Star Trek: Picard - Julian Wangler - E-Book

Star Trek: Picard E-Book

Julian Wangler

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Beschreibung

Mit Star Trek: PICARD kehrt eine Legende zurück. Seit den ruhmreichen Tagen auf der Enterprise ist im Leben von Jean-Luc Picard viel geschehen. Lange Zeit hat er als verbitterter Mann nichts mehr von der Zukunft erwartet. Doch dann soll Picard wieder aufblühen, um erneut das Richtige zu tun. Die Serie zeigt uns eine mutige Neuinterpretation des einst glanzvollen Sternenflotten-Captains und zugleich eine Neuvermessung von Gene Roddenberrys Kosmos. Dieses Buch richtet sich an alle, die Star Trek: PICARD bereits gesehen haben, und liefert vielfältige Einordnungen, Analysen und Interpretationen zum Stoff der Serie.

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„Welch einfache Rätsel Sie alle doch darstellen. Unbedacht sind Ihre Blicke, Ihre Narben offensichtlich. Herrje, was hat die Zeit nur aus Ihnen gemacht? Jämmerliche, alte Krieger!“

- James Moriarty in PICARD 3x06 Die Bounty

Inhaltsverzeichnis

Einleitung:

Ein neuer Anfang

Kapitel 1:

Kurze Chronologie

Kapitel 2:

„Oh, welch Drama!“

– Die drei

PICARD

-Staffeln

Kapitel 3:

„Kein Vermächtnis ist so reich als Ehrbarkeit“

– Jean-Luc Picard und die gebrochene Legende

Kapitel 4:

„Warum tut die Vergangenheit so weh?“

– Neue Helden braucht die Galaxis

Kapitel 5:

„Ich habe vom Tod gekostet, aber das hier ist neu“

– Data und die androide (R)Evolution

Kapitel 6:

„So fürchterlich dunkel“

– William Riker & Deanna Troi und der beständige Schmerz des Verlustes

Kapitel 7:

„Es ist viel passiert in zwanzig Jahren“

– Beverly Crusher und die Bitterkeit des langen Schweigens

Kapitel 8:

„Vermitteln wir freundliche Energie“

– Worf und die wundersame Wandlung des Wesens

Kapitel 9:

„Das waren andere Zeiten“

– Geordi La Forge und ein paar Einsichten über die Familie

Kapitel 10:

„Ich hatte einen schönen Morgen, bevor all das passiert ist“

– Liam Shaw und das Zeug zum Captain

Kapitel 11:

„Ich spüre das Raum-Zeit-Kontinuum, ich bin keine Uhr“

– Guinan, Temporalübelkeit und Weltschmerz

Kapitel 12:

„Mon capitaine, wie ich Sie vermisst habe“

– Quälgeist Q und die Hüte auf seinem Kopf

Kapitel 13:

„Sie haben alles verraten, woran ich geglaubt habe“

– Ro Laren und die finale Aussprache

Kapitel 14:

„Mir gefällt nicht, was aus uns geworden ist“

– Die Föderation und die Insel der Sorglosen

Kapitel 15:

„Das war in einem anderen Leben“

– Das Ende des Romulanischen Imperiums und der Morgen danach

Kapitel 16:

„Es kommt der Tag der Ruhe“

– Vadic und ein Leben für die Rache, in flüssiger und fester Form

Kapitel 17:

„Eine Wiedergutmachung für unsere Spezies“

– Die Borg und das letzte Aufbäumen

Kapitel 18:

„Dieses Ding hat sich ins Herz der Föderation geschlängelt“

– Sektion 31 und Utopias Moral

Nachwort:

Utopia ist immer noch möglich

Einleitung:

Ein neuer Anfang

„Von Anfang an sagte uns Patrick: Diesmal muss es anders sein. Ich bin anders. Jean-Luc Picard auch. Er steht in einem anderen Lebensabschnitt, genau wie ich. Das war die Vorgabe, die er uns machte. Als Patrick zu uns kam, traf er auf fruchtbaren Boden.“ (Michael Chabon, Showrunner PICARD-Season 1 und Drehbuchautor)

„Patrick hatte gewisse Grundsätze. Keine Uniformen. […] Alles, was wir an Bekanntem zurückholten, sollte verdient sein. […] Ob wiederkehrender Gaststar oder eine bekannte Position wie auf der Brücke. Beziehungen, die man aus The Next Generation kennt. Das wollten wir alles nicht übernehmen. Diese Serie sollte kein Sequel sein. Sie sollte auf eigenen Füßen stehen. Dazu musste sie Neues und Unbekanntes bringen. Darauf bestand Patrick, und damit hatte er auch Recht.“ (Akiva Goldsman, Showrunner PICARD-Season 2 und Drehbuchautor)

„Wir wollten nicht nur alte Sachen wiederaufbereiten, sondern wir wollten neue Ideen einbringen.“ (Alex Kurtzman, Star Trek-Executive Producer)

„Bevor Patrick Stewart sich zu uns Drehbuchautoren gesellte, hatten wir schon ein Gespür dafür, welche Elemente aus Picards Vergangenheit nachhallen. Dinge, bei denen wir fanden, etwas sei unerledigt geblieben oder es seien offene Geschichten zu Ende zu bringen. Besonders interessant fand ich dabei, dass es ihm von Anfang an um Data ging. […] Uns wurde klar, dass Picard irgendwann eine Liebe zu Data entwickelt hatte. Er bereute Datas Opfer so sehr, dass für Patrick keine Frage bestand, die Geschichte auf dieser Begebenheit aufbauen zu müssen. Somit wurden viele unserer Einfälle verworfen, und wir fingen von vorne an, ausgehend von der tiefen Wunde, die Patrick beleuchten wollte.“ (Kirsten Beyer, PICARD-Drehbuchautorin)

„Als wir die Serie erschufen, erschien es uns richtig, die Veränderungen in der realen Welt abzubilden. Was feststehend und sicher gewesen war, menschlich und fürsorglich an der Föderation und der Sternenflotte, hatte sich geändert, weil die Welt sich verändert hatte. Regierungen wechseln, Haltungen zur Gesellschaft ändern sich. Das wollten wir in PICARD aufgreifen […], und deshalb konnte man nichts mehr als gesichert betrachten. Dies hatte Jean-Luc unter anderem zu einem deprimierten, schuldgeplagten, zornigen Mann gemacht. Alles Eigenschaften, die er in The Next Generation nicht an den Tag gelegt hatte. Das begeisterte mich, denn wir erschaffen zwar Science-Fiction, doch erschien es mir stets wichtig, […] auf eine naturalistische und glaubhafte Art die Welt um uns herum widerzuspiegeln […]. Ich finde, das verleiht PICARD viel an wertvoller Substanz.“ (Patrick Stewart, Schauspieler und PICARD-Executive Producer)

Diese und weitere Aussagen der verantwortlichen Produzenten und Drehbuchautoren sind dem Bonusmaterial der DVDs bzw. Blu-rays zur Season eins von Star Trek: PICARD beigefügt. Bereits in diesen Zitaten wird deutlich, was die zu diesem Zeitpunkt siebte Star Trek-Realfilm-Serie auszeichnet. Erstens: dass es eine Serie ist, die etwas an und für sich jahrelang Ausgeschlossenes, ja Unmögliches erreicht hat, nämlich Sir Patrick Stewart (inzwischen in seinen Achtzigern angelangt) in seine alte Paraderolle als Jean-Luc Picard zurückzuholen, die spätestens zu Beginn der 1990er Jahre Teil der globalen Popkultur geworden ist. Aber auch noch ein Zweites wird erkennbar: Stewart formulierte für seine Rückkehr die Voraussetzung, anders als dereinst in Star Trek: The Next Generation nicht bloß als Schauspieler zu agieren, sondern unmittelbar in die kreative Kontrolle der neuen Serie eingebunden zu sein. Somit mussten sich die Drehbuchautoren rund um Akiva Goldsman, Michael Chabon, Kirsten Beyer und (später) Terry Matalas von vorneherein darauf einstellen, den Writers Room mit dem Altstar zu teilen. Und dieser schwang sich tatsächlich auf, seine frühere Rolle – und mit ihr das Star Trek-Universum in Gänze – ein gutes Stück weit neu zu definieren.

In inhaltlicher Hinsicht war Stewarts Bedingung für seinen Einstieg, dass die Fortsetzung der Geschichte von Jean-Luc Picard nicht zu einem Neuaufguss von TNG geraten sollte. So stimmte er das Publikum – lange bevor irgendwelche konkreten Drehbücher vorlagen – früh auf tiefgreifende Veränderungen ein, die den Ton der Serie nachhaltig prägen sollten. Die neue Star Trek-Inkarnation sollte sich nicht auf ausgetretene Pfade begeben und bekannte Gesichter nur dann zurückbringen, wenn es wirklich einen Mehrwert versprach. Zugleich sollte PICARD in ähnlicher Weise auf den globalen Zeitgeist eingehen wie es seinerzeit TNG getan hatte. Daher erschien es konsequent, das utopiagleiche Paradies der Föderation in tiefe Schatten zu hüllen und auch stärker in Mitleidenschaft gezogene Charaktere in der Entourage des Ex-Captains aufzufahren. Stewart, der selbst erkannt hatte, wie sehr er sich als Mensch zusammen mit dem Weltgeschehen in den vergangenen Dekaden verändert hatte, schwebte ein verwegener Balanceakt vor: Der reinkarnierte Picard sollte zwar auf dem Fundament dessen stehen, was ihn einst zur Legende hatte werden lassen, und doch sollte es eine für sich stehende Show werden, die bewusst andere Wege einschlug.

Und so ist es nicht überraschend, dass uns im Pilotfilm Gedenken kein heroischer, rechtschaffener und überlebensgroßer Sternenflotten-Offizier mehr begegnet als vielmehr ein einsamer, beinahe gebrochener Mann, über den die Zeit buchstäblich hinweggegangen ist. Dieser schwächer gewordene, zuweilen sentimentale Mann befindet sich auf einem abgeschiedenen Weingut im französischen La Barre, spaziert mit Mantel und Schieberkappe über sein riesiges Land und führt ein Leben, das er nie wollte, in einer Umgebung, in der er sich – wie er selbst zugibt – nie wirklich zuhause fühlte. Es ist ein Mann, dessen Vorhang sich beinahe vollständig gesenkt hat, und angesichts einer schweren Erkrankung hat er auch sein schier unentrinnbares physisches Ende vor Augen. Früher hat er für die Rettung von Millionen und Milliarden Leben eingestanden, doch dann erlosch der Glanz der alten Tage; ihm ging die Kraft aus, er konnte nicht mehr weiter, und verbittert wandte er sich schließlich von der Welt ab. Wer hätte gedacht, dass dieses Schicksal einmal zu einem Teil Jean-Luc Picards werden würde? Ausgerechnet jenes ‚Advanced Human‘, der in seiner Glanzzeit durch Prinzipientreue, Zuversicht und Selbstbewusstsein, kluges Abwägen, strategisches Denken, Entscheidungsstärke, Durchsetzungsvermögen bestochen und andere damit inspiriert hatte; für den keine Herausforderung zu groß und kein Weg zu weit erschienen war? So können wir uns irren.

Glücklicherweise ist dieses radikal neu gedachte Setting erst der Ausgangspunkt, sodass das Leben des alten Picard, der auf seinem Château auf den Tod zu warten schien, doch noch eine sagenhafte Wendung nehmen soll. Alles beginnt damit, dass eine junge Frau eines Tages auf dem Weingut auftaucht, verstört, verwirrt, verzweifelt. Dahj ist auf der Suche nach Zuflucht und scheint ihm von vorneherein besonderes Vertrauen entgegenzubringen. Sie erzählt Picard eine geradewegs unglaubliche Geschichte und dass ein Bild von ihm, welches sie plötzlich vor Augen hatte, sie hierher geführt habe. Dahj kommt Picard ebenfalls vage bekannt vor, und er macht sich auf, Nachforschungen anzustellen. In den turbulenten Ereignissen und wundersamen Begebenheiten, die sich im weiteren Verlauf zutragen werden, wird Picard den verlorenen Teil seiner selbst finden. Sein Vorhang soll sich wieder heben, damit er in fortgeschrittenem Alter erneut das Richtige tun kann. Doch dieses neu geschenkte Leben wird keine Wiederbelebung der nostalgisch verklärten Vergangenheit sein, soviel steht fest. Nichts bleibt, wie es ist. Die Vergangenheit ist unwiderruflich vorbei.

Wenn wir uns die ersten Episoden betrachten, hat PICARD in der Tat nur noch wenig mit dem Gestern zu tun. Hin und wieder mag es von Reminiszenzen zehren, von denen die eine oder andere eine gewisse Wärme verströmt, mag die Serie im Sinne des Fanservice eine Menge liebevoll untergebrachter Easter Eggs vorweisen, aber wenn wir uns umsehen, bemerken wir in den langen Linien viel Verfremdung und sogar Fremdartigkeit im Herzen der einstmals so vertrauten Föderation und Sternenflotte. Es hält eine gewisse Ironie bereit, dass die Rückkehr des inzwischen nicht mehr ganz jungen Stewart in seine ikonische Rolle eben nicht das Wiederaufgreifen des berüchtigten roten Fadens sein sollte als vielmehr ein bewusstes Gegen-den-Strich-Bürsten des Altbekannten und Gewohnten. Eine klare Absage also an all Jene, die sich bei der erstmaligen Ankündigung der neuen Show im Sommer 2018 eine Art achte TNG-Season erhofft hatten. Stewart wurde in Interviews nicht müde, darauf hinzuweisen. Zudem fand er Gefallen daran, seine eigenen Lebenserfahrungen wie etwa das Leiden unter seinem groben, zuweilen gewalttätigen Vater einfließen zu lassen. Das führte dazu, dass dem Charakter Picard im Nachhinein Änderungen übergestülpt wurden, die dem bisherigen Bild von ihm nicht zwangsläufig entsprachen. Doch wer will eigentlich behaupten, wir hätten bereits alles über diesen Mann gewusst? Nun lernen wir ihn neu kennen und zugleich bislang verborgene Seiten seiner selbst.

Um den ehemals so unantastbaren Captain zu dekonstruieren, ihn anfassbarer und menschlicher zu machen, sollten in der Vision Stewarts aus TNG eher ungekannte Schicksalsschläge, Scheitern, Fehlbarkeit und Verirrung eine prominente Rolle spielen. Menschen, so glauben insbesondere die Showrunner Michael Chabon und Akiva Goldsman, sind wankelmütig und makelbehaftet, und selbst hinter denjenigen, die in den Sternstunden ihres Daseins zum Mythos stilisiert werden, stecken letzten Endes auch nur Personen aus Fleisch und Blut mit „Stärken, Wissen, Talenten, genauso aber auch Fehlern, Schwächen, Sünden der Vergangenheit“ (PIC 3x06). Es wurde die bewegende Geschichte vom Verloren-gehen und Wieder-Aufstehen des Jean-Luc Picard. Es wurde aber auch eine Geschichte von der Neuvermessung von Gene Roddenberrys verheißungsvoller Zukunft im Angesicht eines bedrückenden und krisenhaften Weltgeschehens. So startete PICARD mit viel Düsternis und Schwere, mit dysfunktionalen Charakteren und allenthalben in Frage gestellten Werten. Doch inmitten dieses zuweilen beklemmenden Setups war der Wunsch der Macher klar erkennbar, den Pfad in eine gelingende Zukunft aufzuzeigen. Die vielfältigen Vorprägungen aus Schmerz, Leid, Trauma, denen die Charaktere ausgesetzt sind, wirken auf die Erkenntnis hin, dass es niemals zu spät ist, sein Leben in die Hand zu nehmen und für das Gute aufzustehen – erst recht in einer Welt, die immer mehr aus den Fugen zu geraten droht. PICARD demonstrierte also, was es bedeutet, sich dem Zeitgeist anzupassen und ihn zugleich positiv zu überwinden. Die Botschaft ist klar: Die einstmals perfekte Welt mag vorerst außer Sichtweite geraten sein, aber sie ist immer noch erreichbar, und man sollte beherzt für diese kühne Vision eintreten. Daneben ist es sicherlich eine Leistung der Serie, dem allgemeinen Jugendwahn etwas entgegenzusetzen und selbstbewusst zu zeigen: Es ist in Ordnung, dass wir älter werden, mit allem, was dazu gehört. Die Zeit hat ihre eigenen Gesetze, sie ist eine letzte Grenze in eigener Sache, und das zu verinnerlichen, bedeutet besser zu verstehen, wie jemand wie Jean-Luc Picard sich so stark verändern konnte, nicht nur in seiner äußeren Anmutung, sondern auch in seinem Denken und Fühlen.

Dass PICARD sich in seinem letzten Drittel doch immer mehr in die Richtung eines echten Sequels bewegte, hat vermutlich auch mit den durchwachsenen Reaktionen der Fanbasis auf die ersten beiden Staffeln zu tun, wo das durchaus mutige Experiment nicht vollends zu überzeugen wusste. Für viele Fans – der Autor dieses Buches eingeschlossen – war es trotz des einen oder anderen Höhepunktes weder Fisch noch Fleisch. Wer sich für PICARD interessierte, der kam um (mindestens) sieben Staffeln TNG und vier Kinofilme nicht herum, aber wer sich der Erwartung hingab, vertraute Fäden würden wie selbstverständlich weitergesponnen, der rieb sich zuweilen verwundert die Augen über die Art, wie an und für sich bekannte Charaktere handelten und welche Brüche sich allenthalben vollzogen. Die Serie jonglierte mit dem Kanon wie sie ihn zuweilen bewusst von sich wies, um sich freizuschwimmen und Neues auszuprobieren. Damit saß sie irgendwie zwischen den Stühlen. Und so fand PICARD, das am Anfang mehr hatte sein wollen als eine Replik auf das Gestern, in seiner finalen Staffel vielleicht genau darin seine größte Erfüllung wie auch seinen größten Erfolg. Wieder so eine Ironie. Season drei schaffte es auf die vorderen Plätze der Amazon-Streaming-Charts, und die Bewertungen auf IMDb (Internet Movie Database) überholten selbst zeitlose Perlen der Star Trek-Historie wie Das zweite Leben (The Inner Light), In den Händen der Borg (The Best of Both Worlds), Die alte Enterprise (Yesterday‘s Enterprise), In fahlem Mondlicht (In the Pale Moonlight) oder Immer die Last mit den Tribbles (Trials and Tribble-ations). Offensichtlich hatte Showrunner Terry Matalas mit diesem verspäteten Revival einen Nerv im Fandom getroffen. Auf diese Weise bot sich die Möglichkeit, den Ausgang des eher unglücklichen und halbherzigen Star Trek: Nemesis (2002) zu korrigieren und Picard und Co. einen würdigen Abschluss zu bescheren, mochte dieser auch weniger im alten Geist der Serie TNG stehen als vielmehr im Geist der TNG-Kino-Ära.

Trotz der Cast-Reunion der TNG-Schauspieler, die im letzten PICARD-Reigen in den Mittelpunkt rückte, war die Serie weiter vom aufrichtigen Bemühen getragen, die von Stewart angesprochene stark gewandelte Welt zu präsentieren, in der der inzwischen fast hundertjährige Admiral a.D. mit seinen Freunden agiert. Und so bleibt die Serie, die den Namen des vielleicht berühmtesten und sicher nobelsten (Ex-)Captains trägt, vor allem etwas für diejenigen, die bereit sind, Star Trek mit anderen Augen (und auch anderem Herzen) zu betrachten, die sich auf den Wandel einlassen und bereit sind, die vermeintlich guten, alten Zeiten ziehen zu lassen. Denn wie sagte Jean-Luc Picard selbst am Ende des siebten Kinofilms Treffen der Generationen in seiner unvergleichlichen Art:

„Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert, jeden Moment zu genießen, denn er wird nicht wiederkommen.“

Star Trek: PICARD ist keine Fortsetzung als vielmehr ein Anfang für alte wie neue Figuren inmitten einer stark veränderten Welt. So sollte man die Serie lesen. Und natürlich bedient PICARD ganz nebenbei als moderne Serie des Streaming-Zeitalters andere Sehgewohnheiten, neue Erzählformen und auch optisch-gestalterisch gewachsene Ansprüche an ein neues Star Trek, wie dies bereits seit 2017 mit Star Trek: Discovery geschehen ist.

Warum dieses Buch?

Diese einleitenden Worte habe ich nicht aus einer Laune oder Zufall heraus gewählt, sondern bewusst vorangestellt, denn dieses Buch ist entstanden im ernsthaften Bestreben, mich auf PICARD einzulassen. Das war, zugegebenermaßen, kein Selbstläufer. Der Umgang mit der neuen Inkarnation mit Patrick Stewart im Zentrum ist mir zu Beginn nicht ganz leichtgefallen, und ehrlich gesagt habe ich eine Weile gebraucht, um mit der Serie warm zu werden. Zu große Schwierigkeiten bereitete es mir anfangs, Zugang zu dieser stark andersartigen und zuweilen eigenwilligen Neuinterpretation der weiteren Lebensgeschichte um den titelgebenden Jean-Luc Picard zu finden. Immerhin sehen wir ein beginnendes 25. Jahrhundert in großer Unruhe und Dunkelheit, das nur noch wenig mit dem Bild aus TNG zu tun hat. Das gilt auch für die Charaktere, denen wir begegnen. Die neue Crew, die Picard um sich schart, beinhaltet eine abgestürzte Ex-Geheimdienstlerin, einen desillusionierten Ex-Commander mit narzisstischen Eigenarten, eine Kybernetikerin mit gespaltenen Loyalitäten, ach ja: und da wäre noch eine nicht ganz unbekannte Ex-Borg, die nun unter die Space Cowboys gegangen ist.

PICARD fühlt sich zuweilen an wie ein wilder Ritt auf einem leicht störrischen Pferd, auf dem man sich gut festhalten muss. Manchmal gefällt sich die Serie darin, einen gewissen Tabubruch zu kultivieren, um auch wirklich sicherzugehen, dass sie sich in Stil und Inhalt von ihrem großen Vorgänger absetzt. Eine ganze Reihe von Fragen, die PICARD aufwirft, schienen mir – im Gegensatz zur Erklärseligkeit des alten Star Trek aus dem Hause Gene Roddenberry/Rick Berman – nicht klar beantwortet, und bei der Deutung dessen, was man geboten bekommt, ist man häufiger mal auf sich selbst zurückgeworfen. Zugegeben, mit zu vielen scheinbaren Ungereimtheiten, ungeahnten Abzweigungen und abrupten Wendungen (infolge so mancher Mystery box) habe ich zunächst gefremdelt. Immerhin ist dies eine Serie, in der binnen nur drei Staffeln sowohl Jean-Luc Picard als auch Data (erneut) sterben und wiederauferstehen, sodass jeder von ihnen – je nachdem wie man rechnet – letztlich in seinem dritten Leben angelangt ist.

Aller Anfang war also durchaus schwer für mich. Mit der Zeit entwickelte sich jedoch ein instinktives Verständnis und eine gewachsene Toleranz für den neuen Ansatz der Serie, und das gelang vor allem indem ich versuchte, mich in den Wandel der Figuren hineinzuversetzen, ihren Werdegang und die Genese der galaktischen Ereignisse auf dem großen Star Trek-Wandteppich im Ganzen zu betrachten und – ja – gewisse alte Zöpfe einfach abzuschneiden. Dieses Buch enthält das, was für mich eine Art von ‚Selbsttherapie‘ war, mich auf das neue PICARD einzulassen und mich dem Gebotenen zu öffnen. Ich habe versucht, die Dinge einzuordnen, auszudeuten und im Kontext zu betrachten – denn wie ein anderer Captain einst sagte: „Kontext erweitert die Perspektive“ (Christopher Pike; DSC 2x02). Heraus kam etwas, das mich durchaus verblüfft hat: Die Serie kann einem ans Herz wachsen, sie kann in ihren Irrungen und Wirrungen sehr wohl Sinn ergeben, sie kann einen berühren und begeistern.

Nun, da uns die zwischen 2019 und 2022 produzierte Show mit all ihren 30 Episoden vollständig vorliegt, ist es an der Zeit, einen genauen Blick darauf zu werfen. Dieses Sachbuch möchte keine Produktionsgeschichte erzählen, keines von den vielen Making-of- und Behind-the-scences-Büchern sein; es erzählt keine Anekdoten wie es zur Serie kam, wer ihre Macher waren, was sie sich im Prozess dachten und was sie womöglich nachträglich über Social Media in Umlauf brachten, um dem allgemeinen Verständnis auf die Sprünge zu helfen; ebenso wenig enthält das vorliegende Buch eine Rezensionssammlung, bei denen einzelne Episoden besprochen und beurteilt werden; es erfolgt keine minutiöse Auflistung von Easter Eggs, die in PICARD reichhaltig zu suchen und zu finden sind; und es geht auch nicht um Quotenanalysen oder Fanevents. Nein, hier dreht sich alles um den kreativen Stoff, um die In-universe-Handlung. Dieses Buch liefert ausführliche Einordnungen, Gedanken und Interpretationen zu PICARD, allem voran zu den Figuren. Ich habe mir die Aufgabe gestellt, tief hinabzutauchen in den persönlichen Kosmos einer jeden Hauptfigur und einiger prominenter Gastcharaktere. Besonders reizvoll war das im Fall der TNG-Charaktere, bei denen sich aufgrund der vielen Vorkenntnisse eine ausführliche Analyse anstellen ließ, wie und warum sich Persönlichkeit, Motivationen und Beziehungen im Laufe der Zeit gewandelt haben. Anders als dereinst TNG ist PICARD zu maßgeblichen Teilen Charakterdrama, und entsprechend erhalten persönliche Aspekte, Entwicklungen und Zusammenhänge einen sehr viel größeren Stellenwert als in der Vorgängerserie. Auch das erklärt den klaren Schwerpunkt des Buchs auf den Figuren. Doch es wird noch mehr abgedeckt. So war es mir ein Anliegen, mich mit der substanziellen Veränderung der Vereinigten Föderation der Planeten zu befassen und diese ausführlich unter die Lupe zu nehmen (pardon, ich meine unter den Trikorder). Selbiges gilt für den Wandel, welchen die Romulaner durchlaufen haben. Natürlich dürfen auch Vadic und ihre Formwandler sowie die Borg – die großen Gegner der letzten Season – nicht fehlen. Indem ich das Seriengeschehen ausführlich seziere (hier sei der Deutlichkeit halber also eine dicke Spoilerwarnung ausgesprochen), möchte ich einen Beitrag zum besseren Verständnis vor dem Hintergrund des Dagewesenen leisten. Damit ist dies ein Buch für diejenigen, die PICARD bereits gesehen haben und sich ihre Gedanken darüber machen, nach Übersichten, Zusammenhängen, Orientierungspunkten und Erklärungsansätzen suchen. Natürlich handelt es sich um meine ganz eigenen Interpretationen, und es gibt gewiss eine Menge anderer, die genauso berechtigt sind.

In meinen Essays bediene ich mich möglichst nicht des sogenannten Beta-Kanons. Stattdessen versuche ich, aus den Serien und Filmen selbst Antworten zu geben, da wir schon erlebt haben, wie neue Star Trek-Serien bestehende Romane – mögen sie noch so gut sein – ins Reich des Inoffiziellen und Ungeschehenen abdrängen. Einzige Ausnahme ist die PICARD-Vorgeschichte Die letzte und einzige Hoffnung (Roman I) aus der Feder von Una McCormack. Diese entstand in Zusammenarbeit mit den Drehbuchautoren und liefert die Rampe zu den Geschehnissen der ersten Staffel. Als Quellen einbezogen habe ich zudem den ebenfalls als Vorgeschichte fungierenden Comic Star Trek: PICARD – Countdown sowie den Short Trek Children of Mars, einen Kurzfilm, bei dem die Mars-Katastrophe – zentraler Bezugspunkt von Seasons eins – thematisiert wird. Ferner habe ich mich bemüht, die vielen Nachträge der Showrunner zu den Episoden bis auf wenige Ausnahmen außen vor zu lassen, damit der Stoff für sich wirken kann. Bei den aufgeführten Zitaten orientiere ich mich am gesprochenen Wort der deutschen Synchronisation, die ich für gelungen halte. Die Referenzen, auf die ich verweise, finden sich im Anhang, sodass ich aus Platzgründen nicht immer die vollen Episodentitel angebe, sondern häufig nur Kürzel (z.B. PIC 1x01).

Liebe Leserin, lieber Leser, nun ist es genug der einleitenden Worte. Es bleibt mir nur noch zu hoffen, dass dieses Buch Ihnen Freude bereitet und dass es ‚Fan stuff‘ von der positiven Sorte geworden ist.

- Der Autor, im Sommer 2023

Anmerkung zur 2. Auflage:

In der zweiten Auflage dieses Buches wurden sämtliche Kapitel sorgsam überarbeitet, kleinere Ergänzungen vorgenommen und eine Reihe von Fehlern korrigiert. Auch das Cover erfuhr eine Modifikation.

- Frühjahr 2024

Anmerkung zur 3. Auflage:

Die dritte Auflage durchlief eine erneute Korrekturrunde einschließlich geringfügiger Überarbeitung aller Texte. Ergänzt wurden von mir zudem einige fiktive Szenen. Diese stehen am Ausgangspunkt des Settings der PICARD-Serie und sollen den essayistischen Charakter, der ins Seelenleben der Figuren abtaucht, möglichst vertiefen. Nach meinem Dafürhalten ist dies der finale Stand des Buches.

- Herbst 2024

Anmerkung: Dieses Buch ist nicht im Auftrag oder durch Unterstützung bzw. Veranlassung von Produzenten der Star Trek-Serien oder zusammenhängenden Merchandise-Artikeln entstanden. Es handelt sich ausschließlich um Meinungen und Interpretationen des Autors. Star Trek™ und sämtliche verwandten Markennamen sind eingetragene Warenzeichen von CBS Studios Inc. und Paramount Pictures.

Danksagung

Für die Gestaltung des wunderbaren Covers sei an dieser Stelle Nadia Volkrodt ausdrücklich gedankt. Und dann danke ich selbstverständlich allen Personen, die Star Trek: PICARD möglich gemacht haben. Ohne sie – und allem voran Sir Patrick Stewarts Bereitschaft, in seine Rolle zurückzukehren – hätten wir Fans uns nicht auf so vielen unterschiedlichen Wegen mit dem neuen Star Trek-Produkt beschäftigen können.

Abkürzungen

The night fell slowly on our glory days

I lie awake to see you fade away

You're lost without a trace

- Back In The Water, Song der Band HAEVN

Kapitel 1

>> Kurze Chronologie

2375 – 2379 (DS9, VOY)

Nachdem das Dominion besiegt und in den Gamma-Quadranten zurückgedrängt wurde, zerfällt das Zweckbündnis des Romulanischen Sternenimperiums mit der Vereinigten Föderation der Planeten und dem Klingonischen Reich wieder. Die Romulaner ziehen sich hinter ihre Grenzen zurück. In der neuen Nachkriegsordnung steigen Föderation und Sternenimperium zu den zentralen Flankenmächten auf, sodass sich eine neue Rivalität zwischen beiden Mächten ankündigt.

Anfang 2378 kehrt die

U.S.S. Voyager

vorzeitig von ihrer siebenjährigen Odyssee durch den Delta-Quadranten zurück.

2379 (X: Nemesis)

Auf Romulus führt der unter Remanern lebende menschliche Klon Shinzon, ein Veteran der remanischen Truppen während des Dominion-Kriegs, einen blutigen Staatsstreich durch und ruft sich zum neuen Prätor aus. Er wird unterstützt von mehreren einflussreichen romulanischen Politikern und Militärs.

Shinzons Vorhaben, einen Thalaron-Angriff auf die Erde zu verüben, wird von der

Enterprise

vereitelt. Während der Kampfhandlungen gegen Shinzon wird Lieutenant Commander Data getötet.

Nach langem Misstrauen und kaltem Krieg beginnt eine Phase des zaghaften politischen Tauwetters zwischen der Föderation und den Romulanern.

2381 (Roman I; PIC)

Es wird bekannt, dass die Sonne im romulanischen Heimatsystem sich binnen weniger Jahre in eine Supernova nie gekannten Typs verwandeln wird.

Das Romulanische Imperium sieht sich gezwungen, die Föderation um Hilfe bei der Evakuierung eines großen Teils der von der Nova betroffenen Sternensysteme zu ersuchen.

Jean-Luc Picard übernimmt im Rang eines Admirals den Oberbefehl über die Rettungsmission im romulanischen Raum. Angesichts von 900 Millionen von der Sternenflotte zu evakuierenden Personen kündigt sich die größte, längste und teuerste Operation aller Zeiten an. Um sie in die Wege zu leiten, muss sich Picard argumentativ gegen jene Kräfte in der Föderationspolitik durchsetzen, die ein solch ausgedehntes Engagement skeptisch sehen oder ablehnen.

Zusammen mit einer zunächst begrenzten Kernflotte bricht Picard in romulanischen Raum auf. Er leitet und koordiniert die Rettungsanstrengungen von seinem Missionsflaggschiff, der

U.S.S. Verity

. Einzelne Transportschiffe der

Wallenberg

-Klasse werden nach und nach zur Unterstützung seiner Arbeit entsandt, während in den Utopia Planitia-Werften der Bau tausender solcher Evakuierungsund Rekolonisierungsschiffe anläuft. Dies ist nur realisierbar, indem massenhaft auf Daystrom-A 500-Androiden (‚Synths‘) zurückgegriffen wird.

Picard tritt vor den romulanischen Senat und hält eine Ansprache, um die Akzeptanz für die Rettungsmission der Sternenflotte zu vergrößern und Argwohn abzubauen.

2381 – 2385 (Roman I)

Unter großen Anstrengungen gelingt innerhalb von vier Missionsjahren die Evakuierung einer Reihe romulanischer Welten, darunter Vejuro, Virinat, Ectis, Tavaris, Inxtis, Sithu, Lukol und Yuyat Beta.

Angesichts immer dramatischerer Prognosen über die Destabilisierung des romulanischen Sterns sowie seines Explosionsradius kommen anfänglich ausgewählte Standorte für Millionen romulanischer Flüchtlinge nicht mehr in Frage; Picard muss in der Not unkonventionelle Lösungen ergreifen, die ihm aus der Föderation als auch vonseiten der Romulaner Kritik einbringen.

Die Rettungsmission verliert mit jedem Jahr an Rückhalt in den Reihen des Föderationsrats. Kleinere Mitgliedswelten in der Nähe der Neutralen Zone wollen den erheblichen Verzicht auf Ressourcen zugunsten von Picards Operation nicht länger hinnehmen. Angeführt von Olivia Quest (Ratsmitglied von Estelen) formiert sich eine Fraktion aus 14 Welten, die mit Sezession drohen, wenn die Sternenflotte ihre Mission nicht zurückfährt.

5. April 2385 (ST: Children of Mars; PIC)

Kurz vor der Fertigstellung der ersten großen Welle aus vielen hunderten

Wallenberg

-Transportern verüben die Arbeitsandroiden auf dem Mars einen schweren Anschlag, in dessen Folge sie die Atmosphäre entzünden und nahezu die ganzen Utopia Planitia-Werften auslöschen. Über 90.000 Personen finden den Tod, weite Teile des Mars werden unbewohnbar.

10.-20. April 2385 (Roman I; PIC)

In einem Eilentscheid untersagt der Föderationsrat jegliche Entwicklung und Nutzung von Androiden; die entsprechende Abteilung im Daystrom-Institut in Okinawa wird eingemottet.

Die Evakuierungsmission der Sternenflotte wird eingestellt. Aus Protest quittiert Admiral Picard seinen Dienst und zieht sich zurück.

2387 (ST XI: Star Trek)

Wie erwartet vernichtet die Supernova Romulus, Remus und eine Reihe anderer Welten im Herzen des Sternenimperiums.

Botschafter Spock scheitert mit seinem letzten Versuch, die Detonation des Sterns mithilfe von Roter Materie zu verhindern. Bei diesem Einsatz wird er in ein alternatives Universum des Jahres 2258 versetzt (zusammen mit dem ehemaligen Bergbauer Nero, der den Untergang von Romulus nicht verkraftet und Spock persönlich hierfür verantwortlich macht).

2399

Ereignisse von

Star Trek: PICARD - Staffel 1

2400 – 2401

Picard kehrt nach langer Auszeit zur Sternenflotte zurück und übernimmt den Posten des Kanzlers der Sternenflotten-Akademie.

Raffaela Musiker kehrt in den aktiven Dienst zurück und nimmt einen Posten als Commander auf der

U.S.S. Excelsior

an.

Cristóbal Rios setzt seine Karriere in der Sternenflotte fort. Anfang 2401 wird ihm das Kommando über die neue

U.S.S. Stargazer-A

übertragen.

Frühjahr 2401

Ereignisse von

Star Trek: PICARD - Staffel 2

Sommer 2401

Vadic und ihre abtrünnigen Formwandler brechen auf der Daystrom-Station ein und entwenden eine hochgefährliche Portalwaffe.

Beverly Crusher und ihr Sohn Jack werden während ihrer humanitären Einsätze mit der

S.S. Eleos

aus unklaren Gründen gejagt, zunächst von den Fenris-Rangers, dann von Klingonen, später von der Sternenflotte. Zwar gelingt es ihnen jedes Mal, ihren Verfolgern zu entgehen, doch in den Wochen der ständigen Flucht wächst bei Crusher die Erkenntnis, dass sie Hilfe benötigen werden.

Herbst 2401

Ereignisse von

Star Trek: PICARD - Staffel 3

Kapitel 2

>> „Oh, welch Drama!“ – Die drei PICARD-Staffeln

Wie in der Einleitung beschrieben, ist dies kein Making-ofoder Rezensionsbuch, das die einzelnen Staffeln und Episoden detailliert bespricht und einem kritischen Urteil unterzieht. Dennoch möchte ich – auch im Sinne einer Vorbereitung auf die nachfolgenden Kapitel – in aller Kürze auf einige wichtige Rahmendaten und persönliche Beobachtungen zur Serie PICARD eingehen.

Produktionsgeschichtliche Aspekte

Im August 2018 wurde erstmals vom obersten

Star Trek

-Executive Producer Alex Kurtzman angekündigt, dass es eine neue

Star Trek

-Serie mit Sir Patrick Stewart als Jean-Luc Picard geben würde. Damit würde Stewart nach fast 16 Jahren seit dem Ende von

Nemesis

wieder in seine angestammte Rolle zurückkehren. Stewart bestätigte kurz darauf diese Ankündigung und verband dies mit dem häufig wiederholten Hinweis,

Star Trek: PICARD

würde keine unmittelbare TNG-Fortsetzung sein.

Während die Findung einer passenden Storyline sowie eine Verständigung mit Stewart seitens des Writers Rooms einigen Vorlaufs bedurfte, lief die Produktion für das erste Jahr weitgehend ungehindert an und blieb im Zeitplan. Die Dreharbeiten für Staffel eins begannen im April 2019. Im Oktober 2019 wurde bekannt, dass bereits an einer zweiten Staffel gearbeitet wurde. Im Februar 2021 begannen, nach einer der COVID-19-Pandemie geschuldeten Verzögerung, die Dreharbeiten zur zweiten Season parallel mit den Vorbereitungen zur dritten Staffel, die frühzeitig bestellt worden war. Die Dreharbeiten zur dritten

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-Season liefen ebenfalls 2021, teilweise parallel zu denen der zweiten.

Wechselnde Showrunner mit unterschiedlichen Vorstellungen, Vorlieben und Fokuspunkten prägten die Serie. Auf Michael Chabon (Season eins) folgten Akiva Goldsman und Terry Matalas (Season zwei). Letzterer stieg nach einer halben Staffel wieder aus, um das finale

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-Jahr vorzubereiten, für das Matalas allein verantwortlich zeichnete. Er erhielt die Zusage, umzusetzen, was aus seiner Sicht für das große Finale notwendig war.

Die Episoden wurden in den Vereinigten Staaten und Kanada schrittweise auf der Video-on-Demand-Plattform CBS All Access erstveröffentlicht. In anderen Ländern, darunter auch Deutschland, erschien die erste Staffel mit ihren zehn Episoden ab 24. Januar 2020 auf Amazon Prime Video, einen Tag nach den USA und Kanada. Im deutschen Free-TV erfolgte die Erstausstrahlung ab dem 18. Februar 2022 auf RTL II. Die zweite Staffel wurde ab dem 3. März 2022 auf Paramount+ veröffentlicht; die deutschsprachige Veröffentlichung erschien abermals mit einem Tag Verzögerung auf Amazon Prime Video. Die dritte Staffel wurde in den USA und Kanada seit 16. Februar 2023 auf Paramount+ eingestellt; die Veröffentlichung in Deutschland (Amazon Prime Video) setzte ab 17. Februar ein.

Das durchaus kunstvolle Intro präsentiert eine Collage von wichtigen Stationen von Picards Lebensweg. Es nimmt auf einer stilisierten Ebene auch gewisse Entwicklungen vorweg und gibt damit Hinweise auf die Geschehnisse in der neuen Serie. Wir sehen, wie sich die Splitter seiner Erfahrungen und Erinnerungen zu seiner (veränderten) Persönlichkeit zusammensetzen. Passend dazu ist, dass die Intromusik von einem Flötenstück aus einer besonders beliebten TNG-Episode inspiriert ist. In

Das zweite Leben

(5x25) erfährt Picard das Leben des Bürgers Kamin auf dem vor 1.000 Jahren untergegangenen Planeten Kataan.

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sollte ursprünglich mit dem legendären Ex-Captain im Zentrum seinen ganz eigenen Serienweg gehen. Entgegen Patrick Stewarts ursprünglichem Wunsch, möglichst wenig Anleihen bei TNG zu machen, setzte in der Serie frühzeitig die Tendenz ein, mehr und mehr prominente Gesichter aus der Vorgängershow zurückzubringen und somit auch Handlungsfäden aus TNG verstärkt wiederaufzugreifen. Dies fing mit den Gastauftritten von Hugh, Bruce Maddox, William Riker und Deanna Troi an (Season eins) und setzte sich mit der Rückkehr von Guinan und Q fort (Season zwei). Im Vorfeld von Season drei wurde sogar ganz offen mit einer Reunion der TNG-Hauptdarsteller geworben. Die Serie hatte sich also vom Ansatz eines eigenständigen Neuanfangs immer stärker in Richtung einer (verkappten) Sequel-Show bewegt. Dies hatte zur Folge, dass Picards neue Crew nach dem zweiten Jahr größtenteils auseinander ging. Agnes Jurati führte es in kybernetische Gefilde, Cristóbal Rios auf die Spuren der Vergangenheit und den jungen Romulaner Elnor in die Hörsäle der Sternenflotten-Akademie. Vom ursprünglichen Hauptcast blieben lediglich Raffaela Musiker und Seven of Nine erhalten, die jedoch in der dritten Staffel neue Positionierungen erhielten.

Inhaltliche Beobachtungen

Jede der drei

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-Staffeln verfolgt andere Themen und Motive und hält entsprechenden Entwicklungsraum für die Figuren bereit. Gemäß der mittlerweile eingespielten Konventionen einer modernen Streaming-Serie erzählt jede Staffel eine in sich abgeschlossene Geschichte. Ursprünglich war allerdings angedacht, den einzelnen Staffeln eine deutlich größere Kontinuität und Anschlussfähigkeit zueinander zu verleihen. Dies wurde dann im praktischen Produktionsgeschehen aufgrund verschiedener Erwägungen fallen gelassen. So verzichtete man am Beginn der zweiten Staffel darauf, an das offene Ende von Picard und der

La Sirena

-Crew unmittelbar anzuknüpfen. Die Thematik, dass er sich nun in einem replikantenartigen Golem-Körper befand, wurde kaum noch berücksichtigt und stattdessen eine Art Story-Reset vorgenommen. Hierbei findet die alte

La Sirena

-Mannschaft aufgrund von Qs Einmischung wieder zusammen und besteht ein weiteres gemeinsames Abenteuer. Im Gegensatz zu Staffel eins haben sich Picard und seine Leute wieder weitgehend mit der Sternenflotte arrangiert.

Als Ausgangspunkt für die Serie dienten die Ereignisse aus

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(2009), wo wir von der Vernichtung des Planeten Romulus im Jahr 2387 erfuhren. Dadurch sollten die bislang abseits stehenden J.J. Abrams-Kinofilme (die dereinst das

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-Franchise unter neuen Vorzeichen revitalisiert haben) mit dem Prime-Universum aller klassischen Serien verschmolzen werden.

Auffällig ist, dass die Macher sich bei der inhaltlichen Ausgestaltung der neuen Serie für eine recht bunte Abenteuerserie entschieden haben. In deren Mittelpunkt steht der namensgebende Ex-Captain, welcher unvermittelt wieder auf den Plan der galaktischen Ereignisse gerufen wird. Entsprechend agiert Picard hier höchstselbst als eine Art Glücksritter und Weltenbummler, der auch mal Actionsequenzen zu bestreiten hat, ehe wieder ruhigere Momente anbrechen, in denen er seine Fertigkeiten im Dialog einsetzen kann. Diese Grundausrichtung der Serie ist insofern bemerkenswert, als prinzipiell auch Alternativen zu ihr bestanden hätten.

- Zum einen wäre denkbar gewesen, PICARD – anknüpfend an die der Hauptfigur nachgesagten Qualitäten in punkto Diplomatie und Personalführung – zu einer Serie zu machen, in der der einstige Enterprise-Kommandant nicht mehr selbst Teil des Geschehens wird, sondern vielmehr andere (z.B. eine Gruppe von Jungoffizieren) anleitet, bei ihren Erlebnissen das Richtige zu tun, ihnen sozusagen allerhand Einsichten und Ratschläge vermittelt und in längerer Perspektive mit einem klaren Kompass ausstattet. Diese Rolle eines Spiritus rectors im Hintergrund hatte Patrick Stewart sicherlich nicht spielen wollen, zumal sie vermutlich eher mit einer Art kontinuierlichen Gastrolle für ihn einhergegangen wäre. Da die Serie aufgeladen ist mit verschiedenen subtilen Kommentaren zur Veränderung der USamerikanischen Gesellschaft und der westlichen Welt insgesamt, wäre es ebenfalls denkbar gewesen, diese Karte stärker auszuspielen und PICARD zu einer politischeren Show zu machen, z.B. indem ein gealterter Jean-Luc Picard eines Tages seine Kräfte wiederfindet und sich in den Kopf setzt, die auf eine abschüssige Bahn geratene Föderationspolitik mit seinen alten Tugenden aufzumischen. Im Zuge dessen hätte das bislang eher am Rande behandelte Innenleben der gewaltigen Weltenunion intensiver beleuchtet werden können. In diesem Zusammenhang erscheint mir auch die Vorgeschichte der Serie als politisches Arrangement äußerst spannend. In ihrem Roman Die letzte und einzige Hoffnung schildert Una McCormack eher versatzstückhaft Picards schwierige Rettungsmission, doch hätte man sich entschieden, diese Thematik zum Gegenstand der neuen Serie zu machen, hätte man eine weit epischere und dramatischere Geschichte erzählen können, ausgestattet mit zahlreichen Anknüpfungspunkten an zeitgenössische Ereignisse (z.B. Populismus, Isolationismus, Flüchtlingskrise). Eine weitere Alternative hätte bestimmt mit Blick auf das Ausgangssetting – Picards selbst gewähltes Exil in La Barre – bestanden. Ihn auf dem Château seiner Familie vorzufinden, kommt zunächst für den langjährigen TNG-Fan durchaus überraschend. Man hätte sich auch vorstellen können, dass Picard in seiner Zeit nach der Sternenflotte in die Ferne zieht und seiner stets vorhandenen Leidenschaft für Xenoarchäologie auf fremden Planeten nachgeht. Auch dort hätte er eines Tages von einer Person wie Dahj aufgesucht werden können; es wäre aber auch denkbar gewesen, eine Art von Indiana Jones-Szenario zu verfolgen. Vielleicht hätte er die Überreste einer einstigen Hochkultur gefunden, die den gealterten Eremiten auf eine gewaltige Entdeckungsreise geführt hätte.

Beim Umgang der Autoren mit den prominenten Figuren fallen scharfe Kontraste zu früheren

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-Produktionen auf. So spielt moralischemotionale Kompromittierung aufgrund von schweren, teils traumatischen Einschnitten in den Lebensweg bei einer ganzen Reihe von Charakteren eine zentrale Rolle. Nahezu alle Figuren durchlaufen Phasen im Leben, die sie von der Sternenflotte und deren Grundsätzen wegführen. Dadurch verändern sie sich, passen ihre ehemals intakte Ethik den neuen Erfordernissen an. Aufgrund dessen sehen wir, dass bei einigen Charakteren die Fassade von einer gewissen Brüchigkeit ist; die Selbstkontrolle fällt ihnen vor dem Hintergrund ihrer Erschütterung in der Vergangenheit schwerer. Dies beobachten wir etwa beim zutiefst verbitterten und sentimental gewordenen Picard, aber auch bei Raffaela Musiker, die ihrerseits dazu neigt, rasch erratischen Gefühlsausbrüchen zu verfallen. Seven of Nine wiederum sinnt in Staffel eins auf Rache an einer Verbrecherfürstin, die sich in der Ermordung ihrer Peinigerin niederschlagen wird. Sinn und Zweck dieser Verdunkelung der Protagonisten ist klar: Die Bewältigung des erfahrenen Traumas wird zu einem dramaturgischen Mittel, das eine allmähliche Entfaltung der individuellen Hintergründe sowie v.a. eine persönliche Entwicklungsreise durch die einzelnen Staffeln ermöglicht. Hinzu kam bei Produzenten wie Chabon und Goldsman die bewusste Zurückweisung einer übertrieben positiven Darstellung künftiger Menschen, die nach ihrem Dafürhalten eben nicht perfekt sind, sondern genauso anfällig für krisenhafte Entwicklungen und irrationales Verhalten wie unsereins heute. Diese Skepsis gegenüber allzu perfekten utopischen Entwürfen ist in gewisser Weise ein Markenzeichen von New Trek.

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nimmt sich implizit der Frage an, inwiefern das Vergehen von Zeit eine Perspektive verändern kann. Dies hat in der Serie mindestens zwei Komponenten. Zum einen ist es eine Inkarnation, die bewusst ältere Figuren bzw. Schauspieler in ihren Cast geholt hat. Dabei handelt es sich vorzugsweise um Personen, die wir aus weit jüngeren Jahren gut kennen und von daher mit ihnen vertraut zu sein glaubten. Bei

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spielt das buchstäbliche chronologische Verstreichen der Jahre eine wichtige Rolle und was es mit Körpern, Gedanken, Gefühlen, Überzeugungen macht. Zum anderen wird in der Serie deutlich, wie unter den Bedingungen einer grundlegend veränderten Gegenwart anders in die Vergangenheit und auch in die Zukunft geblickt wird (Stichworte Nostalgie/‚ Retropie‘, Zukunftsangst). Wir sehen beispielsweise, wie der gealterte Picard im Rückblick seine eigene Motivation, zur Sternenflotte gegangen zu sein, neu definiert (so sagt er gegenüber Jack, er sei auf der Suche nach der Familie gewesen, die er nicht gehabt hatte, doch dies war bekanntermaßen nicht sein tatsächlicher Grund, diesen Lebensweg einzuschlagen). Auch die heftige Reaktion Picards auf die Wiederbegegnung mit Ro Laren zeugt von einer Neuinterpretation seiner Vergangenheit vor dem Hintergrund dessen, was ihm in der Zwischenzeit widerfahren ist (siehe Kapitel 13).

Jede Season knüpft inhaltlich an wichtige Elemente in Picards Leben und/ oder seiner Zeit auf der

Enterprise

an bzw. macht diese Elemente zum Ausgangspunkt seiner Reise. Im ersten Jahr ist dies die Verbindung zu Data, im zweiten Picards Kindheitstrauma sowie Qs Wiedererscheinen. Entsprechend gibt es zum Ende der beiden ersten Staffeln ein ähnliches Arrangement, bei dem Picard einmal Data und einmal Q gegenübersitzt und ein finales, bittersüßes Abschiedsgespräch führt. Im dritten Jahr tritt dann der familiäre Bund zur gesamten TNGCrew ins Zentrum und wird mit einer letzten großen Konfrontation verbunden.

Jede der drei Staffeln hält eine neue Art von Aufbruch für den gealterten Picard in den Weltraum bereit, und doch gibt es Konstellationen und Elemente, in denen die Staffeln sich ähneln. Dies gilt v.a. für die Auftaktepisoden. So befindet sich der Admiral a.D. jedes Mal in der Heimeligkeit seines Châteaus in La Barre und wird von den galaktischen Ereignissen aufgerüttelt. In

Gedenken

(1x01) sucht ihn Dahj auf, die sich nach ihrer ‚Aktivierung‘ und der Verfolgung durch romulanische Attentäter Schutz und Hilfe von ihm verspricht. In

Die Stargazer

(2x01) kommt eine Admiralin zu ihm, welche ihm vom Auftauchen eines ominösen Borg-Schiffes berichtet, das offenbar nach Picard verlangt. In

Die nächste Generation

(3x01) ist es schließlich Beverly Crushers Notruf, der Picard dazu bringt, zu den Sternen zurückzukehren.

Staffel eins und drei zehren von dosierten Rückblenden zu Beginn der ersten Folgen; in Staffel zwei sind diese ( Erinnerungs-)Flashbacks puzzlestückartig in einem Großteil der Episoden untergebracht und werden letztlich zu einem Gesamtbild zusammengesetzt, um Picards einschneidendes Kindheitserlebnis rund um den Verlust seiner Mutter zu eröffnen.

Fragen von Leben, Tod und Wiederauferstehung – nicht nur menschlicher, sondern genauso künstlicher Lebensformen – sind in der Serie von wiederkehrender Bedeutung, v.a. anhand der Leitfiguren Picard und Data.

In allen Staffeln sind die aus Jahrzehnten

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wohlbekannten Borg in irgendeiner Weise vertreten. Es sind jedoch immer spezielle Konstellationen und Situationen, sodass uns das berüchtigte kybernetische Kollektiv nicht mehr in der gewohnten Form begegnet (siehe Kapitel 17).

Season eins und drei haben ähnliche Bedrohungsszenarien. Dreh- und Angelpunkt dabei ist eine von klandestin operierenden Feinden unterwanderte Sternenflotte, die sich gegen den Admiral a.D. und seine Getreuen richtet. Und letzten Endes geht es bei den Gefahren, die zu bewältigen sind, stets um die Drohung ultimativer Auslöschung, um alles oder nichts. Unterhalb einer Bedrohungslage im globalgalaktischen Maßstab macht es

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also nicht. Ein beträchtlicher Teil der TNG-Episoden handelte demgegenüber von kleineren Geschichten mit Auswirkungen auf die Schiffscrew oder bestimmte Figuren.

In Erinnerung werden Staffel eins und zwei vermutlich v.a. dadurch bleiben, dass sie rührende Würdigungen der Figuren von Data und Q ermöglichten. Demgegenüber fällt in den beiden ersten Jahren auf, dass eine Vielzahl von Handlungsbögen eröffnet wurden, die nicht alle zufriedenstellend aufgelöst werden konnten.

Staffel eins: Rebellion der Androiden auf dem Mars und Verschwörung in der Sternenflotte; Krise der Romulaner (zurückgelassene Flüchtlinge, politische Veränderungen in der Gegenwart); Picards Vergangenheit (samt Laris und Zhaban sowie sein Verhältnis zu Raffaela Musiker); Hintergründe und Rolle von Hugh und den xBs auf dem ‚Artefakt‘; Wirken und Pläne von Bruce Maddox; Sevens Lebensweg und die Fenris-Rangers; William Riker und Deanna Troi; Coppelius-Androiden und ein unerwarteter, neuer Soong-Abkömmling; Bedrohung des organischen Lebens durch eine hochentwickelte Allianz synthetischer Entitäten; Picards neues Leben in einem Golem-Körper Staffel zwei: Erklärung über Ablauf und Hintergründe des Raum-Zeit-Paradoxons; Qs Rolle darin; Qs tragisches Schicksal (warum stirbt er, stirbt nur er oder das ganze Kontinuum?); dystopisches Konföderations-Szenario; Situation und Verlauf der irdischen Geschichte vom Jahr 2024 ausgehend (wie passen Eugenische Kriege, die Schutzzonen-Thematik aus DS9 oder der baldige Dritte Weltkrieg hinein?); Rolle und Bedeutung von Renée Picard bei der Ermöglichung einer besseren Zukunft; Rolle und Bedeutung von Adam Soong für künftige Ereignisse; Hintergründe und Einfluss der Watcher (und ihre Verbindung zu den Reisenden); Beschaffenheit und Verbleib des alternativen Kollektivs (Jurati-Königin)

Für Staffel drei verfolgte Showrunner Matalas eine abweichende Prämisse, bei der es darum ging, die ehemalige TNG-Crew wieder vollständig zu versammeln und sie in den Endkampf gegen einen erbitterten Erzfeind ziehen zu lassen (die wahren Borg). Aufgrund einer kohärenteren Stoßrichtung des finalen Jahres wurden weniger Plots eröffnet, die dann auch stringenter bearbeitet werden konnten. Ironischerweise kollidieren einige wichtige Geschehnisse der dritten Season mit Entwicklungen der beiden vorangegangenen Staffeln (was die schwache Kontinuität bestätigt). So ist das Wiederauftauchen des echten Borg-Kollektivs zum einen überraschend, zum anderen wird Agnes Juratis abweichendes Kollektiv nicht mehr thematisiert; der eigentlich definitiv todgeglaubte Data erhält sein drittes Leben; Q tritt zum Ende der Staffel auf einmal wieder in Erscheinung.

Noch ein paar Anmerkungen aus der Abteilung ‚Kurioses‘:

Es ist eine Eigenart von PICARD, dass der Admiral im Ruhestand im Laufe der Serie immer wieder von seinen Getreuen wie auch von anderen Figuren, auf die er trifft, hart in die Schranken verwiesen oder regelrecht zusammengestaucht wird. Diese Momente sollen unterstreichen, dass Picard nicht mehr die überragende Legende alter Tage ist und auch keine natürliche Autorität mehr besitzt, mag er hier und da durch Worte und Reste seines alten Esprits noch wirken. Bars und der Konsum von Spirituosen haben in der neuen Serie eine erheblich größere Bedeutung als in früheren TNG-Tagen. Dies wird v.a. in den Staffeln zwei und drei deutlich. Man kann Deutungen darüber anstellen, warum dem so ist. In Staffel eins und drei nimmt Picard jeweils eine Simulation eines vertrauten Ortes auf die La Sirena (Château) bzw. die Titan (Guinans Bar) mit, mit der er sich umgibt. In Staffel zwei ist er auf keine Simulation einer Bar angewiesen, da er Guinans Etablissement in realiter besuchen kann (und zwar gleich in zwei Zeitperioden). Brent Spiner spielt in PICARD so viele verschiedene Rollen, dass man leicht den Überblick verlieren kann. Er taucht auf als Data (Staffel eins und drei), dessen bösartiger Bruder Lore (Staffel drei), aber auch als Noonien Soongs Nachfahre Altan Inigo Soong (Staffel eins und drei). Im zweiten Jahr verkörpert er wiederum den durchtriebenen Soong-Vorfahren und Mad Scientist Adam Soong, der im 21. Jahrhundert lebte. Damit erweitert PICARD den Stammbaum der Soong-Familie weiter. Bereits in TNG hatten wir neben Data und Lore (1x13; 4x03; 6x26; 7x01) Lal (Datas erste Tochter; 3x16), Androidenschöpfer Noonien Soong (4x03; 6x16) und Juliana Tainer (Kopie von Soongs Ehefrau; 7x10) kennengelernt. Im Film Nemesis kam später noch der unterentwickelte Prototyp B-4 hinzu. Zusätzlich war in einem Enterprise-Dreiteiler der Soong-Vorfahre Arik Soong zu sehen, der im 22. Jahrhundert im Verborgenen eine Gruppe von Augments großzog. 2154 wurde er zusammen mit Captain Jonathan Archers Mannschaft in eine von diesen genetisch optimierten Menschen ausgehende Krise verwickelt (ENT 4x04; 4x05; 4x06). Zeitlich spielt die erste Staffel im Jahr 2399, also ziemlich genau 20 Jahre nach Nemesis. Die zweite Staffel ist Anfang 2401 angesiedelt. Es wird gemunkelt, dass Staffel drei eigentlich für das Jahr 2411 vorgesehen war. Um allerdings einen wichtigen ( Borg-)Twist zum Ende der Geschichte aufzulösen, wurde der Zeitraum für das finale Abenteuer auf Herbst 2401 deutlich vorgezogen. Ohne dass wir konkrete Beweise haben, sprechen gewisse Indizien für die Theorie, dass Terry Matalas und Co. ursprünglich die Handlung eine Dekade später stattfinden lassen wollten. So sollen die Kinder von Jean-Luc Picard und Beverly Crusher sowie von Geordi La Forge in universe erst Anfang zwanzig sein, doch die gecasteten Schauspieler sind allesamt rund zehn Jahre älter (allem voran Ed Speleers alias Jack Crusher und Ashlei Sharpe Chestnut alias Sidney La Forge). Auch der Frontier Day wirkt etwas eigenartig aufgesetzt; er wird im Sinne eines Sternenflotten-Jubiläums auf den Start der Enterprise NX-01 zurückgeführt, doch wäre es noch naheliegender, wenn im Jahr 2411 das 250. Jubiläum der Föderationsgründung (2161) gefeiert worden wäre.

2381 Romulus

Der Termin war bereits vor Wochen arrangiert worden, und nun war die Zeit schließlich gekommen.

Er straffte seine in eine Galauniform gehüllte Gestalt. Obgleich sein Atem regelmäßig ging, spürte er einen Anflug von Nervosität, den er mithilfe jahrzehntelanger Erfahrung jedoch schnell unter Kontrolle bekam.

„Energie.“, sagte er.

Er hielt die Augen offen, während sich das vertraute Lichtglitzern um ihn herum verstärkte, ihn einhüllte und zuletzt auf das Niveau eines Zwielichts verblasste. Der Transporterraum der Verity verschwand und machte dem höhlenartigen, gewölbten Rund des romulanischen Senatsgebäudes Platz. Die sichelförmigen, sternartig in die hohe Decke des ansonsten unbeleuchteten Raums eingelassenen Fenster ließen das abnehmende Sonnenlicht hinein und tauchten den Rand des Saales in gebogene, nachtschwarze Schatten.

Da bin ich also wieder., dachte er.

Sein letzter Aufenthalt auf dieser Welt und in diesem geschichtsträchtigen Gebäude lag nicht allzu lange zurück. Die Erinnerung an seine ausgedehnte Unterhaltung mit Shinzon stand ihm vor Augen, als sei es gerade gestern gewesen. Damals hatte er aufkommenden Optimismus verspürt, eine Ära des nachhaltigen Friedens und der Völkerverständigung mit Romulus könnte sich rascher als geglaubt anbahnen. Nun, die Dinge hatten große Umwege gemacht, aber vielleicht führten diese Umwege trotz der schrecklichen Ereignisse, die sich binnen weniger Monate buchstäblich überschlagen hatten, doch noch zu einem neuen Anfang.

Wenn ich keinen schwerwiegenden Fehler begehe.

Die Abgesandten des diplomatischen Corps waren bereits eingetroffen, ein gutes Dutzend Frauen und Männer an der Zahl, allesamt hoch dekoriert und bestens qualifiziert für die Art von Gesprächen, die alsbald geführt werden würden. Er begrüßte die Anderen mit einem seichten Nicken. Die Mienen aller Anwesenden waren ausgesprochen ernst.

Picard sah sich um. Die Wände aus dunklem Holz und Stein strahlten zwar vor roten Wandteppichen und eleganten grünen Raubvogelstatuen auf hohen Wandleuchtern, warfen jedoch Schatten, in denen sich ein Dutzend Scharfschützen verstecken konnten. Und vermutlich war dem auch so.

„Ich nehme an, wir werden jeden Augenblick empfangen.“, meinte Picard.

Wie aufs Stichwort erschien ein Quartett uniformierter Uhlans mit ausdruckslosen Gesichtern. Mitglieder der prätorialen Ehrengarde. Jeder Soldat betrat den Raum aus einer anderen Richtung. Die Formation und der Gleichklang ihrer Bewegungen kündeten von nichts weniger als militärischer Perfektion.

„Sie werden uns jetzt in die Senatskammer begleiten.“, sagte einer der Uhlans auffordernd, machte auf dem Absatz kehrt und führte die Ankömmlinge in und durch einen verzweigten Korridor.

Augenblicke später stand die Gruppe unter einer großen silbernen Statue, die einer Art Adler nachempfunden war. Sie thronte oberhalb der gebogenen Tischreihen, an denen der romulanische Senat jahrhundertelang debattiert hatte. Umgeben von blauen Säulen und abstraktem, rostfarbenem Wandbehang, wurde der weite Boden des Raums von einem kreisförmigen Mosaik aus glattem, halb grünem und halb blauem sowie mit goldenen Kreisen und Linien durchzogenem Marmor dominiert. Ein türkisfarbenes, wellenförmiges Band trennte das Mosaik in zwei Teile und verband sie doch gleichzeitig. Über ihm hinwegsahen sich goldene Ikonen an, aufgereiht wie Schachfiguren.

Auf der grünen Seite, weit von der Mitte entfernt und größer als jedes andere Mosaikteil, lag ein stilisiertes Bild eines Sterns und zweier naher Planeten.

Picard hatte diesen Symbolismus bereits in der Vergangenheit vernommen, und doch hatte er nichts von seiner bedenklichen Wirkung auf ihn verloren. Hier, im Herzen der romulanischen Macht, wurde die Weltanschauung des Imperiums deutlich dokumentiert: Es war kein Bild des Imperiums mit Romulus im Kern, kein Bild, welches die eigene Identität ins Zentrum rückte und sie verherrlichte, sondern ein Bild, das Feindschaft symbolisierte. Lang anhaltende, immer währende Feindschaft, eine Konstante in den historischen Geschicken dieses uralten Reichs. Der so lange währende Gegner, der hier als Antagonist gezeichnet wurde, war die Föderation.

Sehen Sie sich etwa so?, fragte Picard sich stumm. Stets an der Schwelle des Krieges mit uns? Stets Ränke schmiedend gegen die Macht auf der anderen Seite des Grabens? Oder verdeutlicht die zentrale Position der Neutralen Zone eher ein Gefühl der Einengung? Eine Erinnerung an vereitelten Ehrgeiz, an ihr historisches Scheitern, als sie es nicht vollbrachten, die Entstehung der Koalition der Planeten zu vereiteln? Was sagt es über eine Gesellschaft aus, wenn sie sich auf so zentrale Weise über ihre Rivalität mit einem langjährigen Gegner definiert? Sie konnten nie von uns lassen, wir waren immer ihr Bezugspunkt. Es ist wie eine Obsession. Eine Obsession, die sie sich nun nicht länger leisten können.

Picard sah von der Sternenkarte auf und zwang sich erneut, sich auf das aktuelle Geschehen zu konzentrieren – und auf die zwei hochrangigen Romulaner, die nun zum Zentrum des Raums schritten und auf exakt dem Platz anhielten, von dem aus romulanische Senatoren mehr als zwei Jahrhunderte lang ihre Reden gehalten hatten. Ihm fiel auf, dass der graue Boden makellos sauber war und kein Anzeichen der Thalaron-Strahlung aufwies, von der er jedoch wusste, dass Shinzon mit ihrer Hilfe sämtliches Leben in diesem majestätischen Saal ausgelöscht und damit eine Staatskrise verursacht hatte.

„Willkommen in Ki Baratan, Admiral Picard.“, sagte Prätor Kamemon mit einem Lächeln, das nur unzureichend eine Mischung aus Ehrgeiz und Misstrauen überdeckte. „Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise. Es gilt, vieles zu besprechen… und natürlich freue ich mich auf Ihren Vortrag.“

Kapitel 3

>> „Kein Vermächtnis ist so reich als Ehrbarkeit“ – Jean-Luc Picard und die gebrochene Legende

Steckbrief

Vorangegangene Serie(n): TNG (Season 1 – 7); DS9 (1 Episode)Filme: Star Trek VII – XAuftauchen in PICARD: Staffel 1 – 3Spezies: MenschGeboren: 2305, La Barre, Frankreich, ErdeEltern: Yvette Picard; Maurice PicardRolle in PICARD: ehemaliger Captain der U.S.S. Stargazer (2333 – 2355) sowie der U.S.S. Enterprise-D/-E (2364 – 2371; 2372 – 2381); ehemaliger Leiter der Sternenflotten-Rettungsmission und Kommandant der U.S.S. Verity (2381 – 2385); nun Admiral a.D. (2385 – 2401); Kanzler der Sternenflotten-Akademie (2400 – 2401)Kind(er): Jack CrusherSchauspieler: Patrick Stewart

Spätestens mit dem Anbruch der 1990er Jahre hatte ein gewisser Mann Spuren im Star Trek-Franchise und weit darüber hinaus hinterlassen; er wurde zu einem Teil der weltweiten Popkultur. TNG – die bis dato mit Abstand erfolgreichste Star Trek-Serie – sollte für immer untrennbar mit seinem Namen verbunden bleiben. Die Rede ist von einem kahlköpfigen, kultivierten Captain mit französischem Namen und (auffallend) britischem Akzent, der für sein Leben gern Earl Grey trinkt und den Bannerträger von Gene Roddenberrys optimistischem Zukunftsentwurf verkörpert. Der feinsinnige und umfassend gebildete Jean-Luc Picard stand für die berühmte „weiter entwickelte Sensibilität“ einer nun geeinten menschlichen Gesellschaft. Im Gespräch mit dem Androiden Data dachte er nicht bloß über das Wesen des Menschseins nach; nein, er war jederzeit bereit, tatkräftig zu demonstrieren, was es bedeutet, auch in kritischen oder existenziellen Momenten zu Humanismus und moralischen Grundfesten zu stehen.

Doch nach dem letzten TNG-Kinofilm, Nemesis (2002), war Schluss und die inzwischen ausgedehnte Ära von Picard und Co. beendet. Eigentlich hatte Schauspieler Patrick Stewart lange Jahre ausgeschlossen, jemals wieder in seine Rolle als Captain Picard zurückzukehren. Er hatte nicht für alle Zeit und ausschließlich auf diese Figur festgelegt sein wollen. Der Charakter und seine Abenteuer, so Stewart in verschiedenen Interviews, seien auserzählt worden. Hinzu kam, dass mit dem Fortgang der Zeit die Vorstellung einer in Frieden und Idealismus geeinten Menschheit angesichts diverser politischer Krisenerscheinungen in immer weitere Ferne zu rücken schien, und Stewart hatte sich frühzeitig als ausdrücklicher Gegner des Brexits und von Donald Trumps neoisolationistischer Politik hervorgetan.

Dann kamen die Dinge bekanntlich doch noch anders. Als Alex Kurtzman im Sommer 2018, mehr als anderthalb Jahrzehnte nach Nemesis, zum Verblüffen vieler Fans die Serie PICARD ankündigte, wussten wir, dass es sich – analog zur in der Realität vergangenen Zeit – um eine Fortschreibung des Universums aus TNG/ DS9/VOY handeln und wir einem deutlich gealterten Jean-Luc Picard wieder begegnen würden. Wir waren folglich alle gespannt, wie das Leben des vermutlich größten Idols der Sternenflotten-Geschichte in der Zwischenzeit verlaufen ist. Und welchen weiteren Weg und welche Entwicklungen die neue Show für ihn bereithalten würde. Dabei zeichnete sich frühzeitig ab, dass die Serie keine schlichte Fortsetzung von TNG sein sollte, sondern sich anschickte, das All, die stets so heile Föderation und das Bild des legendären Kommandanten bewusst anders zu betrachten. Ganz im Sinne von Stewarts Wunsch, nicht an der Vorlage zu kleben, sollte PICARD es vermeiden, auf alten Pfaden zu wandeln, vielmehr sollte die Serie neue ausloten und beherzt beschreiten. Tatsächlich wurde sie in Ton und Inhalt eine völlig andere Veranstaltung als das überlebensgroße TV-Vorbild aus dem letzten Jahrhundert.

Nun, da alle drei Staffeln von PICARD uns vorliegen, wollen wir zurückblicken: Welchen Jean-Luc Picard hat uns die Serie, die seinen Namen trägt, gezeigt? Wie hat sich Picard verändert und warum? Es ist an der Zeit, das Ganze einmal aufzuarbeiten und in Ruhe darüber nachzusinnen.

- Grußfrequenzen offen

„Als wir die Serie erschufen, erschien es uns richtig, die Veränderungen in der realen Welt abzubilden. Was feststehend und sicher gewesen war, menschlich und fürsorglich an der Föderation und der Sternenflotte, hatte sich geändert, weil die Welt sich verändert hatte. Regierungen wechseln, Haltungen zur Gesellschaft ändern sich. Das wollten wir in PICARD aufgreifen […], und deshalb konnte man nichts mehr als gesichert be-trachten. Dies hatte Jean-Luc unter anderem zu einem deprimierten, schuldgeplagten, zornigen Mann gemacht. Alles Eigenschaften, die er in The Next Generation nicht an den Tag gelegt hatte.“ (Patrick Stewart, Bonusmaterial der DVD/ Bluray-Veröffentlichung zu Star Trek: PICARD Season 1)

- Teil 1: Gestern

Was machte Jean-Luc Picard nach Nemesis?

Zunächst verblieb Picard weiter an Bord der Enterprise-E. Diese wurde nach dem dramatischen Kampf gegen Shinzon wieder instandgesetzt und ging auf neue Missionen. Allerdings brachten die Ereignisse von Nemesis mehrere tiefgreifende Einschnitte mit sich: Data hatte zum Schutz seiner Freunde selbstlos das eigene Leben geopfert – ein Verlust, unter dem Picard noch sehr lange leiden würde –, und William Riker und Deanna Troi wechselten auf die Titan, wo Picards langjährige Nummer Eins nun selbst das Kommando übernahm. Nach allem, was wir wissen, blieben Beverly Crusher, Geordi La Forge und Worf Teil von Picards Besatzung. Im Frühsommer 2381 wurde Picard dann vom Sternenflotten-Oberbefehlshaber Admiral Victor Bordson zur Erde zurückbeordert, um ihn in seiner Funktion als Flaggschiff-Kommandant über eine anstehende Katastrophe galaktischen Ausmaßes in Kenntnis zu setzen: In wenigen Jahren würde sich das Zentralgestirn des Romulanischen Sternenimperiums in eine bislang nicht gekannte Supernova verwandeln. Damit waren nicht nur die Zwillingswelten Romulus und Remus dem Untergang geweiht, sondern auch zahlreiche andere Welten und Protektorate des eigentlich so mächtigen romulanischen Reichs starrten geradewegs in einen Abgrund. Denn die Supernova würde auch auf Planeten, die sie nicht unmittelbar zerstörte, klimatische Bedingungen irreparabel zugrunde richten und angestammte Versorgungslinien abreißen lassen. Aus diesem Grund mussten diese akut gefährdeten und äußerst dicht besiedelten Gebiete in der Herzkammer des romulanischen Raums so schnell wie möglich evakuiert und die dort lebenden Romulaner auf andere Planeten umgesiedelt werden.

Trotz großer Vorbehalte hatten Prätor und Senat erkennen müssen, dass ihnen angesichts der rasch progressiven Destabilisierungsrate des Sterns und der enormen Zahl von umzusiedelnden Bürgern nichts anderes übrig blieb, als um die Hilfe des alten Erzfeindes, der Föderation, zu ersuchen. Dabei war früh absehbar, dass der gewaltige Ressourcenhunger, welcher mit einer Evakuierungsmission dieses Ausmaßes einhergehen würde, erhebliche Auswirkungen auf die Kernmission der Sternenflotte hätte. Das bedeutete weit mehr als dass ehrgeizige Forschungsmissionen vorerst vom Tisch sein würden. Auch die Ingenieure und Wissenschaftler der Raumflotte würden ihre eigentlichen Projekte auf viele Jahre vertagen müssen. Um innerhalb der pluralen Föderationsgesellschaft – in der viele nach wie vor ausgeprägte Vorurteile gegen die Romulaner hegten – die nötige politische Akzeptanz für eine solche Mission zu schaffen, würden massive Kraftanstrengungen vonnöten sein. Es war fraglich, wie weit die Bereitschaft zur Unterstützung der Romulaner in den politischen Hallen des Sternenbundes gehen würde.

„Diese Mission – sie ist riesig, beispiellos. […] Es könnte die Sternenflotte eine ganze Generation lang beschäftigen. […] Sind wir bereit, Opfer zu bringen, um etwas in diesem Maßstab auf die Beine zu stellen? All die geplanten Forschungsmissionen? […] Gibt es überhaupt genug Schiffe, die dafür umfunktioniert werden können? Was wird sonst noch gekürzt werden müssen? Kultivierung von Grenzwelten? Terraforming-Projekte? Was denken Sie, wie das bei den Bürgern der Föderation ankommen wird?“ (Kirsten Clancy in Roman I)

Am Ende der ausgedehnten Einsatzbesprechung erklärte sich Picard bereit, die herkulische Aufgabe zu übernehmen, die präzedenzlose Evakuierungsmission zu leiten. Daraufhin stellte die Föderation sich darauf ein, drastische Maßnahmen zur Unterstützung der Romulaner auf den Weg zu bringen.

Warum übernahm Picard die Leitung der Sternenflotten-Rettungsmission?

Glaubt man dem Roman Die letzte und einzige Hoffnung, tat er es nur bedingt proaktiv. In einem leidenschaftlichen Plädoyer argumentierte Picard im Sinne einer breit angelegten Rettungsoperation und dass die Föderation ohne Wenn und Aber für ihre humanitären Grundsätze einstehen müsse, was Eindruck bei der Admiralität und den politisch Verantwortlichen hinterließ. Dann nahm das Oberkommando ihn in die Pflicht – das Ganze hatte sich offenbar wie eine persönliche Bewerbungsrede angehört. Picard wusste von vorneherein um seine Verantwortung, und er machte das Beste aus der Situation. Nach kurzem Nachdenken willigte er ein und erklärte sich auf Bitten des Oberkommandos bereit, das Kommando über die Enterprise