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Margarete Gmeiner ist Witwe und siebzig Jahre alt, als sie sich die Frage stellt, warum die Liebe nur für junge Menschen Glück und Aufbruch bedeuten soll, denn zwischen ihr und dem ebenfalls seit Jahren verwitweten ehemaligen Schneidermeister Wolfgang Burger hat sich eine innige Freundschaft angebahnt, die beiden ein neues Lebensglück verheißt. Liebe, beweisen sie, kann nicht nur für Junge ein Glück sein, sondern auch für Ältere und Alte. Für den Fernsehfilm "Späte Liebe" (ARD), erhielten die Regisseurin Ilse Hofmann und Max von der Grün als Drehbuchautor den "Wilhelmine-Lübke-Preis" der Deutschen Altershilfe. In seiner bewegenden Rede zur Preisverleihung "Alt werden - eine Strafe?" - einer seiner besten - wendet sich Max von der Grün gegen den Jugendwahn der Leistungsgesellschaft: "Immer ist Jugend Trumpf; es wird so getan, als gebe es weder Alter noch Tod".
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Seitenzahl: 230
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Max von der Grün
Erzählung
Mit weiteren Textenvon Max von der Grün
und einem Nachwortvon Klaus-Peter Wolf
PENDRAGON
Wir danken für die Förderung dieses Projektes der Kunststiftung NRW
Pendragon Verlag
gegründet 1981
www.pendragon.de
Gedruckt auf holz- und säurefreiem Naturpapier
Veröffentlicht im Pendragon Verlag
Günther Butkus, Bielefeld 2010
© by Pendragon Verlag Bielefeld 2010
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Günther Butkus, Martine Legrand-Stork
Umschlag & Herstellung: Uta Zeißler (www.muito.de)
Gesetzt aus der Adobe Garamond
eISBN: 978-3-86532-289-0
Späte Liebe
Stephan Rheinhardt, Vom Umgang mit Minderheiten
Max von der Grün, Masken
Max von der Grün, Der Bettler
Max von der Grün, Alt werden – eine Strafe?
Gisela Koch, Interview, Wie war das eigentlich, Max von der Grün?
Nachwort von Klaus-Peter Wolf
Editorische Notiz
Späte Liebe
Unser Leben währet siebenzig Jahre,
und wenn’s hoch kommt,
so sind’s achtzig Jahre,
und wenn’s köstlich gewesen ist,
so ist’s Mühe und Arbeit gewesen …
90. Psalm/10
Seit drei Wochen hatte es nicht mehr geregnet.
Margarete Gmeiner lief seit drei Wochen täglich am späten Nachmittag zum Friedhof, die Blumen auf dem Grab ihres vor drei Jahren verstorbenen Mannes zu gießen. Sie hatte Salvien gepflanzt, Geranien und Zinnien; jeden Herbst riss sie die abgeblühten Blumen aus und setzte das Grab voll mit bunten Astern. Obwohl ihr niemand die siebzig Jahre ansah, sie wirkte wie fünfzig, fraulich und resolut zugleich, litt sie unter der Hitze. Sie verschnaufte mehrmals auf dem zwei Kilometer langen Weg von ihrer Wohnung in der Neubausiedlung am Rande der Altstadt bis zum Friedhof, sie wischte sich verstohlen, als schäme sie sich dessen, den Schweiß von Gesicht und Nacken und sah sich dabei um, ob sie von jemandem beobachtet würde.
An diesem Spätnachmittag im Juni ruhte sich die Gmeiner lange aus auf einer Bank vor der Hauptwasserstelle des Friedhofes, unter einer weitausladenden Blutbuche, und atmete schwer. Sie war noch erbost über ihre Freundin Hildegard, mit der sie sich wieder einmal gestritten hatte. Hildegard mischte sich in letzter Zeit in alles ein. Immer aufdringlicher beredete sie Margaretes Angelegenheiten, wollte alles und alles genau wissen, spielte sich auf, als sei sie zu Margaretes Vormund bestellt. Hildegard war rechthaberisch geworden und unleidlich dazu.
Seufzend erhob sich die Gmeiner und tauchte ihre große Plastikgießkanne in den Wasserbottich. Während sie sich mehrmals vergeblich mühte, die randvoll gefüllte Gießkanne aus dem Wasser zu heben, griffen zwei Hände neben ihr zu, hoben die Gießkanne heraus und stellten sie vor den Füßen der Gmeiner ab. Erstaunt sah sie auf. »So gehts leichter, Frau Gmeiner. Wenn Sie die Kanne unter dem Wasserhahn voll laufen lassen, dann geht es noch viel leichter.«
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