Stumme Zeugen - Roland Zingerle - E-Book

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Roland Zingerle

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Beschreibung

Chefinspektor Leopold Ogris ermittelt im wohl größten und grausigsten Kriminalfall, den die Stadt Klagenfurt je gesehen hat: Nachdem bei einer Exhumierung ein zusätzliches menschliches Bein im Sarg entdeckt wurde, leitet der Chefinspektor weitere Exhumierungen in die Wege, da er annimmt, ein Mörder wolle auf diese Weise sein Opfer verschwinden lassen. Dabei werden tatsächlich weitere zusätzliche Leichenteile gefunden – allerdings von mehr als nur einem Toten! Um den Fall schneller als die Polizei aufzuklären, arbeitet Hubert Pogatschnig mit der Journalistin Barbara Stromberger zusammen. Gemeinsam suchen sie im neu errichteten Klinikum der Stadt nach Spuren und geraten dabei in einen Strudel von Ereignissen, die immer schlimmer und noch schlimmer werden. Zur Serie: Über die Einhaltung von Gesetzen wacht die Polizei – aber nicht nur! In Klagenfurt am Wörthersee haben sich Hubert Pogatschnig (zunächst Großhandelsvertreter, später Bierführer) und Ludwig Melischnig (Bierführer-Assistent) die Aufklärung von Kapitalverbrechen zur Aufgabe gemacht. Dabei besteht der besondere Reiz für die beiden darin, schneller zu ermitteln als die Polizei. Von den Medien als "Zwei für die Gerechtigkeit" gefeiert und von der Kripo unter dem Kommando von Leopold Ogris als "Deppen-Duo" verachtet, machen sich die beiden Hobby-Detektive die Vorteile des Tratsches zunutze: Sie suchen dort nach Hinweisen, wo Informationen ausgetauscht werden, nämlich in Gaststätten oder Gewerbebetrieben, Vereinen oder Nachbarschaften, beim täglichen Herumkommen oder auf gelegentlichen Extratouren an Originalschauplätzen in und um Klagenfurt.

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Roland Zingerle

Stumme Zeugen

Klagenfurter Kneipen-Krimi Nr. 17

 

 

 

 

 

Prolog

 

Gesetz und Verbrechen unterliegen dem Henne-Ei-Prinzip. Zwar scheint das Verbrechen älter zu sein, da Gesetze ansonsten nicht nötig geworden wären, doch hätte man schwerlich je ein Verbrechen erkannt, wäre damit nicht irgendein Gesetz gebrochen worden.

Gesetze regeln das menschliche Zusammenleben und über ihre Einhaltung wacht die Polizei. Aber nicht nur: In Klagenfurt haben sich der Bierführer Hubert Pogatschnig und sein Assistent Ludwig Melischnig die Aufklärung von Kapitalverbrechen zur Aufgabe gemacht. Dabei besteht der besondere Reiz für die beiden darin, schneller zu ermitteln als die Polizei. Von den Medien als „Zwei für die Gerechtigkeit“ gefeiert und von der Polizei unter dem Kommando von Chefinspektor Leopold Ogris als „Deppen-Duo“ verachtet, machen sich die beiden Hobby-Detektive die Vorteile des Tratsches zunutze: Sie suchen dort nach Hinweisen, wo Informationen ausgetauscht werden, nämlich in den Gaststätten in und um Klagenfurt…

Sonntag, 11.30 Uhr, Zentralfriedhof, Klagenfurt-Annabichl.

 

Chefinspektor Leopold Ogris’ Füße schlurften über den Kies des Klagenfurter Zentralfriedhofes. Er hob seine schweren Lider und blickte über das völlig zerwühlte Gräberfeld vor sich. Da wurde ihm mit einem Mal bewusst, dass er am vermutlich grauenhaftesten Kriminalfall arbeitete, den diese Stadt je erlebt hatte!

 

Angefangen hatte alles vor knapp einer Woche. Die Leiche eines alten Mannes hatte ein halbes Jahr nach seiner Beisetzung nochmals untersucht werden müssen, nachdem sich der Erbschaftsstreit seiner Verwandten zu gegenseitigen Mordbezichtigungen hochgeschaukelt hatte. Die Exhumierung bestätigte die ursprünglich diagnostizierte natürliche Todesursache, brachte aber eine Lawine ins Rollen, die in ihrem Ausmaß nach wie vor zunahm. Denn in dem Sarg des alten Mannes war ein Müllsack gefunden worden, der ein menschliches Bein enthielt.

Chefinspektor Ogris hatte seine Ermittlungen bei den Verwandten des alten Mannes begonnen, doch hier konnte sich niemand erklären, wie das Bein in den Sarg gekommen war. Auch im Bestattungsunternehmen, das die Beisetzung organisiert hatte, war man ratlos. Für Ogris stand fest, dass hier jemand den Versuch unternommen hatte, ein Verbrechensopfer zu beseitigen und sich zu diesem Zweck Zugang entweder zu den Räumlichkeiten des Bestattungsunternehmens oder zur Aufbahrungshalle verschafft hatte. Jedenfalls ging der Chefinspektor davon aus, dass die restlichen Teile der Leiche in anderen Särgen lagen und ließ weitere Gräber öffnen, die in zeitlicher Nähe zum ersten angelegt worden waren.

Schon im nächsten Sarg fand sich neben der eigentlichen Leiche wieder ein Müllsack, der zwei Arme enthielt. Doch die forensische Untersuchung ergab, dass diese einem anderen Menschen gehört hatten als das Bein aus dem ersten Sarg! Ogris wurde schnell klar, dass er einem Serienverbrechen auf der Spur sein musste. Er ließ also Exhumierungen im großen Stile vornehmen, die er auch auf ältere und jüngere Gräber ausweitete. Das Ausmaß des Verbrechens wurde immer erschreckender: In neun von zehn Gräbern lagen in Säcke verpackte Körperteile.

 

Auf Chefinspektor Leopold Ogris wirkte der Klagenfurter Zentralfriedhof heute wie eine Baustelle. Der Begriff „Gottesacker“ kam ihm in den Sinn; ja, das passte! Ebenso wie der Name des zuständigen Polizeiarztes Doktor Grabner, der sich gerade über einen offenen, noch recht gut erhaltenen Sarg beugte. Ogris fragte ihn nach dem aktuellen Stand der Dinge und der Doktor berichtete:

„Bisher haben wir Teile von fünf verschiedenen Leichen gefunden, aufgeteilt auf dreiundzwanzig Särge.“

Der Chefinspektor wandte seinen Blick ab.

„Dreiundzwanzig!“, murmelte er.

„Herr Chefinspektor“, dem Polizeiarzt war anzuhören, dass ihn diese Frage schon längere Zeit beschäftigte, „haben Sie eine Vermutung, warum der Täter die Leichen auf so viele verschiedene Gräber aufgeteilt hat?“

„Ich gehe davon aus“, seufzte Ogris, „dass er so die Aufdeckung seiner Tat verschleiern wollte. Hätte er eine ganze Leiche zu einer anderen in den Sarg gepackt, wäre den Trägern das große Gewicht aufgefallen. Aber wenn er um nur zehn oder fünfzehn Kilo schwerer ist, erregt das kein Misstrauen.“

„Schlau durchdacht“, gestand der Mediziner.

„Welche Gemeinsamkeiten konnten Sie feststellen?“, fragte der Chefinspektor und Doktor Grabner begann:

„Die Leichenteile befinden sich ausnahmslos in derselben Art Müllsack. Dieser wurde jeweils im Futteral des Sarges so versteckt, dass es nicht gleich ins Auge springt, wenn man den Deckel öffnet. Aber das wirklich bemerkenswerte sind die Köpfe.“

Chefinspektor Ogris horchte auf.

„Köpfe? Was für Köpfe?“

„Wir haben bisher zwei Köpfe gefunden. Meine Untersuchung hat ergeben, dass diese mit einem einzigen, glatten Schnitt vom Rumpf getrennt wurden, während die übrigen Körperteile wohl mit einer Säge separiert wurden.“

Der Polizeiarzt machte auf Ogris den Eindruck, seine Arbeit hier auf eine perverse Weise aufregend zu finden!

„Was ist daran besonders?“, fragte Ogris mit giftigem Unterton. Ob Körperteile abgeschnitten oder -gesägt wurden, war ihm einerlei. Vor allem hatte er nicht die Geduld für dieses Jetzt-sagen-Sie-schon-endlich-ich-soll-weitererzählen-Spielchen des Forensikers.

„Besonders daran ist“, erwiderte dieser mit einem triumphierenden Lächeln, „dass ich dadurch imstande bin, die Todesursache zumindest dieser beiden Opfer festzustellen: Sie wurden enthauptet.“

„Enthauptet?“, fragte der Chefinspektor tonlos zurück. „Wie?“

„Besonders auffällig sind die sauberen Schnittstellen“, erklärte Doktor Grabner. „Enthauptungen sind keine einfache Sache, da kommt es für gewöhnlich zu Geweberissen. Außerdem ist kaum ein Schneidewerkzeug in der Lage, diese Arbeit in einem Streich zu erledigen, weshalb Täter bei vergleichbaren Morden mehrere Hiebe brauchten, um den Kopf vom Rumpf zu trennen. Hier ist das anders: ein einziger glatter Schnitt, keine Ausfransungen, nichts.“

Chefinspektor Leopold Ogris atmete tief durch und meinte:

„Wir müssen also davon ausgehen, dass wir es mit Tätern zu tun haben, die immer nach demselben Muster vorgehen.“

„Unbedingt“, stimmte Grabner zu.

„Wie alt sind die Leichenteile jeweils?“, wollte der Chefinspektor nun wissen und der Mediziner antwortete:

„Den Sterbedaten auf den Grabsteinen zufolge zwischen einer Woche und sieben Monaten. Verlässlichere Zeitangaben kann ich Ihnen nach der Obduktion liefern. Übrigens: Ich brauche Blutproben von den Verwandten aller Personen, die in den vergangenen zwölf Monaten als vermisst gemeldet wurden. Vielleicht kann ich mittels DNA-Vergleich die Identität der einen oder anderen Leiche feststellen.“

„Ist in Ordnung“, nickte Ogris.

 

Als sich Doktor Grabner verabschiedete und wieder seiner Arbeit zuwandte, blieb der Chefinspektor in Gedanken versunken zurück. Fünf Mordopfer – und er musste wohl davon ausgehen, dass weitere gefunden würden. Das war mehr, als er momentan bewältigen konnte.

Seit seine ehemalige Stellvertreterin Christiane Schulz weggegangen war (Siehe: Klagenfurter Kneipen-Krimi Nr. 16: „Cape Wörth“.), hatte er keinen Assistenten mehr; die gesamte Arbeit blieb an ihm hängen. Zwar würde morgen endlich seine neue Stellvertreterin ihren Dienst antreten, doch erfüllte ihn dieser Umstand nicht mit Freude. Freilich, sie war ausgebildete Polizistin und ihre Dienstakte einwandfrei – aber sie war die Nichte von Landesrat Martin List.

List hatte sie Ogris vor die Nase gesetzt und zwar über den Umweg von Christiane Schulz. Diese war seit nunmehr drei Monaten die Geliebte des Landesrates und dank seiner politischen Kontakte ins Innenministerium mittlerweile auch die rechte Hand von Ogris’ direktem Vorgesetzten, dem Leiter der Sicherheits- und Kriminalpolizeilichen Abteilung der Bundespolizeidirektion Klagenfurt. Damit war Chefinspektor Leopold Ogris ihrer Willkür ausgeliefert und Christiane Schulz machte keinen Hehl daraus, dass seine neue Stellvertreterin auch seine Arbeitsweise beobachten werde.

Ogris würde also künftig eine Spionin im Büro haben. Keine rosigen Aussichten!

Sonntag, 16.45 Uhr, Café in der Klagenfurter Innenstadt.

 

Hubert Pogatschnig war um 17 Uhr mit einer jungen Frau in einem Café in der Klagenfurter Innenstadt verabredet, hatte sich aber davor schon mit seinem Kollegen und Freund Ludwig Melischnig hier getroffen. Seit Christiane Schulz ihn verlassen hatte, hatte Pogatschnig wieder mehr Zeit für Melischnig, was diesem sehr recht war, zumal seine Beziehung zu Bettina, der Tochter von Chefinspektor Ogris, derzeit auf Eis zu liegen schien. Was genau dahinter steckte, konnte niemand so genau sagen, nicht einmal Melischnig, denn selbst er durchschaute seine seltsame Beziehung nicht ganz.

Melischnig wollte natürlich wissen, wer Pogatschnigs neue Flamme sei und dieser ließ sich nicht lange um eine Erzählung bitten:

„Ich habe die Martina auf Feschbook kennengelernt.“

„Wo?“, fragte Melischnig.

„Auf Feschbook“, erklärte Pogatschnig. „Das ist so eine Freundschafts-Plattform im Internet. Speziell für Kärnten.“

„Feschbuk, aha!“ Melischnig tat, als wüsste er, was das Internet ist. Pogatschnig glaubte ihm.

„Wir haben hin und her gepostet und weil wir uns sympathisch sind, haben wir dieses Treffen heute ausgemacht“, erzählte er eifrig.

 

Martina kam nicht – sie erschien! Ihr flippiges Äußeres, die betont bunte Kleidung, die strubbelige Frisur und das offene Lächeln verrieten jedem auf den ersten Blick, welch lebenslustiges Energiebündel die Mittzwanzigerin war. Die dickrandige Brille, die wie ein Kontrapunkt in ihrem Gesicht saß, unterstrich diesen Eindruck. Kaum hatte sie sich gesetzt, verabschiedete sich Melischnig nobel.

„Was ist denn mit dem los?“, wunderte sich Martina, doch Pogatschnig erklärte, dass sein Freund eben ein taktvoller Kerl sei und fügte hinzu:

„Er kann zwar nicht eins und eins zusammenzählen, aber dafür hat er das Herz am rechten Fleck.“

„Na, eins plus eins wird er schon schaffen, oder?“, gab Martina amüsiert zurück und Pogatschnig gestand ein:

„Ja, aber bei ihm kommt drei heraus.“

„Wie du blöd bist“, lachte sie auf und stieß Hubert Pogatschnig freundschaftlich an.

Auch Hubert Pogatschnig musste lachen, er empfand Martinas gesellige Art erfrischend.

 

„Was? Sieben Leichen?“

„Ja! Und es werden stündlich mehr!“

Ein Gesprächsfetzen vom Nachbartisch her störte die Zweisamkeit. Unwillkürlich wandte Pogatschnig seinen Blick den beiden Männern zu, die dort saßen. Auch Martinas Aufmerksamkeit war abgelenkt.

„Warte einen Moment“, sagte der eine Mann zu dem anderen, während er gebannt auf sein Mobiltelefon sah, „mein Telefon lädt den Beitrag nicht so schnell. Schau, jetzt geht’s!“

Die beiden rückten zusammen und starrten auf das kleine Display.

Anhand der Geräusche, die Pogatschnig aus dem Telefon hörte, erkannte er jenen Beitrag eines lokalen Kärntner Satellitenfernsehens, der bereits seit Tagen öffentliches Aufsehen erregte. Denn in Bezug auf die jüngsten Leichenfunde war dem Sender ein Aufreger gelungen, der alle anderen Medien des Landes erst in Bewegung versetzt hatte. Wer im Internet auf www.youtube.com den Suchbegriff „Sondermeldung: Serienmord in Klagenfurt?“ eingab konnte miterleben, wie ein Moderator mit versteinerter Miene eine „mysteriöse Geschichte“ verkündete, die „ganz Klagenfurt in Atem“ halte. Für seine Reportage besuchte das Fernsehteam ein Bestattungsinstitut und interviewte dort eine Angestellte. Diese zeigte sich schockiert darüber, dass das Verbrechen an ihrem Arbeitsplatz seinen Ausgang genommen haben könnte, und konnte sich nicht erklären, wie die Leichenteile in die Särge gekommen waren.

„Wir haben nie in irgendeiner Art und Weise einen Einbruch oder so festgestellt“, sagte sie. Die Särge würden verschlossen und danach nicht mehr kontrolliert. „Wer kommt denn schon drauf, dass da noch irgendjemand Leichen hineintut?“, meinte sie kopfschüttelnd.

Danach versuchte der Reporter Filmaufnahmen von den Grabungsarbeiten am Friedhof zu bekommen, doch der ausgesprochen unsympathische Polizist, der den Eingang bewachte, zeigte sich nicht nur unkooperativ, sondern verwies – von der Situation sichtlich überfordert – das Kamerateam übertrieben aggressiv des Platzes.

 

„Im Radio haben sie heute schon von sieben Leichen berichtet“, erklärte der Mann mit dem Mobiltelefon nun, wogegen doch im soeben gesehenen Fernsehbeitrag noch von fünf Leichen die Rede gewesen war. „Zwei Frauen und fünf Männer zwischen fünfundzwanzig und sechzig Jahren alt. Alle geköpft und stückweise in Müllsäcken in fremde Särge geschmuggelt.“

„Unglaublich!“ Der Andere schüttelte den Kopf. „Weiß man schon, was dahinter steckt?“

„Nein, aber die Müllsäcke stammen angeblich aus dem Klinikum.“

„Was echt? Und was sagen die im Klinikum dazu?“

„Was werden die schon sagen? Die streiten jede Beteiligung ab. Einen von den Toten kenne ich übrigens.“

„Echt?“ Der Andere klang sensationslüstern.

„Über ein paar Umwege“, relativierte der Eine, indem er das Telefon weglegte. „Mein Nachbar hat einen Arbeitskollegen, von dem der Nachbar ist mit dem Fünfundzwanzigjährigen in die Volksschule gegangen, glaube ich. Jetzt hat natürlich jeder Angst, dass er der nächste ist.“

„Wieso?“

„Weil’s kein Motiv gibt! Wie es aussieht, geht der Mörder durch die Stadt und tötet willkürlich Menschen, wenn’s ihn überkommt!“

„Nein!“ Die Angst in der Stimme des anderen Mannes war echt.

 

„Jetzt geht’s los“, raunte Hubert Pogatschnig Martina zu. „Jetzt bricht Paranoia aus. Als Nächstes wird an jeder Straßenecke ein möglicher Mörder auftauchen.“

„Ich hab heut auch schon so was gehört“, erzählte Martina. „Jeder kennt wen, der einen von den Toten kennt. Klagenfurt ist ein Dorf.“

„Ja, ein Dorf voller sensationsgeiler Wichtigmacher“, grollte Pogatschnig.

„Wie meinst denn das?“

„Die Polizei hat bisher noch keine der Leichen identifiziert! Woher soll also jemand einen der Toten kennen? Die Leute machen sich nur wichtig; das ist das Feuer, mit dem die Gerüchteküche kocht.“

„Ich habe Gerüchte über eine ganze Mordserie gehört“, meinte Martina, „weil in letzter Zeit so viele Leute verschwunden sind.“

„Siehst du“, triumphierte Pogatschnig, „das höre ich zum ersten Mal, dass mehr Leute verschwunden sein sollen als sonst. Vertrau mir, mit Kapitalverbrechen kenne ich mich aus. Immerhin klären ich und der Ludwig jedes Jahr im Schnitt vier Morde auf.“

„Echt oder was?“, fragte Martina überrascht.

Pogatschnig erzählte ihr von seinem Hobby, Verbrechen schneller aufzuklären als die Polizei.

„Das ist ja genial“, rief Martina und klatschte begeistert in die Hände. „Und wer ist der Mörder?“

Pogatschnig gab sich betont gelangweilt.

„In dem Fall ermittle ich nicht“, erwiderte er. „Da lohnt sich mein Engagement nicht. Ein so massiver Serienmord hinterlässt dermaßen viele Spuren, da schnappt die Polizei den oder die Täter in Null-Komma-Nichts.“ Bei den letzten Wörtern schnippte er mit den Fingern.

Sein Telefon läutete. Pogatschnig entschuldigte sich bei Martina, hob ab und nannte seinen Namen. Als er die Stimme der Frau erkannte, die sich meldete, war er wie elektrisiert, ohne sagen zu können, warum. Es war Barbara Stromberger, jene freie Journalistin, die ihn noch vor wenigen Monaten übers Ohr hatte hauen wollen – und dann von Pogatschnig übers Ohr gehauen worden war. (Siehe: Klagenfurter Kneipen-Krimi Nr. 16: „Cape Wörth“.)

„Ich kenne das Geheimnis der Leichen“, behauptete sie. „Aber ich brauche deine Hilfe.“

Hubert Pogatschnig nahm sich zusammen, um seiner Stimme einen möglichst desinteressierten Ton zu geben, als er fragte:

„Wobei?“

„Bei der Überwindung von Widerständen, auf die ich stoße“, meinte Barbara kryptisch.