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Karl Maiwald, Fernfahrer eines Industriebetriebes und Mitglied im Betriebsrat, lebt in einem Arbeiterviertel in Dortmund. Durch einen Zufall entdeckt er, dass die Firmenleitung die Mitarbeiter abhört und jedes gesprochene Wort abtippen lässt. Mit einem Kumpel bricht er in das Büro der Firma ein und stiehlt die Akten. Bei der Weihnachtsfeier lässt Maiwald die Bombe platzen! Anfangs stehen alle hinter ihm, Kollegen und Gewerkschaft, aber nur kurze Zeit später, will davon niemand mehr etwas wissen. Nur Maiwald fordert Gerechtigkeit und steht nun plötzlich ganz alleine da …Allein in Deutschland erreichten seine Bücher eine Gesamtauflage von über 4 Millionen verkauften Exemplaren. Wolfgang Petersen verfilmte lange vor seiner Hollywood-Karriere Max von der Grüns Roman mit Günther Lamprecht in der Hauptrolle.Noch heute sind Max von der Grüns Bücher von ungebrochener Aktualität. Die Skandale in Betrieben, Supermärkten und selbst bei Post und Bundesbahn haben sich in den letzten Jahren gehäuft. Was aber, wenn es gar nicht nur um Bespitzelung geht? Sondern um Be- oder Verhinderung von unliebsamen Betriebsräten? Oder um Orwells 'Big brother is watching you'? Auch davon handelt Max von der Grüns bereits 1973 erschienener Roman 'Stellenweise Glatteis'. Anlass war ein authentischer Fall. Gewiss kein verstaubter Roman, sondern (unfreiwillig!) ein ganz aktueller.
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Seitenzahl: 436
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Max von der Grün · Stellenweise Glatteis
Max von der Grün – Werkausgabe Band IV Herausgegeben von Günther Butkus
Max von der Grün
Stellenweise Glatteis
Roman
Mit weiteren Texten
von Max von der Grün
und einem Nachwort
von Stephan Reinhardt
PENDRAGON
Wir danken für die Förderung dieses Projektes
der Kunststiftung NRW
Unsere Bücher im Internet:
www.pendragon.de
Veröffentlicht im Pendragon Verlag
Günther Butkus, Bielefeld 2009
© by Pendragon Verlag Bielefeld 2009
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Eike Birck, Martine Legrand-Stork
Umschlag & Herstellung: Uta Zeißler (www.muito.de)
Gesetzt aus der Adobe Garamond
ISBN: 978-3-86532-123-7
eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net
Stellenweise Glatteis
Stephan Reinhardt, »Arbeit – was das war …«
Max von der Grün, »Dortmund«
Max von der Grün, »Arbeit – was das war und was das ist«
Ein Interview mit Max von der Grün
Nachwort von Stephan Reinhardt
Editorische Notiz
Stellenweise Glatteis
Die Invaliden fanden das Mädchen auf dem Weg.
Das halb nackte Mädchen lag mit dem Gesicht im nassen Laub. Es war die zehnjährige Tochter des Bauunternehmers Schöller aus dem Stadtteil Eving. Der Wald, in dem das Mädchen gefunden wurde, ist ein dreihundert Hektar großer Mischwald, in ihm gehen die Invaliden, die nichts mehr zu tun haben, spazieren. Täglich zwei Stunden, wenn es das Wetter erlaubt.
Die Invaliden umstanden das tote Mädchen. Heinrich Wittbräucke war auf die Straße gelaufen. Er hielt einen Autofahrer an, der die Polizei verständigte. Zehn Minuten später traf sie ein und drängte die Invaliden zurück.
Heinrich Wittbräucke sagte: Dieses Schwein … So ein Schwein … Wenn sie das Schwein finden, der das gemacht hat, dann nicht vor Gericht. Erst Schwanz abschneiden, dann den Kopf abhacken.
Die Invaliden blieben abseits stehen, bis die Mordkommission eintraf. Sie husteten aus ihren Betonlungen.
Über Dortmund lag smogartiges Wetter.
Als man das Mädchen des Bauunternehmers Schöller in einem Krankenwagen abtransportiert hatte, gingen die Invaliden in die Kneipe »Zum Gildenhof«. Sie stellten sich an die Theke und bestellten Bier und Schnaps, sie erzählten von ihrer Begegnung, als hätten sie einen Sack Gold gefunden. Am Abend sprachen alle davon, dass der Italiener Angelo Pinola, Arbeiter in der Drahtzieherei der Hoesch-Werke und ebenfalls Stammgast im Gildenhof, der Mörder sein solle. Angelo Pinola wohnte über den Garagen des Bauunternehmers Schöller mit zwei anderen Italienern in einem Zimmer. Angelo wurde, so erzählten die Leute, mehrfach mit Renate Schöller gesehen. Er hatte oft mit dem Mädchen gespielt und war mit ihm spazieren gegangen.
In seiner Freizeit arbeitet Angelo Pinola für den Bauunternehmer Schöller. Er fährt stundenweise einen Lastwagen, transportiert Kies, Sand, Steine. Dieser Nebenverdienst bringt Angelo so viel ein, dass er dem Bauunternehmer Schöller die hundertfünfzig Mark Miete bezahlen kann und noch ein paar Mark übrig behält.
Am Abend wurde Angelo Pinola an seinem Arbeitsplatz im Werk verhaftet, und der Gildenwirt ließ keinen Italiener mehr in seine Kneipe. Zu den Gästen sagte er: Wenn ihr so einen Spaghettifresser seht, dann schmeißt ihn die Treppe runter. Der Schreiner Wölbert und der Dachdecker Meermann, zwei seiner Stammgäste, stellten sich an den Eingang. Kein Italiener ließ sich an diesem Abend in der Kneipe sehen. Als der Wirt die letzten Gäste entließ, sagte er: Ist doch klar. Der Angelo war es. Wenn er es nicht gewesen wäre, dann hätte sich heute mindestens ein Spaghettifresser sehen lassen.
Etwa so hat man es mir am Sonntagvormittag auf der Straße erzählt. Die Leute wussten, dass ich seit Jahren mit Angelo befreundet bin. Ich ging mittags in die Gildenstube zum Frühschoppen. Ich stellte mich an den Tresen, trank und hörte zu, was die anderen erzählten. Sie wollten meine Meinung hören, und als ich nur mit den Schultern zuckte, sprachen sie nicht mehr mit mir. Der Dachdecker Meermann sagte: Der Maiwald ist auch so einer, der hält zu den Itakern.
Ich trank mein Bier und sah dem Wirt zu, wie er Gläser spülte. Aber als ich Meermann noch einmal sagen hörte: Der Maiwald ist auch so einer, nahm ich mein halb volles Glas, stellte mich vor ihn und fragte: Was meinst du damit. Er lachte.
Da schüttete ich ihm das Bier ins Gesicht.
Hinter mir sagte jemand: Das war richtig so. Die meisten aber sahen mich feindselig an, der Wirt verschwand in die Küche, wie immer, wenn in der Kneipe Streit aufzog oder wenn es galt, für jemanden Partei zu ergreifen. Meermann wischte sich erst mit dem Handrücken und dann mit einem Taschentuch das Bier aus dem Gesicht und von der Jacke. Er sagte: Ich lass den Anzug reinigen. Aber die Reinigung bezahlst du.
Vor der Kneipe unterhalb der Treppe begegnete mir Martin Voigt. Martin ist Junggeselle, dreißig Jahre alt. Er betreibt gemeinsam mit seinem Vater einen Biervertrieb. Getränkevertrieb Voigt und Sohn war ein Begriff in unserer Stadt. Martin steht oft mit mir am Tresen und ist an allem interessiert, was mit Sport zu tun hat.
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