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Tanztheater in der Schule - spätestens seit dem 2004 erschienenen Film über Maldooms Tanzprojekt mit Jugendlichen und dem Berliner Sinfonieorchester ist die Bedeutung von Tanz an Schulen für LehrerInnen sehr relevant für ihren pädagogischen Alltag - aber Schulalltag, fehlende Fortbildung etc. verhindern die Umsetzung. Dies Buch ist ein Mutmacherbuch - basierend auf den Erfahrungen von vielen Haupt- und RealschulkollegInnen, die sich trauten, ein großes Tanztheaterprojekt (mit über 100 TanzerInnen) auf die Bühne zu bringen. Es verortet erstmals auch Tanztheaterthemen (Romeo und Julia, angesiedelt im deutsch-türkischen Raum) im Fachunterricht diverser Fächer (weitere 100 SchülerInnen wurden dadurch direkt am Bühnengeschehen beteiligt) und viele Klassen machten Unterrichtsprojekte zum Thema. - 8 Monate das Thema "Romeo und Julia" im gesamten Schulzentrum! Ein Praxisbuch, das LehrerInnen der Sek1+2 die Möglichkeit gibt, das Projekt von A-Z umzusetzen (Unterrichtsskizzen, Szenen, Choreographien, bestellbare 2 Musik-CDs liefern dafür die Basis), ein Buch, das aber auch viele Tipps gibt zur eigenen Umsetzung des Themas.
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Seitenzahl: 155
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A Tanz/Tanztheater in der Schule – Ein kritischer Rundblick
1. You can change your life in a dance class (Royston Maldoom)
2. Förderprogramme für Tanz an Schulen–Professionelle TänzerInnen arbeiten mit SchülerInnen
3.Tanzprojekte mit außerschulischen Anbietern sind zwar fantastisch – Tanz kann aber auf diesem Weg nicht effektiv in Schule verankert werden
B Warum Sie als FachlehrerIn für Musik, Mathe, Deutsch, Sport, Geschichte etc. sich trauen sollten, mit Ihren Klassen zu tanzen
C Acht Monate fächerübergreifendes Tanztheaterprojekt „Romeo und Julia“ – von der Planung bis zur Premiere
1. Ziele des Projekts
2. Möglichkeiten des fächerübergreifenden Arbeitens an einem klassischen Thema: Romeo und Julia
3. Planungsphasen vor Projektbeginn
4. Verlauf nach Projektbeginn
5. Fazit
D Romeo und Julia: Szenen 1-16 (eigene Version)
E Einige Unterrichtsstunden und Choreografien
1. Hinführung zur 1. Szene
2. Choreografie 1. Szene
3. Einige Choreografien 2. Szene
4. Hinführung zur 8. Szene
5. Choreografie 8. Szene und Überleitungen
6. Choreografie 9. Szene
7. Choreografien 10. Szene
8. Choreografien 12. Szene
9. Hinführung zur 13. Szene
10.Choreografie 13. Szene
11.Hinführung zur 14. Szene
12.Choreografie 14. Szene
13.Choreografie 15. Szene
14.Hinführung zur 16.Szene
15 .Choreografien 16.Szene
F Tanzen Sie mit Ihren SchülerInnen
Anhang 1: Literaturvorschläge
Anhang 2: Arbeitsblatt: Praxisvorschläge Tanz
Anhang 3: Arbeitsblatt: Musikvorschläge
Anhang 4: Filme
Anhang 5: Rollen-Wunschliste
Anhang 6: CD -Playlist zu den in E vorgeschlagenen Unterrichtsstunden und Choreografien
Tanz/Tanztheater in der Schule ist seit “Rhythm is It!” höchst aktuell – leider erst seitdem. Der 2004 in die Kinos gelangte Film über das Tanzprojekt von Royston Maldoom mit Berliner SchülerInnen, in Zusammenarbeit mit Simon Rattle und den Berliner Sinfonikern, war der Anschub für vielfältige Tanzprojekte an Schulen. Maldooms Botschaft „You can change your life in a dance class“ ließ PädagogInnen und Institutionen aufhorchen.
Natürlich hat es auch vorher weniger medienspektakuläre Tanzprojekte gegeben, aber Tanz befand sich an der Schule vorwiegend in einem Nischendasein, verschoben in gelegentliche Arbeitsgemeinschaften oder Projekte mit unterschiedlichem, meist modediktiertem Schwerpunkt: mal ein wenig Jazzdance oder Folkdance oder Breakdance etc. – je nach Können oder Vorliebe der jeweiligen Lehrkraft.
Seit „Rhythm is It!“ ist zeitgenössischer kreativer Tanz im Bewusstsein von PädagogInnen, Tanzinstituten und Medien sanktioniert als sehr ernst zu nehmendes wichtiges schulisches Angebot. Kreativer Tanz – das ist allen auch vorher nicht neu gewesen – bietet unbegrenzte Möglichkeiten zum künstlerischen Ausdruck. Dass tänzerische Prozesse wie Imitation, Improvisation und Komposition aber auch bestens geeignet sind für viele an Schulen zu vermittelnde Kompetenzen, das scheint erst seit „Rhythm is It!“ relevant zu sein. Tanz fördert
- Selbstkompetenzen wie Wahrnehmungsfähigkeit, Spontaneität und Flexibilität
- künstlerische Kompetenzen wie Gestaltungsfähigkeit, Kreativität und Sinnlichkeit
- Sozialkompetenzen wie Kommunikationsfähigkeit, Durchhaltevermögen und Kooperation
- kulturelle Kompetenzen wie Teilnahme am kulturellen Leben, Offenheit und Toleranz für die eigene und fremde Kultur
- Methodenkompetenzen wie Reflektionsfähigkeit, Konzentration und Meinungsbildung
- fachliche Kompetenzen in vielen Fachbereichen, wenn bspw. biologische, physikalische, geschichtliche Themen
auch
tänzerisch erarbeitet werden (ein Ansatz, der noch in den Kinderschuhen steckt, für tanzinteressierte FachlehrerInnen und professionelle TanzpädagogInnen ein ganz spannendes Betätigungsfeld!)
Die Bundeskulturstiftung legte 2005 ein millionenschweres Förderprogramm für den Tanz, besonders den Tanz an Schulen auf. „Tanzplan Deutschland“ gab bis Ende 2010 12,5 Millionen Euro dafür aus. Bei den geförderten Projekten verpflichteten sich die Kommunen, die Hälfte der Projektsumme dazuzulegen. Seitdem haben – regional unterschiedlich – sehr gute (auch von anderen Sponsoren) geförderte Tanzprojekte mit Schulklassen aller Schulstufen stattgefunden: TänzerInnen, TanzpädagogInnen, ChoreographInnen arbeiteten an Projekttagen, in Projektwochen oder auch monatelang im regulären Unterricht mit den jeweiligen Klassen und ihren LehrerInnen an einem Tanzprojekt. Die Anfragen von Schulen, die ihren SchülerInnen Tanzprojekte bieten wollten, stieg jedes Jahr. So berichtet bspw. der Fachbereich „Tanz an Schulen“ im NRW Landesbüro Tanz, dass 2004 28 Schulen ihr Angebot annahmen, im Jahre 2006/07 schon über hundert. In Bremen gibt es bereits seit 1997 „Whirlschool“, eine dreimonatige Arbeit von TänzerInnen mit 6 Klassen oder Arbeitsgemeinschaften verschiedener Schulen und anschließender gemeinsamer Performance. Verstärkt seit „Rhythm is It!“ müssen unzählige Anfragen abschlägig beantwortet werden: Gelder und Kapazitäten fehlen. In anderen Tanzplan-Städten sieht es ähnlich aus: „Come and Move“ in Hannover, „StadtLandTanz“ in Stuttgart, „Take Off“ in Düsseldorf, „Tanzen macht schlau“ in Berlin – um nur einige Projekte zu nennen – bringen den zeitgenössischen Tanz in die Schule, können aber auch nur wenige Anfragen bedienen.
Maldoom hat mit seinem „Community Dance“1, der weit über die Tanz-an-Schulen-Projekte hinausgeht (er arbeitete schon in den 70ger/80ger Jahren in einem kleinen schottischen Dorf, in Sarajewo, in Südafrika, in Nordirland, in Äthopien… mit kleinen Gruppen und Riesengruppen, mit Kindern, Schülern, Behinderten, Gefängnisinsassen, Senioren etc. und: mit weltberühmten Orchester). Er brachte den zeitgenössischen Tanz ins Bewusstsein , auch (vielleicht) ins Bewusstsein von Bildungsbehörden.
Seit 2007 gibt es – neben dem Bundesverband für Darstellendes Spiel – auch endlich den Bundesverband für Tanz an Schulen, ein Zeichen dafür, dass längst bekannte pädagogische Thesen nun auch formell im Tanzbereich ein Forum finden. Tanz unterstützt nachhaltiger als viele andere schulische Projekte die Persönlichkeitsentwicklung und die Entwicklung der künstlerisch-ästhetischen sowie kreativen Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen und leistet damit einen großen Beitrag zur ganzheitlichen Lernentwicklung. Der Bundesverband koordiniert Projekte, gibt Tipps zur Weiterbildung, kümmert sich um ein (noch nicht vorhandenes) Ausbildungssystem für TanzpädagogInnen etc.
Fazit: Dank Tanzplan Deutschland und dem Bundesverband Tanz an Schulen (aber auch aufgrund vieler anderer privater Sponsoren) gab es seit einigen Jahren eine Reihe von bemerkenswerten schulischen Tanzprojekten mit außerschulischen Anbietern. Für die beteiligten Klassen war diese Erfahrung sicher ein unvergessliches Erlebnis.
Die initierten Tanzprojekte mit außerschulischen KünstlerInnen sind zeitlich und örtlich viel zu punktuell
Nur wenige Klassen oder AGn – vorwiegend SchülerInnen in größeren Städten und vorwiegend GrundschülerInnen – haben die eventuelle Chance, an einem Tanzprojekt teilzunehmen, und das in der Regel auch nur einmal in ihrem Schulleben.2 Der überwiegende Teil der SchülerInnen kommt nie in den Genuss, Tanzerfahrungen zu machen. Da Fördermittel sicher knapp bleiben oder ganz wegfallen, wird sich an dieser Situation nichts ändern. Die Zusammenarbeit mit professionellen TänzerInnen ist wichtig, aber letztlich nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Weg, nur mit außerschulischen Anbietern Tanz in die Schulen zu bringen, führt in die Sackgasse.
Ohne überaus engagierte LehrerInnen, die die Zusammenarbeit mit außerschulischen KünstlerInnen initiieren, finden diese seltenen Tanzprojekte überhaupt nicht statt
SchülerInnen haben nur die Chance, eventuell an einem Tanzprojekt teilzunehmen, wenn sie zufällig eine sehr engagierte LehrerIn haben. Diese(r) muss zunächst Kooperationspartner und Finanzierungsprojekte suchen.
Aufgrund der föderalistischen Strukturen existiert kein einheitlichen Organisations- und Förderprogramm.
Kooperationspartner sind Landesarbeitsgemeinschaften, Kulturelle Jugendbildung, Pädagogische Referate, Landesinstitute für Schulen, Universitäten, Hochschulen, Städtische Bühnen, der Bundesverband Tanz an Schulen, regionale Tanzplaninstitutionen in den 9 Tanzplan-Städten oder Tanzinstitute vor Ort.
LehrerInnen, die ihrer Klasse ein Tanzprojekt mit professionellen TänzerInnen anbieten möchten, müssen sich also erstmal durch einen Wust von möglichen Kooperationspartnern und Finanzierungspartnern durchtelefonieren, Anträge stellen, Absagen verkraften, und wenn sie hartnäckig genug sind und Glück haben, klappt es eventuell und ihre Klasse kommt in den Genuss, Tanzerfahrungen zu machen.
Außer Initiatorinist die beteiligte Lehrkraft Organisatorin – der Tanzstundenplan muss mit KollegInnen und Schulleitung koordiniert und durchgesetzt werden, Räume und Technik müssen bereit gestellt werden, und auch Aufführungen erfordern eine Fülle an organisatorischen (und anderen) Leistungen, die natürlich auf freiwilligem Engagement beruhen. Nicht zuletzt ist die Lehrkraft auch oft Disziplin schaffende und motivierende Begleiterin des Tanzprojekts.
LehrerInnen sind also diejenigen, die den außerschulischen Profis „den Boden bereiten“, wie es eine beim Bremer Whirlschool-Projekt beteiligte Tänzerin es ausdrückte. „Wir halten ihr den Rücken frei“, konstatiert eine beteiligte Lehrerin, „ich sorge für alles: Disziplin, Technik.“3
LehrerInnen müssen also viel Zeit und Kraft investieren, damit es zu einer guten Kooperation kommt, wobei die Rollen klar verteilt sind. Natürlich profitiert die beteiligte Lehrkraft auch davon – oft gewinnt sie eine ganz neue Sicht auf viele ihrer SchülerInnen. Aber solange es dem Zufall überlassen bleibt, ob eine tanzinteressierte, überaus engagierte Lehrkraft an der Schule ist, die sich für solche Projekte einsetzt, kann Tanz nicht an Schulen verankert werden.
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Schulische Tanzprojekte sollten – damit die am Anfang genannten Kompetenzen auch wirklich gefördert werden – in einem beständigen pädagogischen und/oder fachspezifischen bzw. fächerübergreifenden Kontext stehen. Dies ist zum großen Teil mit außerschulischen Anbietern nicht möglich
Die TänzerInnen sind in der Regel nur für ein kurzfristiges Tanzprojekt an der Schule – völlig losgelöst vom sonstigen Schul- und Unterrichtsgeschehen. Dies kann für die beteiligten SchülerInnen zwar ein unvergessliches Highlight ihres Schullebens sein.
Wenn Tanz jedoch wie Kunst, Musik und zum Teil Darstellendes Spiel in der Schule verankert werden soll und damit allen SchülerInnen aller Schulformen Zugang zu Tanzerfahrungen ermöglicht wird, dann müssen Tanzprojekte auch – wie andere Schulprojekte – in einem pädagogischen, fachspezifischen oder fächerübergreifenden Kontext stehen. Nur dann bekommt die persönlich erlebte Tanzerfahrung einen Background, verknüpft sich mit anderen Inhalten und öffnet Wege zur Selbst- und Welterfahrung. Dies können jedoch außerschulische Anbieter kaum leisten. Sie kennen weder die interne Schulstruktur noch die Besonderheiten der Klasse, mit der sie arbeiten, geschweige denn die Geschichte einzelner SchülerInnen oder die jeweiligen Unterrichtsinhalte. Hinzu kommt, dass TänzerInnen, die sich für Tanzprojekte anbieten, aus sehr verschieden strukturierten Ausbildungsstätten kommen, zum großen Teil ohne jegliche pädagogische Ausbildung oder Erfahrung.
Fachspezifische oder fächerübergreifende Aspekte des Tanzprojekts können von ihnen natürlich auch nicht erwartet werden. Die beteiligte Lehrkraft müsste dann die fachspezifischen und fächerübergreifenden Zusammenhänge liefern. Wer den Schulalltag kennt, weiß, dass dies in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nur sehr unzulänglich geschehen kann. Die Zeit der TänzerInnen an der Schule beschränkt sich zumeist auf die bezahlten Tanzstunden, und auch die Lehrkraft hat an den Tagen, an denen ihre Klasse Tanzunterricht hat, einen ganz normalen Schultag mit allen Stressfaktoren, die Schule nun mal bietet. Da bleibt für beide Partner nicht genügend Zeit, um das Projekt pädagogisch sinnvoll ins Unterrichtsgeschehen einzubetten.
Zwar gibt es bereits erfreuliche Ansätze, auch fachspezifische Inhalte tänzerisch zu erkunden, als Beispiel sei Claudia Hanfgarn genannt, die in Bremerhaven mit SchülerInnen tänzerisch u.a. physikalische, biologische oder chemische Prozesse erforscht4
Aber generell finden Tanzprojekte im völlig luftleeren Raum statt, außerhalb von Schul- und Unterrichtswirklichkeit. Natürlich sind auch solche „abgehobenen“ Tanzprojekte äußerst wichtig – die Ausnahmesituation, mit professionellen TänzerInnen zu arbeiten, ist für SchülerInnen eine fundamentale Erfahrung – aber diese Projekte sind nicht der Weg, um Tanz wie Musik, Kunst, Darstellendes Spiel im Schulalltag zu verankern.
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Fazit: Tanz gehört – wie Musik, Kunst, Darstellendes Spiel – in den regulären Unterricht
Der Weg, den der Bundesverband Tanz an Schulen und Tanzplan Deutschland verfolgen, mit Hilfe von professionellen TänzerInnen zeitgenössischen Tanz in die Schulen zu bringen, ist beachtenswert, aber, wie die vorherigen Ausführungen zeigen, wenig effektiv, was Kompetenzförderung und Nachhaltigkeit betrifft. Andere, effektivere Wege hätten längst parallel laufen müssen. Die Bundeskulturstiftung hat mit ihrer Millionenförderung die Bedeutung von Tanz an Schulen erkannt, die Kultusministerien offensichtlich nicht – aber erfahrungsgemäß dauert ja immer ca 30 Jahre, bis pädagogische, wissenschaftlich untermauerte Erkenntnisse in die Schulrealität gelangen. Die effektiveren Wege hätten von der Bildungspolitik in Gang gesetzt werden sollen:
- Tanz im regulären Unterricht
- Konsequente tanzpädagogische Lehrerausbildung und –fortbildung (ersteres für Musik- /Sport-/ Darstellendes Spiel – LehrerInnen,(und zwar nicht fakultativ, sondern festgelegte Module!),letzteres für alle tanzinteressierten Lehrkräfte (und nicht nur in Wochenendkursen, wie heute vorwiegend üblich!)
- Tanzpädagogische Studiengänge für TänzerInnen mit Masterabschluss, die Module für Tanz an Schulen enthalten, so dass AbsolventInnen gleichberechtigt mit LehramtskandidatInnen an Schulen arbeiten können.
- Beide Varianten – tanzpädagogisch ausgebildete LehrerInnen und tanzpädagogisch ausgebildete TänzerInnen – hätten eine Chance, zeitgenössischen Tanz in Schulen zu verankern.
Aber beides ist bis jetzt nicht geschehen.
Tanz hat bisher in Deutschland kein eigenes fachliches Profil im Rahmenlehrplan mit eigenem Curriculum. Er findet lediglich Erwähnung in den Fächern Musik, Sport, Deutsch und in einigen Bundesländern auch im Darstellenden Spiel. Zum Vergleich: in den Niederlanden ist bspw. Tanz schon seit 1993 ein Schulfach in der Mittelstufe, seit 1998 auch im Gymnasialbereich, 15 Schulen bieten Tanz als Abiturfach an!
Darstellendes Spiel hat sich in Deutschland auch erst nach langen Kämpfen theaterpädagogisch arbeitender LehrerInnen als Fach durchgesetzt. Aber immer noch gibt es dieses Fach vorwiegend an Gymnasien – und das auch nicht in allen Bundesländern. Also können auch fast nur angehende Sek2-LehrerInnen Darstellendes Spiel als Fach studieren. Aber gerade im Grundschul- und Sek1- Bereich wäre ein solches Studium wichtig! Doch hier müssen LehrerInnen sich in vorwiegend von außerschulischen Anbietern angebotenen, teuren Kursen in ihrer Freizeit theaterpädagogische Fähigkeiten aneignen. Längst ist es überfällig, dass das Fach Darstellendes Spiel in allen Schulformen und allen Bundesländern curricular verankert wird.
Angesichts der mühsamen Entwicklung diese Faches erscheint es mir illusorisch zu sein, auch noch Tanz in den Schulalltag zu verorten, obwohl es keine sinnvolle Begründung gibt (außer einer historischen) für die Tatsache, dass Bildende Kunst und Musik sanktionierte Schulfächer sind, die Darstellenden Künste (Theater, Tanz) jedoch nicht.
Dass Tanz dennoch, curricular verankert, regelmäßig in allen Schulformen und allen Bundesländern angeboten wird, kann nur dann gewährleistet werden, wenn nicht gelegentliche Förderer aus Kultur und Wirtschaft die Förderung übernehmen, sondern die zuständigen Bildungsbehörden – mit oben vorgestelltem Konzept.
Tanz verbindet kognitives Lernen mit praktischem, musikalischem, künstlerischem, gestalterischem, sportlichem und sozialem Lernen und erfüllt damit den Erziehungs- und Bildungsauftrag der allgemeinbildenden Schulen in entscheidenden Punkten.
Schule ist der einzige Ort, der Kindern und Jugendlichen, unabhängig von Sozialstatus und finanziellen Möglichkeiten, Tanzerfahrungen vermitteln kann.
Darum muss Tanz im regulären Unterricht stattfinden und darf nicht abgeschoben werden in gelegentliche Arbeitsgemeinschaften oder noch seltenere Projekte mit außerschulischen Kooperationspartnern.
Solange die Rahmenbedingungen für Tanz an Schulen (curriculare Verankerung und Aus-/Weiterbildung) nicht geschaffen sind, wird sich am jetzigen Status Quo nichts ändern, d.h. die meisten Kinder und Jugendlichen werden keine Tanzerfahrungen (und die mit ihnen verbundenen Entwicklungsprozesse) machen können) –
es sei denn, es trauen sich auch wenig tanzerfahrene LehrerInnen, Tanzprojekte an ihren Schulen zu initiieren –
und dazu soll dieses Buch Mut machen!
1 Siehe Anhang 1, Carley, S. 131
2 Empirische Annäherung an Tanz an Schulen (siehe Literaturvorschläge Anhang 1,S.131): Nur 5 Prozent der Tanzan-Schulen-Projekte finden in ländlichen Gebieten statt. 30 Prozent der teilnehmenden Schulen waren Grundschulen, gefolgt von Gymnasien (15 Prozent), Sek1-Schulen waren nur mit 5 Prozent beteiligt.(S.22ff)
3 10 Jahre Wqhirlschool Bremen, DVD,2007
4 TAPST, Tanzpädagogisches Projekt Schultanz, unterstützt vom Arbeitsförderungszentrum Bremen (afz)
Die Rahmenbedingungen, um Tanz wirklich in Schulen zu verankern, sind – wie wir gesehen haben – nicht vorhanden und sie werden auch in 10 Jahren noch nicht vorhanden sein. Wenn Sie als LehrerIn jedoch wissen, welche positiven Auswirkungen Tanz- oder Tanztheaterprojekte haben und wenn es Ihnen wichtig ist, dass Ihre Klassen Tanzerfahrungen machen, dann warten Sie nicht darauf, dass irgendwann in ferner Zeit Tanz curricular festgeschrieben wird und tanzpädagogisch ausgebildete KollegInnen an Ihrer Schule unterrichten, sondern fangen Sie selbst an, auch ohne oder nur geringer Tanzerfahrung.
Sie glauben, das geht nicht? Es geht – wir haben es an meiner Schule ausprobiert. Wir holten uns vielfach Hilfe von einer professionellen Tänzerin, von Büchern, Filmen, zum Teil auch Kursen – und wir trauten uns. Wir möchten Sie ermuntern sich auch einfach zu trauen.
Ihre SchülerInnen können gehen, rennen, springen, fallen, rollen – also können sie tanzen. Und Sie als LehrerIn können das auch: gehen, rennen, springen, fallen, rollen – und Sie haben überdies pädagogische Fähigkeiten. Also können Sie Tanz- und Tanztheaterprojekte initiieren. So einfach ist das – zumindest erstmal.
Natürlich sind Sie keine TänzerInnen und Sie werden natürlich dem Anspruch, den Sie an ausgebildete TanzpädagogInnen stellen würden, nicht gerecht. Aber Sie können sich gemeinsam mit Ihren SchülerInnen auf Tanzerfahrungen einlassen.
Warum Sie das neben oder in Ihrem aufreibenden Fachlehrer-Alltag tun sollten? Weil Sie selbst von diesem kreativen Prozess ungemein profitieren, physisch, psychisch und pädagogisch, und weil Sie Ihren SchülerInnen so nah sind wie sonst nie. Sie werden erfahren, dass ein solches Projekt (ob einstündig im Fachunterricht, ganztägig als Projekttag, 5-tägig während einer Projektwoche oder halb- bzw. ganzjährig in einer AG, im Wahlpflichtunterricht oder Kurs) Ihren Ort an der Schule neu definiert und Potentiale in Ihnen freisetzt, die Sie sonst nicht kennen gelernt hätten. Und Sie werden erleben, dass ein Tanz-/Tanztheaterprojekt so viele pädagogische und fachliche Themen abdecken kann, wie Sie es sich in Ihrem fachspezifischen Fächerkanon nicht annähernd erhoffen können.
Aus all diesen Gründen sollten Sie mit Ihren Klassen tanzen. Vertrauen Sie auf Ihre Fantasie und auf die Ihrer SchülerInnen.
Die Kenntnis von Warming-Up-Übungen, von tänzerischen Übungen zur kreativen Praxis (Hinführung zur Improvisation, Ausgestaltung eines musikalischen, textlichen, bildnerischen oder im Gespräch entstandenen Themas) macht es Ihnen natürlich leichter, solch ein Projekt zu beginnen. Aber dafür gibt es eine Fülle von Anregungen und Tipps in Büchern und Zeitschriften.5 Und wenn Sie die Möglichkeit haben, wenigstens einen Schnupperkurs im Bereich zeitgenössischer Tanz zu besuchen, nutzen Sie sie. Ein Kooperationspartner im professionellen Tanzbereich hilft Ihnen natürlich immens weiter. Holen Sie sich jede Hilfe, die Sie brauchen – aber vertrauen Sie letztlich auf Ihre Kreativität und die Ihrer SchülerInnen.
Im Grunde bleibt es dabei: Tanzen ist Gehen, Rennen, Springen, Fallen, Rollen – und das Einlassen auf Musik, Texte oder Themen. Und das gekoppelt mit Ihrem pädagogischen Know-How und dem Mut, Unbekanntes, Neues zu beginnen (Verlassen von Bewegungsmustern und anderen Mustern) lässt Tanz entstehen. Wenn Sie der Film „Rhythm is It!“ fasziniert hat, bzw. wenn Sie immer schon gespürt oder gewusst haben, dass Tanz ganz wesentlich die psychosoziale Entwicklung Ihrer SchülerInnen beeinflusst (von den schon vorher genannten positiven Einflüssen mal ganz abgesehen) und dass auch Sie selbst davon in vielfältiger Form profitieren – dann sind Sie reif für ein Tanzprojekt!