Stille heilt - Albert Tigges - E-Book

Stille heilt E-Book

Albert Tigges

0,0

Beschreibung

Dauerstress macht krank. Stille heilt. Sören Kierkegaard schrieb: "Der heutige Zustand der Welt, das ganze Leben ist krank. Wenn ich Arzt wäre und man mich fragte, was rätst du? - Ich würde antworten: Schaffe Schweigen!" Schon in der Bibel steht: "Nur in Umkehr und Ruhe liegt eure Rettung, nur Stille und Vertrauen verleihen euch Kraft."

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 106

Veröffentlichungsjahr: 2016

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Hennesee

Meditationshaus Kloster Ditfurt

Inhalt

Vorwort

I – Was ist Stress?

II – Die Folgen von Stress

III – Stille-Meditation

IV – Die Wirkungen der Meditation

V – Transpersonale Psychologie

VI – Spiritualität/Neurowissenschaften

Anhang A – Leerheit in Christentum

Anhang B – Stressor Bürokratie

Anhang C – So-Ham

Anhang D – Heil

Literatur

Buchempfehlungen

Autor

Vorwort

„Mit N…….. bin ich entspannt und kann auch besser schlafen.“

„V………; neue Energie auf Knopfdruck für Körper und Geist.“

Wenn man das oft genug hört, glaubt man es. So funktioniert Werbung.

Das Buch möchte für Meditation werben, aber nicht mit fragwürdigen Behauptungen, sondern mit Aussagen, deren Wahrheit durch wissenschaftliche Untersuchungen belegbar ist.

Ergänzend zu wissenschaftlichen Untersuchungen gibt es einen reichen Schatz an Erfahrung in den spirituellen Traditionen.

I – Was ist Stress?

Auf der Grundlage meiner fast dreißigjährigen Arbeit als Hausarzt kann ich sagen, dass immer mehr Menschen an einem chronischen Erschöpfungszustand ohne organisches Korrelat leiden. Für dieses Leiden gibt es keinen Labortest wie z.B. für eine Schilddrüsenunterfunktion. Also macht man eine „Ausschlussdiagnostik“ mit dem üblichen ärztlichen Instrumentarium: Anamnese, körperliche Untersuchung, Labor und evt. bildgebende Verfahren. Wenn Anamnese und Untersuchung unauffällig waren, ist bisher fast nie bei der weiterführenden Diagnostik etwas herausgekommen.

Untersuchungen von Krankenkassen bestätigen diesen Trend. Die OECD schätzt, dass 2014 in der Schweiz 19 Milliarden Franken (3,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes) Kosten durch psychische Erkrankungen entstanden sind.

Auf die Frage an meine Patienten, was sie als Ursache für ihre Erschöpfung vermuten, kommt fast immer die Antwort: Stress. Die Ursachen für Überlastungen sind vielfältig: Immer mehr Arbeit in kürzerer Zeit mit weniger Personal, Zeitdruck, ständig steigende Anforderungen an Flexibilität und Qualität, Arbeit wird von Vorgesetzten nicht gewürdigt, fehlende Kollegialität, Schichtdienst, fehlende Rücksichtnahme auf persönliche Probleme (z.B. chronische Erkrankung in der Familie) u.a.

Der Stressreport Deutschland 2012, durchgeführt vom Bundesinstitut für Berufsbildung und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin kommt zu ähnlichen Ergebnissen(1).

Hans Selye (1907 – 1982) prägte den Begriff Stress mit seiner Lehre vom allgemeinen Adaptationssyndrom (Einführung in die Lehre vom Adaptationssyndrom, 1952, und Streß beherrscht unser Leben, 1956)(2).

Unter Stress versteht man einen Komplex von Anpassungen an innere oder äußere Reize (Stressoren). Zu Beginn kommt es zur Mobilisierung von Kräften, ausgelöst z.B. durch Infektionen, Verletzungen oder emotionale Belastungen. Die Alarmreaktion bewirkt über limbisches System, Hypothalamus, Hypophyse und Nebennieren die Ausschüttung von Cortisol und Adrenalin sowie eine Aktivierung des Sympathikus. Der Blutdruck steigt, das Blut wird mehr in die Muskeln und weniger in Darm und Haut gepumpt, Puls und Blutzucker steigen, die zellgebundene Immunabwehr wird geschwächt. Im zweiten Stadium, der Widerstandsreaktion, kommt es zu einer Vermehrung der Mineralocorticoide und einer Unterdrückung der Cortisolproduktion mit Begünstigung entzündlicher Prozesse. Schließlich folgt das Erschöpfungsstadium mit Zusammenbruch der Regelmechanismen.

Stress wird erst dann zum Problem, wenn er chronisch wird. Dann kann er unter anderem zu Bluthochdruck, erhöhtem Blutzucker, chronischen Entzündungen, Krebs und Depression führen.

Ob Ereignisse zu Stressoren werden, hängt auch vom subjektiven Erleben und der Möglichkeit der Einflussnahme ab.Wenn man es positiv formuliert, könnte man sagen: Was mich nicht umbringt, macht mich stark. Was für den einen eine Überlastung ist, stellt für den anderen eine Herausforderung dar.

Bruce S. McEwen erkannte, dass das Gehirn die Schaltzentrale für Stress ist.

B. S. McEwen, 2002(3)

Als Arzt weiß ich, wie wichtig die Anamnese (Befragung) des Patienten ist. Andrerseits weiß ich, wie unzuverlässig die Angaben sein können. Insofern schätze ich die diagnostischen Möglichkeiten der modernen Medizin. Bei Schmerzen/Enge im Brustkorb ist das Troponin ein wertvoller Labortest. Mit einem Angio-CT des Brustkorbes und D-Dimer kann man eine Lungenembolie ziemlich sicher ausschließen. Andrerseits kommt es vor, dass ich im Ultraschall eine Auffälligkeit an der Bauchspeicheldrüse sehe, die im CT nicht, in der Endosonographie dann doch (oder umgekehrt) gesehen wird. Sensitivität und Spezifität sind ständig ein Problem. Die zuverlässigste Methode bezeichnet man als Goldstandard. Das ist im Fluss. Zurück zum Stress. Akuten Stress weist man üblicherweise durch einen Anstieg des Cortisols nach. Für die Gesundheit problematisch ist aber vor allem der chronische Stress. Forscher möchten chronischen Stress messen, um seine Auswirkungen zu belegen. Es gibt dabei aber ein prinzipielles Problem. Man möchte Dinge quantifizieren, die nicht messbar sind. Dazu ein kleiner Ausflug in die Geschichte. Man hat Körper vor und nach dem Tod gewogen und keinen Unterschied gefunden. Das hat man als Beweis angesehen, dass es keine Seele gibt. Ziemlich dumm! Die Sache mit der Messbarkeit scheint selbst den Psychologen nicht immer klar zu sein. Die Forscher befinden sich also auf dünnem Eis. Als Lösung wurden Skalen erarbeitet. Jeder kennt solche Skalen, wo Ereignisse wie z.B. der Tod eines nahestehenden Menschen einen Punktwert bekommen. Die Wahrscheinlichkeit für eine Erkrankung steigt bei hoher Punktzahl an. Als Beispiele seien das Forschungsinstrument zur Erfassung bedeutsamer Lebensereignisse, FEBL, Ahammer u.a., 1980, und die Münchener Ereignislist, MEL, Maier-Diewald u.a., 1983, genannt. Das Problem einer nur punktuellen Erfassung, der Vernachlässigung individueller Faktoren sowie der alltäglichen Stressoren wurde erkannt. Die Folge waren neue Skalen wie das Trierer Inventar zur Erfassung von chronischem Stress, Schulz & Schlotz, 1999, und die Perceived Stress Scale, PSS, Cohen u.a., 1988, mit Abfrage der subjektiven Einschätzung von Stress und das Daily Stress Inventory, DSS, Brantley u.a., 1987, mit 57 Items zu potenziell belastenden Alltagsereignissen. Allein im deutschsprachigen Raum gibt es über 150 solcher Skalen(xx). Bei mehreren der Skalen wird ihre Validität hervorgehoben. Ich kann mir zwei Fragen nicht verkneifen. Woran wird die Validität gemessen (was ist der Goldstandard)? Wenn die Skalen valide sind, warum gibt es dann so viele? Ich zweifle hier nicht die Existenz von Stressoren, Stress und seinen Folgen an, sondern die Zuverlässigkeit bestimmter Untersuchungsmethoden. Tierexperimentelle Untersuchungen belegen Stress. Es geht aber um Menschen. Mediziner können Blutdruck, Blutzucker und vieles andere sowie den Einfluss von Interventionen messen. Aber Depression, Angst und Schmerz kann man nicht messen. Hier setzen Ärzte dann auch Fragebogenskalen und visuelle Analogskalen ein.

Die Psychologen haben sich schon früh von dem einfachen reflexartigen Stressmodell verabschiedet, siehe Lazarus, 1966, 1977, 1999(4). Der Fokus wird mehr auf die kognitive/emotionale Komponente gelegt. Andernfalls wären psychotherapeutische Interventionen (das schließt auch Meditation ein) ja auch von zweifelhaftem Wert.

Wir reagieren nicht auf die Ereignisse an sich, sondern auf unsere Meinungen über diese Ereignisse.

Albert Ellis

Vielleicht ist es hilfreich, sich daran zu erinnern, daß sich niemand über eine Tatsache ärgern kann. Es ist immer eine Deutung, die negative Gefühle aufkommen läßt, ungeachtet ihrer anscheinenden Rechtfertigung durch das, was als Tatsache erscheint.

Ein Kurs in Wundern

Tibetische Mönche haben Folter durch chinesische Besatzer unbeschadet überstanden. Sie praktizierten die Meditation der Liebevollen Güte (Metta-Meditation) und haben den Menschen, die sie gefoltert haben, vergeben.

Eine Geschichte der Vergebung

erzählt von George Ritchie, aus „Rückkehr von morgen“

Als im Mai 1945 der Krieg in Europa zu Ende ging, kam die 123. Einheit mit den Besatzungstruppen nach Deutschland. Ich gehörte zu einer Gruppe, die in ein Konzentrationslager in der Nähe von Wuppertal abgeordnet wurde, und hatte den Auftrag, medizinische Hilfe für die erst kürzlich befreiten Gefangenen zu bringen, von denen viele Juden aus Holland, Frankreich und dem östlichen Europa waren. Dieses war die erschütterndste Erfahrung, die ich je gemacht hatte; bis dahin war ich viele Male dem plötzlichen Tod und Verwundungen ausgesetzt gewesen, aber die Wirkung eines langsamen Hungertodes zu sehen, durch jene Baracken zu geben, wo Tausende von Menschen Stückchen für Stückchen über mehrere Jahre gestorben waren, all das war eine neue Art von Horror. Für viele war es ein unwiderruflicher Prozess. Wir verloren Dutzende täglich, obwohl wir sie schnellstens mit Medizin und Nahrung versorgten.

Jetzt brauchte ich meine neue Erkenntnis, in der Tat. Wenn es so schlimm wurde, dass ich nicht mehr handeln konnte, tat ich das, was ich gelernt hatte zu tun. Ich ging von einem Ende zum anderen in dem Stacheldrahtverhau und schaute in die Gesichter der Menschen, bis ich feststellte, dass das Gesicht Christi mich anblickte.

Und so lernte ich Wild Bill Cody kennen. Das war nicht sein eigentlicher Name. Sein wirklicher Name hatte sieben unaussprechliche polnische Silben, aber er hatte einen lang herunterhängenden Lenkstangenbart, wie man ihn auf Bildern der alten Westernhelden sah, so dass die amerikanischen Soldaten ihn Wild Bill nannten. Er war einer der Insassen des Konzentrationslagers, aber offensichtlich war er nicht lange dort gewesen. Seine Gestalt war aufrecht, seine Augen hell, seine Energie unermüdlich. Da er sowohl Englisch, Französisch, Deutsch und Russisch als auch Polnisch fließend sprach, wurde er eine Art inoffizieller Lagerübersetzer.

Wir kamen zu ihm mit allen möglichen Problemen; der Papierkram alleine hielt uns oft auf bei dem Versuch, Leute zu finden, deren Familien, ja sogar ganze Heimatorte möglicherweise verschwunden waren. Aber obwohl Wild Bill 15 oder 16 Stunden täglich arbeitete, zeigten sich bei ihm keine Anzeichen von Ermüdung. Während wir übrigen uns vor Müdigkeit hängen ließen, schien er an Kraft zu gewinnen. »Wir haben Zeit für diesen alten Kameraden«, sagte er. »Er hat den ganzen Tag auf uns gewartet.« Sein Mitleid für seine gefangenen Kameraden strahlte aus seinem Gesicht, und zu diesem Glanz kam ich, wenn mich der Mut verlassen wollte.

Ich war darum sehr erstaunt, als ich die Papiere von Wild Bill eines Tages vor mir liegen hatte, dass er seit 1939 im KZ gewesen war! Sechs Jahre lang hatte er von derselben Hungertoddiät gelebt und wie jeder andere in derselben schlecht gelüfteten und von Krankheiten heimgesuchten Baracke geschlafen, dennoch ohne die geringste körperliche oder geistige Verschlechterung. Noch erstaunlicher war vielleicht, dass jede Gruppe im Camp ihn als einen Freund betrachtete. Er war derjenige, dem Streitigkeiten zwischen den Insassen zum Schiedsspruch vorgelegt wurden. Erst nachdem ich wochenlang dort gewesen war, erkannte ich, welch eine Rarität dies in einem Gelände war, wo die verschiedensten Nationalitäten von Gefangenen einander fast so sehr hassten, wie sie die Deutschen hassten.

Was die Deutschen betraf, stiegen die Gefühle gegen sie in einigen der Lager, die etwas früher befreit worden waren, so hoch, dass frühere Gefangene sich Gewehre geschnappt hatten, in das nächste Dorf gerannt waren und einfach den ersten Deutschen, den sie sahen, erschossen hatten. Wir hatten Anweisung, solche Zwischenfälle zu verhindern, und wieder war Wild Bill unser größter Aktivposten, wenn er mit den verschiedenen Gruppen vernünftig redete und ihnen riet, Vergebung zu üben.

»Es ist nicht leicht für sie, zu vergeben«, erklärte ich ihm eines Tages, als wir im Zentrum für alle Abwicklungen mit unseren Teebechern beieinander saßen. »Viele von ihnen haben ihre Familienangehörigen verloren.«

Wild Bill lehnte sich in dem geraden Stuhl zurück und schlürfte sein Getränk.

»Wir lebten im jüdischen Sektor von Warschau«, fing er langsam an. Es waren die ersten Worte, mit denen er mir gegenüber von sich selbst sprach. »Meine Frau, unsere zwei Töchter und unsere drei kleinen Jungen. Als die Deutschen unsere Straße erreichten, stellten sie alle an die Mauer und eröffneten mit Maschinengewehren das Feuer. Ich bettelte, dass sie mir erlauben würden, mit meiner Familie zu sterben, aber da ich Deutsch sprach, steckten sie mich in eine Arbeitsgruppe.«

Er unterbrach seinen Bericht, vielleicht weil er wieder seine Frau und seine fünf Kinder vor sich sah. »Ich musste mich dann entscheiden«, fuhr er fort,»ob ich mich dem Hass den Soldaten gegenüber hingeben wollte, die das getan hatten. Es war eine leichte Entscheidung, wirklich. Ich war Rechtsanwalt. In meiner Praxis hatte ich zu oft gesehen, was der Hass im Sinn und an den Körpern der Menschen auszurichten vermochte. Der Hass hatte gerade sechs Personen getötet, die mir das meiste auf der Welt bedeuteten. Ich entschied mich dafür, den Rest meines Lebens - ob nur wenige Tage oder viele Jahre - jede Person, mit der ich zusammenkam, zu lieben.

Diese Geschichte führt uns mehr als eine trockene wissenschaftliche Untersuchung vor Augen, wie stark die innere Einstellung Wahrnehmung und Verhalten beeinflusst.

In den letzten Jahren sind in der Stressforschung wegweisende Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen chronischem Stress und Immunsystem sowie Nervensystem gefunden worden.

Die Begünstigung chronisch entzündlicher Erkrankungen ist bekannt. Die Forschungsergebnisse weisen aber auch darauf hin, dass ein gestresstes Immunsystem Krebs begünstigt.

Im Tierexperiment hat man bei chronisch gestressten Nagetieren ein Absterben von Nervenzellen in wichtigen Hirnarealen wie dem Hippocampus und dem Stirnlappen sowie einen Rückgang der Kontaktstellen (Synapsen) gefunden, des weiteren einen Rückgang der für die Regeneration wichtigen Stammzellen im Gehirn. Solche Veränderungen spielen für das Entstehen der Alzheimer-Demenz eine Rolle. Beim Menschen kann man natürlich nicht das Gehirn sezieren. In der Magnetresonanztomographie kann man aber eine Abnahme der Dicke entsprechender Areale messen.

Der Einfluss von chronischem Stress auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Bluthochdruck ist lange bekannt.

Bei den häufigen Volkskrankheiten spielt Stress somit eine ungute Rolle.