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Präventive und repressive Ermächtigungsgrundlagen Unterstützt durch viele Fallbeispiele verdeutlichen die Autoren des Buches nicht nur präventive und repressive Ermächtigungsgrundlagen. Sie erläutern darüber hinaus die Regeln der Ermessensausübung, die Durchsetzung polizeilicher Maßnahmen inklusive der Androhung der Zwangsanwendung bis hin zu den verschiedenen Zwangsmitteln und der Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Zwangsanwendung. Rechtssicheres Polizeihandeln Denn nicht selten misst sich die polizeiliche Professionalität an der Rechtssicherheit der einschreitenden Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Diese müssen daher verschiedenste Eingriffsvoraussetzungen sowie deren rechtsstaatliche Grenzen kennen und unter Abwägung der Verhältnismäßigkeit anwenden können. Schneller Überblick über die Eingriffsnormen Das Buch verschafft einen schnellen Überblick über die wichtigsten und am häufigsten angewandten Eingriffsnormen. Dadurch gelingt Polizeibeamtinnen und -beamten eine grundlegende rechtliche Orientierung auch in stressigen Situationen. Der Schwerpunkt der Arbeitshilfe liegt auf den polizeilichen Standardmaßnahmen, die sich aus dem Polizeirecht, dem Strafprozessrecht und dem nordrhein-westfälischen Versammlungsrecht ergeben. Ferner behandeln die Verfasser weitere Maßnahmen und Eingriffsvoraussetzungen aus dem Ausländerrecht, Waffenrecht, Gewerberecht und dem Jugendschutzrecht. Auch zum Nachbereiten von Einsätzen geeignet Das Buch leistet auch beim Nachbereiten von Einsätzen und Schreiben von Aktenvermerken wertvolle Dienste: Ohne langes Suchen in den Gesetzestexten kann die zur Lösung der Einsatzsituation herangezogene Rechtsnorm schnell gefunden werden. Beigefügte Fußnoten sowie das Quellenverzeichnis ermöglichen es, Rechtsfragen gezielt zu vertiefen. Konzipiert für ... ... Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte des operativen Dienstes (Wach-, Bezirks- und Ermittlungsdienst, Einsatzkräfte).
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Seitenzahl: 371
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Streifendienstin Nordrhein-Westfalen
Eingriffsnormen im Überblick
Christoph Keller, M. A.
Leitender Polizeidirektor, hauptamtlicher Dozent an der HSPV NRW und Leiter der Abteilung Münster
Tobias Rekel
Polizeikommissar im Polizeipräsidium Düsseldorf
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation inder Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über www.dnb.de abrufbar
Print-ISBN 978-3-415-07377-7
eISBN 978-3-415-07379-1
© 2023 Richard Boorberg Verlag
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist,bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesonderefür Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen unddie Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Titelfoto: © PropEffects – stock.adobe.com
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Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 StuttgartStuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresdenwww.boorberg.de
Die Beziehungen zwischen einem Staat und seinen Bürgern sind im modernen Staat durch das Recht geprägt. So ist nach Art. 20 Abs. 3 GG die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden. Die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden. Dieses Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verkörpert Legalität und verbietet, gegen geltendes Recht zu verstoßen. Legalität bedeutet Gesetzmäßigkeit und fordert die Übereinstimmung staatlichen Handelns mit den geltenden Gesetzen. Diese Legalität staatlichen Handelns garantiert mit der Bindung an das Gesetz Gleichbehandlung und verschafft dem Bürger Rechtssicherheit. Die Gesetzgebundenheit ist keine bloße Formalität, sondern Grundlage für die Gewähr von Freiheiten. Nach Rudolf von Ihering (1818–1892) ist die Form „die geschworene Feindin der Willkür, die Zwillingsschwester der Freiheit“. Formgebundenheit, das heißt Gesetzesgebundenheit, bedeutet letztendlich auch Freiheitsverbürgung.
Nicht selten misst sich die polizeiliche Professionalität an der Rechtssicherheit der einschreitenden Polizeibeamten. Es gilt, verschiedenste Eingriffsvoraussetzungen sowie deren rechtsstaatliche Grenzen zu kennen und unter stetiger Reflexion der Verhältnismäßigkeit das Recht anwenden zu können.
Situationen, die ein staatliches Eingreifen notwendig erscheinen lassen, resultieren aus Situationen des täglichen Lebens und erfordern sowohl eine Gesamtbetrachtung der zugrunde liegenden Umstände als auch mitunter eine Erwägung verschiedenster Rechtsgebiete. Das vorliegende Buch soll einen Überblick über verschiedenste Eingriffsnormen bieten und eine grundlegende rechtliche Orientierung auch in stressigen Situationen ermöglichen.
Aufbauend auf die Idee von Joran Brade, die wichtigsten und am häufigsten angewandten Eingriffsnormen übersichtlich zusammenzustellen, entstand über das Jahr 2022 hinweg eine vollständige Neuauflage des nordrhein-westfälischen Exemplars aus dem Jahr 2010.
Hierbei wurde der Fokus neben polizeilichen Standardmaßnahmen entspringend dem Polizei- und Strafprozessrecht insbesondere auch auf das nordrhein-westfälische Versammlungsrecht gelegt. Ferner wurden Maßnahmen und Eingriffsvoraussetzungen des Ausländer-, Waffen-, Gewerbe- und Jugendschutzrechts behandelt. Dabei kann das vorliegende Buch keinen Kommentar ersetzen. Beigefügte Fußnoten sowie das Quellenverzeichnis ermöglichen aber, bestimmte Rechtsfragen gezielt zu vertiefen, insbesondere wenn es um das Erschließen neuer Rechtsgebiete geht.
Mettingen, Duisburg im Dezember 2022
Christoph Keller
Tobias Rekel
Cover
Titel
Impressum
Vorwort zur 1. Auflage
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
A. Abgrenzung Prävention und Repression
B. Allgemeine Anforderungen an polizeiliches Handeln
I. Ermessen und Ermessensfehler
1. Entschließungsermessen
2. Auswahlermessen
3. Ermessensfehler
II. Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne
1. Geeignetheit
2. Erforderlichkeit
3. Angemessenheit
C. Prävention und Gefahrenabwehr
I. Zuständigkeiten der nordrhein-westfälischen Polizei auf dem Rechtsgebiet der Gefahrenabwehr
1. Sachliche Zuständigkeiten
2. Örtliche Zuständigkeit
II. Adressaten gefahrenabwehrender Maßnahmen
1. Verhaltensverantwortliche Person – § 4 PolG NRW
2. Zustandsverantwortliche Person – § 5 PolG NRW
3. Nichtverantwortliche Personen – § 6 PolG NRW
D. Präventive Befugnisnormen
I. Allgemeine Form- und Verfahrensvorschriften
1. Anhörung Beteiligter – § 28 Abs. 1 VwVfG NRW
2. Bestimmtheit des Verwaltungsaktes – § 37 Abs. 1 VwVfG NRW
3. Form des Verwaltungsaktes – § 37 Abs. 2 VwVfG NRW
4. Begründung des schriftlichen Verwaltungsaktes – § 39 Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW
5. Bekanntgabe des Verwaltungsaktes – § 41 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG NRW
II. Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25.7.2003 (GV. NRW. S. 441/SGV. NRW. 205), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. April 2022 (GV. NRW. S. 504)
1. Allgemeine Befugnisse/Generalklausel zur Gefahrenabwehr – § 8 Abs. 1 PolG NRW
2. Erhebung personenbezogener Daten – § 9 Abs. 1 PolG NRW
3. Befragung und Auskunftspflicht – § 9 Abs. 2 PolG NRW
4. Vorladung – § 10 PolG NRW
5. Erhebung von Personaldaten zur Vorbereitung für die Hilfeleistung und das Handeln in Gefahrenfällen – § 11 PolG NRW
6. Identitätsfeststellung – § 12 PolG NRW
7. Strategische Fahndung – § 12a PolG NRW
8. Prüfung von Berechtigungsscheinen – § 13 PolG NRW
9. Erkennungsdienstliche Behandlung – § 14 PolG NRW
10. Datenerhebung bei öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen – § 15 PolG NRW
11. Datenerhebung zur Eigensicherung – § 15b PolG NRW
12. Datenerhebung durch den Einsatz körpernah getragener Aufnahmegeräte – § 15c PolG NRW
13. Kurzfristige Observation – § 16a Abs. 3 PolG NRW
14. Längerfristige Observation – § 16a Abs. 1 PolG NRW
15. Datenerhebung durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel zur Anfertigung von Bildaufnahmen und Bildaufzeichnungen – § 17 PolG NRW
16. Datenerhebung durch den Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen – § 18 PolG NRW
17. Datenerhebung durch den Einsatz von Personen, deren Zusammenarbeit mit der Polizei Dritten nicht bekannt ist – § 19 PolG NRW
18. Datenerhebung durch den Einsatz Verdeckter Ermittler – § 20 PolG NRW
19. Abfrage von Telekommunikations- und Telemediendaten – § 20a PolG NRW
20. Polizeiliche Beobachtung – § 21 PolG NRW
21. Datenabgleich – § 25 PolG NRW
22. Rasterfahndung – § 31 PolG NRW
23. Kurzfristiger Platzverweis – § 34 Abs. 1 PolG NRW
24. Längerfristiger Platzverweis – § 34 Abs. 2 PolG NRW
25. Wohnungsverweisung und Rückkehrverbot – § 34a PolG NRW
26. Gewahrsamnahme – § 35 PolG NRW
27. Durchsuchung von Personen – § 39 PolG NRW
28. Durchsuchung von Sachen – § 40 PolG NRW
29. Betreten und Durchsuchen von Wohnungen – § 41 PolG NRW
30. Sicherstellung – § 43 PolG NRW
III. Ausländerrecht – AufenthG und AsylG
1. Allgemeines
2. Aufenthaltstitel gem. § 4 Abs. 1 AufenthG
3. Pass- und Ausweispflichten
4. Räumliche Beschränkungen
5. Verstoß gegen Verbot/Beschränkung der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit
6. Polizeiliche Maßnahmen bei illegalem Aufenthalt
7. Ermächtigungsgrundlagen aus dem AufenthG
8. Ermächtigungsgrundlagen aus dem AsylG
IV. Versammlungsgesetz NRW (VersG NRW) Vom 17. Dezember 2021 (Artikel 1 des Gesetzes vom 17. Dezember 2021 (GV. NRW. 2022 S. 2))
1. Allgemeines
2. Versammlung unter freiem Himmel
3. Versammlungen in geschlossenen Räumen
4. Straf- und Bußgeldvorschriften
V. Jugendschutzrecht – Jugendschutzgesetz (JuSchG)
1. Sachliche Zuständigkeit
2. Jugendschutz in der Öffentlichkeit
3. Polizeiliche Ermächtigungsgrundlagen
VI. Waffenrecht – Waffengesetz (WaffG)
1. Zuständigkeit der Polizei
2. Systematik des Waffenrechts
3. Waffenrechtliche Einordnung – § 1 Abs. 2 WaffG
4. Waffenrechtlicher Umgang – § 1 Abs. 3 WaffG
5. Waffenrechtliche Erlaubnisse – § 10 WaffG
6. Polizeiliche Ermächtigungsgrundlagen
VII. Gewerberecht – Gewerbeordnung (GewO)
1. Reisegewerbe – § 55 Abs. 1 GewO
VIII. Straßenverkehrsordnung – StVO
1. Zeichen und Weisungen – § 36 Abs. 1–4 StVO
2. Verkehrskontrolle – § 36 Abs. 5 StVO
E. Repression und Strafverfolgung
I. Zuständigkeit der Polizei auf dem Rechtsgebiet der Repression
1. Strafverfolgung
2. Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten
II. Adressaten repressiven Einschreitens
1. Tatverdächtiger
2. Beschuldigter
3. Zeuge
4. Betroffener
III. Anordnungskompetenzen im Strafprozessrecht
F. Repressive Ermächtigungsgrundlagen nach der Strafprozessordnung (StPO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 26. Juli 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 203) geändert worden ist
I. Körperliche Untersuchung beim Beschuldigten – § 81a StPO
II. Erkennungsdienstliche Behandlung – § 81b StPO
III. Körperliche Untersuchung bei anderen Personen – § 81c StPO
IV. Molekulargenetische Untersuchung – § 81e StPO
V. DNA-Identitätsfeststellung – § 81g StPO
VI. Sicherstellung und Beschlagnahme – § 94 StPO
VII. Sicherstellung und Beschlagnahme von Führerscheinen – § 94 Abs. 3 StPO
VIII. Durchsuchung beim Tatverdächtigen– § 102 StPO
IX. Durchsuchung bei anderen Personen – § 103 StPO
X. Durchsuchung von Räumen zur Nachtzeit – § 104 StPO
XI. Durchsicht von Papieren und elektronischen Speichermedien – § 110 StPO
XII. Beschlagnahme zur Sicherung der Einziehung – §§ 111b StPO, 73 ff., 74 ff. StGB
XIII. Vorläufige Festnahme – § 127 Abs. 2 StPO
XIV. Hauptverhandlungshaft/beschleunigtes Verfahren – § 127b StPO
XV. Sicherheitsleistung zur Abwendung der Festnahme – § 127a StPO
XVI. Sicherheitsleistung zur Abwendung der Festnahme – § 132 StPO
XVII. Ermittlungsgeneralklausel – § 163 Abs. 1 S. 2 StPO
XVIII. Zeugenvernehmung – § 163 Abs. 3 StPO
XIX. Beschuldigtenvernehmung – § 163a Abs. 4 StPO
XX. Identitätsfeststellung des Tatverdächtigen – § 163b Abs. 1 StPO
XXI. Identitätsfeststellung bei Unverdächtigen und Zeugen – § 163b Abs. 2 StPO
XXII. Festnahme von Störern – § 164 StPO
XXIII. Einrichten von Kontrollstellen und Schleppnetzfahndung – §§ 111, 163d StPO
XXIV. Längerfristige Observation – § 163f StPO
XXV. Datenabgleich – § 98c StPO
XXVI. Fahndungsmaßnahmen – §§ 131, 131a StPO
XXVII. Rasterfahndung und Polizeiliche Beobachtung – §§ 98a, 163e StPO
XXVIII. Telekommunikationsrecht – §§ 100a, 100g StPO
XXIX. Verdeckte personale Ermittlungen – § 110a ff. StPO
G. Rechtliche Voraussetzungen des polizeilichen Verwaltungszwangs
I. Präventive Verwaltungsakte
1. Zwang mit vorausgegangenem Verwaltungsakt – § 50 Abs. 1 PolG NRW
2. Zwang ohne vorausgegangenen Verwaltungsakt – § 50 Abs. 2 PolG NRW
II. Zwangsweise Durchsetzung repressiver Maßnahmen
1. Maßnahmen auf Grundlage der Strafprozessordnung
2. Maßnahmen der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten
H. Zwangsmittel und ihre spezifischen Rechtmäßigkeitsanforderungen
I. Ersatzvornahme – § 52 PolG NRW
II. Zwangsgeld – § 53 PolG NRW
III. Unmittelbarer Zwang – § 55 PolG NRW
1. Körperliche Gewalt – § 58 Abs. 2 PolG NRW
2. Hilfsmittel der körperlichen Gewalt – § 58 Abs. 3 PolG NRW
3. Waffen – § 58 Abs. 4 PolG NRW
4. Schusswaffengebrauch – § 63 ff. PolG NRW
5. Unmittelbarer Zwang auf Anordnung – § 59 PolG NRW
6. Hilfeleistung für Verletzte – § 60 PolG NRW
I. Androhung der Zwangsanwendung
I. Androhung der Ersatzvornahme
II. Androhung des Zwangsgeldes
III. Androhung des unmittelbaren Zwangs
J. Verhältnismäßigkeit bei der Anwendung von Zwang
K. Amtshilfe und Vollzugshilfe
I. Allgemeines
II. Voraussetzung und Grenzen der Amtshilfe
III. Amtshilfe durch die Polizei – Vollzugshilfe
1. Sachliche Zuständigkeit für die Vollzugshilfe
2. Durchführung der Vollzugshilfe – § 48 PolG NRW
3. Vollzugshilfe bei Freiheitsentziehungen – § 49 PolG NRW
L. Definitionen und Erläuterungen
M. Anlagen und Auszüge
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
AAK
Atemalkoholkonzentration
AE
Aufenthaltserlaubnis
AE-EU
Aufenthaltserlaubnis-EU
AFIS
Automatisiertes Fingerabdruck-Identifikationssystem
AG
Amtsgericht
AO
Abgabenordnung
AOB
Allgemeine Ordnungsbehörde
AsylG
Asylgesetz
AufenthG
Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz)
AufenthV
Aufenthaltsverordnung
AuslB
Ausländerbehörde
BA
Bundesagentur für Arbeit
BAB
Bundesautobahn
BAK
Blutalkoholkonzentration
BePo
Bereitschaftspolizei
BeschV
Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (Beschäftigungsverordnung)
BMV
Bundesministerium der Verteidigung
DAD
DNA-Analyse-Datei
DPolBl
Deutsches Polizeiblatt
Dt.
Deutsch
DU
Durchsuchung
EB
Einsatzbereitschaft
ebP
erziehungsbeauftragte Person
ED
Erkennungsdienst
EGL
Ermächtigungsgrundlage
EVN
Ersatzvornahme
FB
Freiheitsbeschränkung
FE
Freiheitsentziehung/Fahrerlaubnis
FreizügG/EU
Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/EU)
FSK
Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft
FuStKw
Funkstreifenkraftwagen
Fzg.
Fahrzeug
GA
Gefahrenabwehr
GAA
Geldausgabeautomat
GeSa
Gefangenensammelstelle
GG
Grundgesetz
GiV
Gefahr im Verzug
grds.
grundsätzlich
GVG
Gerichtsverfassungsgesetz
HiMi
Hilfsmittel
hM
herrschende Meinung
IDF
Identitätsfeststellung
idGr
in den Grenzen
idR
in der Regel
iSd
im Sinne des/der/dem
iSv
im Sinne von
iVm
in Verbindung mit
JuSchG
Jugendschutzgesetz
Justiz-VA
Justizverwaltungsakt
KfzStG
Kraftfahrzeugsteuergesetz
kG
körperliche Gewalt
KPB
Kreispolizeibehörden
NE
Niederlassungserlaubnis
OWi
Ordnungswidrigkeit
pD
Personenbezogene Daten
PflVersG
Pflichtversicherungsgesetz
PolBea
Polizeibeamte
PolG NRW
Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen
PP
Polizeipräsidium/-präsident
psP
personensorgeberechtigte Person
RGL
Rechtsgrundlage
RiStBV
Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren
Rn.
Randnummer
RSG
Reizstoffsprühgerät
SPR
Schutz privater Rechte
StA
Staatsanwalt/Staatsanwaltschaft
StAng
Staatsangehörigkeit
StdM
Standardmaßnahmen – § 8 ff. PolG NRW
StGB
Strafgesetzbuch
StPO
Strafprozessordnung
TBM
Tatbestandsmerkmal
TO
Tatort
TuR
Tank- und Rastanlage
TWED
Tageswohnungseinbruch
UVR
Untersuchungsverweigerungsrecht
uZw
unmittelbarer Zwang
VA
Verwaltungsakt iSd § 35 PolG NRW
VersG NRW
Versammlungsgesetz NRW
VStGB
Völkerstrafgesetzbuch
VT
Versammlungsteilnehmer
VVPolG NRW
Verwaltungsvorschrift zum PolG NRW
VwV-StVO
Verwaltungsvorschrift zur StVO
VwVfG
Verwaltungsverfahrensgesetz
VwVG
Verwaltungsvollstreckungsgesetz
WaWe
Wasserwerfer
Whg
Wohnung
ZVR
Zeugnisverweigerungsrecht
ZwG
Zwangsgeld
Grundsätzlich darf die nordrhein-westfälische Polizei auf Grundlage diverser Ermächtigungsgrundlagen in die Grundrechte der Bürger eingreifen, wobei sich der Kern dieser Eingriffsmaßnahmen entweder aus der Abwehr einer Gefahr (Gefahrenabwehr) oder der Verfolgung einer Straftat (Strafverfolgung) ergibt. Die gängigsten Eingriffsmaßnahmen sind sowohl im Bereich der Gefahrenabwehr als auch im Rechtsgebiet der Strafverfolgung eigens normiert, weswegen sich der einschreitende Polizeibeamte bereits vor dem Eingriff in die Grundrechte festlegen muss, auf welchem Rechtsgebiet die Maßnahme fußt.
Abgrenzung Prävention und Repression
Zur Klärung, ob die Polizei im konkreten Fall präventiver oder repressiver Natur eingreift, bedarf es der Bestimmung der Zielrichtung der beabsichtigten Maßnahme. Wird die Polizei vorrangig tätig, um
–einen noch nicht eingetretenen Schaden von Personen oder sonstigen Gütern abzuwehren,–bevorstehende Straftaten bzw. deren Eintritt in das Versuchsstadium zu verhindern oder–ein sog. Dauerdelikt, d. h. einen stetig fortlaufenden Rechtsbruch zu beenden,so handelt die Polizei auf dem Rechtsgebiet der Gefahrenabwehr.
Anders verhält es sich, wenn Obiges zu verneinen ist und die Polizei nach Würdigung aller Umstände primär der Verfolgung und Ahndung einer Straftat nachgeht und die Repressionsansprüche des Staates bedient. In diesem Fall fußen etwaige Maßnahmen auf dem Rechtsgebiet der Strafverfolgung.
Die vorzunehmende Abgrenzung und damit einhergehende Wahl des Rechtsgebietes ist in den Fallkonstellationen unproblematisch, in denen die Polizei zur Bewältigung eines Einsatzes jeweils autarke Maßnahmen unterschiedlicher Zielrichtungen treffen muss. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn die Polizei zunächst die Identität eines Straftäters feststellt und diesen anschließend zur Eigensicherung, d. h. zur Gefahrenabwehr durchsucht. Problematisch wird es indessen, sobald sich grundsätzlich beide Rechtsgebiete gleichermaßen erschließen, jedoch nur eines bedient werden kann. Eine solche Konstellation ergibt sich bspw. im Zusammenhang mit gefälschten Dokumenten und Ausweispapieren, die im Rechtsverkehr eingesetzt werden. Zum einen eröffnet sich das Rechtsgebiet der Gefahrenabwehr in Form der Verhinderung bevorstehender Rechtsbrüche und zum anderen eröffnet sich gleichermaßen das Rechtsgebiet der Strafverfolgung in Form der Behandlung der Ausweispapiere als Beweismittel oder Einziehungsgegenstände. Es bedarf einer Abwägung beider Ziele und der Festlegung der jeweiligen Relevanz. Situationen, in denen die Polizei sowohl repressiv als auch präventiv einschreitet, sind hinlänglich als sog. Gemengelagen bekannt. So bedient bspw. im Rahmen eines Wohnungseinbruchs das Ansprechen und Feststellen der Personalien des Täters gleichermaßen beide Rechtsgebiete. Zum einen können aufgrund der Personalienfeststellung ein gezieltes Strafverfahren gegen den nunmehr Beschuldigten eingeleitet und zum anderen die fortgesetzte Tatbegehung unterbunden und die Gefahr somit abgewehrt werden. In derartigen Gemengelagen, welche idR auch eine gewisse zeitliche Dringlichkeit aufweisen und ein umgehendes und v. a. adäquates Einschreiten voraussetzen, kann das zu bevorrechtigende Rechtsgebiet nicht immer zweifelsfrei bestimmt werden. Gleichwohl geht der BGH derweilen von einer parallelen Anwendbarkeit beider Rechtsgebiete aus, sodass auch im Falle eines strafprozessualen Anfangsverdachtes Maßnahmen der Gefahrenabwehr getroffen werden können, insofern die Voraussetzungen hierfür gegeben sind.[1] Sind sowohl die Voraussetzungen der strafprozessualen als auch der gefahrenabwehrenden Maßnahme gegeben, so spricht man auch von sog. doppelfunktionalen Maßnahmen, d. h. für die angestrebte Maßnahme ergeben sich beide Rechtsgebiete gleichermaßen.[2]
Rechtstheoretisch werden doppelfunktionale Maßnahmen in echte und unechte doppelfunktionale Maßnahmen unterteilt, wobei von einer unechten doppelfunktionalen Maßnahme nach Ansicht der hM immer dann gesprochen wird, wenn der Gefahrenabwehr kein eigenes Handlungsfeld zuzuordnen ist und sie lediglich als bloßes Beiwerk der strafprozessualen Maßnahme auftritt.[3]
Während auf dem Rechtsgebiet der Strafverfolgung das sog. Legalitätsprinzip (§ 152 Abs. 2 StPO) die Polizei zur Verfolgung einer Straftat zwingt (sog. Strafverfolgungszwang), findet im Bereich der Gefahrenabwehr grundsätzlich das sog. Opportunitätsprinzip iSd § 3 Abs. 1 PolG NRW Anwendung. Gem. dieser Norm trifft die Polizei ihre Maßnahmen stets nach pflichtgemäßem Ermessen. Im Konkreten entscheidet die Polizei hierfür zunächst, ob sie in der vorliegenden Situation tätig wird (Entschließungsermessen) und wenn dies zu bejahen ist, welche Maßnahmen zur Abwehr der behandelten Gefahr zu wählen sind (Auswahlermessen).
Losgelöst von der Rechtmäßigkeit einer polizeilichen Maßnahme, verfolgt das Instrument des Entschließungsermessens den Zweck, das Einschreiten der Polizei als solches in Verhältnis zu der zugrunde liegenden Gefahr zu setzen. Es gilt zu prüfen, ob die Polizei überhaupt einschreiten muss und wenn ja, welche gefahrenabwehrenden Maßnahmen getroffen werden. Inwiefern den Polizeibeamten eben dieser Ermessensspielraum eröffnet wird, lässt sich anhand des Gesetzestextes feststellen, denn so enthalten die Ermächtigungen entweder das Wort „kann“, „darf“ oder „soll“. Diese Modalverben sind auf die rechtlichen Möglichkeiten der Polizei, Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu treffen und tätig zu werden, bezogen. So kann die Polizei bspw. die Identität einer Person zur Gefahrenabwehr feststellen, § 12 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW. Der Polizei wird dementsprechend das Entschließungsermessen eröffnet und über das Tätigwerden kann unter Einbeziehung der jeweiligen Umstände eigenständig entschieden werden. Handelte es sich hingegen um eine Gefahr für Leib, Leben oder bedeutende Sachwerte, d. h. die Bedeutsamkeit des gefährdeten Rechtsgutes ist als besonders hoch zu klassifizieren, so reduziert sich das Entschließungsermessen idR auf Null. Die Polizei muss tätig werden.
Kommen zur Abwehr einer Gefahr mehrere Mittel in Betracht, genügt es, wenn eines davon bestimmt wird. Der betroffenen Person ist auf Antrag zu gestatten, ein anderes ebenso wirksames Mittel anzuwenden, sofern die Allgemeinheit dadurch nicht stärker beeinträchtigt wird, § 3 Abs. 2 PolG NRW. Eine rechtliche Schranke findet insbesondere das Auswahlermessen in Art. 3 GG und dem normierten Grundsatz der Gleichheit, gleichwohl die Variabilität verschiedenster Einsatzlagen eine strikte Umsetzung des Grundsatzes erschwert.
Das polizeiliche Ermessen richtet sich nach der Norm des § 40 VwVfG NRW und impliziert folgende Ermessensfehler, welche zur Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme führen, § 114 VwGO:
Ist die Polizei zum Ermessen berechtigt, ist dieses zwingend vorzunehmen. Der einschreitende Polizeibeamte hat sich dementsprechend über die Umstände zu erkundigen und auf Grundlage dessen zu ermessen. Entfällt dies in Gänze, spricht man von einem sog. Ermessensnichtgebrauch.
Wird von dem Ermessen fälschlicherweise oder in einer nicht zugelassenen Art und Weise Gebrauch gemacht, liegt ein Ermessensfehlgebrauch vor. Dies ist bspw. immer dann der Fall, wenn ein Polizeibeamter nicht aus gefahrenabwehrenden, sondern persönlichen Gründen einschreitet.
Arten des Ermessensfehlgebrauchs
Unsachgemäße Erwägungen
Der anhängliche Eingriff erfolgt aufgrund von persönlichen Interessen oder Motiven, oder sonstigen Motiven, welche im konkreten Fall als nicht ausschlaggebend zu klassifizieren sind.
Begründungsmängel
Der Ermessensgebrauch lässt sich auf keine beweissicheren bzw. nachweisbaren Gründe zurückführen bzw. beruht auf augenscheinlich legendierten Gründen oder ist in sich widersprüchlich.
Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit iSd Art. 3 GG
Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte.
Analog zur Thematik der sog. Anscheinsgefahr, können Ermessensfehler aus dem Ex-ante-Blickwinkel dennoch eine rechtmäßige Maßnahme begründen.
Trifft der einschreitende Beamte eine Maßnahme, welche dem gewährten Ermessensspielraum nicht innewohnt, spricht man von einer sog. Ermessensüberschreitung.
Fallbeispiel:
Infolge eines festgestellten Gurtverstoßes (§ 21a Abs. 1, § 49 StVO; § 24 Abs. 1, 3 Nr. 5 StVG; 100 BKat) erhebt der Polizeibeamte A statt des Regelsatzes von 30,00 Euro ein Verwarngeld iHv 55,00 Euro. Die Voraussetzungen für eine Erhöhung (bspw. im Vorsatzfall) liegen jedoch nicht vor. Der Ermessensspielraum wird überschritten und die Maßnahme ist im Ergebnis als rechtswidrig einzustufen.
Zur Wahrung des Rechtsstaatsprinzips iSd Art. 20 Abs. 3 GG müssen polizeiliche Maßnahmen grundsätzlich verhältnismäßig im weiteren Sinne sein.
Eine Maßnahme ist dann geeignet, wenn sie zumindest teilweise den beabsichtigten Erfolg ermöglicht oder zu diesem beitragen kann. Ausschlaggebend ist hierbei die objektive Beurteilungssicht und nicht die subjektive Wahrnehmung der einschreitenden Polizeibeamten. Anzuerkennen ist insbesondere das, durch das Instrument der Geeignetheitsprüfung, postulierte Sachlichkeitsgebot und Willkürverbot. Einschreitenden Beamten wird hiermit eine ständige Reflexion der getroffenen oder angedachten Maßnahme unter den Gesichtspunkten der sachlichen Aufgabenerfüllung auferlegt. Dementsprechend gilt eine Maßnahme dann als ungeeignet, wenn sie nicht das in Rede stehende Ziel verfolgt oder dessen Erfolg nicht zumindest fördern kann.
Fallbeispiel:
An einem Samstagabend gegen 22:00 Uhr fällt der bereits polizeibekannte F im Bereich der Innenstadt von D-Stadt damit auf, dass er Passanten wiederholt beleidigt, lautstark anschreit oder den gebotenen Abstand diverse Male unterschreitet. Auf polizeiliche Ansprache hin gibt der F an, den gesamten Abend über Auseinandersetzungen mit Passanten provozieren und sich im Rahmen dessen prügeln zu wollen. Aufgrund dieser Einlassung verfügen die Polizeibeamten A und B einen Platzverweis gem. § 34 Abs. 1 S. 1 PolG NRW bis zum nächsten Morgen 06:00 Uhr für den gesamten Innenstadtbereich. Die gewählte Maßnahme ist geeignet, bevorstehende Rechtsverletzungen sowie Gefahren für die persönlichen Rechtsgüter unbeteiligter Passanten zu verhindern.
Eine Maßnahme gilt dann als erforderlich, wenn die Maßnahme zum einen dem gewünschten Ziel dienlich ist und gleichzeitig keine milderen, d. h. den Betroffenen in seinen Grundrechten weniger einschränkende, Maßnahmen ersichtlich sind, welche gleichermaßen zum Erfolg beitragen könnten, § 2 Abs. 1 PolG NRW. Unter dem Gesichtspunkt des angestrebten Maßnahmenerfolges ist die Maßnahme zu treffen, welche den Betroffenen bzw. auch die Allgemeinheit am wenigsten einschränkt.
Fallbeispiel (Fortsetzung):
Trotz mehrfacher Wiederholung des zuvor ausgesprochenen Platzverweises gem. § 34 Abs. 1 S. 1 PolG NRW kommt der F der Verfügung nicht nach und hält sich weiterhin im Bereich der Innenstadt auf. Wie zuvor angekündigt, kommt es nun auch zu ersten körperlichen Auseinandersetzungen mit bis dahin unbeteiligten Passanten. Die heraneilenden Polizeibeamten A und B nehmen den F bis zum darauffolgenden Morgen 06:00 Uhr in Gewahrsam, § 35 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW. Ein milderes Mittel wäre das Aussprechen eines Platzverweises. Jedoch konnte hiermit im Vorfeld das polizeiliche Ziel der Gefahrenabwehr nicht gewährleistet werden. Eine Gefährderansprache gem. § 8 Abs. 1 PolG NRW scheint ebenfalls nicht zum Erfolg beitragen zu können. Die Gewahrsamnahme gem. § 35 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW ist somit erforderlich.
Nachdem eine Maßnahme grundsätzlich als geeignet und erforderlich zum Erreichen eines polizeilichen Ziels eingeschätzt wird, gilt es, dieses Ziel und v. a. auch die gewählte Maßnahme in Verhältnis zu den Grundrechtseinschränkungen der betroffenen Person zu setzen. Es werden der staatliche Eingriffszweck und die Einschränkungen des Bürgers gegeneinander abgewogen, d. h. es wird eine sog. Güterabwägung vorgenommen. Hierbei gilt: Eine Maßnahme ist dann angemessen, wenn im Rahmen dieser Abwägung kein offenbares Missverhältnis ersichtlich ist.
Fallbeispiel (Fortsetzung):
Die Gewahrsamnahme des F bis zum nächsten Morgen 06:00 Uhr würde sicherstellen, dass der F keine unbeteiligten Passanten mehr beleidigen, stören oder sonstig provozieren kann. Des Weiteren könnten etwaige körperliche Auseinandersetzungen (§§ 223 ff. StGB), welche ggf. auch mit schweren Verletzungen der körperlichen Integrität enden könnten, nachhaltig verhindert werden. Die Einschränkung des Grundrechtes auf Freiheit der Person iSd Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ist auf einige Stunden begrenzt und endet um 06:00 Uhr. Der als mittelschwer zu klassifizierende Grundrechtseingriff misst sich mit den Individualrechtsgütern auf körperliche Unversehrtheit eines undefinierbaren Personenkreises (Allgemeinheit der Innenstadtbesucher) sowie der Unverletzlichkeit der materiellen Rechtsordnung (§§ 223 ff. StGB). Nach sorgfältiger Abwägung ist kein Missverhältnis ersichtlich und die Gewahrsamnahme angemessen.
Nachfolgend soll ein Leitfaden zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer beliebigen polizeilichen Maßnahme entstehen. Hierfür bedarf es zunächst einer Betrachtung der generellen Zuständigkeit, ehe formelle sowie materielle Prüfpunkte thematisiert und konkrete Ermächtigungsgrundlagen dargestellt werden.
Die Zuständigkeiten der Polizei in Bezug auf die jeweilige Aufgabenwahrnehmung erstreckt sich über die sog. sachliche Zuständigkeit, d. h. inwiefern die Polizei thematisch mit der in Rede stehenden Aufgabe betraut ist, und die örtliche Zuständigkeit, d. h. ob die einschreitenden Beamten bezogen auf die Einsatzörtlichkeit tätig werden dürfen.
Die sachliche Zuständigkeit bezüglich des Rechtsgebietes der Gefahrenabwehr ergibt sich grundsätzlich aus § 1 Polizeigesetz NRW (PolG NRW) iVm §§ 10, 11 Polizeiorganisationsgesetz (POG NRW). § 10 POG NRW überträgt den Kreispolizeibehörden (KPB) die allgemeine Zuständigkeit der in § 1 PolG NRW genannten Aufgaben und § 11 Abs. 1 Nr. 1 POG NRW die konkrete sachliche Zuständigkeit der Gefahrenabwehr.
Aus § 1 Abs. 1 PolG NRW ergeben sich die Handlungsfelder der Abwehr von Gefahren und des Schutzes privater Rechte. Letzteres findet im polizeilichen Alltag regelmäßig Anwendung, weswegen die Relevanz dieses Aufgabenbereiches nicht zu unterschätzen ist.
Die sachliche Zuständigkeit zur Abwehr von Gefahren ergibt sich grundsätzlich aus § 1 Abs. 1 S. 1, 2 PolG NRW. Hiernach hat die Polizei die Aufgabe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren und Straftaten präventiv zu verhüten.
Öffentliche Sicherheit und Ordnung
Öffentliche Sicherheit
Der Terminus der öffentlichen Sicherheit bezieht sich auf die Unversehrtheit der gesamten materiellen Rechtsordnung, von Rechten und Rechtsgütern des Einzelnen und von Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates.
Öffentliche Ordnung
Unter die öffentliche Ordnung fällt die Gesamtheit jener ungeschriebenen Regeln für das Verhalten der Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Gemeinschaftslebens betrachtet wird, VV 1.11 zu § 1 PolG NRW.
Des Weiteren übernimmt die Polizei nach § 1 Abs. 1 S. 1, 3 PolG NRW Aufgaben anderer gefahrenabwehrender Behörden (AOB), sollten diese nicht oder nicht rechtzeitig tätig werden können. Diese Aufgabenzuweisung ist im Kontext des Ordnungsbehördengesetzes (OBG) als sog. Subsidiaritätsklausel zu klassifizieren. Die primäre Zuständigkeit der eigens zur Aufgabenwahrnehmung bestimmten Ordnungsbehörde bleibt erhalten und die Polizei wird nur unter den o. g. Voraussetzungen des zeitlichen Aspekts tätig, VV 1.11 zu § 1 PolG NRW.
Beispielhaft aufzuführen wäre insbesondere die Ahndung von ruhestörendem Lärm (vgl. § 9 LImSchG) aber auch von Verstößen gegen die CoronaSchVO, jedoch nicht die Überwachung sowie Ahndung von Verstößen des fließenden Verkehrs.[6]
Unter der Begrifflichkeit der Gefahr versteht der Gesetzgeber grundsätzlich und wenn nicht näher konkretisiert die sog. abstrakte Gefahr. Diese liegt mitunter dann vor, wenn unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung ein beginnender oder fortgesetzter Geschehensablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in einem Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung münden könnte.[7] Das Vorliegen einer abstrakten Gefahr ermächtigt indes nicht zur Vornahme grundrechtsbeschränkender Maßnahmen. Hierzu bedarf es einer der folgenden und im Gesetzestext des PolG NRW immer wiederkehrenden Gefahrenbegriffe:
Gefahrenbegriffe
Konkrete Gefahr
Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn Tatsachen die Annahme eines zukünftigen schädigenden Ereignisses suggerieren. Es bedarf keiner exakten Bestimmung des Zeitpunktes des Schadenseintritts.[8] Es gilt die sog. je-desto-Formel: Je höherwertiger das gefährdete Rechtsgut, desto geringer sind die Anforderungen an die in Rede stehenden Tatsachen. Selbiges gilt auch umgekehrt.
Gegenwärtige Gefahr
Eine gegenwärtige Gefahr liegt vor, sobald das abzuwehrende Ereignis bereits Rechtsgüter schädigt oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in naher Zukunft in
einer Schädigung münden wird.[9] Es besteht eine zeitliche Dringlichkeit und v. a. polizeilicher Handlungszwang.
Gegenwärtige erhebliche Gefahr
Eine gegenwärtige erhebliche Gefahr stellt eine Intensivierung bzw. Konkretisierung der gegenwärtigen Gefahr dar. Gefährdet werden bedeutsame Rechtsgüter.
Dringende Gefahr
Eine dringende Gefahr erweitert die abstrakte Gefahr um die Voraussetzung, dass es sich um bedeutsame Rechtsgüter handelt. Eine dringende Gefahr suggeriert hierbei keine zeitliche Dringlichkeit und ist dahin gehend von der gegenwärtigen, aber auch der konkreten Gefahr negativ abzugrenzen.[10]
Drohende Gefahr
Eine drohende Gefahr liegt vor, wenn „im Einzelfall hinsichtlich einer Person bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Person innerhalb eines absehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierten Weise eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen wird“.[11]
Anscheinsgefahr
Eine Anscheinsgefahr liegt vor, wenn die wahrgenommenen Umstände sowohl einem Polizeibeamten aber auch einem neutralen Beobachter eine der o. g. Gefahrenarten suggerieren, diese jedoch im Nachgang und unter der Einbeziehung weiterer Informationen nicht mehr gehalten werden kann. Die auf zur Entscheidung vorliegenden Informationen gestützten Maßnahmen sind idR rechtmäßig. Entscheidend zur Beurteilung dessen ist die ex-ante-Sicht des einschreitenden Polizeibeamten.[12]
Putativgefahr
Analog zur Anscheinsgefahr werden im Zuge einer Putativgefahr erst mit fortlaufender Zeit Erkenntnisse bekannt, welche eine Gefahr als nicht gegeben erscheinen lassen. Der Unterschied zur Anscheinsgefahr liegt in dem Ergebnis eines objektiven Beobachters, welcher entgegen dem
einschreitenden Beamten zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt bereits das Fehlen einer Gefahr erkennt. Der Polizeibeamte erkennt objektiv falsche Tatsachen und konstruiert eine subjektive Gefahr. Auf eine Putativgefahr gestützte Maßnahmen sind idR rechtswidrig.[13]
Gefahrenverdacht
Liegen zwar Hinweise auf eine mögliche Gefahr vor, sind diese jedoch nicht hinreichend konkret genug oder können nicht überprüft werden, handelt es sich um einen sog. Gefahrenverdacht. Es können keine Einschätzungen hinsichtlich Relevanz und Wahrscheinlichkeit einer möglichen Gefahr vorgenommen werden. Ein gefahrenloser Ausgang der beobachteten Situation ist mithin auch möglich. Es bedarf weiterer Informationen zur abschließenden Beurteilung der Situation.[14]
Fallbeispiel:
Gegen 00:30 Uhr wird der Einsatzleitstelle der Polizei in D-Stadt eine verdächtige Person gemeldet, welche augenscheinlich mit einer Taschenlampe in geparkte Fahrzeuge leuchtet. Wenig später können die eingesetzten Polizeibeamten A und B die männliche Person J bei einer solchen Inaugenscheinnahme eines hochwertigen Fahrzeuges wahrnehmen und ansprechen. Infolge einer ausgiebigen Nachschau können die Beamten keinerlei aufgebrochene oder sonstig beschädigte Fahrzeuge feststellen; gleichwohl die Person in der Hosentasche einen Schraubendreher griffbereit mitführt. Für die eingesetzten Beamten ergibt sich somit die gegenwärtige Gefahr, die Person werde in naher Zukunft den Schraubendreher als Tatwerkzeug einsetzen und eines der hochwertigen Fahrzeuge aufbrechen. Diese Annahme bestätigend, kann insbesondere das zuvor beobachtete Hineinschauen in die Fahrzeuge sowie das Mitführen entsprechenden Aufbruchswerkzeuges herangezogen werden. Somit ergibt sich die sachliche Zuständigkeit zur Abwehr dieser Gefahr für die materiellen Rechtsgüter des Fahrzeughalters, aber auch der materiellen Rechtsordnung iSd § 1 Abs. 1 S. 1, 2 PolG NRW. Zur Abwehr dieser Gefahr stellen die Beamten schließlich die Identität des J fest (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW), stellen den Schraubendreher sicher (vgl. § 43 Nr. 1 PolG NRW) und verfügen einen Platzverweis für den Parkplatz (§ 34 Abs. 1 S. 1 PolG NRW).
Die sachliche Zuständigkeit zum Schutz privater Rechte ergibt sich aus § 1 Abs. 2 PolG NRW iVm §§ 10, 11 POG NRW. Gem. § 1 Abs. 2 PolG NRW obliegt der Polizei der Schutz privatrechtlicher Ansprüche nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde. Grundsätzlich ist der in Rede stehende Schutz Aufgabe der jeweils zuständigen Zivilgerichte iSd § 13 GVG. Sind diese nicht zu erreichen und besteht die Gefahr der Vereitelung der Geltendmachung des Rechtsanspruches so übernimmt die Polizei eine subsidiäre Zuständigkeit.
Zur Bestimmung des zivilrechtlichen Anspruches bedarf es folgender Prüfung:
Tatbestand und Voraussetzungen
–Prüfung eines glaubhaften Anspruches;–Zivilrechtliche Hilfe ist nicht oder nicht rechtzeitig erreichbar;–Ohne das Tätigwerden der Polizei wird die Geltendmachung des Anspruches zumindest erschwert.[15]In aller Regel sollte ein Austausch der Personalien dem Rechtsanspruch insofern genügen, als dass die Gefahr der Vereitelung zumindest vorerst verhindert ist. In Ausnahmefällen, insbesondere in Situationen, in denen eine Person entgegen offenen zivilrechtlichen Forderungen in der Absicht diese nicht zu begleichen, die BRD verlässt, kann ggf. der sog. Zivilrechtsgewahrsam (vgl. § 35 Abs. 1 Nr. 5 PolG NRW) erforderlich erscheinen. Eine derartige Maßnahme ist idR jedoch abzulehnen. Eine polizeiliche Sicherstellung (bspw. von Bargeld oder Wertpapieren) zum Zwecke des Schutzes privater Rechte scheidet aufgrund des Wortlautes des § 43 Nr. 2 PolG NRW (Sicherstellung) aus. Zulässig ist hierbei lediglich die Sicherstellung, um den Eigentümer vor Verlust oder Beschädigung zu wahren – nicht aber zur Wahrung eines zivilrechtlichen Anspruches.
Fallbeispiel:
Der unvorsichtige K trägt an einem Samstagabend eine Getränkekiste aus dem Supermarkt in Richtung seines Fahrzeuges, als ihn die Kraft verlässt und einige Flaschen zu Boden fallen. Eine dieser Flaschen trifft hierbei das geparkte Fahrzeug des I, sodass ein Schaden entsteht. I bemerkt dies, weist den K auf den entstanden Sachschaden hin und erbittet eine Entschädigung, doch dieser streitet jedwede Schuld ab und möchte sich entfernen. Aufgrund des Wochenendes kann der I keinen gerichtlichen Schutz erwarten und ersucht die Polizei zur Wahrung seiner zivilrechtlichen Ansprüche. Die Polizeibeamten A und B erkennen den Anspruch des I und stellen daraufhin die Personalien des K fest. Die Personaldaten werden schließlich dem I ausgehändigt, sodass dieser im Nachgang seinen Anspruch vor einem Zivilgericht geltend machen kann. In Betracht kommen hierbei die Normen der §§ 12 PolG NRW, 27 Abs. 3 PolG NRW.
Ergänzend zur sachlichen Zuständigkeit ergibt sich die jeweilige örtliche Zuständigkeit aus § 7 Abs. 1 POG NRW. Demnach obliegt die Zuständigkeit der Kreispolizeibehörde, in deren Bezirk die polizeilich zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden. Ausnahmen sowie Konkretisierungen dieser Regelung ergeben sich aus den jeweiligen Absätzen des § 7 POG NRW:
Örtliche Zuständigkeiten gem. § 7 POG NRW
§ 7 Abs. 1 POG NRW
Örtlich zuständig sind die Polizeibehörden, in deren Polizeibezirk die polizeilich zu schützenden Interessen verletzt oder gefährdet werden. Daneben sind sie örtlich zuständig, wenn in ihrem Polizeibezirk Maßnahmen zum Schutz polizeilicher Interessen erforderlich sind, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes verletzt oder gefährdet werden, sofern die zuständigen Stellen diese selbst nicht hinreichend schützen können.
§ 7 Abs. 2 POG NRW
Die Polizeibehörden können durch ihre Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten auch außerhalb ihres Polizeibezirks tätig werden
1.zur Erforschung und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten,2.zur Erfüllung polizeilicher Aufgaben bei Gefangenentransporten,3.zur Erfüllung anderer polizeilicher Aufgaben, wenn einheitliche Maßnahmen erforderlich sind oder die nach Absatz 1 zuständige Polizeibehörde die erforderlichen Maßnahmen nicht rechtzeitig treffen kann.§ 7 Abs. 3 POG NRW
Jede Polizeivollzugsbeamtin und jeder Polizeivollzugsbeamte darf Amtshandlungen im ganzen Land Nordrhein-Westfalen vornehmen, wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr, zur Erforschung und Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten auf frischer Tat sowie zur Verfolgung und Wiederergreifung Entwichener erforderlich ist.
§ 7 Abs. 4 POG NRW
In den Fällen der Absätze 2 und 3 ist die zuständige Polizeibehörde unverzüglich zu unterrichten.
§ 7 Abs. 5 POG NRW
Das für Inneres zuständige Ministerium, das Landeskriminalamt und das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste können einer Kreispolizeibehörde zeitlich befristet Aufgaben im Bezirk anderer Kreispolizeibehörden übertragen, insbesondere, wenn einheitliche polizeiliche Maßnahmen erforderlich werden.
Unter die Betitelung des Adressaten fällt im Polizeirecht immer diejenige Person, gegen die Polizeibeamte einschreiten. Die Adressatenregelung der im PolG NRW geregelten Eingriffsnormen ergibt sich aus den §§ 4–6 PolG NRW. Demnach sind folgende Konstellationen festzustellen:
Erzeugt eine Person die abzuwehrende Gefahr, so sind Maßnahmen gegen diese Person zu richten, § 4 Abs. 1 PolG NRW. Ist die gefahrenauslösende Person noch nicht 14 Jahre alt oder steht diese unter einem gesetzlich bestimmten Vormund, können Maßnahmen auch gegen diesen Vormund bzw. die Erziehungsberechtigten getroffen werden, § 4 Abs. 2 PolG NRW. Selbiges gilt analog für sog. Verrichtungsgehilfen, welche lediglich im Auftrag einer anderen Person handeln. Maßnahmen nach dem PolG NRW können sich sodann gegen die beauftragende Person richten, § 4 Abs. 3 PolG NRW.
Geht die Gefahr hingegen von einer Sache oder einem Tier aus, sind die Maßnahmen gegen den Zustandsverantwortlichen, d. h. gegen den Inhaber der tatsächlichen Gewalt zu richten, § 5 Abs. 1 PolG NRW. Ebenso verhält es sich im Falle einer Besitzaufgabe. Die Aufgabe entbindet nicht von der Zustandsverantwortung[16], sodass auch weiterhin Maßnahmen gegen den nunmehr ehemaligen Eigentümer getroffen werden können, § 5 Abs. 3 PolG NRW. So bspw. die Sicherstellung eines im öffentlichen Verkehrsraum abgestellten, jedoch abgemeldeten Fahrzeuges.
Zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr, welche durch die Polizei nicht oder nicht rechtzeitig selbst abgewehrt werden kann, können nichtverantwortliche Personen in Anspruch genommen werden. Erhebliche Gefährdungen für die nichtverantwortlichen Personen sowie Verletzungen höherwertiger Verpflichtungen dürfen hierbei nicht entstehen. Die Inanspruchnahme kommt nur dann in Betracht, wenn Maßnahmen gegen Personen nach den §§ 4–5 PolG NRW entweder nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen, § 6 Abs. 1 PolG NRW. Es handelt sich hierbei um Fälle des polizeilichen Notstandes. Inanspruchnahmen dieser Art dürfen nur so lange erfolgen, bis die Polizei die anhängliche Gefahr selbst oder durch Beauftragte abwehren kann, § 6 Abs. 2 PolG NRW. Bspw. wäre das Errichten einer stationären Sperre mittels eines Gelenkbusses zu nennen, um die Innenstadt vor einem herannahenden und in Tötungsabsicht auf die Menschen zu rasenden Lkw.
Wird die Polizei auf dem Rechtsgebiet der Gefahrenabwehr tätig, werden idR Verwaltungsakte erlassen, d. h. Verfügungen ausgesprochen, welche auf ein Dulden, Tun oder Unterlassen ausgerichtet sind.[17] Bei der Vornahme eines Verwaltungsakts bedarf es grundsätzlich der Berücksichtigung der im Folgenden erklärten allgemeinen Form- und Verfahrensvorschriften. Negativ abgegrenzt liegt ein Verwaltungsakt dann nicht vor, wenn die Polizei schlicht-hoheitlich handelt und eben diese Handlungen keine Eingriffscharakteristik zum Nachteil eines Betroffenen darstellt. Dies ist bspw. dann der Fall, wenn die Polizei anlasslos das Stadtgebiet bestreift. Dasselbe gilt in der Konstellation eines sog. faktischen Rechtseingriffs.[18] Ein derartiger Rechtseingriff liegt vor, wenn gegenüber dem Betroffenen, etwa aufgrund einer anhaltenden Bewusstlosigkeit oder auch bei fehlendem Kontakt, gar kein Verwaltungsakt formuliert werden kann. Nachfolgend sollen jedoch ausschließlich die Thematik des Verwaltungsaktes iSd § 35 VwVfG NRW behandelt werden.
Im Vorfeld des Erlassens eines Verwaltungsaktes sind die betroffenen Personen anzuhören, § 28 Abs. 1 VwVfG NRW. Diese Anhörung soll dabei maßgeblich in die polizeiliche Maßnahmenauswahl einfließen und entsprechend berücksichtigt werden.
Der erlassene Verwaltungsakt muss inhaltlich hinreichend bestimmt sein, § 37 Abs. 1 VwVfG NRW. In der polizeilichen Praxis bedeutet dies, das geforderte Tun, Dulden oder Unterlassen muss genau erläutert bzw. eingegrenzt werden. So muss im Zusammenhang der Verweisung eines Ortes (vgl. § 34 PolG NRW) die Begrifflichkeit des Ortes exakt bestimmt werden. Hier können bspw. Straßennamen, Stadtgebiete oder auch ausgewiesene Zonen (bspw. Innenstadt) herangezogen werden.
Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden, § 37 Abs. 2 VwVfG NRW. Für die polizeiliche Praxis besonders relevant sind v. a. die mündliche sowie die schriftliche Art des Erlassens. Die Niederschrift der Verfügung kommt insbesondere im Zusammenhang der Wohnungsverweisung sowie des Rückkehrverbotes (vgl. § 34a PolG NRW) regelmäßig zur Anwendung.
Ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen, § 39 Abs. 1 S. 1 VwVfG NRW.
Der Verwaltungsakt ist der betroffenen Person bekannt zu geben, d. h. zu eröffnen, § 41 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG NRW.
Nachfolgend sollen ausgewählte Befugnisse des PolG NRW aufbereitet und erläutert werden. Die Auswahl stellt die gängigsten Maßnahmen zusammen:
Tatbestand und Voraussetzungen
–Eine im Einzelfall vorliegende konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung;–Fehlen besonderer Befugnisnormen innerhalb der §§ 9–46 PolG NRW und anderer Rechtsvorschriften.Rechtsfolge
–Treffen notwendiger (d. h. erforderlicher) Maßnahmen.Sonstiges
–
Das Tatbestandsmerkmal der konkreten Gefahr ebenfalls erfüllend ist die sog. Anscheinsgefahr, VV 8.11 zu § 8 PolG NRW.
–
Schlicht-hoheitliches Handeln begründet keinen Eingriffscharakter und findet dementsprechend keine Rechtfertigung in der Ermächtigung aus § 8 Abs. 1 PolG NRW.
[19]
–
Grundsätzlich gilt:
Wird die angedachte Maßnahme in einem Gesetz abschließend geregelt, scheidet ein Rückgriff auf die Generalklausel der Gefahrenabwehr aus.
Fallbeispiel:
Die Beamten A und B erhalten an einem Montagmorgen um 03:15 Uhr den Einsatzauftrag zu einem Einbruch zu fahren. Am Objekt eingetroffen, können A und B den Tatverdächtigen T unmittelbar vor dem angegriffenen Ladenlokal feststellen. Dieser hält einen undefinierbaren Gegenstand in den Händen, welcher nach Auffassung der Beamten auch als Angriffswerkzeug gegen sie eingesetzt werden kann. Mit den Worten „Legen Sie den Gegenstand nieder!“ fordert A den T dazu auf, eben diesen Gegenständen auf den Boden zu legen. Diese ausgesprochene Verfügung verfolgt das Ziel, einen möglicherweise bevorstehenden Angriff gegen die körperliche Integrität der eingesetzten Beamten abzuwehren. Mithin ist eine Verfügung dieser Art weder in den §§ 9 ff. PolG NRW noch spezialgesetzlich geregelt. Es verbleibt ein Rückgriff auf die Generalklausel der Gefahrenabwehr.
Weitere Anwendungszusammenhänge:
–
Das Beobachten aktueller Entwicklungen im Bereich des Internets und bspw. darauf aufbauende Anpassung der polizeilichen Strategie o. Ä.,
–
Überwachung des Straßenverkehrs zu Hauptverkehrszeiten,
–
Erteilung von Meldeauflagen,
–
Durchführung von Gefährderansprachen.
[20]
Tatbestand und Voraussetzungen
–Erforderlichkeit zur Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe.–Keine Regelung in den §§ 9–46 PolG NRW bzw. spezialgesetzliche Regelung.Rechtsfolge
–Erhebung personenbezogener Daten, § 9 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW.D. h. das Beschaffen von Daten über die betroffene Person, § 3 Abs. 2 Nr. 1 DSG NRW.Tatbestand und Voraussetzungen
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass–die betroffene Person sachdienliche Angaben machen kann,–die für die Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe–erforderlich sind.Rechtsfolge
§ 9 Abs. 2 PolG NRW
–Anhalten der Person;–Befragung der Person.§ 9 Abs. 3 PolG NRW
–Person ist verpflichtet Personalien anzugeben;–Person ist verpflichtet Auskunft zu erteilen, wenn gesetzliche Offenbarungspflichten bestehen.Besondere Form- und Verfahrensvorschriften
–
Grundsatz der Unmittelbarkeit – § 9 Abs. 4 PolG NRW
Gem. § 9 Abs. 4 PolG NRW gilt im Rahmen der polizeilichen Befragung der Unmittelbarkeitscharakter. Dementsprechend ist eben die Person zu befragen, deren Daten erhoben werden sollen. Von diesem Unmittelbarkeitsgedanken kann abgewichen werden, wenn die Person nicht erreichbar oder die Wahrung dieses Grundsatzes nur unter der Hinnahme erheblicher und ermittlungsbehindernder Umstände möglich wäre.
–
Grundsatz der Offenheit – § 9 Abs. 5 PolG NRW
Die Art der behandelten Datenerhebung darf iSd § 9 Abs. 5 PolG NRW nur offen erfolgen. Die betroffene Person muss somit über die entsprechende Datenerhebung in Kenntnis gesetzt und informiert werden. Eine Ausnahme hiervon kann erfolgen, wenn die Polizei gesetzlich dazu ermächtigt ist, eine verdeckte Datenerhebung durchzuführen. Beispiele hierfür ergeben sich u. a. aus der Norm des § 16a PolG NRW (Observation zur Datenerhebung).
–
Grundsatz der Aufklärungspflicht – § 9 Abs. 6 PolG NRW
Zu Beginn der Datenerhebung ist der Betroffene über den Grund der Maßnahme und das beabsichtigte Ziel zu informieren. Weiterhin ist der Betroffene über die Freiwilligkeit der Datenangabe zu belehren – sofern keine Auskunftspflicht im Sinne des Abs. 3 besteht. Eine Auskunftspflicht besteht nach Ansicht des Gesetzgebers dann, wenn ebenfalls eine Offenbarungspflicht des Einzelnen gegenüber dem Staat besteht. Dies ist bspw. im Zusammenhang mit der Nichtanzeige geplanter Straftaten gem. § 138 StGB gegeben, VV 9.22 zu § 9 PolG NRW. Eine Unterrichtung über die o. g. Umstände kann unterbleiben, wenn
–
äußere Umstände eine solche Handlung als unangemessen erachten lassen, oder
–
die Datenerhebung ohne zeitlichen Verzug durchgeführt werden muss; d. h. die Abwehr der ursprünglichen Gefahr eine zeitliche Dringlichkeit darstellt (Gefahr im Verzug), VV 9.6 zu § 9 PolG NRW.
–
Grundsatz der Zweckbindung – § 9 Abs. 7 PolG NRW
Gem. § 9 Abs. 7 PolG NRW dürfen erhobene Daten ausschließlich zur Bewältigung und Bearbeitung der anhänglichen polizeilichen Aufgabe gebraucht werden.
[21]
Ein anschließender Transfer oder auch die Zugänglichmachung zum Zwecke anderer Tätigkeiten widerspricht dieser Form- und Verfahrensvorschrift.
Fallbeispiel:
Am Nachmittag ereignet sich in D-Stadt ein Raubüberfall zum Nachteil eines Kosmetikgeschäftes. Das Geschäft befindet sich auf der viel belebten N-Straße. Die Polizeibeamten A und B sprechen in umliegenden Cafés einige Besucher an, um weitere Zeugen ermitteln zu können. Im Rahmen dessen können weitere Informationen gewonnen werden. Die getroffene Maßnahme entspricht vollends der zugelassenen Rechtsfolge des § 9 PolG NRW. Als besondere Form- und Verfahrensvorschrift ist hierbei insbesondere auf die Aufklärungspflicht hinzuweisen. Eine Auskunftspflicht seitens der befragten Personen besteht nicht.
Ferner ist die oftmals fließende Grenze zwischen informatorischer Befragung iSd § 9 PolG NRW und einer strafprozessualen Zeugenvernehmung iSd § 163 Abs. 3 StPO zu beachten. Ggf. ist im Laufe des Gesprächs die informatorische Befragung seitens der Polizeibeamten abzubrechen und eine zeugenschaftliche Vernehmung durchzuführen. Hierbei sind die entsprechenden Bestimmungen der §§ 163 Abs. 3, 52 ff. StPO (u. a. Belehrungspflichten) zu beachten.
Tatbestand und Voraussetzungen
§ 10 Abs. 1 Nr. 1 PolG NRW
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass–die betroffene Person sachdienliche Angaben machen kann,–die für die Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe–erforderlich sind.§ 10 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW
–Erforderlich zur–Durchführung einer erkennungsdienstlichen Behandlung iSd § 14 PolG NRW.Rechtsfolge
–Schriftliche oder auch mündliche Aufforderung, die angegebene Polizeidienststelle zum Zwecke der Maßnahme aufzusuchen.Besondere Form- und Verfahrensvorschriften
–
Angabe eines Grundes – § 10 Abs. 2 PolG NRW
Sowohl die schriftliche als auch eine mündliche Vorladung sollen den Grund der Maßnahme enthalten. Die Lebensverhältnisse des Betroffenen bedürfen der Berücksichtigung.
Sonstiges
–
Kommt der Betroffene der Vorladung ohne Angabe eines hinreichenden Grundes nicht nach, kann die Vorladung (
Vorführung
) gem. § 10 Abs. 3 S. 1 PolG NRW zwangsweise durchgesetzt werden,
–
wenn die Angaben zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich sind, oder
–
eine erkennungsdienstliche Maßnahme durchgeführt werden soll.
Die Anordnungskompetenz obliegt dem Gericht, außer in Fällen von
Gefahr im Verzug
, § 10 Abs. 3 S. 2 PolG NRW.
Als Zwangsmittel kommt neben der Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes insbesondere der unmittelbare Zwang in Betracht.
–
Außer in den Fällen des § 9 Abs. 3 PolG NRW (
Auskunftspflicht
) besteht grundsätzlich keine Pflicht zur Aussage bei der Polizei.
–
§ 136a StPO (
verbotene Vernehmungsmethoden
) gilt entsprechend, § 10 Abs. 4 PolG NRW. Der Einsatz unmittelbaren Zwangs zur Abgabe einer Erklärung ist ausgeschlossen.
Tatbestand und Voraussetzungen
–Datenerhebung ist erforderlich für–Vorbereitung für die Hilfeleistung und/oder–Handeln in Gefahrenfällen.–Datenerhebung über:–Personen, deren Kenntnisse oder Fähigkeiten zur Gefahrenabwehr benötigt werden,–Verantwortliche für Anlagen oder Einrichtungen, von denen eine erhebliche Gefahr ausgehen kann,–Verantwortliche für gefährdete Anlagen oder Einrichtungen.Rechtsfolge
–Erheben von Personaldaten;–Erheben von anderen Daten über die Erreichbarkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten PersonengruppeBesondere Form- und Verfahrensvorschriften
Es existieren keine besonderen Form- und Verfahrensvorschriften.
Sonstiges
–
§ 11 PolG NRW ist Spezialvorschrift für Identitätsfeststellungen in besonderen Fällen.
–
Auf freiwillige Mitarbeit und damit auf Einverständnis der betroffenen Person ist hinzuwirken (Prinzip der Freiwilligkeit).
–
§ 11 PolG NRW begründet keine Auskunftspflicht der betroffenen Personen; Daten können ggf. auch ohne Einwilligung erhoben werden.
Tatbestand und Voraussetzungen