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Hanna ist ein Superhuhn. Sie ist neunundneunzig Jahre alt und kann nicht nur sprechen, sondern auch schreiben. Eines Tages erfährt sie, dass ihre Schwestern in großen Hühnerfabriken, sogenannten Legebatterien, leben müssen. Mit Hilfe der Kinder Sebastian und Theresa möchte sie die Hennen aus ihrem Gefängnis befreien ... Man erfährt nicht nur vom Ausgang des spannenden Abenteuers, sondern auch davon, wo leider heutzutage die meisten Frühstückseier herkommen.
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Seitenzahl: 115
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Felix Mitterer
Superhenne Hannavon Felix Mitterer
Ehrenliste zum österreichischenKinder- und Jugendbuchpreis
Von Felix Mitterer ebenfalls im G&G Verlag als E-Book erschienen:Superhenne Hanna gibt nicht auf, ISBN 978-3-7074-1701-2
1. digitale Auflage 2014
www.ggverlag.at
ISBN E-Book 978-3-7074-1700-5ISBN Print 978-3-7074-0167-7
In der aktuell gültigen Rechtschreibung
Coverillustration: Michael SchoberInnenillustrationen: Helga Meihart
©2003 G&G Verlagsgesellschaft mbH, WienAlle Rechte vorbehalten.
1. Kapitel, in dem Hanna sich vorstellt und vom Leben auf dem Hof berichtet
2. Kapitel, in dem Hanna eine furchtbare Entdeckung macht
3. Kapitel, in dem Hanna die eingesperrten Hühner besucht und ihnen von der Welt erzählt
4. Kapitel, in dem Hanna einen Leserbrief an die Tageszeitung schreibt und eine bittere Erfahrung macht
5. Kapitel, in dem Hanna den Landwirtschaftspräsidenten sowie den Klotzinger trifft und es sich erweist, dass beide ein Herz und eine Seele sind
6. Kapitel, in dem Hanna mit Hilfe ihrer Freunde die eingesperrten Hühner befreit
7. Kapitel, in dem Hanna die Hühner ins Gebirge führt
8. Kapitel, in dem Hanna dem Klotzinger ihre Bedingungen stellt
9. Kapitel, in dem Hanna mit Hilfe des Bauern und der Kinder den Hühnern Futter bringt, wobei fast etwas schiefgeht
10. Kapitel, in dem Hanna die Hühner dem Klotzinger wieder zurückbringt und dann eine böse Überraschung erlebt
11. Kapitel, in dem Hanna berichtet, was weiter geschah, und dann noch einige Zukunftspläne wälzt
(einige davon sind vor allem im Süddeutschen und Österreichischen gebräuchlich)
die Batteriehaltung ist eine Art der Tierhaltung. Sie hat nichts mit Elektrizität zu tun. Ihr Name kommt von der Bedeutung des Wortes „Batterie“, nämlich: enge Aneinanderreihung von gleichen Gegenständen – hier: von Käfigen – zu einer festen Einheit. Was man von der Batteriehaltung zu halten hat – davon handelt dieses Buch.
das Brathendl, süddeutsche und österreichische Bezeichnung für Brathuhn.
damisch, närrisch, blöde, dämlich; auch: schwindlig (südd. und österr.).
die Etage (etasche), Stockwerk, Geschoss.
gell, auch: gelt, gelle, bedeutet „nicht wahr“; der Sprechende fordert damit seinen Zuhörer auf, ihm zuzustimmen.
Habedieehre, eigentlich: Ich habe die Ehre; ein altmodischer, hier scherzhaft gebrauchter Gruß.
hektisch, aufgeregt, fieberhaft, gehetzt.
hygienisch, den Regeln der Sauberkeit entsprechend.
der Kannibalismus, Menschenfresserei; das Wort wird auch angewendet, wenn Tiere ihre Artgenossen fressen.
Kruzinesneininochamol!, Ausruf, etwa wie: Donnerwetter!
raffiniert, durchtrieben, schlau, gerissen.
reagieren, auf einen bestimmten Anlass hin – z. B. ein Lichtzeichen, eine Tat – etwas tun, antworten.
rentabel, vorteilhaft, einträglich, Gewinn bringend.
robust, widerstandsfähig.
die Bezeichnung Roma wird vielfach als Überbegriff für Sinti und Roma verwendet, ein Volk, das viele unter dem Namen „Zigeuner“ kennen. Die meisten Angehörigen dieses Volkes möchten so nicht genannt werden. Die Sinti und Roma wurden in Europa jahrhundertelang verfolgt, das Schlimmste war der Völkermord während der NS–Zeit.
zerpecken, zu kleinen Stücken picken (südd. und österr.).
Personenbeschreibung:
Name: Hanna
Art: Lauf- und Scharrtier
Alter: ungefähr 99
Geschlecht: weiblich
Größe: 24 cm
Gewicht: 1,2 kg
Besondere Kennzeichen: rotes Federkleid, ein Holzbein (dies aber erst seit kurzem)
Ich bin eine Henne. Ja, eine Henne! Ein Huhn.
Ein Huhn kann kein Buch schreiben? Normalerweise nicht, das stimmt. Aber ich bin eben keine normale Henne. Ich bin sogar eine ziemlich außergewöhnliche Henne! Ich kann noch viel mehr, als ein Buch schreiben. Obwohl – ganz so einfach ist es natürlich nicht für mich, mit einer Schreibmaschine zu arbeiten. Versucht doch einmal mit einem Holzbein auf der Maschine zu tippen! Das strengt ganz schön an, mein lieber Schwan!
Ich lebe auf einem kleinen Bergbauernhof, zusammen mit sehr lieben Menschen.
Weil der Hof allein nicht genug einbringt, muss der Bauer nebenbei als LKW-Fahrer in einem Schotterwerk arbeiten. Der Besitzer des Schotterwerkes ist der Bauunternehmer Klotzinger.
Wenn der Bauer nicht da ist, muss die Bäuerin den ganzen Hof in Schwung halten. Es gibt zwar vier Kinder, aber zwei davon sind schon weggezogen. Robert arbeitet im Ausland als Holzfäller und kommt nur selten heim. Und Hans hat ins Nachbardorf geheiratet und sich dort eine Fremdenpension gebaut. Er ist Maurer, im Winter ist er Schilehrer.
Als die beiden weggingen, war der Bauer sehr traurig. Sie sagten zu ihm, sie seien nicht interessiert am Hof, denn der werfe nicht genug ab.
Die ganze Hoffnung des Bauern ist jetzt Sebastian. Er ist elf Jahre alt, aber auch er muss schon auf dem Hof mithelfen. Er füttert die Tiere und mistet den Stall aus.
Dann ist da noch Theresa, neun Jahre alt. Sie füttert uns Hühner und hilft der Mutter in der Küche.
An Tieren sind auf dem Hof zurzeit acht Milchkühe, drei Kälber, sechs Schweine, vierzehn Hühner und ein Hahn.
Wir Hühner wohnen im Sommer in einem Stall neben den Schweinen. Das ist ein sehr gemütlicher Raum mit Strohnestern und hölzernen Stangen, auf denen wir sitzen können. In der Mauer befindet sich ein Schlupfloch, durch das wir aus- und eingehen dürfen, wie wir wollen. Nur in der Nacht wird das Loch verschlossen. Das geschieht, damit der Fuchs Bartholomäus nicht hereinkann. Es wäre aber gar nicht nötig. Der Bartholomäus – ich nenne ihn Bartl – hat nämlich riesigen Respekt vor mir. Ich habe ihn einmal ordentlich verhauen, als er ein Huhn verschleppen wollte. Aber es ist halt so üblich, dass das Loch am Abend geschlossen wird, und es stört uns nicht.
Im Winter wohnen wir in einer geräumigen Steige in der Küche, weil auch wir Hühner es ganz gern warm haben.
Zum Spazierengehen steht uns natürlich der ganze Hof zur Verfügung. Oberhalb des Hauses halten wir uns besonders oft auf, denn dort besteht der Boden aus wunderbarem, feinem Sand. Und es gibt nichts Herrlicheres, als in diesem Sand zu baden, wenn er von der Sonne angenehm erwärmt ist.
Mit dem Essen sind wir auch zufrieden. Wir bekommen Mais und Speiseabfälle, picken Gras und alle möglichen Körner. Ab und zu gelingt es uns auch, einen Regenwurm zu erbeuten.
Jede meiner Schwestern hat ihren Speziallegeplatz. Sie legen ihre Eier in die Scheune, in den Stall, in die Holzhütte, dorthin eben, wo sie ein gemütliches, gepolstertes Plätzchen wissen. Wenn sie dann das Ei gelegt haben, kommen sie aufgeregt gackernd hervor und teilen den anderen voll Stolz die überraschende Neuigkeit mit, dass sie ein ganz besonders schönes und besonders großes Ei gelegt haben.
Den Kindern macht das Einsammeln der Eier viel Spaß. Sie kennen zwar alle Legeplätze, aber Theresa und Sebastian richten abwechselnd wieder irgendwo ein neues Strohnest ein und das wird sofort von einer meiner Schwestern in Beschlag genommen. Wenn Sebastian ein neues Nest gemacht hat, muss Theresa es suchen und umgekehrt. Das ist dann jedes Mal wie Ostern.
Ich selbst lege schon lange keine Eier mehr. Na ja, kein Wunder, ich bin ja auch schon ziemlich betagt. Ein Huhn wird normalerweise fünf bis sechs Jahre alt, wenn man es nicht vorher schlachtet. Ich aber habe fast hundert Jahre auf dem Buckel. Leider ist aus diesem Grund mein Gedächtnis schon ein bisschen schwach und an meine Kindheit kann ich mich nicht mehr gut erinnern.
Der Großvater – er lebt nicht mehr – erzählte uns jedenfalls, dass ich schon da war, als er zur Welt kam. Sein Vater, sagte er, habe mich eines Tages von einer Roma-Familie geschenkt bekommen, die gegen Beginn des vorigen Jahrhunderts ins Dorf kam.
Diese Leute zogen als Kesselflicker, Scherenschleifer und Korbflechter durchs Land und handelten auch mit bunten Tüchern. Die Dorfbewohner hatten gehört, dass die Roma alles stehlen würden, was nicht niet- und nagelfest ist. Sie wollten die Fremden daher wegjagen. Der Urgroßvater aber glaubte nicht daran. Er lud sie ein, in der Scheune zu schlafen und im Stall das Pferd einzustellen, das ihren Wagen zog.
Die Roma sollen sehr nette Leute gewesen sein. Sie zündeten am Abend hinter dem Hof ein Feuer an, die Bauersleute setzten sich drumherum zu ihnen ans Feuer und die Fremden spielten auf ihren Geigen und sangen und tanzten, dass es eine Freude war. Sie blieben eine ganze Woche lang und halfen dem Urgroßvater bei der Heuarbeit. Als sie weiterzogen, schenkten sie dem Bauern ein paar Körbe und der Bäuerin ein wunderschönes Kopftuch und eine junge, brandrote Henne. In gebrochenem Deutsch versicherte die Älteste der Roma der Bäuerin, dass die Henne im Tag mindestens fünf Eier legen würde, und auch sonst ein sehr ungewöhnliches Tier sei.
Diese rote Henne war ich und ich legte tatsächlich fünf große, wohlschmeckende Eier im Tag, viele Jahre lang.
Das war eine erstaunliche Leistung. Aber was ich sonst noch konnte, erstaunte die Bauersleute noch viel mehr. Ich konnte damals schon einige Sätze sprechen. Zuerst allerdings nur in der Sprache der Roma. Doch sehr schnell lernte ich auch den deutschen Dialekt, der in unserem Tal gebräuchlich ist.
Ich verstand aber nicht nur die menschliche Sprache, sondern auch die aller Tiere. Und das, ohne mich erst darin üben zu müssen. Auf Anhieb verstand ich sie alle, ob Kuh, Schaf, Ziege oder Schwein.
Ja, und die Kunst des Fliegens beherrschte ich vorzüglich wie eine Wildente. An sich können Hühner ja nicht fliegen. Es gelingt ihnen höchstens, ein paar Meter durch die Luft zu flattern, aber für längere Flüge ist der Körper zu schwer und sind die Flügel zu schwach.
Ich musste allerdings mit dem Fliegen sehr vorsichtig sein, weil man immer wieder einmal versuchte mich abzuschießen. Einmal wurde ich sogar am linken Flügel getroffen und kam nur mit Müh und Not nach Hause zurück. Es war ja kein Wunder, dass die Bauernburschen auf mich schossen. Die erblickten hoch oben in der Luft einen roten Vogel und wollten das seltene Tier erlegen. Dass ich eine Henne bin, sieht man aus dieser Entfernung nicht.
Heute fliege ich nur noch selten. Mein Alter macht sich halt doch schon bemerkbar und das Holzbein ist auch sehr unbequem.
Ich habe meine ungewöhnlichen Fähigkeiten vor fremden Menschen stets geheim gehalten. Wir wollten ja unsere Ruhe haben – die Bauersleute und ich. Wenn Besuch auf den Hof kam, versteckte ich mich einfach. Mein rotes Federkleid allein ist ja schon auffallend genug.
Mit meinen Schwestern habe ich mich immer gut verstanden. Nur die Hähne – ja, die Hähne! Derzeit haben wir den Hahn Alex. Der ist ein lieber Kerl, nur ein bisschen dumm und meistens wütend auf mich.
Ich habe in meinem Leben schon viele Hähne gekannt und alle waren sie meistens wütend auf mich. Wahrscheinlich störte es sie, dass ich die menschliche Sprache beherrsche, und deshalb ein bisschen bevorzugt werde. Ich halte mich ja sehr viel in der Stube bei den Bauersleuten auf. Wir bereden alles Mögliche und ich werde von ihnen sozusagen als ihresgleichen behandelt. Das mögen die Hähne nicht. Alle haben versucht mir einzureden, mein Platz sei im Hühnerstall und nirgendwo sonst. Alle haben gemeint, weil sie Hähne sind, seien sie die Herren und die Hühner müssten machen, was der Herr befiehlt. Das ist bei uns aber nicht so. Die Hühner betrachten mich als Anführerin und der Hahn hat überhaupt nichts zu sagen. Er darf nur täglich einmal auf jede hinaufhüpfen, sie mit dem Schnabel beim Kamm fassen und sie lieben. Das ist alles. In den übrigen Dingen halten sich die Hühner an mich.
Jeder Hahn, der auf den Hof kam, hat anfangs versucht mich unterzukriegen. Jeder dachte: Na, die werde ich einmal ordentlich verprügeln, dann pariert sie schon! Das ist aber bisher noch keinem gelungen. Blutend und zerrupft mussten sie wieder abziehen. Wer meine scharfen Krallen einmal gespürt hat, vergisst das nie! Schließlich haben sich aber alle daran gewöhnt, dass nicht sie der Herr im Hause sind, sondern ich. Es hat auch nichts genützt, dass manche versucht haben, die anderen Hühner gegen mich aufzuhetzen.
Einmal war ein besonders hübscher junger Hahn bei uns, der hielt sich für den größten Frauenhelden des ganzen Tales. Zuerst war er zärtlich, dann sagte er: „Aber glaub ja nicht, dass du eine Ausnahmestellung hier hast. Ich verlange unbedingten Gehorsam! Und wenn du nicht spurst, dann zerhack ich dich, dass dir Hören und Sehen vergeht!“
Daraufhin habe ich ihm sämtliche Federn ausgerupft und er hat sich so geschämt, dass er in den Wald lief, und nicht mehr zurückkehrte.
Der Hahn Alex, der jetzt bei uns ist, hat einen so genannten Krähkomplex. Der kräht den ganzen Tag. Manchmal schmeißt der Bauer einen Stein nach ihm, wenn Alex gar nicht mehr aufhört. Der Grund für den Krähkomplex des armen Alex ist folgender: Vor einiger Zeit sagte Sebastian zu mir, er habe in der Zeitung gelesen, dass es in Amerika einen Hahn gibt, der den absoluten Weltrekord im Krähen hält. Der sei im Stande, zweihundertvierunddreißigmal hintereinander zu krähen. Ich erzählte das so nebenbei dem Alex und daraufhin trainierte er Tag für Tag ganz verbissen, um diesen Weltrekord zu brechen. Aber er brachte es auf höchstens achtundfünfzig Kikeriki hintereinander. Durch die dauernde Kräherei wurde er schließlich so heiser, dass er nur noch ein armseliges Krächzen herausbrachte. Ich musste sehr lachen, als er eines Morgens auf dem Misthaufen stand, den Kopf reckte und Laute von sich gab wie ein Rabe.
Da machte ich mir einen Spaß, stellte mich neben ihn und krähte mindestens dreihundertmal hintereinander. Alle Hühner rannten herbei und rissen vor Staunen die Schnäbel auf. Auch die Leute schauten lachend aus den Fenstern und Theresa und Sebastian waren begeistert.
Alex war zuerst starr vor Verblüffung, blickte mich dann giftig an und kehrte vollkommen niedergeschlagen in den Stall zurück. Dabei schimpfte er ununterbrochen vor sich hin: „Eine Henne, die kräht! Eine Henne, die kräht! Das ist doch ein Skandal! Wo gibts denn so was?! Jetzt kräht die auch noch! Wozu bin ich denn überhaupt da? Eine Sauerei ist das!“ Er war dermaßen verärgert, dass er wochenlang nicht mehr krähte, und auch seine Liebesdienste arg vernachlässigte.
Wir Hühner führen ein herrliches Leben auf unserem Hof. Und ich glaubte natürlich, dass es allen Hühnern so gut gehe wie uns.
Doch an einem schönen Sommertag erfuhr ich, dass es auch anders sein kann.