben fernhalten. Etwas Großes. Aber nicht etwas, das man mit einer Fremden teilt.
»Danke, aber ich habe einfach ein Händchen für Sprachen. Wenn man ein paar beherrscht, ist jede neue einfacher.«
Sie hört auf, ihren Lippenstift aufzutragen und zieht eine Augenbraue hoch. »Chinesisch ist einfach? Erzähl mir noch einen.«
»Okay, nein, Chinesisch ist brutal. Ich habe vier Jahre gebraucht, um es zu beherrschen.«
Amelia lässt ihren Lippenstift in ihre Tasche fallen, öffnet mir die Tür und wir gehen zurück in den Konferenzraum. Ihre Stiefel klappern auf dem Marmorboden der Gänge, als sie mit ihrer Befragung fortfährt. »Wie alt bist du?«
»Vierundzwanzig.«
Sie bleibt stehen und starrt mich wieder mit offenem Mund an. »Erst? Wie kannst du da all diese Doktortitel und so weiter haben?« Diese Frau ist mir irgendwie sympathisch, obwohl sie kein Blatt vor den Mund nimmt. Vielleicht gerade deswegen.
»Meine Eltern haben mich von klein auf zu Hause unterrichtet, und daher habe ich mit fünfzehn Jahren die Schule abgeschlossen, mit neunzehn das College, und mit zweiundzwanzig habe ich promoviert.«
»Nicht zu fassen. Und seitdem hast du diesen Job?«
»Nein, ich bin erst seit ein paar Wochen hier. Bis dahin war ich für das Auswärtige Amt unterwegs und habe bei diplomatischen Veranstaltungen in der ganzen Welt gedolmetscht. Das war eine tolle Erfahrung, aber zwei Jahre lang in Hotels zu leben, war kein Spaß.«
»Urgs, ich weiß. Auch schicke Hotels werden irgendwann ätzend. Nach ein oder zwei Wochen kann ich es kaum erwarten, wieder nach Hause zu kommen.«
Ihre Worte versetzen mir einen Stich. Ich habe schon lange kein richtiges Zuhause mehr gehabt.
Zurück im Konferenzraum setzt sie sich neben mich. »Du bist also beim Auswärtigen Amt, weil deine Eltern hier sind?«
Ich schaue mich im Raum um. Alle sind immer noch in ihre eigenen Aktivitäten vertieft und warten darauf, dass das Meeting wieder weitergeht. »Nicht ganz. Als ich zehn Jahre alt war, musste ich in die Vereinigten Staaten ziehen. Ich bin beim Auswärtigen Amt, weil ich wieder das Leben haben wollte, das ich als Kind hatte.«
»Wir sind hier nicht gerade in Westeuropa. Was hältst du von Sanzharistan? Ist es das, was du erwartet hast?«
Bei der Frage blicke ich betreten zu Boden. »Ehrlich gesagt, habe ich gar nichts erwartet. Ich wusste so gut wie nichts über das Land, bevor man mich hier stationiert hat.«
Sie wirft mir einen kurzen Seitenblick zu. »Das erklärt, warum die Dolmetscherin in der US-Botschaft in Izmara kein Sanzharisch spricht.«
Es ist in der Tat der Gipfel amerikanischer Arroganz, eine Nicht-Sanzharisch-Sprecherin ohne Sanzharistan-Kenntnisse hier in der Botschaft einzusetzen. Fast alle Sanzharer sprechen nicht nur Sanzharisch, sondern ebenso fließend Russisch, und die gebildete, jüngere Generation spricht zunehmend Englisch, sodass ich mich mit fast allen verständigen kann. Aber es ist trotzdem unhöflich, hier vor Ort ihre Muttersprache nicht zu sprechen.
Ich nehme die Kaffeekanne und fülle unsere beiden Tassen. »Es tut mir leid. Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, warum man mich hier stationiert hat, aber es ist nur so lange, bis sie mich in die Moskauer Botschaft versetzen. Ich möchte trotzdem alles über die Kultur lernen, was ich kann, solange ich hier bin.«
»Gut, das solltest du auch.« Sie pustet auf ihren Kaffee. »Die meisten im Westen können Sanzharistan nicht von Afghanistan unterscheiden. Sie haben keine Ahnung, dass wir eine Demokratie sind oder dass wir keine religiösen politischen Parteien zulassen. Sie haben noch nie von unseren Städten gehört, obwohl diese riesig und wesentlich moderner sind als die meisten europäischen Städte.