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Als der Fotograf Edmund Wolff frühmorgens von seiner Terrasse aus auf den nahe gelegenen Kirchturm blickt, glaubt er seinen Augen nicht zu trauen: Im offenen Fenster hängt ein Mann - sein Schwager Heinrich Böhmer. Der Tote hinterlässt Frau und Kinder, eine Elektromotorenfabrik und ein Testament, das ohne Beispiel ist: Er verfügt, dass alle Belegschaftsmitglieder zu Teilhabern der Fabrik werden sollen. Sein ärgster Widersacher, der Betriebsrat, muss nun in die Rolle des Unternehmers schlüpfen. Kaum Chef geworden, muss er feststellen, dass harte Einschnitte notwendig sind, wenn er die Firma retten will. Die Arbeitsstunden müssen erhöht, die Urlaubstage reduziert werden. Damit sind aber längst nicht alle einverstanden, auch wenn es jetzt darum geht, "ihre" Firma zu retten.
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Seitenzahl: 416
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Max von der Grün – Werkausgabe Band VII Herausgegeben von Günther Butkus
Max von der Grün
Roman
Mit einem weiteren Text von Max von der Grün
und einem Nachwort von Rüdiger Scholz
PENDRAGON
Wir danken für die Förderung dieses Projektes der Kunststiftung NRW
Pendragon Verlag
gegründet 1981
www.pendragon.de
Gedruckt auf holz- und säurefreiem Naturpapier
Veröffentlicht im Pendragon Verlag
Günther Butkus, Bielefeld 2010
© by Pendragon Verlag Bielefeld 2010
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Günther Butkus, Martine Legrand-Stork
Umschlag & Herstellung: Uta Zeißler (www.muito.de)
eISBN: 978-3-86532-288-3
Die Lawine
Stephan Reinhardt, Eigentumsverhältnisse
Max von der Grün, Die Absturzstelle
Nachwort von Rüdiger Scholz
Editorische Notiz
Es war in jenem heißen Sommer des Jahres 83, den die Leute einen Jahrhundertsommer nannten, obwohl viele solcher heißen Sommer in diesem Jahrhundert gebrütet hatten, wie die alten Leute zu berichten wussten. Die Bewohner unseres Vorortes, der eine Mischung aus Landwirtschaft und Industrie, individuellen Häusern und uniformierten Siedlungen ist, saßen nicht nur an den Wochenenden oft bis weit über Mitternacht in ihren Gärten, auf ihren Terrassen oder ihren Balkonen, denn in den Wohnungen staute sich die Hitze, so dass auch der Müdeste nur kurzen und verschwitzten Schlaf land. Die Nachbarn luden sich zum Grillen ein oder einfach nur auf ein Bier; Christa und ich vermieden es, Einladungen auszusprechen oder anzunehmen. Uns gefiel es, allein auf unserer Terrasse zu sitzen, und wer lange nachts im Freien ist, der vernimmt Laute, die er tagsüber überhört oder denen er in der Vielfalt der Geräusche keine Bedeutung beimisst.
Es war Mittwoch, der 10. August. Die Mücken und Fliegen wurden so lästig, dass ich mich nur noch mit einer Fliegenpatsche wehren konnte. Ich war gerade dabei, mir ein Glas Wein einzuschenken aus einer Glaskanne, die mit einem zylindrischen Einsatz versehen und mit Eiswürfeln gefüllt war, so dass der Weißwein eine gleichbleibende Temperatur behielt, das Eis mit dem Wein jedoch nicht in Berührung kam, als ich einen seltsamen Laut hörte. Er ähnelte dem Schrei einer Katze in Todesangst und ließ mich beim Eingießen einen Moment innehalten. Auch Christa hob den Kopf, aber während ich weiter angestrengt in die Nacht lauschte, senkte sie den Kopf wieder auf ihre Handarbeit. Christa strickte an einem Pullover, den ich im Herbst tragen sollte. Mehrmals in letzter Zeit hatte sie Teile des komplizierten Musters wieder aufgetrennt; entweder hatte sie sich verzählt oder die Maschen waren ihr zu fest oder zu locker. Das alles machte sie mit bewundernswerter Geduld, ohne ärgerlich zu werden. Ich hatte manchmal den Eindruck, sie freute sich darüber, gewisse Arbeiten mehrmals auszuführen.
»Hörte sich wie eine Katze an, die irgendwo eingeklemmt ist«, sagte ich und nahm neben ihr auf der gepolsterten Gartenbank Platz.
Christa antwortete nur: »Trink nicht so viel, denk an deine Leber, es muss nicht jeden Abend ein Liter Wein sein. Jedenfalls ist es nicht unsere Katze.«
Dann saßen wir lange schweigend nebeneinander. Die Schwüle und das gleichmäßige Aneinanderschlagen der Stricknadeln schläferten mich ein, ich wurde träge wie unsere Katze, die sich neben mir auf der Bank räkelte. Nur die Fliegen, nach denen ich manchmal schlug, hielten mich wach.
Da war er wieder, der klagende Laut. Unsere Katze schoss hoch; sie sprang von der Bank und streckte sich lang auf den roten Klinkern aus, mit denen die Terrasse ausgelegt ist.
»Das war eine Katze irgendwo draußen«, sagte ich mit Nachdruck.
Eine Stunde nach Mitternacht war es und das Außenthermometer wies immer noch dreißig Grad Hitze aus. Christa hatte ihre Strickarbeit unterbrochen und ließ Nadeln und Wolle in ihren Schoß sinken.
»Du hast Recht, es war eine Katze. Die Katzenfänger sind wieder mal unterwegs, ich habe es gestern in der Zeitung gelesen. Hoch lebe die Wissenschaft.«
Anderntags erwachte ich schweißgebadet. Ich zog im Wohnzimmer die Jalousien hoch; draußen war es friedvoll, kein Laut war zu hören, die Schwalben flogen noch nicht, die Sonne war schon zu ahnen, der Himmel versprach abermals einen heißen Tag. Noch im Schlafanzug trat ich auf die Terrasse. Unsere Katze, die während der Nacht draußen gewesen war, sprang mir mit weiten Sätzen und laut miauend entgegen. Sie umkreiste mit hochgestelltem Schwanz schnurrend meine Beine und lief dann durch das Wohnzimmer in die Küche, wo sie ihren gefüllten Fressnapf wusste.
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