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Christoph Ransmayrs »Spielformen des Erzählens«. Christoph Ransmayrs erste poetische Arbeit, 1982 in rhythmischer Prosa geschrieben, erzählt mit grimmiger Ironie vom Verschwinden des »Herrn der Welt«, des Menschen. Als Proband - Held oder Opfer? – einer Neuen Wissenschaft, die nur noch Verwüstung betreibt und nichts mehr herzustellen vermag als die Organisation des Verschwindens, wird dieser Herr im Rahmen eines »Entwässerungsprojekts« der Sahara ohne Wasser und Lebensmittel in einem »Terrarium« ausgesetzt und seinem Untergang überlassen. Während er zwischen Dünen und Geröll dem Tod durch Verdursten entgegentaumelt, belehrt ein anonymer Vertreter der Neuen Wissenschaft eine akademische Delegation in der Oase Bordj Moktar, dass hier streng nach den Gesetzen der Logik unter einer sengenden Sonne zu Ende gebracht werde, was vor Milliarden Jahren auch unter Sonnenstrahlen begann: das organische Leben, der menschliche Auftritt. Denn nachdem sich der Mensch aus dem Tierreich erhoben und hochaufgerichtet und zerstörend in jeden Zusammenhang hineingetreten ist und alles verwechselt und vertauscht hat – Kultur mit Zivilisation, Fortschritt mit Technik und Ordnung mit Herrschaft –, soll er an seinem Ende und Ziel im glosenden Zentrum der Wüste wenigstens eines wissen, bevor es endlich Nacht und endlich kühler wird: Ich bin es, ich, der da untergeht. ›Strahlender Untergang‹ fügt sich in die Reihe der »Spielformen des Erzählens« ein, in der Christoph Ransmayr unter anderem in »Tirade« und »Verhör«, »Bildergeschichte«, »Duett« und »Ansprachen« die Spielräume des Erzählens erkundet.
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Seitenzahl: 27
Christoph Ransmayr
Strahlender Untergang
Ein Entwässerungsprojekt oder Die Entdeckung des Wesentlichen
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Wie ein Brief, vor achtzehn Jahren geschrieben, ins Blaue geschickt und nun auf Seewegen zurückgekommen, liegt der Strahlende Untergang wieder auf meinem Schreibtisch, ein schmales Bündel Druckfahnen. Ich erinnere mich an das Fenster, an dem der Schreibtisch damals stand, in der Tiefe davor das Mittelmeer, die Steilküste bei Trachila auf der südgriechischen Halbinsel Mani. Heute ist es der Atlantik, der vor meinem Fenster liegt, die Brandung an der Westküste Irlands, und wieder ist es März.
Natürlich ist die Versuchung groß, diesen Untergang jetzt und möglicherweise für immer abzuschließen, in achtzehn Jahren lernt auch ein Erzähler dazu, und tatsächlich kann ich an vier, fünf Stellen nicht widerstehen, streiche hier ein Wort, ändere Kursivsetzungen und stelle insgesamt den Zeilenfall des ursprünglichen Manuskriptes wieder her … Ein kindisches Unternehmen vielleicht, schließlich hat das Schreiben seinen Weg hinter sich, wurde gedruckt, gelesen und vielleicht längst wieder vergessen, sind Adressaten von einst verzogen oder für immer verschwunden. Aber ich sitze wieder (oder immer noch) am Meer, verbiete mir weitere Korrekturen und bestätige schließlich selbst den langatmigen Untertitel meiner Nachrichten aus der Wüste: Ein Entwässerungsprojekt oder Die Entdeckung des Wesentlichen. Denn zumindest eines der leiseren Geräusche eines Untergangs in den Dünen würde ich auch heute nicht viel anders beschreiben:
Wie hier jeder Schritt tönt.
Der Sand ist so trocken,
daß er sich unter den Füßen
und im Wind
zu kurzen Fontänen erhebt
und gleich wieder hinlegt
und dabei klingt,
als fielen Nadeln
gegen eine Erde aus Glas.
C.R.
Castletownshend / West Cork, im März 2000
Seit Millionen von Jahren umgibt uns das Brüllen der Sonne,ein gigantisches Feuerofen-Brüllenüber einhundertfünfzig Millionen Kilometer,das so vollkommen gleichförmig ist,daß Generationen von Menschen in ihm geboren werden,leben, sterben konnten, ohne es jemals zu bemerken.
Thomas Pynchon
Die Enden der Parabel
Wien und Trachila, Frühjahr 1982
Fragment eines Fernschreibens
Innerhalb einer Woche habe sich bei Adrar,
so berichtete einer der Lastwagenfahrer weiter,
eine Kolonne wüstentauglicher
Bau- und Transportfahrzeuge
von größtem Fassungsvermögen formiert:
Achtundvierzig caterpillars
und sicherlich das Doppelte an camions.
Eingehüllt in eine kilometerlange, ungeheure Wolke
aus Sand und Staub
habe sich die Kolonne schließlich in Richtung
Bordj Moktar
in Bewegung gesetzt,
habe den Wendekreis des Krebses passiert
und sei nach zwölf Tagen,
im Gebiet der alten Karawanenstraße nach Taoudenni
und sozusagen im glosenden Zentrum des Tanezrouft,
der Wüste der Wüsten,
zum planmäßigen Stillstand gekommen.
Diese Gegend,
setzte der Lastwagenfahrer fort,
sei vormals nur unter dem Zwang größter Not,
des dringenden Warenbedarfs oder aber des Irrsinns
durchquert worden.
Im Jahre 1809, ein bemerkenswertes Beispiel für die
Unwirtlichkeit dieser Geröll- und Sandlandschaft,
habe man hier die teils verwesten,
teils mumifizierten Überreste von zweitausend Mann
und eintausendachthundert Kamelen gefunden –
Schlußbild einer großartigen Karawane,
die sich vergeblich um den Transport der Salzplatten
von Taoudenni nach den Märkten des Nordens
bemüht hatte.
Aber groß sei Allah.
Hier, an der mit dem Lineal gezogenen Grenze
zwischen der algerischen und der Sahara von Mali,
habe die Kolonne in unsäglichen,