Taddeus' Vermächtnis: Frosthauch - Sandra Busch - E-Book

Taddeus' Vermächtnis: Frosthauch E-Book

Sandra Busch

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Beschreibung

Ein magisches Artefakt sollte Elijah finden, stattdessen verliert er sein Herz. Seinen Liebsten will er retten, stattdessen soll er sich mit dessen Tod abfinden. Nichts läuft so, wie es sich Elijah wünscht. Und zu allem Überfluss muss er sich mit Engeln, Höllenfürsten und kleinen, eifersüchtigen Windhosen herumplagen. Ca. 45.000 Wörter Im gewöhnlichen Taschenbuchformat hätte dieses Buch ungefähr 225 Normseiten.

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Ein magisches Artefakt sollte Elijah finden, stattdessen verliert er sein Herz.

Seinen Liebsten will er retten, stattdessen soll er sich mit dessen Tod abfinden.

Nichts läuft so, wie es sich Elijah wünscht.

Und zu allem Überfluss muss er sich mit Engeln, Höllenfürsten und kleinen, eifersüchtigen Windhosen herumplagen.

 

Ca. 45.000 Wörter

Im gewöhnlichen Taschenbuchformat hätte dieses Buch ungefähr 225 Normseiten.

 

 

 

 

 

 

 

 

Ähnlichkeiten mit lebenden, toten, untoten oder überirdischen Persönlichkeiten sind rein zufällig!

Inhalt

 

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

 

 

 

Nach vornehmer dreißigminütiger Verspätung kam er zur Tür herein, der neue Star der Modebranche: Mackenzie Kerr. Mit jenem lässigen, schlendernden Gang, der die Arroganz eines Newcomers ausstrahlte und einem leicht herablassenden Lächeln, das ausdrückte, dass er genau wusste, wie wahnsinnig heiß er aussah. Und tatsächlich war Mackenzie das attraktivste Geschöpf, das Elijah seit langer, langer Zeit über den Weg gelaufen war. Halblanges, beinahe schwarzes Haar umspielte ein scharf geschnittenes Gesicht. Eine kleine senkrechte Narbe an seinem markanten Kinn ließ den Blick eines Betrachters zwischen ihr und Mackenzies hellen grünbraunen Iriden hin- und herwandern. Das junge Model aus den schottischen Highlands war Anfang Zwanzig und besaß einen Körper wie die Sünde, was auch die Fetzenjeans, durch das ein nacktes Knie lugte, und das schlichte schwarze Sakko nicht verbergen konnten.

Elijah seufzte. Sein Auftrag war bereits beschissen genug. Musste er da noch ständig eine Augenweide vor der Nase haben? Im Stillen verfluchte er seinen Boss, der ihm nicht nur diesen Job zugeteilt sondern auch seine Tarnung festgelegt hatte. Um dieser Rolle gerecht zu werden, spreizte er geziert die Finger der rechten Hand ab, die er affektiert auf Schulterhöhe hielt und grinste ein weichgespültes Grinsen, als Mackenzies Manager die Crew vorstellte. William Heartwick hatte besitzergreifend einen Arm um die Schultern seines Schützlings gelegt, was diesem sichtlich unangenehm war. Bestimmt war ihm Williams Ruf als Schürzenjäger ausreichend bekannt, um seine Arschbacken in Alarmbereitschaft und einem Dauerzustand heftigsten Zusammenkneifens zu versetzen. Der hagere, sonnenbankbraune Will jagte seit jeher alles, was auf zwei Beinen lief. Manche munkelten auch, dass er selbst über vier Beine großzügig hinwegsehen würde. Hauptsache, seine sorgfältig zurückgegelten Haare lagen hinterher noch anständig.

Abschätzend musterte Elijah das Model. War Mackenzie ebenfalls schwul? Viele in der Branche waren es oder taten, als wären sie es. Manchmal half es der Karriere, wenn man mit einem einflussreichen Manager, Agenturbesitzer, Fotographen oder oder oder durch die Betten rutschte. Hintereinander oder gelegentlich auch zeitsparend mit allen gemeinsam.

Nicht, dass Mackenzie es bei seinem Aussehen nötig gehabt hätte. Und so, wie er gequält das Gesicht verzog, wirkte er eher wie ein verklemmter Hetero. Elijah fühlte Bedauern in sich aufsteigen und schalt sich sofort innerlich dafür, ohne äußerlich von seinem eingefrorenen Grinsen abzulassen. Denn nun war er der nächste in der Vorstellungsreihe.

„Adrian ist dein Visagist und wird sich gleich um dich kümmern, nachdem du dich umgezogen hast. Ein wahrer Zauberer mit Puder und dezentem Make-Up.“

Das behauptete jedenfalls Elijahs gefakter Lebenslauf, denn er konnte keine echten Referenzen vorlegen. Außerdem kannte ihn Will überhaupt nicht persönlich, las seinen Namen lediglich von dem Schildchen auf seiner Brust ab und wusste ihn anhand der Teamliste zuzuordnen. Er hätte sich den dämlichen Tarnnamen sparen können, aber was tat man nicht alles, um die Welt zu retten.

„Hallo“, hauchte Elijah möglichst tuntig und damit eisern an seiner Rolle festhaltend. Dabei versuchte er dem nun auftretenden spöttischen Ausdruck in Mackenzies Gesicht standzuhalten, ohne in hilfloses Gelächter auszubrechen. Er wusste, wie lächerlich er in seinem Outfit wirkte. Ein edles graues Hemd wurde von einem kanariengelben Kaschmirpullunder „aufgewertet“. Dazu trug er eine graue Hose, deren Aufschläge gelbe Stickereien aufwiesen. An seinen Füßen befanden sich schwarze Pumps und er dachte höchst ungern darüber nach, wie lange er hatte üben müssen, um unfallfrei auf diesen Stöckelschuhen laufen zu können. Notfalls ließen sie sich gewiss als Waffen einsetzen. Doch sie rundeten seine Kleidung perfekt ab. Genau wie der blassrosa Lipgloss, der zwischen seinem sorgfältig gestutzten schwarzen Vollbart hervorblitzte und die dunkel geschminkten Smokey-Eyes. An jedem seiner Finger steckte ein glänzender Silberring. Mehr Tunte ging nicht. Elijah hasste diese Tarnung, schließlich war er ein ganzer Kerl und wenn er zehnmal schwul war. Allerdings musste er zugeben, dass niemand hinter seiner Verkleidung einen Agenten der OMP, der Organisation for Mystical and Paranormal, vermuten würde. Zumal kaum jemand überhaupt die OMP kannte, denn sie waren eine ziemlich geheime Organisation, die aus dem Verborgenen heraus operierte. Wer glaubte auch heutzutage noch an Magie und wundersame Kräfte, an dämonische Aktivitäten und dem ewigen Kampf gegen das Böse?

Mit einer gezierten Bewegung reichte er Mackenzie die Hand, die dieser kaum entgegenzunehmen wagte.

„Sehr erfreut“, sagte Elijah in einem näselnden Tonfall, als hätte er verstopfte Kieferhöhlen. Der Händedruck endete an seinen Fingerspitzen, die in demselben Grau wie sein Hemd lackiert waren. Innerlich schüttelte sich Elijah und beschloss seinem Boss bei nächster Gelegenheit den Hals umzudrehen.

„Ich merke, ihr werdet euch gut verstehen“, polterte neben ihnen William fröhlich und zerrte Mackenzie mit sich in einen Nebenraum, der als Garderobe umfunktioniert war. Dort sollte sich das Modell in die neuste Kollektion von Jeanshosen werfen, offene Hemden und damit reizvolles Sixpack präsentieren und sich dazu abwechselnd auf einer knallroten Ducati der ersten Bauserie und einer aufgemotzten Harley räkeln. Elijah merkte, wie sich seine Augen an dem knackigen Hintern des Models festsaugten. Mühsam riss er sich zusammen. Er sollte lieber auf Mackenzies Schmuck achten. Die OMP hatte herausgefunden, dass der wandelnde und höchst unwissende Hormonschock ein magisches Artefakt besaß, hinter dem die Höllengeschöpfe her waren. Alles, was Elijah bislang aufgefallen war, war ein schlichter Silberring am rechten Daumen des Models und um seinen Hals ein schwarzer Lederhalter, in dem zwei ebenfalls silberne Patronen steckten. Sein Auftrag war es herauszufinden, was das magische Artefakt war, es Mackenzie abzunehmen und nebenbei dafür zu sorgen, dass es die Höllengeschöpfe nicht zuerst taten und das leckere Knusperstück dabei umbrachten. Und das alles auf Stöckelschuhen. Na, herrlich!

Vielleicht habe ich Glück und es handelt sich um ein Piercing, dachte Elijah und sein Grinsen zog sich in die Breite. Auch wenn er nicht auf Prinz-Albert-Piercings stand, so würde sich die Suche danach äußerst reizvoll gestalten. Mit der anregenden Vorstellung, wie er jeden Zentimeter dieses Wahnsinnskörpers nach einem Artefakt absuchte, eilte Elijah zu seinem Visagistentisch, um den passenden Puder, Kajal und Abdeckstift hervorzukramen. Auch das Schminken hatte er in einem Schnellkurs von einem Profi lernen müssen. Er hoffte nur, dass er Mackenzie nicht allzu sehr verunstalten würde. Und hinterher durfte er zuschauen, wie sich der göttliche Körper im Scheinwerferlicht vor der Kamera präsentierte. Prüfend ließ er den Blick in die Tiefe wandern und stellte erleichtert fest, dass die weite Hose glücklicherweise das meiste kaschierte. Verfluchter Job! Verfluchter Boss!

Das Klingeln seines Handys riss ihn aus den Gedanken. Er zückte sein iPhone und nahm das Gespräch an.

„Ja?“, fragte er leise.

„Ich bin’s.“

Ich war der kleine, drahtige Chinese Hurry, ein absoluter Heißsporn und der Youngster ihrer Organisation. Eigentlich hieß er Hu, doch wegen seiner Fähigkeit, die Winde zu beherrschen, wurde er lediglich Hurry genannt, eine Abkürzung von Hurricane.

„Der Boss will wissen, wie es läuft.“

„Warum ruft er dann nicht selbst an?“ Die Antwort war eigentlich klar: Weil Elijah sich niemals bei Hurry über seinen Auftrag beschweren würde. Denn Hurry mit seinen einundzwanzig Jahren war für ihn so etwas wie ein kleiner Bruder. Höllengeschöpfe hatten durch einen dummen Zufall Hurrys Potenzial erkannt, noch bevor er selbst von seinem Talent erfuhr, und den damals Sechzehnjährigen um ein Haar getötet. Bei diesem Angriff kam seine Mutter um, was der Kurze bis heute nicht verwunden hatte. Das Schicksal wollte es, dass Elijah den Angriff mitbekam und den Jungen retten konnte. Es gelang ihm, Hurry den Höllengeschöpfen zu entreißen und schwer verletzt zur OMP zu bringen. Dort konnte er in Sicherheit genesen und lernen, seine Fähigkeiten beherrschen und produktiv einzusetzen. Leider stand Hurrys Temperament seinem Talent in nichts nach. Er hatte vor kurzem seinen ersten Außeneinsatz gründlich vermasselt. Zum Glück hatte es lediglich Sachschaden gegeben. Der einzige, der ihn bändigen konnte, war Elijah. Und daher war er statt Hurry zu diesem Einsatz eingeteilt worden, obwohl er gerade erst einen Fall gelöst und sich damit eine Ruhepause verdient hatte.

Jetzt drang ein leises Lachen an seine Ohren. „Er traut sich nicht“, wisperte Hurry, sicherlich weil der Boss in Hörnähe war.

„Mackenzie ist da und ich muss mich gleich an meinen Job machen“, berichtete Elijah knapp. „Höllengeschöpfe sind nicht zu sehen. Ich bezweifle, dass sie ein voll besetztes Fotoset stürmen werden. Übe Buße für deinen letzten Ausraster, der mir den Mist hier beschert hat. Ich melde mich später wieder.“

Mackenzie beobachtete den neuen Visagisten, wie er telefonierte. Irgendetwas an dem Typ war merkwürdig. Einerseits eine Tunte wie aus dem Bilderbuch, andererseits … Er konnte nicht den Finger drauflegen, was es war. Seine Haltung gerade im Moment, sie wirkte überhaupt nicht affektiert. Da war kein künstliches Gelächter, kein übertrieben weibliches Gehabe.

Wahrscheinlich tat dieser Adrian bloß so abgedreht, weil er sich damit seinen Job sichern wollte. Gute Visagisten gab es da draußen zuhauf, die meisten waren Frauen. Eigentlich war es ihm absolut egal. Was kümmerte ihn dieser aufgetakelte Pudertupferer?

Adrian beendete sein Gespräch und kam zu ihm gestöckelt. Ihre Blicke trafen sich, und nun wusste Mackenzie, was an dem Kerl nicht stimmte. Lipgloss hin, Kaschmirpulli her, ihn umgab eine Aura von Gefahr und eisiger Kälte. Das schmale Gesicht wurde von sagenhaft blauen Augen beherrscht. Er wirkte blass, was den Bart und die schwarzen Brauen noch mehr betonte. Mackenzie könnte ihn sich jederzeit als Vollstrecker von Todesurteilen der Mafia vorstellen, als lächelnden Todesengel …

„Nanu, Schätzchen, sehe ich da eine Gänsehaut? Ist dir kalt?“, zwitscherte Adrian in diesem Moment und zerstörte den beklemmenden Eindruck. Todesengel, also bitte! Ein alberner Gockel war das, sonst nichts.

Er verzichtete mit routinierter Arroganz auf eine Antwort. Das gehörte zum Image des jugendlichen Rebellen, das man ihm auf den Leib geschnitten hatte – in dieser Kunstwelt war nichts wie es schien.

Als die langen, schlanken Finger ihn berührten, erschauderte er unwillkürlich. Für einen Moment verspürte er Angst. Pure, nackte Angst. Diese Hände hatten getötet!

Durchatmen, Mack, nicht schon wieder dieser Unsinn!

Er hielt die Lider geschlossen, während Adrian dafür Sorge trug, dass seine Haut nicht im Scheinwerferlicht glänzte.

„Nun, bist du zufrieden, mein Hübscher?“

„Passt wohl.“ Wenigstens beherrschte der Typ seinen Job. Die winzige Verletzung am Hals, wo Mackenzie sich heute Morgen beim Rasieren geschnitten hatte, war überschminkt, dafür wurde die Narbe am Kinn noch deutlicher betont. Offiziell stammte sie von einer wilden Schlägerei gegen drei Typen in einer Bar, schließlich war er ein Bad, Bad Boy. In Wahrheit war er als Kind beim Schlittschuhlaufen gestürzt.

Kritisch wurde er gemustert. Adrian – warum nur hatte er das Gefühl, dass der Name nicht zu dem Kerl passte? – wuschelte ihm kurz mit etwas Gel durch die Haare, bearbeitete noch einmal seine Nase mit dem Puderquast und entließ ihn mit einem gnädigen Nicken.

„Oh, warte kurz, Häschen, da an der Hand …“ Mackenzie unterdrückte den Impuls, ihn zu schlagen, als Adrian ihn am Handgelenk packte, es drehte und wendete und mehrfach seinen Ring berührte.

„Was wird das?“, maulte er nun doch.

„Ein Irrtum meinerseits. Ich dachte, du hättest dir die Patscherchen nicht ordentlich gewaschen.“ Mit einem süßen Lächeln schwenkte Adrian herum und stöckelte auf diesen Monsterschuhen zu einem der Beleuchter, mit dem er zu quatschen begann. Entgeistert starrte Mackenzie ihm erst hinterher und dann auf seine Hände. Nicht richtig gewaschen? Der Typ hatte ja wohl einen Schatten! Erneut richtete er seinen Blick auf Adrian und der merkwürdige Eindruck, den er von ihm gewonnen hatte, verstärkte sich weiter.

Schon seit er denken konnte hatte er eine Art Kribbeln verspürt, wenn etwas an einem Menschen „nicht richtig“ war. Wie die berühmte Bauchintuition, die jemanden überfällt, dessen Gegenüber keine freundlichen Absichten hat. Bei dem einen war das Gefühl stärker, bei dem anderen wiederum schwächer. Mackenzie hatte gelernt, auf dieses Kribbeln, Bauchgefühl, was auch immer zu hören und war damit bislang ziemlich gut gefahren. Bei William zum Beispiel wusste er instinktiv, dass der an seiner Person lediglich aus Profitgier und Geilheit interessiert war. Damit konnte er leben, sofern sein Heck nicht in Gefahr geriet. Und solange William nach Geld geierte, würde auch seine Kasse klingeln, denn der Manager vermittelte ihm tatsächlich großartig bezahlte Jobs. Und wer wusste, wie lange er diese Arbeit ausführen konnte? Die Modelwelt war kurzlebig, sein Sparbuch sollte daher anständig gefüllt sein, wenn er später ebenfalls anständig leben wollte.

Ein einziges Mal hatte er sich einem Arzt wegen seiner … war es Empathie? … anvertraut. Der Weißkittel hatte dazu lediglich gemeint, dass Mackenzie eben besonders sensibel auf seine Mitmenschen reagieren würde und sich nichts dabei denken sollte.

Aber es waren nicht nur Menschen. Manchmal waren es auch Gegenstände, so wie der Anhänger, den er an einem Lederband trug. Er hatte das Halfter mit den Silberpatronen auf einem Flohmarkt entdeckt, wo es ihn direkt anzuspringen schien. Der Verkäufer hatte erst merkwürdig geguckt, als er ihn auf den Anhänger ansprach, und sich gar nicht daran erinnern können, dass er ihn aus einem der zahlreichen Kartons gezogen hatte. Die Gelegenheit beim Schopf ergreifend nannte der Verkäufer einen Preis und Mackenzie hatte ohne zu handeln gezahlt. Seitdem trug er die Silberpatronen Tag und Nacht als eine Art Glücksbringer.

Wieder schaute er zu Adrian hinüber. Der Visagist hatte eine Hand in die leicht eingeknickte Hüfte gestützt und gestikulierte übertrieben mit der anderen, während er den Beleuchter volltextete, der angesichts dieser Wortflut eine hilflose Miene zeigte. Was, wenn dieses Gehabe lediglich gespielt war? Und falls das stimmte, warum? Wozu?

Dann wäre Adrian ein phantastischer Schauspieler, dachte er.

„Mackie!“

Mackenzie wurde aus seinen Gedanken gerissen und verzog für einen Sekundenbruchteil das Gesicht, bevor er ein Lächeln aufsetzte. Ebenfalls künstlich. Er hasste diese Verniedlichung seines Namens, die ausschließlich William verwendete.

„Du blöder glitschiger Aal“, zischte er zwischen seinen lächelnden Lippen hervor.

„Maaackie!“

Innerlich knurrend ging er auf William zu, der neben einem angegrauten Fotographen stand, der sich ausschließlich auf die Einstellungen seiner Kamera konzentrierte.

„Diese Kollektion steht dir ausgesprochen gut“, sagte William, in dem durchschaubaren Versuch, sich bei ihm einzuschleimen.

„Danke. Können wir loslegen?“

„Ja“, antwortete der Fotograph, der weiterhin durch den Sucher schaute. „Schling dich einfach um die Maschine dort.“

Mackenzie stiefelte gehorsam zu der Ducati, wobei er mit den Zähnen knirschte. Die Bikerboots, die zu der Kollektion gehörten, waren eine Nummer zu klein und drückten schmerzhaft. Er schwang ein Bein über die knallrote Duc und setzte sich zurück. Hmm … Begeistert strich er mit den Fingerspitzen über den polierten Tank. Das Motorrad fühlte sich phantastisch an.

„Fertig?“, rief William.

Wie unter Zwang drehte sich Mackenzie zu dem Visagisten um. Sein Blick bohrte sich genau in Adrians Augen. Der hatte eisblaue Iriden, so hell, dass sie beinahe farblos wirkten. Ihr Ausdruck war hart, unnachgiebig und erbarmungslos. Hastig drehte Mackenzie dem unheimlichen Kerl den Rücken zu.

„Mackie?“

Er sollte sich besser von dem Typen fern halten und William erklären, dass er einen anderen Visagisten wollte. Mit dem Entschluss wandte er sich dem Fotographen zu.

„Fertig.“

Was war denn das?

Misstrauen hatte deutlich in Mackenzies Gesicht gestanden und war gleich darauf in Ablehnung umgeschlagen. Hatte er ihn etwa durchschaut?

„Unmöglich“, murmelte Elijah und hastete zu seinem Visagistentisch, während hinter ihm ein regelrechtes Blitzlichtgewitter niederging. Er war ein Meister der Tarnung, denn sein Leben hing manchmal von einer guten Verkleidung ab. Trotzdem hatte er bei Mackenzie ein sehr schlechtes Gefühl. Eilig zog er sein Handy, doch anstelle Hurry anzurufen, wählte er die Nummer vom Boss.

Niemand bei der OMP wusste, wie der Boss wirklich hieß. Auch Elijah hatte aufgegeben ihn sich als Michael, Franklin oder David vorzustellen.

Der Boss nahm das Gespräch bereits beim ersten Klingeln entgegen. „Ja?“

„Sie müssen mich abziehen und jemand anderen einschleusen“, sagte Elijah leise. „Das Zielobjekt ist mir gegenüber skeptisch.“

Einen Moment lang herrschte Schweigen. Elijah war froh, dass es keine Fragen gab, warum Mackenzie Kerr misstrauisch war oder ob er einfach bloß seine ungeliebte Tarnung loswerden wollte. In der OMP herrschte absolutes Vertrauen. Davon hing ihr Erfolg gegenüber den Höllengeschöpfen ab. Wenn er also sagte, Mackenzie würde ihn ablehnen, dann war das so. Nicht unbedingt schön, aber das Leben bestand eben nicht nur aus Zuckerwatte.

„Ich habe eine Idee, allerdings brauche ich ein paar Stunden Vorbereitung. Solange müssen Sie durchhalten.“ Damit war das Gespräch beendet. Elijah verstaute sein Handy und prüfte rasch, ob ihn jemand beobachtet oder sogar belauscht hatte. Zum Glück war alle Aufmerksamkeit auf Mackenzie gerichtet, dessen Haare im künstlichen Wind eines Ventilators flatterten.

Tja, Elijah. Mit diesem Anruf hast du dir deine Chance auf die Suche nach einem Piercing versaut.

 

 

 

„Großartig, genau so hatte ich es mir vorgestellt!“ William gab Mackenzie einen Wink, dass er sich wieder gerade hinstellen durfte. Mindestens eine halbe Stunde lang hatte er ihn lässig mit den Armen auf einer Stuhllehne aufgestützt stehen lassen, während sich Sara, ein brünettes Busenwunder, an die Harley schmiegte.

„Wunderbar! Gebt dem Mann was zu trinken. Andy, Puderquast, sofort, seine Stirn glänzt! Und danach geht’s mit Mackie und Gina weiter.“

„Puzzibärchen, mein Name ist Adrian, nicht Andy!“ Der Visagist kam mit gekonntem Hüftschwung herangestöckelt, zupfte an Williams Hemdkragen herum, zusammen mit einem gehauchten „Wenn du mich als Andy brauchst, darfst du mich jederzeit so nennen!“ William grinste dämlich und gab der Tunte einen herzhaften Klaps auf den Hintern.

„Als was du zu gebrauchen bist, kannst du mir später gern beweisen. Aber jetzt ist Mackie dran.“

Vermutlich war Mackenzie der Einzige, der das winzige Zucken in Adrians Gesicht bemerkte. Der Kerl war wütend, eindeutig. Und er müsste sich schwer täuschen, wenn diese Wut nicht gegen William gerichtet war. Was für ein Spiel trieb der Mann? Und warum?

Mackenzie war zu sehr in Gedanken versunken, um rechtzeitig Protest anzumelden. Schon war Adrian bei ihm, hielt den Puderquast mit seinen lackierten Fingernägeln und traktierte ihn damit. Diesmal ohne alberne Kosenamen, Flirtversuche oder Hautkontakt.

Bevor er sich darüber wundern konnte, gab es einen gewaltigen Knall.

„RUNTER!“, brüllte Adrian, schubste Mackenzie brutal zu Boden, warf sich selbst nieder und kickte in derselben Bewegung die Stöckelschuhe von sich.

Und dann brach die Hölle los.

Elijah zerrte den jungen Mann hinter sich her. Glücklicherweise war Mackenzie zu schockiert, um sich zu wehren. Unglücklicherweise hatte er keine geeignete Waffe bei sich, dafür gleich drei Omchras am Hals. Diese Sorte Dämon begab sich höchst selten und vor allem ungern in die Gefilden der Sterblichen. Sie hatten ziemliche Mühe, hier eine stabile Körperform aufrecht zu erhalten, kamen also dem, was landläufig als „Geist“ bekannt war, noch am nächsten. Omchras waren weitestgehend immun gegen die meisten geweihten Waffen und wurden in der Regel geschickt, wenn es irgendwelche Artefakte zu stehlen galt, die kein anderer Dämon berühren konnte.

„Lauf!“, brüllte er Mackenzie an, der bei einem Schulterblick die Omchras gesehen hatte und prompt vor Schreck erstarrt war. Im nächsten Moment musste er wieder in Deckung gehen. Diese Höllenviecher konnten Menschen nicht auf die gewöhnliche Dämonenart attackieren – anspringen und mit Klauen, Reißzähnen, Hörnern, Stacheln und sonstigem in Fetzen reißen. Stattdessen vermochten sie es, gezielt Energiewellen auszustoßen. An seiner Stelle wurde einer der Fotographen getroffen. Was von ihm übrig blieb, würde man in einer Zigarrenschachtel begraben können.

Um sie herum herrschte Chaos aus kreischenden, schreienden, heulenden Menschen, die verzweifelt versuchten, sich vor den Attacken in Sicherheit zu bringen. Die Rücksichtslosigkeit der Omchras bewies, dass sie Mackenzie nicht lebendig brauchten. Die umständliche Art, mit der sie sich ihm zu nähern versuchten, zeigte hingegen, dass sie Elijah kannten und wussten, wie gefährlich er war.

Elijah schubste den jungen Mann hinter einer hohen Metallkiste nieder. Das Ding würde zumindest einen Treffer abfangen. Grimmig prüfte er die Lage: Die Omchras umgaben sie von drei Seiten. Ziemlich schwierig, sie alle niederzumachen, aber er würde nicht kampflos verrecken. Grimmig verzerrte er das Gesicht, zog eine Parfümflasche hervor, die zu seinen aktuellen Arbeitswerkzeugen gehörte, drehte sie mit fliegender Hast auf und schleuderte sie dem Dämon entgegen, der ihm am nächsten war. Der Omchra kreischte, als die Flüssigkeit seinen halbstofflichen Körper benetzte. Elijah konzentrierte sich auf seine Magie und stürmte los. Er konnte alle Arten von Flüssigkeiten zu massivem Eis gefrieren lassen, sofern sie sich nicht weiter als fünf Meter von ihm entfernt befanden. Sekunden später zerbarst der Dämon in Myriaden Eissplittern. Ohne innezuhalten warf sich Elijah herum und hechtete zu Mackenzie hinüber. Keinen Moment zu spät: Dort, wo er gerade noch gestanden hatte, schlugen geballte Energiewellen ein und rissen ein Loch in den Boden. Ein großes Loch. Darunter lag ein Büroraum. Ohne zu zögern packte er seinen Schützling und sprang mit ihm durch das Loch, ohne sich um dessen panisches Geschrei zu kümmern. Hauptsache, er lockte die Dämonen weg von den wehrlosen Menschen und gewann Zeit! Omchras hielten nicht lange durch, sie würden schon bald in die Hölle zurückgeschleudert werden.

Sie landeten auf einem riesigen Schreibtisch, der massiv genug war, um nicht zu zerbrechen. Kurzer Seitenblick – Mackenzie schien unverletzt.

„Weg, weg!“, brüllte er, zerrte ihn mit sich zu Boden. Der Schreibtisch explodierte unter dem Beschuss der beiden überlebenden Dämonen. Leider hatte es nicht den Anschein, als würden ihre Kräfte bereits erlahmen … Elijah hastete zur Tür – die verschlossen war. Und in diesem kleinen Raum gab es keine Deckung vor den Omchras. Fieberhaft suchte er nach einer Waffe. Ein Feuerlöscher!

Er lächelte, als er sich zu seinen Feinden umwandte.

„Übermittelt den hochverehrten Höllenfürsten meine herzlichen Grüße“, sagte er höflich, während er einem Energiegeschoss auswich und die Dämonen mit Löschschaum besprühte. Einen Moment später endete der Spuk in einer Kaskade aus Eis.

„Ich fürchte, damit ist meine Tarnung im Eimer“, setzte er nach. Von Grauen verzerrte Gesichter erschienen am Rand des Lochs in der Decke. Neben ihm kam Mackenzie auf die Beine. Der junge Mann hatte einige blutige Kratzer, vermutlich von den Holzsplittern des Schreibtischs.

Mit einem tiefen Seufzer zückte Elijah sein Handy. Sein Boss würde gar nicht begeistert sein, oh nein! Und die Jungs und Mädels von der Sondertruppe, die die Erinnerungen der Tatzeugen verändern mussten, würden ihn mal wieder hassen. Dabei war es nicht seine Schuld, dass die Gegenseite im Moment sehr aktiv war.

„Was zur Hölle …“

„Genau das“, unterbrach ihn Elijah schroff und zischte in das Handy: „Omchras, Boss, ich brauche das Reinigungskommando.“ Dann wandte er sich den Leuten eine Etage höher zu, die durch das Loch spähten. „Sollte es eine Leiter geben, wäre ich Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sie uns reichen könnten.“

Mackenzie merkte, dass ihm der Mund offen stand. Die Tunte hatte gar keinen nasalen Defekt, sondern eine trotz der netten Worte befehlsgewohnte, tiefe Stimme. Mühsam versuchte er sich das blasse Gesicht ohne Schminke vorzustellen. Er blinzelte. Und was waren das überhaupt für Wesen, die sie angegriffen hatten? Über ihnen fiel mehrfach die Bezeichnung Aliens.

Eine Leiter wurde durch das Loch herabgelassen. Sein Retter stellte sie auf und deutete ihm an, hinaufzuklettern. Hilfreiche Arme streckten sich ihm entgegen, um den letzten fehlenden Meter zu überwinden. Adrian folgte ihm dichtauf mit der Gewandtheit einer Katze. Bevor jemand den Mund auftun konnte, zückte er einen wichtig aussehenden Ausweis und rief:

„Mein Name ist Elijah Tanner. Ich bin Agent bei der OMP. Die Einsatzkräfte sind bereits auf dem Weg hierher. Also bitte keine Panik. Ihre Fragen werde ich Ihnen allen gleich beantworten. Gibt es Verletzte?“

Einige meldeten sich mit blutigen Schrammen. Ein Erste-Hilfe-Kasten wurde herbeigeschleppt und zwei Assistentinnen der Modefirma waren sichtlich erleichtert, Verletzungen verbinden zu können.

„Mr. Kerr?“ Mit einer schwungvollen Geste deutete Adrian … Elijah … wie auch immer er hieß auf die Damen mit den Mullbinden. Langsam schüttelte er den Kopf.

„Nur Kratzer, nichts Wildes.“

„Nichts Wildes?“ William drängte sich durch die unruhigen Leute und baute sich vor ihm auf. „George ist tot!“

„George?“, mischte sich Elijah ein. „Hieß so der Fotograph?“

William nickte und starrte Elijah verwirrt an. Dessen Auftreten passte plötzlich überhaupt nicht zu Schminke und gelbem Pullunder.

„Was … was waren das für Gestalten?“, stammelte William und die anderen rückten wissbegierig näher. „Waren das … Aliens?“

Wenn sich Mackenzie nicht sehr irrte, dann zuckte es erneut kurz im Gesicht des Visagisten-Agenten.

„Ganz richtig“, antwortete er mit ruhiger Stimme. „Es waren Außerirdische. Die OMP ist direkt dem Ministerium für Verteidigung unterstellt. Sie haben gewiss von Area 51 gehört …“

Zustimmendes Gemurmel erklang. Mackenzie dagegen verzog das Gesicht. Aliens? Kleine grüne Männchen aus dem All? So ein Blödsinn. Er glaubte diesem Elijah keine einzige Silbe. Der bestätigte doch lediglich die Phantasie dieser Leute.

„Was bedeutet OMP eigentlich?“, erkundigte er sich dazwischen. Elijah drehte sich zu ihm um.

„Organisation for alien Mights from Planets“, behauptete er ohne mit der Wimper zu zucken. Beinahe hätte ihm Mackenzie Applaus gespendet. Der Typ log wie gedruckt und dazu noch ohne zu zögern.

„Und warum habe ich nie von einer solchen Organisation gehört?“, bohrte er weiter.

„Sie waren auch noch nie in Area 51, wenn ich richtig liege, Mr. Kerr.“ Elijah wandte ihm den Rücken zu und unterband damit jeglichen weiteren Wortwechsel. Mit Absicht, wie Mackenzie ahnte.

„Hallo? Hören Sie mir bitte einen Augenblick zu“, rief der Agent nun. „Ich möchte Sie bitten, dass Sie beisammen bleiben. Niemand verlässt den Raum, bis Hilfe eingetroffen ist. Jeden Moment müssen die Spezialkräfte eintrudeln.

---ENDE DER LESEPROBE---